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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 166. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1951 6768 166. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6765A, 6817C Eintritt der Abg. Dr. Meitinger (BP) und Odenthal (SPD) in den Bundestag . . . 6765B Glückwunsch zum 70. Geburtstag des Abg. Sander 6765B Glückwunsch zum 65. Geburtstag des Abg. Gengler .. . . 6765B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten 6765C Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus im Kohlenbergbau . . 6765C Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer .. . . . 6765C Anfrage Nr. 203 der Fraktion der KPD betr. Aufstellung von Stammrollen im Bundesministerium des Innern (Nrn. 2524, 2625 der Drucksachen) 6765C Anfrage Nr. 204 der Abg. Frau Dr. Steinbiß u. Gen. betr. Ärzte und Krankenkassen (Nrn. 2545, 2654 der Drucksachen) . . . 6765C Anfrage Nr. 206 der Fraktion der DP betr. Vermittlung deutscher Arbeitnehmer im Ausland (Nrn. 2561, 2652 der Drucksachen) 6765C Anfrage Nr. 207 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß u. Gen. betr. Abtransport deutschen Kunstbesitzes nach Österreich (Nrn. 2562, 2653 der Drucksachen) . . . 6765C Bericht des Bundesministers für Arbeit betr. Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 2629 der Drucksachen) 6765D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entwurf eines Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Nrn. 2568, 978 der Drucksachen) 6765D zur Geschäftsordnung: Renner (KPD) 6765D, 6766C Schoettle (SPD) 6766B Ausschußrücküberweisung 6766D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Gewährung von Blinden-geldern an Zivilblinde (Nr. 2435 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Blindenpflegegeld-Gesetz (Nr. 2556 der Drucksachen) . 6766D Frau Döhring (SPD), Interpellantn . 6766D Renner (KPD), Antragsteller 6768A, 6770A Bleek, Staatssekretär im Bundes- ministerium des Innern 6769B Ausschußüberweisung 6769D, 6770B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer nebst Schlußprotokoll (Nr. 2574 der Drucksachen) . 6770B Ausschußüberweisung 6770C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr. 2575 der Drucksachen) 6770C Ausschußüberweisung 6770C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Tillmanns u. Gen. betr. Neubesetzung im öffentlichen Dienst (Nrn. 2583, 1513 der Drucksachen) .. 6770C Dr. Kleindinst (CSU), Bericht- erstatter 6770D Beschlußfassung . 6771A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Beamte, Angestellte, Arbeiter und Versorgungsempfänger öffentlich-rechtlicher Körperschaften (Nrn 2584, 2444 der Drucksachen) 6771A Dr. Kleindinst (CSU), Bericht- erstatter 6771B Beschlußfassung .. 6771B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Abg. Schmitt (Mainz) betr. Wiederaufbau der Kaiserbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden (Nrn 2567, 2152 der Drucksachen) 6771C Heiland (SPD), Berichterstatter . . 6771C Beschlußfassung 6771D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Gewährung von Mitteln für die durch das Erdbeben am 14. März 1951 schwer betroffenen Kreise Schleiden und Euskirchen, den Antrag der Abg. Herrmann, Dr. Zawadil, Nickl, Dr. Etzel (Bamberg), Tichi u. Gen. betr. Hilfeleistung für die Unwetterschäden vom 18. Juni 1951 in Bayreuth und Umgebung, den Antrag der Abg. Stücklen u. Gen. betr. Hilfeleistung für Unwetterschäden in Bayern am 23. und 24. Juni 1951 und den Antrag der Abg. Sassnick, Rahn, Dr. Wellhausen, Reindl u. Gen. betr. Hilfeleistung für die Opfer der Explosionskatastrophe in Nürnberg (Nrn. 2569, 2065, 2369, 2393, 2335 der Drucksachen) 6771D Schoettle (SPD), Berichterstatter . 6772A Beschlußfassung . . . . .. . . . . . 6772C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Errichtung eines SchiffsreparaturDockbaubetriebes (Nrn. 2576, 2329 der Drucksachen) 6772C Beschlußfassung .. 6772D Beratung des Antrags der Abg. Dr. Gerstenmaier, Dr. Schmid (Tübingen), Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Mühlenfeld, Dr. Seelos u. Gen. betr. Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Cultural Exchange Program der USA (Nr. 2487 der Drucksachen) 6772D, 6773C Arndgen (CDU) 6772D Dr. Gerstenmaier (CDU), Antragsteller 6773C Hennig (SPD) 6774B Dr.-Ing. Decker (BP) 6775A Müller (Frankfurt) (KPD) . . . . .6775B Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6775D Beschlußfassung 6775D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sabel u. Gen. betr. Gewährung von Weihnachtszuwendungen an die Bediensteten der Bundesbehörden (Nrn. 2455, 390 der Drucksachen) . . . . 6773A Dr. Leuchtgens (DP), Berichterstatter 6773A Beschlußfassung 6773C Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Kuntscher, Tobaben, Dannemann u. Gen. betr. Erhöhung der Mittel für den Küstenschutz und den Schutz küstenbedingter Gebiete (Nrn 2456, 1944 der Drucksachen) 6776A Frühwald (FDP), Berichterstatter 6776A Beschlußfassung . . . . .. . . . . . 6776B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Finanzhilfe für Schleswig-Holstein, den Antrag der Fraktion der BP betr. Wohnungsbaudarlehen an Besatzungsverdrängte, den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entlassung des Bundespressechefs Dr. Brand und den Antrag der Fraktion der BP betr. Benutzung von Dienstwagen zu parteipolitischen Zwecken durch Mitglieder des Bundeskabinetts (Nrn. 2457, 582, 1407, 1445, 1610 der Drucksachen) 6776B Eckstein (CDU), Berichterstatter . 6776C Beschlußfassung 6776C Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Degener, Dr. Bärsch, Ahrens, Dr. Bertram u. Gen. betr. Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 (Nrn 2458, 2121 der Drucksachen) 6776C Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . 6776D Beschlußfassung 6776D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Bürgschaften für langfristige Kredite für Kriegsgeschädigten - Betriebe (Nrn. 2506, 1387 [neu] der Drucksachen) 6776D Wacker (CDU), Berichterstatter . . 6777A Beschlußfassung 6777A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen -- (Nr. 2609 der Drucksachen, Umdruck Nr. 324) 6777B, 6807D Seuffert (SPD), Berichterstatter . . . 6808A Dr. Gülich (SPD) 6809C, 6815C Dr. Wellhausen (FDP) 6810D Dr. Bertram (Z) . 6812D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6814A, 6815D Müller (Frankfurt) (KPD) 6816A Neuburger (CDU) 6817A Abstimmung 6817A Einzelplan XXI — Haushalt der Bundes- schuld — (Nr. 2616 der Drucksachen) . 6777C Wacker (CDU), Berichterstatter . . . 6777C Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern — (Nr. 2607 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Kredite und Zuschüsse an Zeitungen und Zeitschriften aus dem GARIOA-Sonderkontingent (Nr. 2555 der Drucksachen) 6777A, C Steinhörster (SPD), Berichterstatter 6777D Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 6779D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern . . . . 6781A, 6786C, 6792A Schoettle (SPD) 6781B Renner (KPD) 6782A, 6795A Dr. Menzel (SPD) 6782C Dr. Bergstraeßer (SPD) 6789D Frau Dr. Rehling (CDU) . 6792D Hennig (SPD) 6794A von Thadden (Fraktionslos) 6798A Dr. von Merkatz (DP) . 6799B Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 6800D Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 6801A Neumayer (FDP) 6801B Dr. Wellhausen (FDP) .6802D Dr. Jaeger (CSU) 6803B Dr. Ehlers (CDU) . 6806A Dr. Mende (FDP) 6806D Abstimmungen . . . . .. . 6782C, 6807D Nächste Sitzung 6817C Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Walter Menzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich bei der Beratung des Haushalts für die innere Verwaltung zunächst nur auf das Kapitel über den Grenzschutz beschränke, so deshalb, weil die Öffentlichkeit in der letzten Zeit in, zunehmendem Maße durch neofaschistische Vorgänge im Grenzschutz beunruhigt worden ist,

