Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seien Sie unbesorgt: wegen der erbärmlichen zehn Pfennig, die Sie hier pro Tag zu geben gewillt sind, werde ich nicht allzu lange reden.
Ich überlasse es den Sozialberechtigten draußen, Ihnen die Antwort zu geben. Wie sie über Ihre Sozialpolitik denken, das habe ich Ihnen ja gestern zu beweisen versucht,
und zwar an Hand eines Briefes der Kreisleitung Frankfurt der Vereinigung der Kriegsbeschädigten. Das sind ja keine Kommunisten, wie Sie wohl zugeben müssen.
Also gestatten Sie mir einige Feststellungen. Wir haben gestern mit Rücksicht auf die große Spanne, die tatsächlich zwischen den Leistungen der gesamten Sozialversicherung einschließlich der Kriegsopferversorgung und der Arbeitslosenversicherung und -fürsorge und den Lebenshaltungskosten klafft, den Antrag gestellt, alle derzeit gewährten und laufenden Renten um 30 % zu erhöhen. Die Koalitionsparteien und die bürgerliche Mehrheit dieses Hauses haben den Antrag abgelehnt. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich der Stimme enthalten. Aber ich habe nur noch eine Frage zu stellen, um eine Erklärung, um eine Aufklärung zu bitten. Was bedeutet die Formulierung im § 1 Abs. 1 Ziffer 4 „Unterstützungen der Arbeitslosenfürsorge"? Bin ich recht im Bilde, wenn ich annehme, daß nur die Bezieher von Arbeitslosenfürsorge diese 3 DM zusätzlich bekommen sollen und nicht die Bezieher von Arbeitslosenversicherung? — Darauf hätte ich gerne eine Antwort. Ich bin der Auffassung, daß, wenn damit nur die Unterstützungsempfänger gemeint sind, dieses Gesetz noch katastrophaler und noch minderwertiger wird, als es sowieso schon ist.
Wir werden diesem Gesetz nicht widersprechen. Wir enthalten uns bei der Abstimmung der Stimme. Aber wir geben in dieser letzten Minute vor den großen Ferien die Versicherung ab, daß wir die sechs Wochen Ferien dazu benutzen werden, um den Personenkreis der Kriegsopfer, Sozialrentner und überhaupt aller Sozialberechtigten gebührend aufzuklären über die Hintergründe der volksfeindlichen Politik der Adenauer-Regierung und diese ihre Methode, die darin besteht, daß Sie sie mit Hungerrenten abspeisen, während Sie auf der anderen Seite Milliarden hinauswerfen, um die Kriegsvorbereitungen zu finanzieren.