Rede:
ID0115706900

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    Deutscher Bundestag — 157. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Juli 1951 6243 157. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Juli 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 6244B, 6260D Ergänzung der Tagesordnung 6244B Anfrage Nr. 196 der Fraktion der SPD betr Steigerung der Dieseltreibstoffpreise (Nrn. 2309, 2420 der Drucksachen) . . . . 6244C Bericht des Bundeskanzlers über die Papierversorgung für Zeitungen (Nr. 2358 der Drucksachen) 6244C Zur Geschäftsordnung (betr. Redezeit und Ablesen von Manuskripten: Hennig (SPD) 6244C Präsident Dr. Ehlers 6244D Mellies (SPD) 6245A Beratung des Antrags der Abg. Strauß u. Gen. betr. Rede des französischen Hochkommissars an der Saar (Nr. 2298 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Saarfrage (Nr. 2347 der Drucksachen) 6245A Strauß (CSU), Antragsteller . . . 6245B Ollenhauer (SPD), Antragsteller 6248D, 6258B Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6251C, 6259D Dr. von Merkatz (DP) 6252D Dr. Seelos (BP) 6253C Rische (KPD) 6254B Kiesinger (CDU) 6255D Dr. Hamacher (Z) 6256C von Thadden (DRP) 6257C Dr. Ott (BHE-DG) 6258B Ausschußüberweisung 6260C Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Rümmele, Tichi, Clausen u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Pensionskasse deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen (Nr. 2334 der Drucksachen) 6260C Ausschußüberweisung 6260D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines KraftfahrtBundesamtes (Nr. 2409 der Drucksachen) 6260D Auschußüberweisung 6260D Erste Beratung des Entwurfs eines Gèsetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen) . . . 6261A Ausschußüberweisung 6261A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau (Nr. 2388 der Drucksachen) 6261A Ausschußüberweisung 6261A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Zulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenzulagegesetz — RZG —) Nr. 2390 der Drucksachen) 6261A Storch, Bundesminister für Arbeit 6261B, 6264D, 6269C Renner (KPD) 6262B Richter (Frankfurt) (SPD) 6263A Schütz (CSU) 6264D Willenberg (Z) 6265B Arndgen (CDU) 6265C Frau Dr. Probst (CSU) 6265D Dr. Hammer (FDP) 6266A Horn (CDU) 6266C Frau Kalinke (DP) 6267B, 6270B Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . . 6268D Dr. Klein, Senator von Berlin . . . 6270A Dr. Bucerius (CDU) 6271B Mellies (SPD) 6271D Ausschußüberweisung 6272A Dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes und des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nrn. 1341, 1275, 2399 der Drucksachen, Umdrucke Nm. 257, 260) . . . 6272A Jahn (SPD) 6272B Vesper (KPD) 6274A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 6275A Rümmele (CDU) 6277A Rademacher (FDP): zur Sache 6279B zur Abstimmung 6282C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6282D Abstimmungen 6280C, 6282D Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2391 der Drucksachen) 6283B Eickhoff (DP), Berichterstatter . . 6283B Lausen (SPD) 6284A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6285C Dr. Seelos (BP) 6286C Beschlußfassung 6286D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Aufhebung der Immunität der Abg. Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz (Nr. 2419 der Drucksachen) 6287A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 6287A Beschlußfassung 6287D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP betr. Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 2421 der Drucksachen) 628'7D Beschlußfassung 6288A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Günther, Kemper u. Gen. betr. Höchstentfernung im Güternahverkehr (Nrn. 1930, 646 der Drucksachen) 6288-A Beschlußfassung 6288A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Fahrrad-Hilfsmotoren (Nrn. 2333, 817 der Drucksachen) 6288A Beschlußfassung 6288B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Funk u. Gen. betr. Frachttarife für Schottersteine zum Straßenbau (Nrn. 2351, 1872 der Drucksachen) 6288B Cramer .(SPD), Berichterstatter . . 6288B Beschlußfassung 6289C Nächste Sitzungen 6289C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Hans Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und 1 Herren! Es betrübt mich, daß es nicht möglich gewesen ist, die zweite und dritte Lesung dieses immerhin bedeutsamen Gesetzes bis nach den Parlamentsferien zu vertagen. Es war der Wunsch des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, zu diesem Problem Stellung zu nehmen. Wir haben am Freitag der vergangenen Woche in einer Aussprache mit dem Herrn Bundeskanzler diesen Wunsch des Deutschen Gewerkschaftsbundes vorgetragen und waren der Auffassung, auf weitestgehendes Verständnis gestoßen zu sein. Es wurde mir von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Mathias Fächer, gesagt, daß wir ruhig zur internationalen Konferenz des Bundes freier Gewerkschaften nach Mailand fahren könnten; es bestünde berechtigte Aussicht, daß das Problem vertagt werde. Wir sind nach Mailand gefahren, und als ich aufgefordert wurde, sofort nach Bonn zurückzukommen — ich erhielt die Aufforderung vor zirka 36 Stunden —, da hat der neugewählte Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Fette, ein sehr bedenkliches Gesicht gemacht.
    Meine Damen und Herren! Christian Fette ist der Mann des guten Willens. Er repräsentiert fast 6 Millionen Arbeitnehmer, den Deutschen Gewerkschaftsbund. Er hat den Wunsch geäußert, man möge ihm Zeit lassen, sich mit der Materie vertraut zu machen und sich gleich Hans Böckler mit dem Herrn Bundeskanzler einmal über die Mitbestimmung in den öffentlichen Betrieben zu unterhalten.

