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    Deutscher Bundestag — 156. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Juli 1951 6179 156. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Juli 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 6180D, 6185D, 6239B Beschlußfassung des Bundesrats zu den Gesetzen zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes 6181A betr. die Industriebank Aktiengesellschaft 6181A zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen 6181A über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen 6181A betr. Weitergeltung der Getreidepreise 6181A zum Schutz der persönlichen Freiheit . 6181B zur Ergänzung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet 6181B zur Änderung des Tabaksteuergesetzes . 6181B über die Verlängerung der Dauer bestimmter Patente 6181B über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft . 6181B über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 6181B über die Verlängerung der Zuckerungsfrist bei Wein 6181B über den vorläufigen Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 19. Dezember 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Republik Island . . . . 6181B betr. den Zolltarif 6181B Vorlage von Verordnungen über Preise für Margarine, Kunstspeisefette sowie feste Speisefette, über die Aufarbeitung von Steinkohlenrohteer sowie über Verwendungsbeschränkungen für Knochen . 61818 Anfrage Nr. 197 der Fraktion der SPD betr. Bundesgesundheitsrat (Nrn. 2310, 2316 der Drucksachen) 6181C Bericht des Bundesministers für Verkehr betr. Grenzübergang Emmerich—Zevenaar (Nr. 2315 der Drucksachen) . . . 6181C Änderungen der Tagesordnung 6181C Kohl (Stuttgart) (KPD) 6181D Meyer (Bremen) (SPD) 6182A Beschluß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Nichtbeteiligung unmittelbar betroffener Abgeordneter bei der Beratung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität . 6181C Mündliche Berichte des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Nr. 2411 der Drucksachen), dem Gesetz über eine Bundesbürgschaft zur Abwicklung von Saatenkrediten für die Ernten bis zum Jahre 1949 (Nr. 2413 der Drucksachen) 6186A dem Zolltarifgesetz (Nrn. 2412, 1294, 2250, 2380 der Drucksachen) 6182C Dr. Ringelmann, Staatsekretär im bayerischen Finanzministerium, Berichterstatter 6182C Schoettle (SPD), Berichterstatter . 6186A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 6220D Beschlußfassung 6185D; 6186C; 62211C Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nr. 2327 der Drucksachen) 6186C Gleisner (SPD), Interpellant . . . 6186C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 6188C Frau Strohbach (KPD) 6189C Dr. Mende (FDP) 6190B Erler (SPD) 6191C Dr. Seelos (BP) 6193C von Thadden (DRP) 6193D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Anrechnung von Besatzungskohle auf die Exportquote (Nrn. 2371, 2170 der Drucksachen) 6194A Dr. Henle (CDU), Berichterstatter 6194A Beschlußfassung 6195D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 und den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen vom 30. Oktober 1947 (Nr. 2400 der Drucksachen) 6195D Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . . 6195D Ausschußüberweisung 6197A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen vom 31. Oktober 1938 (Nr. 2186 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr 2338 der Drucksachen) 6197A Happe (SPD), Berichterstatter . . . 6197B Beschlußfassung 6197C Zweite Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes und dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nrn. 1341, 1275 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 2399 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 247, 239, 240, 241) 6197C Rademacher (FDP), Berichterstatter 6197D Meyer (Bremen) (SPD) . . 