    (Zurufe rechts: Och, och!)

    weil der Grenzschutz eine völlig andere Entwicklung genommen hat, als wir bei der Annahme des Gesetzes über den Grenzschutz annehmen konnten, und weil schließlich der Herr Innenminister Zusagen nicht eingehalten hat.
    Wer später einmal die Geschichte dieses Volkes nach 1945 zu schreiben haben wird, wird nicht an dem Leidensweg vorübergehen können, den die Versuche und die vielen Bemühungen der SPD gehen mußten, eine starke Bundesgewalt zu schaffen und das ewige Mißtrauen gegen jede Bundesexekutive auszuräumen. Meine politischen

    (Vizepräsident Dr. S c h ä f er übernimmt den Vorsitz.)

    Freunde und ich waren damals, als das Gesetz über den Grenzschutz dem Bundestag vorgelegt wurde, bereit, diesen Weg zur Stärkung der Bundesgewalt mitzugehen, nicht nur, weil wir ganz allgemein für eine Stärkung der Bundesexekutive waren, sondern auch, weil uns die augenblickliche deutsche Situation dieses Ziel als notwendig erscheinen ließ.
    Das war nicht nur im Parlamentarischen Rat bei den Beratungen der Bundesverfassung so, das hat sich auch im Herbst des vorigen Jahres gezeigt, als wir zusammen mit der Fraktion der FDP dem Bund eine eigene Polizeiexekutive verschaffen wollten. Es war der Herr Bundesinnenminister, der in der ersten Lesung Bedenken erhob. Die weiteren Bemühungen in dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, dem Bund eine eigene Polizei zu verschaffen, sind dann an der Haltung der politischen Freunde des Herrn Bundeskanzlers gescheitert, die nicht bereit waren, ihrer eigenen Bundesregierung einen Machtzuwachs zu gönnen. Von ihnen wurden Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister Dr.


    (Dr. Menzel)

    Lehr, im Stich gelassen. Da waren schließlich wir von der Opposition doch bessere Menschen, denn wir waren ja zu einem solchen Schritt bereit.
    Aber wenn wir damals bereit waren, dem Bund eine eigene Exekutive an den Grenzen der Bundesrepublik zu geben, dann nur deshalb, weil wir nach dem, was das Gesetz sagt, und nach dem, was der Herr Bundesinnenminister uns zugesichert hatte, mit einem wirklichen und vor allem einem wirksamen Grenzschutz rechnen konnten. Die Entwicklung beim Bundesgrenzschutz hat einen ganz anderen Weg genommen, und unser guter Glaube von damals ist arg enttäuscht worden.
    Das Gesetz über den Bundesgrenzschutz beruht auf dem Art. 87 des Grundgesetzes, wonach der Bund Grenzschutzbehörden errichten darf, um vor allem die Paßnachschau durchzuführen. Was aber haben Sie daraus gemacht? Kasernierte Truppen! Und um die Paßkontrolle kümmert sich heute vom Bund kein Mensch.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Was würden damals im Parlamentarischen Rat die Vertreter derjenigen Parteien, die heute die Regierung tragen, gesagt haben, wenn man ihnen erklärt hätte, unter „Grenzschutzbehörden" seien kasernierte Truppen von 10 000 Mann oder mehr zu verstehen. Ich glaube, sie hätten damals lieber das ganze Grundgesetz und damit das organische Zusammenwachsen der drei westlichen Zonen scheitern lassen, als das zu akzeptieren.
    Überdies: wer mit den Fragen der Exekutive einigermaßen vertraut ist, weiß doch, daß Grenzschutz immer und in jedem Lande eine Aufgabe des verstärkten Einzeldienstes gewesen ist und auch sein muß. Denn die grüne Grenze mit ihren kilometerweiten, unübersichtlichen Wegen und Wäldern kann nur geschützt werden, wenn verstärkte Einzelposten die weitere illegale Infiltrierung abwehren und die Grenze hermetisch abschließen. Aber das, was jetzt geschieht — die Zusammenfassung in drei, vier Kasernen, die weit weg von der Grenze entfernt liegen —, ist doch weiter nichts als eine simple und politisch unkluge Soldatenspielerei.

    (Abg. Renner: Vorstufe zum Militär!)

    Was jetzt geschieht, bedeutet doch weiter nichts, als daß der Bundesinnenminister die Augen vor den wirklichen Aufgaben, die an den Grenzen liegen, verschließt. Er aber hat die Grenze praktisch von jeder Kontrolle durch Grenzschutzbeamte entblößt, und wir müssen heute feststellen, daß an dem eigentlichen Grenzdienst, der so bitter notwendig ist, kein einziger Beamter mehr beschäftigt wird als v o r Erlaß des Gesetzes.

    (Abg. Renner: Dafür bewachen sie ihn in seinem eigenen Ministerium, damit er nicht gestohlen wird!)

    Hätte der Bundesregierung der Hilferuf oder, sagen wir besser: die Bitte Niedersachsens nicht eine Warnung sein müssen, die Bitte, endlich einmal die Kontrolle an der Grenze und an ihren Übergängen wirksamer und effektiver auszugestalten?

    (Abg. Dr. Wuermeling: Die Vorlage war heute im Haushaltsausschuß!)

    Was aber war die Antwort des Bundesinnenministers, als Niedersachsen um diesen notwendigen verstärkten Grenzschutz bat? Sie lautete: Dafür habe ich keine Beamten! Das Ergebnis ist, daß
    Niedersachsen die dem Bunde zustehende Aufgabe des Grenzschutzes aus Landesmitteln selbst ausführen muß. So ist Niedersachsen denn auch nicht in der Lage, noch zusätzliche Mittel aufzubringen, um eine eigene Landesbereitschaftspolizei zu führen. Und weil man das in Niedersachsen nicht tun kann, kritisiert der Herr Bundesinnenminister in der Öffentlichkeit die niedersächsische Regierung, weil sie zu der Anschaffung dieser Landesbereitschaftspolizei nicht bereit sei.
    Eine weitere wesentliche Voraussetzung für unsere damalige Zustimmung zu dem Gesetz war die Vorschrift, daß der Grenzschutz nur in einer Tiefe bis zu 30 Kilometern eingesetzt werden dürfe, von dem Recht der Nacheile abgesehen. Jetzt aber liegen die meisten Kasernen — ich deutete es schon an — weit weg von der Grenze. Die Grenzgänger werden dem Herrn Bundesinnenminister dankbar sein, daß sie so die Chance haben, weit weg von diesen Kasernen über die Grenze zu kommen. Sie, Herr Bundesinnenminister, haben auf diesen Vorhalt hin erklären lassen, die im Gesetz vorgesehene 30-Kilometer-Zone habe nur für den Einsatz, aber nicht für die Stationierung der Truppen — wie Sie sie bezeichnen — zu gelten. Damit sollte in Verbindung mit Ihren übrigen Erklärungen die Möglichkeit geschaffen werden, die Grenzschutzabteilungen notfalls auch im Ruhrgebiet zu stationieren. Daß dann ein wirklicher Grenzschutz nicht mehr möglich wäre, liegt doch auf der Hand.