    (Zuruf rechts: Das ist Sache des Parlaments!)

    — Jawohl, aber es ist auch Sache des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sich für dieses wesentliche Recht zu interessieren.

    (Zuruf rechts: Zeit genug gehabt!) — Die Zeit war zu kurz. Daß der Beschluß nicht nicht zustande gekommen ist, das war für diesen Mann des guten Willens eine Lehre für sein Leben. Ich bin gehalten, das zu sagen!

    Und nun stehen wir vor der Fassung des Gesetzentwurfs, wie sie in zweiter Lesung beschlossen worden ist. Wir haben uns noch einmal grundsätzlich mit der ganzen Problematik dieses Gesetzes auseinanderzusetzen. Wir haben in diesem Gesetz die Mitbestimmung in den öffentlichen Betrieben als ein Recht verankern wollen, wie es den Eisenarbeitern, den Stahlarbeitern und den Bergarbeitern gegeben ist. Es heißt in jenem Gesetz: Den Arbeitern wird ein Recht auf Mitbestimmung gegeben. Wir wünschen, daß dasselbe Recht den Arbeitern in den öffentlichen Betrieben, hier bei der Bundesbahn, gegeben wird. Wir haben in dem Staatsarbeiterrecht der Zeit vor 1916 ein zweigleisiges, ein minderes Recht gehabt. Erst am 16. März 1916 wurde diesen Staatsarbeitern die Koalitionsfreiheit gegeben. Wir können heute unmöglich die Hand dazu bieten, daß den Staatsarbeitern wieder ein minderes Recht gegeben wird. Daher unsere Forderung auf gleiches Recht auch in der Frage der Mitbestimmung. Denn darunter fallen in Zukunft nicht nur die 520 000 Eisenbahnarbeiter, -angestellte und -beamte, darunter fallen auch rund 3 Millionen in den öffentlichen Betrieben beschäftigte Arbeitnehmer.
    Es gibt noch ein zweites Problem, was uns die Forderung, hier gleiche Rechte zu schaffen, erheben läßt. Das sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, daß politische Demokratie ohne wirtschaftliche Selbstbestimmung zerbricht. Deshalb wollen wir, daß solche Dinge wie 1933 nicht wieder geschehen können, sondern daß die politische Demokratie durch die wirtschaftliche Demokratie, die wir auch in diesem Gesetz verankert wissen wollen, untermauert wird. Wir wollen eine neue Sozial- und Wirtschaftsordnung aufbauen. Glauben Sie nicht auch, daß, wenn es uns gelingt, eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung aufzubauen, nach der sich Millionen unserer Arbeitsbrüder in der Ostzone sehnen, daß dieses neue Recht — führend zu einer neuen Wirtschaftsordnung, die in der Wirtschaftsdemokratie enden soll — das beste Sprungbrett für eine Vereinigung Deutschlands auf demokratisch, wirtschaftlich und sozial neuem Boden wäre? Ich weiß, daß diese Sehnsucht im Osten unseres Vaterlandes vorherrscht. Dieser Sehnsucht, diesem Drängen müssen wir Rechnung tragen.
    Mitbestimmung und Mitverantwortung sind Zwillingsbrüder. Sie leben miteinander, sie gedeihen miteinander oder aber sie sterben miteinander. Ich will mich nicht weiter über das auslassen, was wir nach der Überrollung 1945 an Mitverantwortung getragen haben. Wir haben wahrlich Verantwortung auf unsere Schultern genommen, und wir wünschen, daß zu der Mitverantwortung endlich auch die Mitbestimmung komme, die nuin einmal dazu gehört, wenn etwas Neues aufgebaut werden soll.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich verstehe nicht, warum man aus dieser Forderung, Mitverantwortung zu tragen, aber auch mitzubestimmen, dann — ich möchte fast sagen — die Redensart entwickelt, die dann landauf landab zu hören ist, daß die Gewerkschaften nach einer neuen Diktatur strebten. Die Mitbestimmung wäre das festeste Band, die Gewerkschaft an die Mitver-