6201D, 6203A, 6207A, 6208C Vesper (KPD) 6202B, 6206B, C, 6207C, D, 6208B Dr. Bleiß (SPD) 6203C, 6205D Dr.-Ing. Decker (BP) . . 6204B, 6209C, D Abstimmungen . . 6201D, 6202D, 6203C, 6204D, 6205C, 6206B, D, 6207B, C, 6208B, C, 6210A Zweite Beratung des Entwurfs eines Kilndigungsschutzgesetzes (KSchG) (Nr. 2090 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2384 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 251, 249, 243) 6181D, 6210A Kohl (Stuttgart) (KPD): zur Tagesordnung 6181D zur Sache 6220B Dr. Preller (SPD), Berichterstatter 6210B Günther (CDU) 6213A Sabel (CDU) 6214A Frau Kalinke (DP) 6214D Ludwig (SPD) 6215A, 6219B, C Dr. Atzenroth (FDP): zur Sache 6216A zur Geschäftsordnung 6220D Dr. Reismann (Z) 6216C Müller (Frankfurt) (KPD) 6218A Abstimmungen . . 6217D, 6219A, B, D, 6220C Anteilnahme des Bundestags an dem Schiffsunglück im Berliner Osten . . . 6220C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesdesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2131 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2385 der Drucksachen, Umdruck Nr. 246) 6221C Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 6221C als Abgeordneter 6238D Dr. Preller (SPD) . . 6226B, 6227C, 6236B Euler (FDP) 6221C Sassnick (SPD) 6227D Kuntscher (CDU) 6228C Dr. Mühlenfeld (DP) (zur Geschäftsordnung) 6229C Dr. Seelos (BP) 6229D Müller (Frankfurt) (KPD) 6230C Freidhof (SPD) . . . 6231A, 6237C, 6238B Sabel (CDU) 6231B, 6234B Frau Döhring (SPD) . . 6231C, 6232B, C Dr. Dresbach (CDU) 6231D Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 6232D Frau Korspeter (SPD) . 6235B, C, 6236A Kohl (Stuttgart) (KPD) 6237D Dr. Jaeger (CSU) 6238D Abstimmungen 6226C, 6230A, D, 6231 B, 6232A, C, D, 6235A, C, D, 6236B, 6237B, 6238A, 6239A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frommhold u. Gen. betr. Autobahnreklame (Nrn. 2350, 1688 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Freiherr von Fürstenberg, Dr. Solleder u. Gen. betr. Verkehrsgesetz (Nr. 2386 der Drucksachen) 6239B Dr.-Ing. Decker (BP), Antragsteller 6239B Müller (Hessen) (SPD) 6240B Beschlußfassung 6240C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Parzinger gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 28. Februar 1951 (Nr. 2352 der Drucksachen) 6240D Sassnick (SPD), Berichterstatter . 6240D Beschlußfassung 6241 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Bahlburg gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 3. Juli 1951 (Nr. 2406 der Drucksachen) 6241A Gengler (CDU), Berichterstatter . 6241A Beschlußfassung 6241C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Wehner gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 19. März 1951 (Nr. 2354 der Drucksachen) 6241C Ewers (DP), Berichterstatter . . . 6241C Beschlußfassung 6242A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 235) 6242A Beschlußfassung 6242A Beratung der Übersichten Nr. 32 und Nr. 33 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nrn. 234, 236) 6242C Beschlußfassung 6242C Nächste Sitzung 6242C Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir zweckmäßig, zunächst einmal kurz auf die Entstehung der Dienstorganisationen einzugehen. Herr Kollege Gleisner hat schon erwähnt, daß sich jene Menschen 1945, der Not gehorchend und nicht dem eigenen Triebe,
    durch die Besatzungsmächte anwerben und einstellen ließen. Wir wissen, daß viele Menschen damals in den Gefangenenlagern keine Möglichkeit hatten, nach Hause zu kommen, nicht zuletzt durch die Maßnahmen derer, Frau Kollegin Strohbach, die Sie hier im Parlament so oft schützen und verteidigen.