    (Abg. Renner: Technische Nothilfe!)

    Wir bedauern, daß das Grenzschutzgesetz jetzt so ausgelegt wird und daß die Zusagen des Herrn Bundesinnenministers nicht gehalten worden sind. Diese dem Gesetz zweifellos widersprechende Standortverlagerung gewinnt ihre besondere Bedeutung durch die mehrfachen Erklärungen des Herrn Bundesinnenministers, den Grenzschutz gemäß Art. 91 des Grundgesetzes notfalls auch innerhalb der Länder — also nicht nur an den Grenzen — einzusetzen.

    (Abg. Renner: Bundesexekutive!)

    Das wurde der Presse mitgeteilt. Das war Gegenstand einer Erklärung des Herrn Bundesinnenministers auf einer Länderinnenministerkonferenz vom März dieses Jahres,

    (Hört! Hört! bei der KPD)

    und er hat es auch damals in diesem Hohen Hause bei der dritten Lesung des Grenzschutzgesetzes erklärt.

    (Zuruf von der KPD: Einmarsch in Sachsen!)

    Wohin diese Ankündigung führt, ergibt sich aus einem Interview mit dem Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums, das die „Süddeutsche Zeitung" vor einiger Zeit wiedergeben konnte. Danach — so hieß es in dem Interview — könne es die Bundesregierung unter Umständen für erforderlich halten, den Grenzschutz in München einmarschieren zu lassen. Dann würde, wie es hieß, die Parole gelten: „Alles hört auf Kommando Grenzschutz!" — Nun, dieses Interview wurde später dementiert,

    (Zuruf von der KPD)

    und wir wollen diesem Dementi auch glauben. Aber ist es nicht bezeichnend für die Situation, daß alle Welt das Interview nach den Erklärungen des Herrn Dr. Lehr für richtig halten mußte?


    (Dr. Menzel)

    Wir haben auch noch nicht — und das sei in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt — die Versuche des Herrn Bundesinnenministers vergessen, durch eine Intervention beim Rundfunk gegenüber den Reden des Herrn Peter von Zahn die Rede- und Meinungsfreiheit zu unterbinden, d. h. also, die verfassungsmäßig garantierten und von ihm selbst ja beschworenen Grundrechte zu verletzen. Und dem Herrn Innenminister darf noch einmal in Erinnerung gerufen werden, daß er nicht nur Polizei-, sondern auch Verfassungsminister ist. Man rede uns bitte nicht davon, daß es politische Notwendigkeiten geben könnte, den Grenzschutz im Gegensatz zur Verfassung zu verwenden. Wozu haben wir denn eine Verfassung, und was wäre der Gewinn aus der Beseitigung des Nationalsozialismus, wenn beim Vorliegen angeblicher Notwendigkeiten — wer entscheidet übrigens, ob sie vorliegen? — die Verfassung jederzeit beiseite geschoben werden kann? Überdies: wer im Besitze der Macht ist, kann sehr schnell behaupten, daß solche politischen Notwendigkeiten gegeben seien.

    (Abg. Renner: Eine gute Erkenntnis!) Meine politischen Freunde und ich werden zu jeder Zeit zu jeder vernünftigen Verfassungsänderung, aber niemals zu ihrer Verletzung bereit sein. Wenn Sie trotz unserer Bereitschaft diesem legalen Weg bisher ausgewichen sind, dann doch nur, weil Ihre eigenen Freunde Ihnen die Gefolgschaft versagt haben.

    Wer aber über die wirklichen Absichten der Regierung bei der Schaffung und dem Aufbau des Bundesgrenzschutzes noch im unklaren sein konnte, wird durch die Paraden, durch die Ankündigung, den Grenzschutz erheblich zu vermehren, und vor allen Dingen durch die Personalpolitik eines Besseren belehrt. Mit den Paraden, vor allen Dingen der in Lübeck, wurde dem Grenzschutz ein sehr schlechter Dienst erwiesen. Diese Parade war eher ein „Lehr"-Lauf, Herr Dr. Lehr, als ein politisches Paradestück. Eingeweihte wollen wissen, daß auch der Herr Bundeskanzler über die Parade in Lübeck wenig erbaut gewesen ist.

    (Zurufe links.)

    Die Bundesregierung hat nun im Sommer dieses Jahres mitteilen lassen, sie wolle dem Bundestag im Herbst vorschlagen, den Bundesgrenzschutz von 10 000 auf 20 000, dann auf 30 000 und schließlich auf 90 000 Mann zu verstärken. Läßt sich daraus klar ersehen, was die Bundesregierung mit einer solchen außerordentlichen Erhöhung in Wirklichkeit beabsichtigt? Die gebietsmäßig viel größere Weimarer Republik hatte ein stehendes Heer von nur 100 000 Mann. Kann man wirklich noch von einem polizeilichen Charakter des Grenzschutzes sprechen, wenn man ihn jetzt auf die Stärke der früheren Reichswehr zu bringen beabsichtigt? Zwar hat der Herr Bundesinnenminister mehrfach erklärt, daß er an dem polizeilichen Charakter des Grenzschutzes festhalte.

    (Haha-Rufe bei der KPD.)

    Er hat dabei betont, daß dem auch der Bundeskanzler zustimme. Aber was nützen uns solche Erklärungen, wenn die Praxis völlig anders aussieht!
    Die Unterbringung in Kasernen, die Schaffung von
    Truppenübungsplätzen — z. B. jetzt bei Kassel —,

    (Abg. Renner: Richtig!)

    die Wiederanschaffung von Offiziersauszeichnungen und -Achselstücken, die Anwendung der Infanteriereglemcn ts bei der Ausbildung sprechen doch eine deutlichere Sprache als alle mündlichen Versicherungen. Ich habe hier den Kopf eines Briefbogens
    aus Bonn; da heißt es in der Überschrift schon wieder: Der Standortälteste von Bonn.

    (Hört! Hört! und Lachen bei der SPD und KPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, diese Erfindung des „Standortältesten" ist nicht neueren Datums. Wir lesen bereits in der Presse vom Juni dieses Jahres von Veranstaltungen in Mitteldeutschland, bei denen der Standortälteste in Marburg in einer gemeinsamen Veranstaltung mit ehemaligen Angehörigen von Pionierregimentern erklärte, er hoffe, daß er die Kasernen, in denen früher die Pioniere gelegen haben und die früher mustergültig gewesen seien, wieder in einen besseren Zustand für seine Truppen bringen werde.
    Meine Damen und Herren, wenn man wirklich Polizei meint, dann sollte man zumindest die Ausbildung nach polizeilichen Gesichtspunkten durchführen und die Ausbilder mehr als bisher nach polizeilichen Gesichtspunkten auswählen. Sollte und kann denn überhaupt das alles noch Polizei sein, wenn wir diese Zahlen und diese Pläne vom Herrn Bundesinnenminister hören!
    Nun zu einigen Personalien. Die Personalpolitik der Bundesregierung ist im Bundestag bereits mehrfach lebhaft kritisiert worden; aber Herr Dr. Lehr hat bei dem Aufbau des Grenzschutzes daraus nichts gelernt und ist in der Personalpolitik den gleichen, einseitigen Weg gegangen wie die übrigen Ressortchefs.
    Leider bestand schon in früheren Sitzungen des Bundestages Veranlassung, auf verschiedene Kurse, die das Bundesinnenministerium veranstaltet hatte, hinzuweisen, die Kurse von Traunstein, Bad Ems und schließlich von Hannoversch-Münden. Alle Warnungen, die wir hier damals ausgesprochen haben, waren nutzlos, sie blieben unbeachtet.
    Man hat sich in der Öffentlichkeit mit Recht über das Absingen von Naziliedern im Grenzschutz aufgeregt.