    (Jahn)

    antwortung zu binden. Wenn es aber anders gewünscht wird, dann sehe ich allerdings schwarz für eine ruhige und gesunde Entwicklung nicht nur auf dem sozialrechtlichen Gebiete, sondern auch hinsichtlich alles dessen, was für eine gesunde Wirtschaftspolitik erforderlich ist.
    Und noch ein Viertes. Wir haben in der westdeutschen Republik, und zwar in der französischen Zone, bereits eine entsprechende Institution; das ist der Verkehrsrat der westdeutschen Eisenbahnen mit Sitz in Speyer. Dort ist der Verwaltungsrat aus drei Gruppen zusammengesetzt, während in dem gestern beschlossenen § 10 die Vierteilung verankert worden ist. Es ist für uns nicht möglich, dem zuzustimmen. Wir fordern gleiches Recht für alle Arbeitnehmer auch auf diesem Gebiete und sind deswegen gehalten, unsere bereits gestellten Anträge heute noch einmal zur Abstimmung — nicht zur Diskussion — zu stellen.
    Wir wünschen ferner, daß der § 7 des Gesetzes die Formulierung erhält, wie wir sie in einem Antrag dem Hohen Hause vorgelegt haben. Es ist nach unserer Auffassung unerläßlich, daß in dem größten Betriebe Europas ein Arbeitsdirektor bestellt wird. Es wird als selbstverständlich angesehen, daß ein technischer Direktor, daß ein Finanzdirektor vorhanden ist; aber daß das Wertvollste, was wir besitzen, die Arbeitskraft, nicht durch einen besonderen Arbeitsdirektor betreut werden soll, das erscheint mir einfach unmöglich. Wir sind daher der Auffassung: hier muß ein Arbeitsdirektor bestellt werden, und er soll auch das Vertrauen mindestens der Mehrzahl der bei der Bundesbahn Beschäftigten genießen. Daher unser Wunsch, daß er nicht ohne die Gewerkschaftsvertreter benannt und ohne sie auch nicht von seinem Posten entfernt werden kann.
    Da ich gestern nicht hier sein konnte, haben meine Freunde unsere Forderung hinsichtlich der Zusammensetzung des Verwaltungsrats zur Genüge begründet. Wenn Sie unseren Antrag genau ansehen, meine Damen und Herren, dann werden Sie feststellen, daß für die Wahrnehmung der Funktionen des Verwaltungsrats eigentlich eine Drittelung vorgesehen ist, nämlich: sieben Vertreter vom Bundestag und vom Bundesrat, sieben Vertreter von der Gewerkschaft und je drei vom Bundestag und von der Gewerkschaft zu nominierende Vertreter, die besondere öffentliche und allgemeinwirtschaftliche Interessen wahrzunehmen hätten. Ich glaube, diese Drittelung ist eine wirksame Grundlage dafür, den Betrieb wirklich zu dem zu machen, was er sein muß, nämlich zu einer Musteranstalt in Deutschland.
    Wir halten es für unmöglich, daß in § 14 die Absätze 5 und 8 stehen bleiben. Wir wünschen, bei Tarifverhandlungen und bei anderen Verhandlungen zu einem echten Verhältnis der Sozialpartner zueinander zu kommen. Daher sollte der Abs. 5 des § 14 gestrichen werden, desgleichen der neu eingefügte Abs. 8. Wir glauben, es ist völlig genügend, wenn eine funktionsfähige Hauptverwaltung der Bundesbahn arbeitet und ein nach gesunden Prinzipien zusammengesetzter Verwaltungsrat die Arbeit dirigiert. Wir glauben auch, daß der Herr Bundesverkehrsminister in seinem Ministerium genügend Kräfte zur Verfügung hat; er braucht sich nicht noch- Beamte in sein Ministerium abkommandieren zu lassen. Weiterhin ist es nach unserer Auffassung für einen gesunden
    Wirtschaftsbetrieb unerläßlich, daß eine saubere Trennung von Leitung und Aufsicht durchgeführt wird.
    Alles in allem sind wir der Auffassung, daß die von uns vorgelegten Anträge von diesem Hohen Hause akzeptiert werden sollten, und zwar einfach deswegen, um die Bundesbahn in einer ruhigen, stetigen Entwicklung zu einem gesunden Betrieb der deutschen Volkswirtschaft zu machen. Wenn anders verfahren wird, dann wird 24 Stunden nach Inkrafttreten des Gesetzes der Kampf um seine Revision einsetzen. Das wird weder Ruhe noch Zufriedenheit im Betrieb ergeben und wird sich mehr als ungünstig auf den Ablauf des Betriebes auswirken.

