Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem eines Bewahrungsgesetzes hat schon in den zwanziger Jahren den Reichstag beschäftigt, ohne daß es zur Verabschiedung einer Gesetzesvorlage gekommen ist. Ganz zweifellos auch handelt es sich hier um ein sehr schwieriges Problem, vor allem um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Menschen, die — wie die Frau Vorrednerin hier ausgeführt hat — wegen ihrer geistigen oder körperlichen Defekte oder sonstigen Veranlagung sich selbst nicht halten können und dem freien Leben gegenüber wehrlos stehen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat bereits im Jahre 1949 einen Antrag eingebracht, wonach die Regierung ein solches Bewahrungsgesetz vorlegen sollte. Die Ausschüsse für Fragen der öffentlichen Fürsorge und für Jugendfürsorge haben sich mit diesem Problem befaßt. Sie haben Sachverständige gehört, sie haben Anstalten besichtigt, in denen eine Lösung des Problems in der Praxis versucht wird, und haben geprüft, ob überhaupt ein zwingendes praktisches Bedürfnis für ein solches Bewahrungsgesetz gegeben ist.
Nunmehr war ein Beschluß des Hohen Hauses auf Grund der Vorarbeiten der beiden Ausschüsse zu erwarten. In diesem Augenblick ist dann der
Initiativantrag des Zentrums gestellt worden. Das Bundesministerium des Innern hat die Materialien, die in den Arbeiten der von mir vorhin genannten Ausschüsse anfielen, sorgsam geprüft. Es hat auch weiteres Material zu Vorarbeiten gesammelt, ohne aber bis zur Stunde eine kabinettsreife Vorlage herzustellen. Man wollte naturgemäß das Ergebnis der Beratungen in den beiden Ausschüssen und die Beschlüsse des Hohen Hauses abwarten. Aber jedenfalls ist in meinem Ministerium ein Gesetzentwurf nahezu fertig, und es bedarf noch einer sorgfältigen Ausfeilung, insbesondere noch einmal einer Überprüfung der Frage, welche Stellen in Frage kommen, um ein solches Bewahrungsgesetz später auszuführen, und welche Stellen mit den Kosten zu belasten sind.. .
Das wichtigste Problem des ganzen Bewahrungsgesetzes ist ja die Abgrenzung des Personenkreises. Sie wissen, meine Damen und Herren, aus unserem Grundgesetz, daß gerade der Frage der freien Entfaltung und des Schutzes der Persönlichkeit in unserer Verfassung ein hervorragender Rang eingeräumt ist. Darüber hinaus besteht auch noch eine europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte, welcher die Bundesregierung im November 1950 beigetreten und die maßgebend ist für die Bestimmung des für die Verwahrung in Betracht kommenden Personenkreises.
Ich bin der Ansicht, daß das hier in Rede stehende Problem der zwangsweisen Bewahrung und vor allen Dingen der Abgrenzung des Personenkreises eine so weitgreifende Bedeutung hat, daß man der Bundesregierung die Möglichkeit geben sollte, ihren Gesetzentwurf, der nahezu vor der Vollendung steht, auch noch zu vollenden,
und dann diesen Entwurf mit dem Antrag der CDU und dem Initiativantrag des Zentrums zu verbinden zu einer gemeinsamen Behandlung und Beratung.