    (Zuruf rechts: Wer denn?)

    Aber, meine Damen und Herren, uns hat das bei dieser Personalpolitik nicht gewundert; denn sie kann schließlich gar nicht zu anderen Ergebnissen führen, als wir sie jetzt vor uns sehen.

    (Zustimmung bei der SPD. — Sehr gut! bei der KPD.)

    Und dann — peinlich genug! — entschuldigt sich der Braunschweiger Standortälteste, als festgestellt wurde, daß seine Untergebenen nationalsozialistische Lieder gesungen haben, damit, er hätte nicht gewußt, daß durch ein Gesetz in Niedersachsen das Absingen ehemaliger Nazilieder verboten sei.

    (Lachen links.)

    Als wenn es nicht schon blamabel genug wäre, daß
    es überhaupt erst eines solchen Gesetzes bedurfte!
    Bedauerlich ist, daß der Braunschweiger Vorfall nicht ein Einzelfall geblieben ist. Wir haben dem Herrn Bundesinnenminister schon vor geraumer Zeit die Unterlagen über gleichartige Vorgänge in Hannover und — man höre und staune! — sogar in Bonn überreicht. In der Bonner Kaserne wurden vor nicht allzulanger Zeit ebenfalls neofaschistische Lieder, darunter das Lied „Die braunen Heere marschieren" gesungen. Wir bedauern, feststellen zu müssen, daß uns der Herr Bundesminister bisher nicht mitgeteilt hat, was seine Ermittlungen ergeben haben.
    Nun müßte man glauben, daß solche „Pannen" nur deshalb passieren konnten, weil sich der Herr Bundesinnenminister und seine Verwaltung nicht


    (Dr. Menzel)

    rechtzeitig und gründlich genug über die Vergangenheit der einzelnen Grenzschutzbeamten erkundigt haben. Wir haben ferner geglaubt, daß die Zeit der Fragebogen endlich vorbei sei; aber wer zum Grenzschutzdienst will, muß einen Fragebogen mit nicht weniger als sechzig Fragen ausfüllen. Es ist interessant, was da alles gefragt wird. Da will man nicht nur das Übliche wissen, was man wissen muß, wenn jemand in das Beamtenverhältnis überführt werden soll, sondern da wird sehr penibel nach der sozialen Umwelt, nach dem sozialen Milieu des Beamtenanwärters gefragt. Da wird nicht nur nach der beruflichen Vergangenheit, sondern auch nach dem Beruf der Ehefrau, nach dem Beruf der Mutter, ja sogar nach dem Beruf der Schwiegermutter gefragt.

    (Zuruf links: Der Großmutter nicht?!)

    Es wird nach den Geschwistern der Ehefrau und nach dem Beruf der Männer der Geschwister der Ehefrau gefragt. Meine Damen und Herren, was will man damit erreichen? Man will durch ein solches Hineinleuchten in das soziale Milieu des Anwärters erreichen, daß „Elemente", die einem nach der sozialen Herkunft nicht passen, von vornherein ausgeschaltet werden.

    (Zurufe von der Mitte und rechts.) Dagegen werden wir uns im Interesse der jungen Grenzschutzbeamten, die wir hier ausdrücklich in Schutz nehmen wollen, entschieden wehren.

    Es kommt hinzu, daß alle unsere Bemühungen — und diese Bemühungen gehen nun schon seit dem Herbst vorigen Jahres —, bewährte und staatstreue Männer, die 1933 wegen ihrer politischen Haltung aus dem Polizeidienst entlassen worden sind, in den Grenzschutzdienst aufgenommen zu sehen, an der starren — ich hätte fast gesagt: sturen — Ablehnung durch die Bürokratie des Herrn Bundesinnenministers gescheitert sind. Was nützen uns denn alle Erklärungen der Bundesregierung im Bundestage, daß sie das Unrecht von 1933 bis 1945 wiedergutmachen wolle? Was nützt uns denn das wohl einstimmig beschlossene Gesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts an den Beamten, wenn die gleiche Bundesregierung es ablehnt, die damals Entlassenen aufzunehmen, und sie es lieber sieht, daß diejenigen, die 1933 die anderen herausgesetzt haben, jetzt wieder die Maßgebenden im Grenzschutz sind?
    Eine solche Personalpolitik hat dazu geführt, daß nach den eigenen Angaben des Herrn Bundesinnenministers die Offizierstellen sich im Durchschnitt wie folgt zusammensetzen. 62 % der Stellen sind von ehemaligen Wehrmachtoffizieren und nur 7 % von ehemaligen Polizeibeamten besetzt; 31 % sind frühere Polizeibeamte, die später in die Wehrmacht übergegangen sind, und bei ihnen hat es sich nicht immer um die schlechtesten gehandelt.
    Aber, meine Damen und Herren, noch schlimmer sieht das Bild bei dem Nachwuchs der Kommandostellen aus, d. h. bei den Zugführern. Hier sind nur noch 2 °/o der Zugführer aus der Polizei und 96 % aus der Wehrmacht. Was hätte denn damals die Wehrmacht gesagt, wenn ein Polizeioffizier gekommen wäre und erklärt hätte, er wolle ab morgen ein Infanterieregiment leiten! Man hätte ihm mit Recht gesagt, daß er das erst einmal lernen müsse. Aber umgekehrt glaubt man jetzt, daß es für die Erledigung polizeilicher Aufgaben ohne weiteres möglich ist, sie nur oder fast ausschließlich von ehemaligen Offizieren erledigen zu lassen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wir wenden uns hier nicht gegen die einzelnen ehemaligen Wehrmachtoffiziere. Wir haben keinen Anlaß, an der persönlichen Sauberkeit und Integrität dieser Männer zu zweifeln. Aber schließlich muß ja doch auch die Führung polizeilicher Einheiten ge1ernt s e i n. Für den Bau eines Hauses werden Sie auch nicht einen Brückenkonstrukteur nehmen oder umgekehrt. In dem Augenblick, in dem Sie in der Lage wären, die früheren Wehrmachtoffiziere in aller Gründlichkeit, wie nach 1918, umzuschulen, ihnen polizeiliches Denken, polizeiliche Reglements beizubringen, würde sich gegen ihre Wiederverwendung gar nichts mehr einwenden lassen.
    Dieses Verhalten ist um so bedauerlicher, als man es — ich sagte es schon — ablehnt, diejenigen, die 1933 aus der Polizei herausgesetzt wurden und polizeiliche Erfahrungen für ihr Amt mitbringen würden, wiederzuverwenden.
    Und was bringt man als Einwand gegen die im Jahre 1933 Entlassenen vor? Sie hätten nicht genügend Erfahrung im Einsatz motorisierter Einheiten. Meine Damen und Herren, wollen wir an der Grenze motorisierte Divisionen oder wollen wir dort Grenzjäger haben? Ich glaube, den Einsatz motorisierter Einheiten lernt ein tüchtiger Polizist recht bald.
    Wie wenig aufrichtig aber die Gründe der Bürokratie des Herrn Innenministers in Wirklichkeit gemeint sind, möchte ich an zwei Beispielen aus der Fülle der mir vorliegenden Vorgänge erläutern.
    Da gibt es einen früheren Polizeichef des Saargebiets, der wegen seiner deutschen Gesinnung von der französischen Macht ausgewiesen worden ist. Erinnern Sie sich bitte daran, wie Sie bei dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes nicht nur bei der Unterbringung der aus dem Osten Vertriebenen, sondern auch hinsichtlich der ehemaligen Pg's immer wieder Wert darauf gelegt haben, daß sie wieder in die gleiche dienstliche Stellung einrücken, in der sie früher gewesen sind! Hätte es nicht nahegelegen, diese Grundsätze zum mindesten in dem Einzelfall eines von der Besatzung im Saargebiet vertriebenen Deutschen auch zur Anwendung zu bringen? Das hat man nicht getan. Es bedurfte eines zähen und mühseligen Kampfes mit dem Innenministerium, um wenigstens nach einem halben bis dreiviertel Jahr die Zusage zu bekommen, daß dieser ehemalige Polizeichef des Saargebiets in den Grenzschutz übernommen wird. Er wurde nach Süddeutschland geschickt. Und was mußte er erleben? Als er zu dem dortigen Standortältesten kam, erklärte dieser, er könne ihn nicht gebrauchen. Es bedurfte erst des persönlichen Einschreitens des Sachbearbeiters im Innenministerium, damit der Standortälteste der Gruppe Süd der Anordnung des Herrn Bundesinnenministers nachkam.