    (Zuruf von der FDP: Das nennt man Demokratie! — Gegenruf von der SPD: Jawohl!)

    — Meine Damen und Herren, das nennen wir Demokratie.

    (Erneute Zurufe von der FDP.)

    Wir haben unter Beweis gestellt, daß die Demokratie nur besteht, weil der Deutsche Gewerkschaftsbund als stärkste demokratische Organisation sich dafür eingesetzt hat.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der FDP.)

    Wir lassen uns in bezug auf Demokratie und Verteidigung der demokratischen Formen von niemandem übertreffen.

    (Abg. Dr. Hammer: Wir auch nicht! — Abg. Euler: Drohen aber mit politischen Streiks!)

    — Wann haben Sie von mir politische Streiks gesehen, Herr Euler?

    (Abg. Euler: Die haben Sie aber angedroht! Wollen Sie denn das bestreiten?)

    — Herr Euler, Herr Kollege Euler, es hieße Eulen nach Athen tragen,

    (Zuruf links: Und den Euler!)

    wenn wir uns darüber unterhalten wollten. (Abg. Strauß: Das ist doch billig! — Zurufe von der FDP.)

    Wir haben keinen politischen Streik angedroht;

    (Widerspruch bei der FDP)

    das müßte erst einmal nachgewiesen werden. (Zuruf von der FDP: Waren das Sympathiekundgebungen?)

    Wir haben das Recht und die Pflicht, das, was in den Herzen der Millionen Arbeitnehmer in dieser Zeit vor sich geht und nach außen drängen- will, auch auszusprechen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe von der FDP.)

    Daran lassen wir uns von niemandem behindern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, es ist wirksamer, wenn man die Dinge ruhig und nüchtern anschaut.
    Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die soziale Unrast unter der Arbeitnehmerschaft wieder bedenkliche Formen anzunehmen beginnt.

