Rede von
Walter
Vesper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Abstimmung bei der zweiten Lesung des Bundesbahngesetzes zeigte wieder einmal, daß sich die Regierungsparteien offen gegen die Mitbestimmung entschieden haben. Es scheint so, als ob die Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Eisen in Widerspruch stünde mit der gestrigen Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei der Bundesbahn. In Wirklichkeit besteht aber ein solcher Widerspruch nicht. Die Adenauer-Regierung, die sich auf die Mehrheit dieses Hauses stützt, kann und darf nicht zulassen, daß das Mitbestimmungsrecht in einer Schlüsselposition der deutschen Wirtschaft, bei der Bundesbahn, in dem größten europäischen Verkehrsbetrieb zur Geltung kommt.
— Das werden -Sie gleich hören, Herr Strauß.
Diese Regierung ist bereit, die westdeutsche Eisenbahn dem amerikanischen Monopolkapital auszuliefern.
Sie verzichtet auf jeden Versuch, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesbahn gegenüber den USA zu behaupten.
Meine Damen und Herren, diese Politik hat ihre Vorläufer in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Gestützt auf die Bestimmung des Versailler Vertrages streckten amerikanische Finanzkräfte im Jahre 1924 ihre Hände nach der Deutschen Reichsbahn aus. Auch damals begann der Raubzug mit einem Sachverständigengutachten, das am 9. April 1924 bekanntgegeben wurde.
Auf Grund dieses Gutachtens wurde die Reichsbahn weitestgehend der Staatsaufsicht entzogen und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Ich möchte Sie an diese Tatsache erinnern. Der damalige ausländische Eisenbahnkommissar, der in alle Finanz- und Verwaltungsfragen der Eisenbahn Einsicht nahm, hatte die uneingeschränkte Macht. Unter seiner Regie wurden Obligationen in Milliarden von Goldmark gegeben. Er hatte das Recht, bei Nichtzahlung der Zinsen und Tilgung Maßnahmen zu treffen und in der Frage des Eisenbahneigentums ganz oder teilweise auf Betriebe Einfluß zu nehmen, sie zu verpachten und sie zu verkaufen.
Meine Damen und Herren, die westdeutsche Presse hat vor nicht allzu langer Zeit in aller Offenheit über die Pläne und Absichten der USA berichtet. Nicht nur die amerikanische Firma Coverdale zeigte hierfür Interesse. Es waren auch namhafte und bekannte New Yorker Banken, darunter die New Yorker Chase National Bank, die sich hierum bemühte. Im gleichen Sinne hatte die Central Hannover Bank Trust & Company durch ihre Vertreter mit dem Herrn Wirtschaftsminister verhandelt. Bei dieser Verhandlung kam zum Ausdruck, daß als Voraussetzung für die amerikanischen Kredite eine gewisse politisch-militärische Sicherheit gegeben sem muß.
Ich beziehe mich bei dieser Information auf „Die Welt" vom 7. Juni und die „Frankfurter Allgemeine" vom 29. Juni 1951. Wir wissen, daß die Bundesbahn, um wieder kreditfähig und damit friedensmäßig zu werden, einen Kredit von 3 bis 4 Milliarden DM benötigt. Wir wollen aber nicht, daß die Kredite mit Verpflichtungen, d. h. Pachtverträgen, in Verbindung gebracht werden. Mit Pachtverträgen pflegten imperialistische Mächte immer Stützpunkte in Ländern zu schaffen. Die Verkehrsstützpunkte waren dabei besonders beliebt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Ausführungen des Kollegen Rademacher erinnern, der u. a. auf die Schaffung der Europäischen Verkehrsunion hinwies. Diese Europäische Verkehrsunion, Kollege Rademacher, ist eine amerikanische Einrichtung. Die Zusammenfassung der wichtigsten Verkehrsträger ist nichts anderes als die Realisierung des Schumanplans auf dem Gebiet des Transports in Westeuropa, in dem Westdeutschland eine besondere Rolle zu spielen hat. In Art. 3 der Richtlinien dieser Union heißt es:
Zur Schaffung eines Verkehrsrates wird eine verstärkte Rationalisierung des Verkehrs und der Ausbau von neuen Verkehrswegen gefordert.
Eine solche Praxis kann nicht friedlichen Zwecken dienen, sondern ist der strategische Plan zur Vorbereitung eines dritten Weltkrieges. Auch den westdeutschen Transportzweigen, vor allem der Bundesbahn, wird hier eine besondere Rolle zugedacht. Daß die Bundesbahn ein erstrangiges politisches Instrument ist, verrät die „Deutsche Zeitung" Nr. 137 vom 18. Juni 1951. Es heißt hier:
Die Bundesbahn ist auch ein politisches Instrument ersten Ranges. In Krisenzeiten, wenn
extreme politische Tendenzen an Gewicht gewinnen, kann man auf diesem Instrument mit
großem Vorteil spielen. Man kann beispielsweise eine Massenarbeitslosigkeit auffangen.
Man kann aber auch auf Schienen Polizei befördern.
Bonn hält auf dieses Instrument gern eine feste Hand.
Meine Damen und Herren, auf westdeutschen Schienen lassen sich bewaffnete Formationen transportieren. Auch die westdeutschen Eisenbahner werden den Mißbrauch der Bundesbahn für Truppen- und Kriegsmaterialtransporte aller Art sowie die Wiederaufrüstung Deutschlands ablehnen.
Die westdeutschen Eisenbahner verlangen aber endlich die Durchsetzung ihrer Forderung auf höhere Löhne und Gehälter, soziale Besserstellung und das Mitbestimmungsrecht. Aus diesem Grunde lehnte die Regierung Ihrer Parteien in der zweiten Beratung das Mitbestimmungsrecht der Eisenbahner ab.