Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Vermittlung des Herrn Bundesministers der Justiz ist ein Antrag auf Aufhebung der Immunität der Bundestagsabgeordneten Aumer, von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz an das Hohe Haus gelangt. Der Antrag kommt von dem Herrn Oberstaatsanwalt in Bonn und datiert vom 20. Juni 1951. Er hat folgenden Wortlaut:
Auf die Anzeige des Präsidialkomitees des
Schutzverbandes der Steuerzahler e. V. vom
14. Juli 1950 an den Herrn Generalstaatsanwalt in Köln — gleichlautende Anzeigen an die Herren Generalstaatsanwälte in Düsseldorf, Hamburg, Hamm und Neustadt/Hardt sind nach hier abgegeben worden — ist am 5. August 1950 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Wahlbestechung — § 109 des Strafgesetzbuches pp. — eingeleitet worden. Nachdem jedoch veranlaßt durch den Artikel: „Klug sein und Mund halten" in dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" Ausgabe Nr. 39 vom 27. September 1950 durch Beschluß des Deutschen Bundestags vom
15. Oktober 1950 gemäß Art. 44 des Grundgesetzes ein Untersuchungsausschuß zur Nachprüfung der behaupteten Geldhergaben an Bundestagsabgeordnete eingesetzt und bei einer persönlichen Rücksprache durch den Vorsitzenden dieses Untersuchungsausschusses, Bundestagsabgeordneten Dr. Semler, zugesichert worden war, daß nach Abschluß der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses dessen gesamtes Material der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Auswertung zur Verfügung gestellt werde, ist zunächst zur Vermeidung doppelter Beweiserhebung mit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens innegehalten
worden.
Der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses vom 23. Mai 1951 ist nach Beratung in der 148. und 149. Sitzung des Deutschen Bundestags am 7. und 8. Juni 1951 genehmigt worden. Mit Schreiben des Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestags vom 8. Juni 1951 sind die Unterlagen des Untersuchungsausschusses der Staatsanwaltschaft nunmehr zugestellt worden. Eine eigene Nachprüfung, inwieweit sich aus den überreichten Unterlagen strafrechtliche Tatbestände ergeben, hat infolge der Kürze der Zeit noch nicht stattfinden können.
Ich bemerke, sie konnte auch aus einem anderen
Grund nicht stattfinden; denn dazu wäre die Aufhebung der Immunität die Voraussetzung gewesen.
Jedoch enthält der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses hinreichend Verdachtsgründe dafür, daß folgende Bundestagsabgeordnete sich strafbarer Handlungen schuldig gemacht haben:
1. Der Bundestagsabgeordnete Hermann Aumer a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue, Urkundenfälschung und eines Steuervergehens;
2. der Bundestagsabgeordnete Anton Freiherr von Aretin a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue und eines Steuervergehens;
3. der Bundestagsabgeordnete Anton Donhauser a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue sowie eines Steuervergehens;
4. der Bundestagsabgeordnete Georg Mayerhofer der Unterschlagung, Untreue sowie eines Steuervergehens;
5. der Bundestagsabgeordnete Ludwig Volkholz a) der Eidesverletzung, b) der Untreue, Unterschlagung sowie eines Steuervergehens.
Es wird gebeten, wegen dieses sich aus den Feststellungen des Untersuchungsausschusses ergebenden Tatverdachts eine Entscheidung des Bundestags über die Frage der Aufhebung der Immunität der obengenannten Bundestagsabgeordneten herbeizuführen, damit dem Verfahren ohne Zeitverlust Fortgang gegeben werden kann.
Soweit hier noch weitere Vorgänge gegen Bundestagsabgeordnete vorliegen, die zwar im Zusammenhang mit dem von dem 44. Untersuchungsausschuß des Bundestags erörterten Fragenkomplex stehen, für die sich aber aus dem Abschlußbericht allein noch keine hinreichenden Verdachtsgründe ergeben, werde ich nach Durchsicht der Unterlagen das Erforderliche veranlassen.
In Vertretung
gez. Unterschrift
Erster Staatsanwalt.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit diesem vorliegenden Ersuchen befaßt und einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause folgenden Antrag zur Annahme zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen, die Genehmigung zur Durchführung der Strafverfahren gegen die Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz zu erteilen.
Ich bitte Sie, in diesem Sinne zu beschließen.