    (Zuruf von der FDP.)

    Ich verweise nur auf die Situation im Bergbau.

    (Erneute lebhafte Zurufe von der FDP.)

    — Wenn Sie das Ohr am Pulsschlag des Volkes hätten, wie wir es tagtäglich haben,

    (fortgesetzte Zurufe rechts)

    dann würden Sie mit uns der Meinung sein, das
    Hohe Haus sollte alles tun, um dafür zu sorgen,
    daß durch ein nach unseren Anträgen zu formen-


    (Jahn)

    des Gesetz Ruhe und Stetigkeit in die Wirtschaft einziehen können.

    (Anhaltende Zurufe von der FDP.)

    An uns soll es nicht liegen, mitzuarbeiten. Ich warne aber davor, uns in die Opposition zurückstoßen zu wollen, die dann gefährliche Formen annehmen könnte.

    (Erregte Zurufe von der FDP: Das ist Demokratie! — Gegenrufe von der SPD.)

    — Das ist die Warnung eines Mannes, der die Verantwortung fühlt, das auszusprechen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich ersuche daher alle gewerkschaftsverbundenen Abgeordneten dieses Hohen Hauses,

    (Zurufe rechts)

    sich unseren Anträgen anzuschließen; sie werden dann in der weiteren Entwicklung selber sagen: Es waren weise Beschlüsse, die hier gefaßt worden sind.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Vesper.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Vesper


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Abstimmung bei der zweiten Lesung des Bundesbahngesetzes zeigte wieder einmal, daß sich die Regierungsparteien offen gegen die Mitbestimmung entschieden haben. Es scheint so, als ob die Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Eisen in Widerspruch stünde mit der gestrigen Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei der Bundesbahn. In Wirklichkeit besteht aber ein solcher Widerspruch nicht. Die Adenauer-Regierung, die sich auf die Mehrheit dieses Hauses stützt, kann und darf nicht zulassen, daß das Mitbestimmungsrecht in einer Schlüsselposition der deutschen Wirtschaft, bei der Bundesbahn, in dem größten europäischen Verkehrsbetrieb zur Geltung kommt.

    (Abg. Strauß: Sonst kommt die Remilitarisierung!)

    — Das werden -Sie gleich hören, Herr Strauß.

    (Abg. Strauß: Davon bin ich überzeugt!) Diese Regierung ist bereit, die westdeutsche Eisenbahn dem amerikanischen Monopolkapital auszuliefern.


    (Zuruf rechts: Da sind wir j a wieder soweit!)

    Sie verzichtet auf jeden Versuch, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesbahn gegenüber den USA zu behaupten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Es wird allmählich zu dumm!)

    Meine Damen und Herren, diese Politik hat ihre Vorläufer in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Gestützt auf die Bestimmung des Versailler Vertrages streckten amerikanische Finanzkräfte im Jahre 1924 ihre Hände nach der Deutschen Reichsbahn aus. Auch damals begann der Raubzug mit einem Sachverständigengutachten, das am 9. April 1924 bekanntgegeben wurde.

    (Abg. Strauß: Aber die Schienen haben sie nicht demontiert!)

    Auf Grund dieses Gutachtens wurde die Reichsbahn weitestgehend der Staatsaufsicht entzogen und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

    (Abg. Dr. Reif: Aber sie blieb zweigleisig!)

    Ich möchte Sie an diese Tatsache erinnern. Der damalige ausländische Eisenbahnkommissar, der in alle Finanz- und Verwaltungsfragen der Eisenbahn Einsicht nahm, hatte die uneingeschränkte Macht. Unter seiner Regie wurden Obligationen in Milliarden von Goldmark gegeben. Er hatte das Recht, bei Nichtzahlung der Zinsen und Tilgung Maßnahmen zu treffen und in der Frage des Eisenbahneigentums ganz oder teilweise auf Betriebe Einfluß zu nehmen, sie zu verpachten und sie zu verkaufen.
    Meine Damen und Herren, die westdeutsche Presse hat vor nicht allzu langer Zeit in aller Offenheit über die Pläne und Absichten der USA berichtet. Nicht nur die amerikanische Firma Coverdale zeigte hierfür Interesse. Es waren auch namhafte und bekannte New Yorker Banken, darunter die New Yorker Chase National Bank, die sich hierum bemühte. Im gleichen Sinne hatte die Central Hannover Bank Trust & Company durch ihre Vertreter mit dem Herrn Wirtschaftsminister verhandelt. Bei dieser Verhandlung kam zum Ausdruck, daß als Voraussetzung für die amerikanischen Kredite eine gewisse politisch-militärische Sicherheit gegeben sem muß.