    (Zurufe von der KPD. — Gegenrufe von der Mitte.)

    Diese Menschen waren damals, wenn sie entlassen werden wollten, um nicht auf der Straße zu liegen oder noch länger in Gefangenenlagern in Holstein oder in Oldenburg oder hier im Westen zu bleiben, mehr oder minder gezwungen, sich für die Transporteinheiten oder Hilfsdienste der Besatzungsmacht zur Verfügung zu stellen, und zwar schon deswegen, weil leider deutsche Dienststellen damals den Menschen bei weitem nicht immer jene Hilfe zuteil werden ließen, die ihnen zum Teil von den Besatzungsmächten zuteil wurde.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Es ist völlig verkehrt, diesen Menschen etwa einen Vorwurf daraus zu machen. Es ist wichtig, in der Zeit der Begriffsverwirrungen und Geschichtsklitterung darauf hinzuweisen, daß nicht ein Deut militärischer Gesinnung etwa die Menschen veranlaßt hat, zu diesen Einheiten zu gehen, sondern daß die Not allein Motiv für die Dienste war. Wenn man einmal Militarismus als jene Geistesanschauung definiert, die alle Lösungen — auch die politischen Lösungen — letzten Endes mit Gewalt durchführen will, dann waren die Angehörigen der Dienstorganisationen die ersten Opfer des Militarismus, jener Auffassung von Gewaltlösungen; denn sie konnten nicht mehr nach Hause und sahen als einzigen Ausweg aus ihrer Situation die Verdingung an die Besatzungsmächte.
    Nach 1948 ist natürlich eine Veränderung in dem Dienstverhältnis eingetreten — Herr Kollege Gleisner hat es schon erwähnt —, und zwar zum Teil eine soziale, zum Teil aber auch eine rein dienst-stellungsmäßige Verschlechterung. Ich habe hier ein Memorandum aus der Führung dieser Dienstorganisation und muß manches richtigstellen, was vor allem von meiner Vorrednerin leider falsch dargestellt wurde. Bei der Umstellung der Verträge im Oktober vorigen Jahres wurde sowohl mit den Regierungen als auch mit den Gewerkschaften verhandelt, und bereits damals wurden in gemeinsamer Arbeit dieser Stellen gewisse Verbesserungen erreicht. Es werden Übungshilfen für Bedienstete der DDO gezahlt, die an Manövern teilnehmen müssen. Es werden Unterhaltshilfen in all den Fällen gewährt, in denen Unterkunft und Verpflegung nicht zur Verfügung gestellt werden können. Die Einstellung hängt von einer gewissen Probezeit ab. Man gibt also jedem die Möglichkeit, sich nach Antritt des Dienstes noch einmal zu überlegen, ob er dabei verbleiben will. Überhaupt ist zu betonen, daß die Grundlage jener Verpflichtungen bei allen notlagemäßigen Motiven letzthin doch eine freiwillige ist.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    — Ich komme noch darauf zurück!
    Zur Frage der Aufrechterhaltung der Disziplin: Die Uniformen werden nur während der Dienstzeit getragen. Sie dürfen nicht außerhalb der Dienstzeit getragen werden, ausgenommen auf dem Wege vom und zum Arbeitsdienst. Ferner ist der DDOWachdienst der einzige Dienst, bei dem im Notfall verlangt werden kann, während des Dienstes Waffen zu tragen.


    (Dr. Mende)

    Die Rechtsstellung der Dienstorganisation ist schon von Herrn Staatssekretär Hartmann behandelt worden. Ihre Angehörigen unterliegen deutschem Zivil- und Strafrecht. Allerdings darf ohne die Genehmigung der Besatzungsmächte kein Verhör vor einem deutschen Gericht durchgeführt werden.

    (Lachen bei der KPD.)

    Ja, meine Damen und Herren, vergessen wir doch nicht, daß die bedauerliche Stellung dieser Dienstorganisationen ein Teil der bedauerlichen Situation ist, in der wir uns alle befinden; denn auch wir sind letzten Endes nicht Parlamentarier in der souveränen Art, wie wir das zur Zeit der Weimarer Republik einmal kannten. Auch wir können teilweise nur Gesetze machen, die von der Hohen Kommission genehmigt werden müssen.

    (Lachen bei der KPD.)

    Man muß also das Problem der DDO-Einheiten —

    (Anhaltendes Lachen und Zurufe von der KPD.)

