Rede von
Johann
Cramer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mit meinen Steinen sehr schnell fertig zu werden. Der Antrag lautete:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Verhandlungen mit der Bundesbahn zu erwirken, daß die vor kurzem
— das bezog sich auf den 1. Januar —
erfolgte Erhöhung der Frachttarife für Schottersteine wieder rückgängig gemacht
wird, damit die dringend notwendige Instand-
setzung und Instandhaltung der größtenteils in schlechtem Zustand befindlichen Gemeinde-und Kreisstraßen nicht verzögert oder unmöglich gemacht wird.
Der Ausschuß hat, bevor er dazu Stellung nahm, eine Stellungnahme des Ministeriums eingeholt. Ich muß diese Stellungnahme schon vorlesen. Sie ist nicht allzu lang. Ich kann Sie aber damit trösten, daß sich der Ausschuß diese Stellungnahme voll zu eigen gemacht hat, so daß sich dann weitere Ausführungen ersparen lassen. Das Ministerium schreibt:
Schottersteine werden auf der Eisenbahn und im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen nach dem Ausnahmetarif 5 B I für Wegebaustoffe befördert. Für Güter der in Betracht kommenden Abteilung dieses Tarifs beträgt die durchschnittliche Versandweite auf der Eisenbahn 122 km. Für diese Entfernung gewährt der Ausnahmetarif 5 B I 31 % Frachtermäßigung gegenüber der bereits niedrigen Regelklasse F. Die Durchschnittsfracht für Schottersteine hat bis zum 31. Dezember 1950 auf eine Entfernung von 122 km 6,20 DM je Tonne betragen. Anläßlich der Gütertariferhöhung zum 1. Januar 1951 ist sie um 1,30 DM - 21 % auf 7,50 DM je Tonne erhöht worden.
Der Ausnahmetarif 5 B 1 gilt nicht nur für Wegebaustoffe, sondern auch für Steine zum Bahn- und Wasserbau. Für den gesamten Eisenbahnversand von allen Gütern dieses Ausnahmetarifs beträgt die Frachtmehrbelastung infolge der Tariferhöhung am 1. Januar 1951 rund 5 Millionen DM jährlich. Hiervon entfällt nur ein Teil auf Wegebaustoffe und davon wiederum nur ein Teil auf Kreisstraßen sowie Gemeindestraßen. Zahlenmäßige Unterlagen hierüber sind nicht vorhanden. Ungefähre Rückschlüsse lassen sich aber aus folgenden Zahlenvergleichen ziehen:
Das Netz der Bundesstraßen einschließlich
Ortsdurchfahrten sowie der Autobahnen umfaßt rund 26 000 km. Die Landstraßen I. und II. Ordnung belaufen sich auf 101 000 km und das Netz aller klassifizierten Straßen auf insgesamt 128 000 km. Für die Unterhaltung der 26 000 km Bundesstraßen und Autobahnen werden jährlich etwa 130 Millionen DM, für die Beseitigung von Kriegsschäden 41 Millionen DM und für Neubauten 18 Millionen DM, zusammen also rund 190 Millionen DM aufgewendet. Die Aufwendungen für die Landstraßen I. und II. Ordnung sowie für die nicht klassifizierten Straßen sind zahlenmäßig nicht bekannt. Sie müssen jedoch um ein Mehrfaches gegenüber den vom Bund aufzuwendenden Straßenunterhaltungs- und Baukosten von jährlich 190 Millionen DM höher sein. Gemessen an diesen Gesamtaufwendungen können die Frachtmehrkosten für Eisenbahntransporte von weniger als 5 Millionen DM infolge der Gütertariferhöhung zum 1. Januar 1951 kaum ins Gewicht fallen.
Diese für die Gesamtbelastung angestellten Erwägungen gelten sinngemäß für die Gemeinde-und Kreisstraßen.
Der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1872 bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf die Bundesbahntarife. Ein Teil der Schottersteine zum Wegebau wird jedoch auch mit Lastkraftwagen befördert. Die Tarife für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen über 50 km sind am 1. Januar 1951 in gleicher Weise wie die Bun-
desbahntarife erhöht worden. Der überwiegende Teil der Schottersteine dürfte jedoch auf der Straße im Güternahverkehr bis 50 km befördert werden, der von der Tariferhöhung am 1. Januar 1951 nicht betroffen worden ist. die Instandsetzung und Instandhaltung der Gemeinde- und Kreisstraßen dürfte nach diesen Erwägungen nicht, wie in der Bundestagsdrucksache Nr. 1872 dargelegt, durch die Erhöhung des Ausnahmetarifs 5 B 1 ernstlich „verzögert oder gar unmöglich gemacht" werden.
Außerdem unterliegt der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1872, der die Aufhebung der letzten Tariferhöhung für ein einzelnes Gut zum Gegenstand hat, schwerwiegenden grundsätzlichen Bedenken. Wenn ein solches Beispiel Schule macht, wird der Umfang der Berufungen mit dem Ziel gleicher tarifsenkender Maßnahmen unabsehbar und der finanzwirtschaftliche Zweck der ganzen Tariferhöhung, die eingetretenen Ausgabesteigerungen im Bahn-und Straßenverkehr auf der Einnahmeseite abzufangen, völlig verwässert.
Ich sagte vorhin schon, der Ausschuß hat sich diese Stellungnahme voll zu eigen gemacht. Er empfiehlt Ihnen jedoch, den Antrag Drucksache Nr. 1872 hier nicht ablehnend zu behandeln, sondern ihn der Regierung als Material für spätere Verhandlungen zu überweisen.