Rede von
Hans
Löfflad
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Den Schumanplan als Großes und Ganzes, im Hinblick auf Europa gesehen, haben wir seit dem ersten Auftauchen dieses Gedankens willkommen geheißen, denn er ist ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Vereinigung Europas und Verständigung der europäischen Völker untereinander. Diese Entwicklung mußte ja zwangsläufig einmal kommen. Wenn es Männern gelang, diese Entwicklung zu fördern und schneller vorwärts zu treiben, so ist das außerordentlich zu begrüßen. Niemand in unserem Volk hätte nach dem totalen Zusammenbruch 1945 zu hoffen gewagt, daß es uns nach Ablauf von 5 Jahren möglich sein würde, an der Verwirklichung des Gedankens der Vereinigung Europas selbst mitzuwirken.
Wir anerkennen die Ansätze zum Guten und die Entwicklungsmöglichkeit in der starken Hoffnung, daß die dem Kompromißwerk innewohnende Dynamik nicht zur Entwicklung eines tyrannischen Machtinstrumentes eines westdemokratischen Materialismus führt, sondern daß sich die in dem Vertragswerk verkörperte Rechts- und Geisteskraft nicht nur in Worten und Buchstaben, sondern in Taten bewährt, zur Überwindung der chaotischen Gegenwart und zur Neugestaltung des europäischen Raumes.
Wir streben mit diesem Vertragswerk einen Wohlstand an, aber nicht erst in 50 Jahren, sondern heute und morgen. Ob aber bei der Formulierung des Vertragswerkes, wie es uns vorliegt, ein Wirksamwerden zum Wohle unseres Volkes zu erwarten ist? Wenn wir z. B. die Hohe Behörde ansehen, so kommen wir nicht umhin festzustellen, daß sie mit außerordentlichen und starken Verordnungsgewalten ausgestattet ist. Wir hätten lieber gesehen, wenn man einen großen Teil dieser Verordnungsgewalten einer parlamentarischen Körperschaft übertragen hätte. Die sogenannte Gemeinsame Versammlung hat keine vollparlamentarischen Rechte, und ihr fehlt auch ein formelles Gesetzgebungsverfahren. Darüber hinaus erfolgt die Wahl der Abgeordneten zu dieser Versammlung nicht direkt durch das Volk, sondern durch Benennung durch die parlamentarischen Körperschaften der einzelnen Vertragsstaaten. Der Ministerrat stellt das bundesstaatliche Element dar. Hier vertreten die einzelnen Vertragsstaaten ihre nationalstaatlichen Rechte. Wir befürchten, daß jedes Mitglied dieses Ministerrats keine gesamteuropäischen, sondern die nationalstaatlichen Interessen seines eigenen Landes vertritt, was dem europäischen Gedanken abträglich wäre. Bei dem Beratenden Ausschuß befürchten wir auf Grund seiner Zusammensetzung aus Produzenten, Verbrauchern und Arbeitnehmern, daß sich nach einiger Zeit dieselben Verhältnisse wie beim Mitbestimmungsrecht in unserer Wirtschaft bemerkbar machen.
Hingegen haben wir geringere Bedenken gegen die weitgehenden Befugnisse, die — auf Betreiben der deutschen Delegation — dem Gerichtshof eingeräumt worden sind. Jeder Verwaltungsakt der Hohen Behörde kann durch den Gerichtshof tatsächlich und rechtlich nachgeprüft werden. Besondere Beachtung schenken meine Freunde und ich der allgemeinen Zulassung der Untätigkeitsklage, weil dadurch das Funktionieren der Verwaltung positiv sichergestellt ist.
Zu dem Ganzen jedoch können wir sagen, daß die Durchführung des Schumanplans bis zu einem gewissen Grade ein Experiment sein wird. Wir wissen heute noch nicht, ob sich alle die Hoffnungen, die wir daran knüpfen, auch tatsächlich erfüllen werden und ob das, was uns von der Regierung und den Koalitionsparteien in Aussicht gestellt wurde, auch eintreten wird.
Aus diesem Grunde halten wir eine Vertragsdauer von 50 Jahren, in denen keine Möglichkeit zu einer vorzeitigen Kündigung vorgesehen ist, für zu lang. Es müßte zumindest die Möglichkeit bestehen, nach fünf oder zehn Jahren zu kündigen, falls die jetzt auf das Werk gesetzten Hoffnungen unerfüllbar bleiben. Wir wollen jedoch hoffen, daß es den Kräften, die ernsthaft an der Verwirklichung eines vereinigten Europas arbeiten, gelingt, den Weg weiter zu ebnen und das Werk zu einem guten Abschluß zu bringen zum Segen und Wohl aller hoffenden Menschen in diesem Europa.