    Allerdings trete ich und tritt auch meine Fraktion schärfstens allen Versuchen entgegen, aus diesen Organisationen so etwas wie die HiwiOrganisation der vergangenen Wehrmacht zu machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zurufe von der KPD.)

    Hier scheiden sich die Geister. Wir werden jedem Versuch entgegentreten, auf dem Umweg über diese Organisationen neue Formationen zu schaffen. Aber hier muß ich Herrn Kollegen Gleisner, der ja doch eine gewisse Erfahrung als ehemaliger militärischer Vorgesetzter hat, einmal sagen: es ist nicht so einfach, Divisionen und Armeen aufzustellen, Herr Kollege Gleisner! Sie wissen am besten, daß aus dieser Dienstorganisation beileibe nicht so schnell Truppen werden entstehen können. Der Verdacht ist hier doch etwas zu stark geäußert worden, daß man jene Dienstorganisation schon jetzt irgendwie als militärische Nebenorganisation ansehen könnte.

    (Abg. Renner: Ich höre immer nur „Jetzt schon"!)

    — Ja, „jetzt", weil Sie, Herr Kollege Renner, ja wissen wollen — die Rednerin Ihrer Fraktion sagte das —, das seien bereits Teile einer deutschen Armee. Ob diese Armee allerdings einmal kommen wird — wahrscheinlich viel später, als Sie sie selbst und die Lattmann, Bechler und Markgraf längst schon in der Volkspolizei aufgestellt haben —, das ist eine Frage, die letzten Endes hier vom Parlament erst entschieden werden muß und die sich dem heutigen Thema entzieht.
    Ich darf hier meiner Vorrednerin eben noch folgendes sagen. Sie hat uns einmal einen Vortrag über den Zuckerpreis gehalten. Heute ist sie die Sachverständige der KPD-Fraktion in den Fragen der Deutschen Dienst-Organisation und der „Remilitarisierung". Wenn eine Notwendigkeit besteht, zu der berechtigten Interpellation der Fraktion der SPD zu sprechen, dann ist sie, Frau Kollegin Strohbach, nicht zuletzt auch auf all die Dinge zurückzuführen, die seit Jahren in der Sowjetzone geschehen, mit der Sie ja doch geistesmäßig eng liiert sind: Aufstellung, Ausrüstung und Bewaffnung der Volkspolizei unter Führung der Generale von Lensky, Lattmann, Vinzenz Müller, der Majore Bechler, Markgraf und all derer, die wegen Hoch- und Landesverrats längst vor ein deutsches Gericht gehörten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst nur ein Wort über die Legitimation zu dieser Interpellation. Ich bedauere es, daß ich mich ab und zu in einer Gesellschaft befinde, in der mir nicht ganz wohl ist. Das will ich hier ganz deutlich aussprechen: Legitimiert zu dieser Interpellation sind doch wohl in letzter Linie diejenigen, die dort, wo sie regieren, all das, was wir hier den westlichen Besatzungsmächten zum Vorwurf machen, viel schärfer und im größeren Umfange durchexerzieren.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Renner.)