    (Abg. Dr. von Brentano: Ach nee, was nicht alles!)

    Ich beziehe mich bei dieser Information auf „Die Welt" vom 7. Juni und die „Frankfurter Allgemeine" vom 29. Juni 1951. Wir wissen, daß die Bundesbahn, um wieder kreditfähig und damit friedensmäßig zu werden, einen Kredit von 3 bis 4 Milliarden DM benötigt. Wir wollen aber nicht, daß die Kredite mit Verpflichtungen, d. h. Pachtverträgen, in Verbindung gebracht werden. Mit Pachtverträgen pflegten imperialistische Mächte immer Stützpunkte in Ländern zu schaffen. Die Verkehrsstützpunkte waren dabei besonders beliebt.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Ausführungen des Kollegen Rademacher erinnern, der u. a. auf die Schaffung der Europäischen Verkehrsunion hinwies. Diese Europäische Verkehrsunion, Kollege Rademacher, ist eine amerikanische Einrichtung. Die Zusammenfassung der wichtigsten Verkehrsträger ist nichts anderes als die Realisierung des Schumanplans auf dem Gebiet des Transports in Westeuropa, in dem Westdeutschland eine besondere Rolle zu spielen hat. In Art. 3 der Richtlinien dieser Union heißt es:
    Zur Schaffung eines Verkehrsrates wird eine verstärkte Rationalisierung des Verkehrs und der Ausbau von neuen Verkehrswegen gefordert.
    Eine solche Praxis kann nicht friedlichen Zwecken dienen, sondern ist der strategische Plan zur Vorbereitung eines dritten Weltkrieges. Auch den westdeutschen Transportzweigen, vor allem der Bundesbahn, wird hier eine besondere Rolle zugedacht. Daß die Bundesbahn ein erstrangiges politisches Instrument ist, verrät die „Deutsche Zeitung" Nr. 137 vom 18. Juni 1951. Es heißt hier:
    Die Bundesbahn ist auch ein politisches Instrument ersten Ranges. In Krisenzeiten, wenn
    extreme politische Tendenzen an Gewicht gewinnen, kann man auf diesem Instrument mit
    großem Vorteil spielen. Man kann beispielsweise eine Massenarbeitslosigkeit auffangen.
    Man kann aber auch auf Schienen Polizei befördern.

    (Zuruf von der Mitte: Ach nee!)



    (Vesper)

    Bonn hält auf dieses Instrument gern eine feste Hand.

    (Abg. Dr. von Brentano: Das ist j a ganz neu, was Sie da sagen! — Abg. Mayer [Stuttgart] : Du merkst aber auch alles!)

    Meine Damen und Herren, auf westdeutschen Schienen lassen sich bewaffnete Formationen transportieren. Auch die westdeutschen Eisenbahner werden den Mißbrauch der Bundesbahn für Truppen- und Kriegsmaterialtransporte aller Art sowie die Wiederaufrüstung Deutschlands ablehnen.

    (Lebhafte Zurufe.)

    Die westdeutschen Eisenbahner verlangen aber endlich die Durchsetzung ihrer Forderung auf höhere Löhne und Gehälter, soziale Besserstellung und das Mitbestimmungsrecht. Aus diesem Grunde lehnte die Regierung Ihrer Parteien in der zweiten Beratung das Mitbestimmungsrecht der Eisenbahner ab.

    (Abg. Mayer [Stuttgart]: Peng!)