    (Hört! Hört! links.)

    Aber was geschah? Als der Standortälteste zähneknirschend nun diesen Befehl ausführen zu müssen glaubte, wurde der ehemalige Polizeichef des Saargebiets zum einfachen Oberleutnant herab-gestuft. Mit 48 Jahren darf er den täglichen Wald-und Wiesendienst tun.

    (Hört! Hört! links.)

    Sie sehen also, mit welchen Mitteln man bei dieser Personalpolitik vorgeht.

    (Zuruf von der SPD: Er war sicher kein Nazi!)

    — Er ist schon 1933 herausgeworfen worden. (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Dr. Menzel)

    Ein zweiter Fall, der eigentlich noch krasser liegt. Auf der Schule in Traunstein befand sich ein Lehrgangsteilnehmer, der als Fünftbester aus dem Kursus hervorging und der dem Schulleiter so geeignet erschien, daß ihm eröffnet wurde, er solle sich nicht erst in den Ländern bewerben; denn er komme sofort in den Bundesexekutivdienst, sei es der beabsichtigten Bundespolizei, sei es des Grenzschutzes. Dieser Mann verstand auch etwas von dem Einsatz der motorisierten Einheiten, weil er solche Einheiten früher bei der Polizei und später bei der Wehrmacht geführt hatte. Dann wurde er zur Vorstellung in das Innenministerium gebeten. Und was geschah? Bei der Nachfrage, wie lange er denn eine motorisierte Einheit geführt habe, erklärte er, das sei bis 1943 der Fall gewesen, weil er anschließend aus politischen Gründen — und er konnte das nachweisen — in ein Kz gekommen sei. Und als er 1945 aus dem Kz herauskam, steckten ihn die Russen zwei weitere Jahre, von 1945 bis 1947, in ein Kz Mitteldeutschlands. Als man das hörte, bekam man im Innenministerium „kalte Füße" und stellte plötzlich fest, die vierjährige Kz-Haft habe den Bewerber doch reichlich nervös gemacht; darum sei er nicht mehr geeignet.

    (Hört! Hört! links.)

    Hier hatten wir einen Mann, der in der Vergangenheit politisch absolut sauber gewesen ist. Hier hatten wir einen Mann, der die Leitung geschlossener Formationen verstand. Hier hatten wir einen Mann, der sogar den motorisierten Einsatz beherrschte. Aber in dem Augenblick, als man feststellte, daß er aus politischen Gründen, für die Freiheit und für die Demokratie vier Jahre im Kz gesessen hatte, war es aus. Der Polizeiarzt hatte ihn für polizeitauglich erklärt und nichts von der Nervosität festgestellt, die man ihm jetzt vorwirft. Ich glaube, die Nervosität lag mehr bei den Herren des Innenministeriums als bei dem Bewerber.
    Im übrigen ist uns mehrfach gesagt worden — und ich bin gern bereit, dem Herrn Bundesinnenminister persönlich Dienstzimmer und Name des Sachbearbeiters im Bundesinnenministerium zu sagen —, daß Bewerbern erklärt wurde: Leute aus der früheren Polizei haben keine große Chance, es sei denn, daß sie später mindestens Major oder Oberstleutnant im ehemaligen Generalstab geworden sind.

    (Hört! Hört! links.)

    Herr Bundesinnenminister, solange Sie so etwas dulden und solange Sie eine solche Personalpolitik machen. werden Vorgänge wie in Braunschweig nicht vereinzelt bleiben. Hier hilft nur, daß Sie mit einem eisernen Besen auskehren und das Übel an der Wurzel erfassen.

    (Abg. Dr. Greve: Aber im Ministerium!)

    — Im Ministerium muß angefangen werden. Dabei
    darf ich noch einmal sagen: vor den einzelnen
    Grenzjäger, vor den einfachen Mann stellen wir
    uns schützend, schon damit er nicht wieder einmal
    von Kommandeuren mißbraucht wird, die, wenn es
    nachher schief geht, nicht selber den Kopf hinhalten, sondern dafür die anderen büßen lassen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir wollen nicht — und darum muß mit der „Reform" im Ministerium angefangen werden —, daß einige mittelmäßige Soldaten in der Umgebung des Herrn Innenministers, die gern wieder eine Rolle und wieder Soldat spielen möchten, den Grenzschutz und den Aufbau des Grenzschutzes von Anfang an in eine völlig falsche Bahn leiten. Ich
    glaube, es ist Ihre Aufgabe, Herr Bundesinnenminister, ganz gleich, was Sie zu unserer Kritik zu sagen haben, daß Sie den Grenzschutz endlich aus dem Zwielicht, in den Sie ihn hineingebracht haben, herausbringen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Damit nicht wie damals nach einer Bundestagsdebatte im Frühjahr dieses Jahres ein Teil der Presse schreiben kann, die Sozialdemokratie sei gegen jede Exekutivmacht des Bundes gewesen, möchte ich abschließend folgendes feststellen. Wir wollten einen wirklichen Grenzschutz an der Grenze. Sie haben daraus Truppenübungsplätze und Kasernen weit weg vom Eisernen Vorhang gemacht. Wir wollten Polizisten, aber Sie, Herr Bundesinnenminister, haben daraus Soldaten gemacht, und zwar wider den Willen dieser Leute, die sich unter ganz anderen Voraussetzungen zum Grenzschutz gemeldet haben. Sie geben den Leuten einen soldatischen Drill und auch soldatische Vorgesetzte. Wohin das geführt hat und führen muß, sehen Sie an den kritisierten Vorfällen. Wir wollen — das darf zum Abschluß gesagt werden — einen wirklichen Schutz der Grenze; denn unsere Grenzen brauchen einen Schutz. Solange Sie diesen Schutz verweigern und die Grenze schutzlos lassen, werden wir Ihnen auch die Mittel verweigern.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Robert Lehr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorerst ein kurzes Wort zu den sachlichen Ausführungen des Herrn Berichterstatters. Alle die Wünsche, die Sie im Haushaltsausschuß vorgebracht haben, haben wir berücksichtigt. Soweit das in diesem Etat noch nicht verwirklicht ist, wird es in dem Nachtragshaushaltsplan geschehen, den der Herr Bundesfinanzminister gegenwärtig noch bearbeitet. Wir haben in allen diesen Fällen Ihre Anträge auf Erhöhungen gern aufgegriffen. Ich kann Ihnen heute schon mitteilen, daß unser Antrag bezüglich der Mittel für den Bundesjugendplan eine Verdoppelung der bisherigen Voranschläge vorsieht. Ob es bei der gespannten Finanzlage des Bundes möglich ist, diese Wünsche zu erfüllen, entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis. Aber seien Sie sicher, daß die Wünsche, die der Haushaltsausschuß geäußert hat, von uns im Innenministerium mit Nachdruck vertreten werden.
    Bezüglich der Frage einer eigenen Druckerei möchte ich entsprechend meiner kommunalen Herkunft vor Ihnen das Bekenntnis ablegen, daß ich nicht für bundeseigene wirtschaftliche Einrichtungen bin, sondern mich am liebsten der vorhandenen Einrichtungen des öffentlichen und privaten Lebens bediene. Ich möchte in dem Bereich meines Ministeriums keine eigene Druckerei haben. Es schwebt auch nur die Frage einer eigenen Druckerei für das Bundeskriminalamt aus gewissen Sicherungsgründen. Ich werde aber auf Grund der heutigen Debatte nochmals selber nachprüfen, ob diese Sicherungsgründe so durchschlagend sind, daß die Einrichtung einer eigenen Druckerei wirklich geboten ist. Ich möchte mich, wenn es irgend geht, der Bundesdruckerei bedienen.
    Nun lassen Sie mich einmal etwas ausführlich zu den Beanstandungen des Herrn Kollegen Menzel Stellung nehmen. Zunächst möchte ich Ihnen das in die Erinnerung zurückrufen, was ich am