    Das ist das eine.
    Und nun zur Sache selbst. Es ist hier der Eindruck erweckt wurden, ais handle es sich bei dieser Interpellation um einen Vorwurf gegen die Angehörigen der Dienstgruppen selbst. Das ist vollkommen falsch. Der Vorwurf richtet sich gegen diejenigen, die die Notlage der Angehörigen der Dienstgruppen ausnutzen und sie dadurch in ein für uns Deutsche unerträgliches Zwielicht bringen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die bedauerliche Situation, von der der Herr Kollege Mende gesprochen hat und in der, wie er gesagt hat, wir alle uns befinden, sieht doch etwas anders aus, als er es dargestellt hat. Ich bitte, sich einmal etwas eingehender über die Rechtslage nach dem Besatzungsstatut zu vergewissern, um zu ergründen, daß der Bundestag auf dem Gebiete der Gesetzgebung tatsächlich einige Befugnisse mehr hat und auch in Anspruch nehmen sollte, als sie uns der Kollege Mende eben „großzügigerweise" zubilligen wollte.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich bin etwas betroffen darüber, daß die Interpellation von dem Herrn Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums beantwortet worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist, weiß Gott, zur Beantwortung dieser Interpellation nicht zuständig.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Bundesfinanzministerium ist an diesen Fragen nur finanziell interessiert, und es ist nicht diejenige Institution der Bundesrepublik, die das in dieser Interpellation angeschnittene menschliche und das viel wichtigere politische Problem behandeln und beantworten kann. Ich will den etwas naiven Kinderglauben, der aus den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs sprach, durchaus ernst nehmen; aber ich kann ihn leider nicht teilen. Man kann hier nicht lediglich von den Dienstgruppen in der britischen Besatzungszone sprechen, sondern muß zum Vergleich — die Dienstgruppen in der britischen Zone gehen schon diesen Weg — auf die Verhältnisse in der amerikanisch besetzten Zone eingehen. Schon die Altersunterschiede, die uns angegeben worden sind, sprechen Bände. 23 Jahre ist der Durchschnitt in der amerikanischen Besatzungszone, 38 Jahre ist das durchschnittliche Lebensalter in der britischen Besatzungszone; und die Briten passen sich jetzt den Amerikanern an.


    (Erler)

    Die neuen Einstellungsvorschriften sehen vor, daß das Verhältnis der Verheirateten zu den Unverheirateten künftig nicht mehr höher als 1:10 liegen darf. Was hat das mit einem normalen Arbeitsverhältnis zu tun? Seit wann wählt man bei Arbeiten, bei Hilfsarbeiten irgendwelcher Art danach aus, ob jemand verheiratet ist oder nicht? Damit wird der Charakter der jetzigen Organisation in der amerikanischen Zone und der künftigen Organisation in der britischen Zone doch wohl eindeutig und klar.
    Es gibt einen sehr wesentlichen Unterschied in den Verträgen. Nach dem Vertrag, den die Angehörigen in der britischen Zone unterschreiben, können sie zu allen Arbeiten in der Bundesrepublik eingesetzt werden, die die britische Besatzungsarmee befiehlt. Diese Beschränkung auf das Gebiet der Bundesrepublik fehlt in den Bedingungen für die amerikanische Besatzungszone.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der dort in die Organisation Eingetretene kann für jeden Dienst und an jedem Platz verwendet werden, den die amerikanische Armee für ihn für richtig hält.

    (Erneutes Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich möchte darüber hinaus feststellen, daß es in der britischen Zone immerhin eine gewerkschaftsähnliche Betreuungsorganisation gibt, die sich die Amerikaner mit allem Nachdruck für ihr Gebiet verbeten haben.

    (Lebhaftes Hort! Hört! bei der SPD.)

    Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir es in gewissen Teilen beider Zonen mit einem regelrechten öden Kommißbetrieb zu tun haben, den wir in Deutschland auf jeden Fall an unseren eigenen Staatsbürgern nicht wieder erleben wollen, weder
    unter deutschem noch — erst recht nicht — unter fremdem Befehl.

    (Beifall bei der SPD.)

