Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eingangs als Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität die Bemerkung, daß es nicht tunlich sein sollte, das Staatsoberhaupt und den amtierenden Präsidenten eines Parlaments in einer parlamentarischen Debatte zu zitieren, weil nämlich sonst der amtierende Präsident sich ablösen lassen muß, um darauf zu antworten. Zumindest sollte es ein Akt der Fairneß sein, vorher dem amtierenden Präsidenten zu sagen, daß man ihn zitieren will, damit er sich vorher ablösen lassen kann.
Im übrigen ist es, wie gesagt, eine Gepflogenheit in
allen Parlamenten der Welt, das Staatsoberhaupt und den amtierenden Präsidenten tunlichst aus der Debatte herauszuhalten.
Und nun eine zweite Bemerkung. Ich glaube, daß ich auch Ihr Empfinden zum Ausdruck bringe, wenn ich hier feststelle, daß wir in dem Niveau der heutigen vierstündigen Debatte in die schwärzesten Tage der ersten parlamentarischen Gehversuche vor zwei Jahren zurückgefallen sind.
Und gerade Sie, Kollege von Thadden, haben damals aus einer Zeitung zitiert, daß man hier geistiges Florettfechten und nicht Holzhammermethoden praktizieren sollte. Ich glaube, Sie haben heute gerade diesen Ihren damaligen Satz für sich selbst vergessen.
Und es ist hier weiter von dem „Lübecker Lehr-Lauf" — ein nettes Bonmot des Herrn Dr. Menzel übrigens — über die Berufung des Naturrechts der Notwehr für die jungen Friedenskämpfer des Herrn Kollegen Renner — sehr interessant, daß Kommunisten sich auf das Naturrecht berufen —,
über das Liebeswerben um die SPD von Herrn Renner bis zu Druckfehlerzitierungen und dem „liberalen Dürrholz" diskutiert worden.
Bevor ich auf das „liberale Dürrholz" zum Schluß eingehe, nun einige Worte zur Sache, nämlich zu der Frage der Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens. Der Herr Kollege Dr. Menzel hat von einer Intervention gesprochen, die Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr im Falle Peter von Zahn geübt hätte. Ich glaube, es war damals weniger eine Intervention beim Nordwestdeutschen Rundfunk als vielmehr ein Versuch, zu einer Neuordnung des besatzungs-atmosphärisch entstandenen deutschen Rundfunks zu kommen. Und wer wollte leugnen, daß diese Neuordnung des deutschen Rundfunks längst fällig ist? Es ist hier schon einmal darüber gesprochen worden, und ich möchte auch diese Gelegenheit dazu benutzen, den Herrn Bundesinnenminister aufzufordern, bei den Hohen Kommissaren dringend vorstellig zu werden und für die Aufhebung des Kontrollratsgesetzes Nr. 3 und der daraus und aus entsprechenden Verordnungen resultierenden britischen und französischen Beschränkungen einzutreten. Wenn wir nicht erleben wollen, daß nicht föderalistische, sondern partikulare Abmachungen und Faits accomplis stattfinden — im Süden oder im Norden —, müssen wir baldigst das Bundesrundfunkgesetz hier im Plenum debattieren können, und es muß die Priorität vor dem Pressegesetz haben. Ich richte daher im Namen meiner Fraktion an den Herrn Bundesinnenminister die Bitte, dringend das Bundesrundfunkgesetz als Vorlage zunächst vor das Kabinett und dann vor das Hohe Haus zu bringen.
Und nun zum Jugendplan. Auch hier ist nur kurz darüber gesprochen worden, und der Bundesinnenminister sagte zu, im kommenden Jahr noch mehr Mittel freizumachen. Man sollte dann aber aus den Fehlern lernen, die sich in der Durchführung des Bundesj ugendplanes in der Vergangenheit ergeben haben. Ich möchte nur die Lorelei und den Lorelei-film des Herrn K r o h m a n n zitieren, und ich glaube, man sollte den Funktionären der Jugend mit mehr Mißtrauen, der J u g e n d selbst aber mit mehr Vertrauen begegnen.
Und nun zu Ihrer Zitierung, Herr Kollege Dr. Jaeger! Sie haben recht: wir haben vier Grundgesetzänderungsanträge gestellt, weil wir glauben, daß in gewissen Dingen die Situation im Jahre 1951 anders ist als im Jahre 1948/49 bei der Debatte um das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat. Man sollte doch daraus die Konsequenzen ziehen. Schließlich spricht das Grundgesetz selbst im Art. 146 von der Möglichkeit einer neuen Verfassung! Die alte Verfassung soll an dem Tage die Kraft verlieren, an dem eine in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Wirksamkeit treten kann. Warum sollen wir nicht auf dem Wege zu diesem Fernziel einige wichtige Änderungen schon jetzt vornehmen? Ich sehe darin gar keine Gefahr für den Föderalismus, zu dem auch ich mich bekenne. Aber vielleicht verstehe ich ihn anders. Ich interpretiere ihn aus foedus, dem Bündnis. Also das Zusammenhalten, das Zusammenführen ist der integrierende Bestandteil einer föderalistischen Staatsform. Was sich aber im Augenblick tut, ist mehr Auseinanderstreben, ist nicht mehr foedus, sondern ist das ganze Gegenteil. Das ist das, was uns Sorge macht, Herr Kollege Jaeger. Es scheint doch manchmal so, daß hier nicht Föderalismus, sondern schon ein überspitzter Partikularismus zur Debatte steht.
Sehen Sie bitte so unsere Sorgen; dann werden Sie in Zukunft auch nicht mehr von dem „liberalen Dürrholz" sprechen, sondern vielleicht von einem grünen Ast der Liberalen, die früher als Sie erkannt haben, daß der Zentralisator heute die deutsche Not ist, daß uns die deutsche Not allein schon zwingt, Lösungen auf der oberen Ebene zu suchen, nachdem sie auf der mittleren und unteren während zweier Jahre eben nicht gefunden werden konnten.