    (Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

    15. Februar dieses Jahres vor Ihnen ausgeführt habe; das kann von mir heute nur noch einmal wortwörtlich wiederholt werden. Die Opposition hat damals wie heute gewisse Bedenken dagegen erhoben, daß die Bundesgrenzschutzbehörden in Bereitschaften zusammengefaßt werden sollten. Erinnern Sie sich bitte daran, daß im vorigen Herbst die Konferenz der Außenminister in New York aus Gründen unserer inneren Sicherheit von sich aus zu dem Ergebnis kam, es müßten kasernierte Polizeitruppen in Stärke von 30 000 Mann geschaffen werden.

    (Abg. Renner: Amerika befiehlt wieder einmal! — Zurufe von der Mitte und rechts: Ruhe!)

    — Ach, das ist j a nur ein Bruchteil dessen, was Sie längst drüben mit den schwersten Waffen und unter Einsatz von T 34-Panzern exerzieren.

    (Zurufe: Sehr richtig! — Lebhafte Zurufe von der KPD.)

    Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, daß mein Vorschlag dahin ging, diese 30 000 kasernierten Mannschaften in drei Gruppen aufzugliedern, in 10 000, die als Länderbereitschaftspolizeien bei den Ländern ausgebildet werden sollten, in 10 000 als bundeseigener Grenzschutz, als Bundesgrenzschutzbehörden, und 10 000 Mann als bundeseigene Bereitschaftspolizei. Es ist richtig, wenn Herr Kollege Menzel sagt, ich hätte bei meinen Ausführungen über diese Vorschläge selbst erklärt, daß mir die Verwirklichung bundeseigener Bereitschaftspolizeien aus politischen Gründen sehr unwahrscheinlich und zeitraubend erschiene. Die Entwicklung hat mir recht gegeben. Wir sind bis zur Stunde noch nicht ganz einig geworden, ob der Bund wirklich bundeseigene Bereitschaftspolizei haben soll. Infolgedessen war ich genötigt, zunächst diesen Gedanken zurückzustellen, weil ich hier eine Mehrheit im Hause nicht finden konnte, und habe deshalb den ganzen Nachdruck auf die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes gelegt.

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Schon bei der ersten Lesung des Entwurfs habe ich darauf hingewiesen, daß Bundesgrenzschutzbehörden wenig Sinn hätten, wenn sie nur aus Büropersonal und Schreibmaschinenkräften bestünden. Es gehöre also zu dem Begriff eines Grenzschutzes, daß die mit seiner Wahrnehmung betrauten Behörden auch mit Exekutivbeamten ihren Dienst an der Grenze verrichten.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es würde aber dem Sinn des Grundgesetzes widersprechen, wenn man diesen Grenzschutz nun in Einzelgänger auf die 4700 km langen Bundesgrenzen auflöste. Bedenken Sie doch bitte, daß angesichts dieser Länge unserer Grenzen bei einem dreischichtigen Arbeitswechsel im Rahmen der jetzt vorhandenen Kräfte auf 11/2 km nur ein Mann kommt. Ich war deshalb von Anfang an genötigt, Sie darauf hinzuweisen, daß ich es nicht verantworten könne, den Schutz der Grenzen einem weiträumig verzettelten Einzeldienst zu überlassen und daß wir — das war j a auch die Meinung der Außenminister in New York bei der Bewilligung dieser Truppe — gewisse Zusammenfassungen vornehmen müßten. Sie haben in diesem Jahr auch bereits die Kraftprobe gesehen bei den massierten Grenzübertrittsversuchen aus Anlaß der

    (Lachen bei der KPD) „Weltjugendspiele". Es sind einzelne bei der Länge der Grenze durchgekommen.


    (Lachen und Zurufe bei der KPD.)

    — Aber, Herr Kollege Renner, es sind bei uns nicht so viele durchgekommen, wie umgekehrt bei Ihnen in derselben Zeit Millionen vom Osten nach dem Westen gelaufen sind.

    (Zurufe: Sehr gut! — Heiterkeit. — Abg. Renner: Sie halten die deutsche Jugend nicht auf, die die Einheit will, Sie nicht, mit Ihrer ganzen Polizei nicht!)

    — Nun darf ich vielleicht mit den Beanstandungen von Herrn Kollegen Menzel fortfahren. Er hat zunächst einmal in den Eingangsworten gemeint, auf neofaschistische Vorgänge hinweisen zu sollen. Ich gebe Ihnen jetzt vollen Aufschluß. Die erste Erscheinung war der von ihm genannte Braunschweiger Fall. Ich darf ihn mit einem kurzen Wort kritisieren: Eine Anzahl Kraftfahrer der dortigen Abteilung hat mit vier jungen Grenzjägern eine Trinkwette abgeschlossen, und es entwickelte sich eine „betrunkene Angelegenheit", in deren Verlauf dann, wie es bei Alkohol üblich ist, auch gesungen worden ist. Ich habe unverzüglich den Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung I nach Braunschweig geschickt. Der verantwortliche Abteilungskommandeur, der diesen Unfug zehn Minuten geduldet hat, ist unverzüglich entlassen worden. Die beiden Hauptwachtmeister, die älteren Leute, die die jungen hätten erziehen müssen und das nicht getan haben, sind unverzüglich entlassen worden. Sämtliche übrigen Beteiligten sind zu anderen Abteilungen strafversetzt worden. Außerdem hat das gerichtliche Verfahren stattgefunden. Nun, das Gericht hat in seiner Untersuchung dasselbe Urteil gefällt wie ich: „eine betrunkene Angelegenheit", hat die beiden Wachtmeister mit je 50 DM bestraft und die vier jungen Grenzjäger, die hier eine schmerzliche Erfahrung für ihr Leben gemacht haben, mit 30 DM.