    Einem dieser fremden Befehlshaber hat es so gut gefallen, daß er sich nach einem besonders „zackig" ausgeführten Wachdienst anerkennend äußerte, das sei so wie bei der SS-Leibstandarte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich glaube, das ist ein „Lob", das die Angehörigen
    dieser Dienstgruppe eigentlich sehr zu Unrecht verdient haben. Wir sollten ihnen solche Vergleiche in
    Zukunft dadurch ersparen, daß wir jetzt die Bundesregierung in dieser Frage zum Handeln zwingen.
    Es ist darauf hingewiesen worden, es handle sich ja um Freiwillige. 80 % aller Angehörigen der Dienstgruppen haben ihre Heimat verloren. Es sind entweder Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone oder Heimatvertriebene aus den Gebieten jenseits der Oder und Neiße. Wie wollen Sie von Freiwilligkeit sprechen, wenn die Beendigung des Dienstverhältnisses praktisch mit sofortiger Obdach- und Arbeitslosigkeit geahndet wird!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das ist keine Freiwilligkeit mehr, das ist wirklich Ausbeutung einer sozialen Notlage.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Nun noch ein Wort zum zivilen Charakter. Mit dem Ausscheiden in dem Augenblick, in dem die Dinge außenpolitisch einmal kritisch würden, hat es so eine eigene Bewandtnis. Am 19. Juni ging eine dpa-Meldung über die Verhandlungen des britischen Unterhauses durch die deutsche Presse. Darin heißt es, deutsche Zivilangestellte, die für die britischen Besatzungstruppen in Deutschland arbeiten, würden im Kriegsfalle nicht entlassen werden. — So sagte Kriegsminister John Strachey vor dem Unterhaus; er beantwortete eine Anfrage des konservativen Abgeordneten Duncan Sandys und fügte hinzu, es liege nicht im öffentlichen Interesse, über alle Maßnahmen zu sprechen, die im Fall eines Kriegsausbruchs getroffen würden. Und auf die Frage, ob die Bundesregierung damit einverstanden sei, deren Mitwirkung offensichtlich erforderlich sei, antwortete der Minister, daß er auf diese komplizierte und etwas delikate Frage nicht eingehen möchte. Das heißt also: er hat das Einverständnis der Bundesregierung nicht etwa abgestritten. Das ist das mindeste, was man aus dieser Erklärung zu schließen hat. Ich werde Ihnen darüber weiter noch einiges zu sagen haben.
    Zum Charakter des Zivildienstes paßt es schlecht, daß die Militärgerichtsbarkeit eben doch entgegen den heute hier abgegebenen Erklärungen vorgeht. Der Dienstpflichtige untersteht nur insoweit den deutschen Gerichten, als ihn die alliierten Militärgerichte der deutschen Gerichtsbarkeit ausliefern. Die alliierte Militärgerichtsbarkeit geht vor. Aus dem Vertrag ist ein ganz eindeutiges militärisches Subordinationsverhältnis geworden.
    In was für einem Staate leben wir eigentlich? In einem Staate, in dem man, wenn man nähere Informationen über den Charakter einer solchen deutschen Dienstorganisation einholen will, auf den Einwand stößt: Ja, hier gehe es um den Verrat militärischer Geheimnisse; deshalb könne man derartige Informationen nicht gut geben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In einer Zeit, in der uns stets und ständig von der Gleichberechtigung gesprochen wird, nimmt sich die einseitige Inanspruchnahme deutscher Staatsbürger ohne Zustimmung des deutschen Parlaments, ohne Kontrolle durch deutsche Behörden und Organe mehr als seltsam und mehr als merkwürdig aus.
    Die Bundesregierung hat durch den Herrn Staatssekretär sagen lassen, daß sie bereits ausführlich zu all diesen Problemen Stellung genommen habe. Diese Stellungnahme geht an all diesen Problemen völlig vorbei.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Bundesregierung hat von der Aufstellung der Dienstgruppen gewußt, bevor die Tatsachen vollzogen waren. Sie hat aber das eingeschlagene Verfahren auch nachträglich gutgeheißen. Sie hat die Opposition nicht von dem verständigt, was zu ihrer Kenntnis gekommen ist. Wie kann sich der Herr Bundeskanzler hier hinstellen und von uns immer wieder eine gemeinsame Außenpolitik in den lebenswichtigen Fragen der Nation fordern, wenn er es da, wo es um deutsche Menschenleben geht, nicht für notwendig erachtet, auch nur die primitivste Pflicht einer Informierung der Opposition zu erfüllen? Auf einer solchen Grundlage ist eben keine gemeinsame Politik möglich; denn dazu gehört für mich zunächst die gemeinsame Unterrichtung.

    (Beifall bei der SPD.)