    (Abg. Schoettle: Komisch nur, daß sie im besoffenen Zustand nicht Volkslieder singen, sondern das Horst-Wessel-Lied! Das steckt doch sehr tief!)

    — Ich gebe Ihnen vollständig recht, daß das keineswegs in Ordnung war. Aber an dem Maß dieses Eingreifens, an dieser Schärfe können Sie sehen, daß ich das vollständig mißbilligt habe.
    Der zweite Fall hat sich eben in Niedersachsen ereignet und wird zur Zeit mit aller Strenge und derselben Schärfe untersucht. Bitte, bedenken Sie einmal: wenn ich in wenigen Monaten 10 000 Leute neu einstelle, in eine ganz neue Formation, dann besteht immer die Möglichkeit, daß der eine oder der andere hineingerutscht ist; den man nicht drinbehalten will. Was dort nicht hineingehört, wird sehr schnell ausgesiebt werden; es wird die Spreu vom Weizen gesondert werden. Aber Fehlmöglichkeiten sind bei einer so großen Anzahl von Menschen immer gegeben.
    Der eine Fall, den Sie zuletzt nannten, ist mir im Augenblick nicht so gegenwärtig. Er hat sich hier bei Bonn abgespielt, draußen in Hangelar. Da ist auch abends nach Alkoholgenuß gesungen worden. Ich habe die Sache — das kann ich aus der Erinnerung so sagen — unverzüglich aufgegriffen und bin strafend eingeschritten. Die Einzelheiten sind mir nicht geläufig; ich kann die Klarstellung aber unverzüglich nachholen. Ich hatte damals ge-


    (Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

    glaubt, den Vorfall als unbeachtlich mit meinen eigenen Rügen erledigen zu können. Soviel zu den neofaschistischen Vorgängen.

    (Abg. Renner: „Unbeachtlich"!)

    — Nein, fassen Sie das Wort nicht falsch auf, meine Herren! Wenn ein einzelner Mann oder ein paar Mann am Abend einige Flaschen Bier zuviel getrunken haben und lärmend geworden sind, so ist das zunächst noch keine Haupt- oder Staatsaktion.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Für Sie ist nur wichtig, festzustellen, wie ich mich nach einem solchen Vorgang verhalten habe. Habe ich mit der nötigen Schärfe durchgegriffen, dann stehe ich auch vor Ihnen gerechtfertigt da. Aber bei meinem großen Ministerium kann ich nicht von vornherein die Hand dafür ins Feuer legen, daß unter 12 000 Menschen nicht der eine oder andere sich einmal unkorrekt verhält. Aber bitte, solange ich Ihnen dafür geradestehe, daß ich solche Dinge mit Nachdruck beseitige, solange muß das Verhältnis zwischen Ihnen und mir in Ordnung sein.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

    Meine Herren, nun ein Zweites, und das trifft mich schon etwas mehr: ich hätte Zusagen nicht eingehalten, und der Bundesgrenzschutz habe eine Entwicklung genommen, die Sie von Anfang an nicht erwartet hätten. Meine Damen und Herren, ich habe den Bundesgrenzschutz auch nicht in einer Beziehung anders behandelt als die landeseigenen Bereitschaftspolizeien. Er wird nach genau demselben Muster uniformiert, ausgebildet und bewaffnet. Es besteht kein Unterschied in der Ausbildung und dem ganzen Stand zwischen den einzelnen Ländern und uns mit der einzigen Ausnahme, daß es bei den Ländern langsamer geht, daß die Länder ihr gesamtes Kontingent, wenn sie viel Glück haben, bis zum Ende des Jahres auf etwas mehr als die Hälfte ihres Sollbestandes gebracht haben werden, während der Bundesgrenzschutz heute bereits fertig dasteht.

    (Abg. Renner: Und wie er dasteht!)

    Ich darf Ihnen weiterhin sagen: Ich habe mit allen Ländern Verträge abgeschlossen, nur mit Niedersachsen ist zu meinem größten Bedauern ein Vertrag bisher nicht zustande gekommen. Damit möchte ich nicht sagen, daß ein solcher Vertrag nicht doch noch abgeschlossen werden kann. Ich habe gerade vor etwa einem Monat mit meinen Herren vereinbart, die Fäden mit Niedersachsen noch einmal aufzunehmen. Es ist auch bereits ein Schreiben von mir mit einem neuen Vorschlag an den Herrn Landesinnenminister von Niedersachsen ergangen, und ich habe vor 14 Tagen den Herrn Kollegen telefonisch an die Beantwortung dieses meines Vorschlages erinnert. Es liegt mir sehr viel daran, genau wie mit den anderen Ländern mich auch mit Niedersachsen zu verständigen. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, meine Herren von der Opposition, daß ich auf Ihren Wunsch hin als einen meiner Hauptkommandeure einen Vertreter der niedersächsischen Landespolizei in mein Ministerium berufen habe, so werden Sie daraus das Bestreben erkennen, der Opposition den von ihr gewünschten Überblick über den inneren Werdegang des Bundesgrenzschutzes und auch die Möglichkeit zu geben, durch Ihren Vertreter jederzeit mit mir Fühlung zu nehmen. Ich bitte auch Sie, Herr Kollege Menzel, wenn Sie solche Einzelfälle haben, doch zu mir zu kommen, wie wir es auch früher gemacht haben, und diese Dinge mit mir zu besprechen.

    (Abg. Dr. Menzel: Das habe ich Ihnen doch schon im Sommer gesagt!)

    Es ist sehr schwer, meine Herren, aus dem Handgelenk auf solche Fälle einzugehen.

    (Abg. Dr. Menzel: Vor Monaten habe ich Ihnen das schon gesagt!)

    — Ich antworte auf diese Einzelfälle auch, denn ich habe das Material hier vor mir liegen. Aber bitte, zaubern Sie nicht ein Gespenst herauf, als ob hier irgendwo eine reaktionäre Truppe erschiene.

    (Zurufe links: Na, na!)

    Bitte, denken Sie an das, was ich Ihnen früher sagte: Der Art. 91 des Grundgesetzes, der mir die Befugnis gibt, in Fällen äußerster Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik auch über die Polizeikräfte eines Landes zu verfügen, gibt mir, logisch gesehen, auch die Befugnis, die bundeseigenen Polizeikräfte genau so einzusetzen wie die Länderpolizeien im einzelnen, wenn dieser dringende Notstand für den Staat besteht.

    (Abg. Dr. Menzel: Wo steht das? Das steht nicht im Gesetz!)

    — Das steht in Art. 91! Es wäre ja sinnlos, wenn ich über Länderpolizeien verfügen dürfte, aber, wenn das Haus brennt, meine eigene Polizei als Feuerwehr nicht einsetzen dürfte!

    (Abg. Dr. Menzel: Wir können ja die Verfassung ändern!)

    — Meine Herren, wenn Sie meinen, ich hätte unrecht, — wir haben ja jetzt ein Bundesverfassungsgericht, das diese Frage sehr einfach klären könnte.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es ist für mich selbstverständlich, daß ich aus jedem Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts die erforderliche Konsequenz ziehe.
    Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen dann noch etwas sagen zu zwei Fällen, die hier vorgetragen worden sind. Der eine ist der Fall Edelbluth. Herr Kollege Maier von der SPD hat dringend gebeten, den früheren Oberwachtmeister der Schutzpolizei und späteren Landespolizeidirektor von Saarbrücken Heinrich Edelbluth beim Bundesgrenzschutz unterzubringen. Ich habe angesichts der vorbildlichen Zusammenarbeit meines Hauses mit dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung Auftrag gegeben, diesem Wunsch ganz besonders nachzugehen. Es bestanden erhebliche Bedenken, weil Edelbluth nicht Polizeioffizier war und keine Erfahrung in der Führung motorisierter Verbände besaß, für die ich Bedarf hatte. Außerdem war er im Zeitpunkt seiner Vorstellung nicht voll polizeidienstfähig. Ich habe ihn trotzdem zunächst einmal eingestellt, und zwar in die Stelle, für die ich eine Besetzung suchte, eine Leutnantsstelle. Nach einiger Zeit kam eine Beschwerde des Herrn Edelbluth, er werde von Offizieren des Bundesgrenzschutzes des Grenzschutzkommandos Süd, dessen stellvertretender Kommandeur der Oberstleutnant im Bundesgrenzschutz Höffner ist, wegen seiner politischen Einstellung und seiner Emigration vom Saargebiet nach Frankreich geschnitten. Ich habe unverzüglich Besprechungen in meinem Ministerium veranlaßt. Diese Besprechungen haben mit allen Beteiligten eine volle Bereinigung der Angelegenheit ergeben, und Edelbluth hat meinem Beauftragten bestätigt, daß der stellvertretende Kommandeur sich absolut korrekt verhalten habe, und daß er während seiner Ausbildung in Amberg durchaus kameradschaftlich behandelt worden sei.


    (Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Der zweite Fall ist der des Herrn Dr. Klaus Hornig. Es ist mir der Vorwurf gemacht worden, ich habe die Verwendung eines im nationalsozialistischen Staat verfolgten ehemaligen Polizeioffiziers deswegen abgelehnt, weil er bei seiner Vorstellung einen nervösen Eindruck gemacht habe. Meine Damen und Herren, wer meine eigene Lebens- und Leidensgeschichte im nationalsozialistischen Staat kennt,

    (Zurufe links)

    weiß, daß ich solche Behandlungen im nationalsozialistischen Staat wohl richtig zu würdigen
    weiß. Andererseits sollte hier die volle Eignung
    des Bewerbers geprüft werden. Ich habe eben
    zwischendurch flüchtig die Akten durchgesehen.
    Die Herren meines Ministeriums hatten von dem
    Bewerber nicht in, vollem Umfang den Eindruck
    gewinnen können, daß er eingestellt werden könnte.
    Ich möchte aber peinlich korrekt sein und sage
    Ihnen hiermit zu, daß ich diesen Fall noch einmal
    überprüfen werde. Ich werde feststellen lassen, ob
    der Eindruck berechtigt war, daß er wegen Nervosität nicht voll einsatzfähig sei. Ich gebe Ihnen in
    Kürze den Bescheid über meinen eigenen Eindruck.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Meine Herren, ich selbst habe den Fall ja nicht überprüft; das kann ich auch nicht.

    (Zuruf von der SPD: Überprüfen Sie die Herren gleich mal mit!)

    — Ich werde das veranlassen.

    (Abg. Dr. Greve: Ihre Umgebung ist ja viel schlechter als Sie denken, Herr Minister!)

    Aber von einer Behauptung, meine Herren, — ich war immerhin auf einiges gefaßt — bin ich wirklich überrascht gewesen. Es wird behauptet, in meinem Hause sei gesagt worden, es bestehe keine Aussicht auf Einstellung, wenn nicht der Betreffende bei der Wehrmacht und mindestens Major im Generalstab gewesen sei. Bitte, verehrter Herr Kollege Menzel, nennen Sie mir Roß und Reiter, und dann wollen wir sehen!

    (Zurufe von der SPD.)

    Es ist überflüssig, vor Ihnen zu betonen, daß ein derartiges Prinzip von mir nicht eingeführt worden ist.
    Nun etwas Wichtiges: der Prozentsatz derer, die aus der Wehrmacht und derer, die aus der Polizei kommen. Bitte, bedenken Sie einmal eins. Ein großer Prozentsatz körperlich fähiger und im Polizeidienst erfahrener Beamter wurden im Laufe des letzten Weltkrieges — ob sie wollten oder nicht — zur Wehrmacht eingezogen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Infolgedessen finden Sie überall die Bezeichnung „Wehrmachtsoffizier". Das sind aber zum großen Teil aus der Polizei hervorgegangene Offiziere. Es gibt auch andere darunter. Bedenken Sie immer, daß bei dieser Aufstellung eines an Zahl verhältnismäßig kleinen Bundesgrenzschutzes sehr viel Wert gelegt wurde auf die technische Vervollkommnung, auf die Motorisierung, auf den Nachrichtenübermittlungs- und Funkdienst. Ich brauchte qualifizierte Offiziere, die diese Gebiete beherrschen.

    (Abg. Dr. Greve: Die zackig sind!)

    Deshalb haben sich hier auch eine Anzahl Wehrmachtsoffiziere gefunden, die diesen Voraussetzungen entsprechen.
    Und nun, meine Herren, eine Schauergeschichte über das soziologische Milieu. Ich habe inzwischen feststellen können, daß keiner der Fragebogen, die aus meinem Hause herausgehen, die Nachfrage nach Urahne, Großmutter, Mutter und Kind enthält — auch, Herr Menzel, nicht einmal nach dem Schwiegervater—,sondern daß diese Untersuchung, die Sie mit Recht beanstanden, ohne mein Wissen und ohne meinen Willen von einem Soziologen in Bad Ems aus eigenen Stücken bei der dortigen Hundertschaft angestellt worden ist,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    der sich erkundigen wollte, wie es eigentlich stand.

    (Abg. Mellies: Wer hat ihm denn das erlaubt? — Abg. Renner: Aus welchem Titel wird denn der Soziologe bezahlt? — Heiterkeit.)

    — Wenn ich in Bad Ems gewesen wäre, hätte es nicht stattgefunden.

    (Abg. Mellies: Sagen Sie nur, wer es war!)

    — Das werde ich tun; und ich werde auch sagen, daß die Nachfrage nach Urahne, Großmutter, Mutter und Kind nicht erlaubt ist.

    (Abg. Mellies: Ich sage Ihnen: Lassen Sie sich einen guten politischen Berater in Ihrem Ministerium geben!)

    — Gern, soweit ich den Rat nicht unmittelbar von Ihnen beziehen kann, werde ich das tun.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Sie sind von Ihren Beamten politisch sehr schlecht beraten!)

    Meine Herren, ich komme auf das Schlußwort des Kollegen Menzel zurück, ich solle Polizei schaffen und nicht Soldaten. Sehen Sie sich diese Truppe an! Sie ist rein polizeilichen Charakters.

    (Lachen bei der KPD.)

    Bitte, blicken Sie einmal um sich! Sehen Sie einmal nach Italien, das etwa 70 000 Mann solcher Polizeitruppen besitzt und im vorigen Jahr über 7000 Einsätze gegen die Kommunisten erfolgreich durchgeführt hat.

    (Lachen und Zurufe bei der KPD.)

    Bitte, sehen Sie einmal nach Japan, das neben einer vollen Armee 120 000 Mann solcher Polizei besitzt! Sehen Sie über die Grenze hinüber auf die Volkspolizei und beachten Sie ihre Ausstattung und ihre Zahl, und Sie werden sagen, daß diese 10 000 Grenzschutzleute weder eine Armee sind, noch jemals die Aussicht haben, eine solche zu werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)