Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir zweckmäßig, zunächst einmal kurz auf die Entstehung der Dienstorganisationen einzugehen. Herr Kollege Gleisner hat schon erwähnt, daß sich jene Menschen 1945, der Not gehorchend und nicht dem eigenen Triebe,
durch die Besatzungsmächte anwerben und einstellen ließen. Wir wissen, daß viele Menschen damals in den Gefangenenlagern keine Möglichkeit hatten, nach Hause zu kommen, nicht zuletzt durch die Maßnahmen derer, Frau Kollegin Strohbach, die Sie hier im Parlament so oft schützen und verteidigen.
Diese Menschen waren damals, wenn sie entlassen werden wollten, um nicht auf der Straße zu liegen oder noch länger in Gefangenenlagern in Holstein oder in Oldenburg oder hier im Westen zu bleiben, mehr oder minder gezwungen, sich für die Transporteinheiten oder Hilfsdienste der Besatzungsmacht zur Verfügung zu stellen, und zwar schon deswegen, weil leider deutsche Dienststellen damals den Menschen bei weitem nicht immer jene Hilfe zuteil werden ließen, die ihnen zum Teil von den Besatzungsmächten zuteil wurde.
Es ist völlig verkehrt, diesen Menschen etwa einen Vorwurf daraus zu machen. Es ist wichtig, in der Zeit der Begriffsverwirrungen und Geschichtsklitterung darauf hinzuweisen, daß nicht ein Deut militärischer Gesinnung etwa die Menschen veranlaßt hat, zu diesen Einheiten zu gehen, sondern daß die Not allein Motiv für die Dienste war. Wenn man einmal Militarismus als jene Geistesanschauung definiert, die alle Lösungen — auch die politischen Lösungen — letzten Endes mit Gewalt durchführen will, dann waren die Angehörigen der Dienstorganisationen die ersten Opfer des Militarismus, jener Auffassung von Gewaltlösungen; denn sie konnten nicht mehr nach Hause und sahen als einzigen Ausweg aus ihrer Situation die Verdingung an die Besatzungsmächte.
Nach 1948 ist natürlich eine Veränderung in dem Dienstverhältnis eingetreten — Herr Kollege Gleisner hat es schon erwähnt —, und zwar zum Teil eine soziale, zum Teil aber auch eine rein dienst-stellungsmäßige Verschlechterung. Ich habe hier ein Memorandum aus der Führung dieser Dienstorganisation und muß manches richtigstellen, was vor allem von meiner Vorrednerin leider falsch dargestellt wurde. Bei der Umstellung der Verträge im Oktober vorigen Jahres wurde sowohl mit den Regierungen als auch mit den Gewerkschaften verhandelt, und bereits damals wurden in gemeinsamer Arbeit dieser Stellen gewisse Verbesserungen erreicht. Es werden Übungshilfen für Bedienstete der DDO gezahlt, die an Manövern teilnehmen müssen. Es werden Unterhaltshilfen in all den Fällen gewährt, in denen Unterkunft und Verpflegung nicht zur Verfügung gestellt werden können. Die Einstellung hängt von einer gewissen Probezeit ab. Man gibt also jedem die Möglichkeit, sich nach Antritt des Dienstes noch einmal zu überlegen, ob er dabei verbleiben will. Überhaupt ist zu betonen, daß die Grundlage jener Verpflichtungen bei allen notlagemäßigen Motiven letzthin doch eine freiwillige ist.
— Ich komme noch darauf zurück!
Zur Frage der Aufrechterhaltung der Disziplin: Die Uniformen werden nur während der Dienstzeit getragen. Sie dürfen nicht außerhalb der Dienstzeit getragen werden, ausgenommen auf dem Wege vom und zum Arbeitsdienst. Ferner ist der DDOWachdienst der einzige Dienst, bei dem im Notfall verlangt werden kann, während des Dienstes Waffen zu tragen.
Die Rechtsstellung der Dienstorganisation ist schon von Herrn Staatssekretär Hartmann behandelt worden. Ihre Angehörigen unterliegen deutschem Zivil- und Strafrecht. Allerdings darf ohne die Genehmigung der Besatzungsmächte kein Verhör vor einem deutschen Gericht durchgeführt werden.
Ja, meine Damen und Herren, vergessen wir doch nicht, daß die bedauerliche Stellung dieser Dienstorganisationen ein Teil der bedauerlichen Situation ist, in der wir uns alle befinden; denn auch wir sind letzten Endes nicht Parlamentarier in der souveränen Art, wie wir das zur Zeit der Weimarer Republik einmal kannten. Auch wir können teilweise nur Gesetze machen, die von der Hohen Kommission genehmigt werden müssen.
Man muß also das Problem der DDO-Einheiten —
Allerdings trete ich und tritt auch meine Fraktion schärfstens allen Versuchen entgegen, aus diesen Organisationen so etwas wie die HiwiOrganisation der vergangenen Wehrmacht zu machen.
Hier scheiden sich die Geister. Wir werden jedem Versuch entgegentreten, auf dem Umweg über diese Organisationen neue Formationen zu schaffen. Aber hier muß ich Herrn Kollegen Gleisner, der ja doch eine gewisse Erfahrung als ehemaliger militärischer Vorgesetzter hat, einmal sagen: es ist nicht so einfach, Divisionen und Armeen aufzustellen, Herr Kollege Gleisner! Sie wissen am besten, daß aus dieser Dienstorganisation beileibe nicht so schnell Truppen werden entstehen können. Der Verdacht ist hier doch etwas zu stark geäußert worden, daß man jene Dienstorganisation schon jetzt irgendwie als militärische Nebenorganisation ansehen könnte.
— Ja, „jetzt", weil Sie, Herr Kollege Renner, ja wissen wollen — die Rednerin Ihrer Fraktion sagte das —, das seien bereits Teile einer deutschen Armee. Ob diese Armee allerdings einmal kommen wird — wahrscheinlich viel später, als Sie sie selbst und die Lattmann, Bechler und Markgraf längst schon in der Volkspolizei aufgestellt haben —, das ist eine Frage, die letzten Endes hier vom Parlament erst entschieden werden muß und die sich dem heutigen Thema entzieht.
Ich darf hier meiner Vorrednerin eben noch folgendes sagen. Sie hat uns einmal einen Vortrag über den Zuckerpreis gehalten. Heute ist sie die Sachverständige der KPD-Fraktion in den Fragen der Deutschen Dienst-Organisation und der „Remilitarisierung". Wenn eine Notwendigkeit besteht, zu der berechtigten Interpellation der Fraktion der SPD zu sprechen, dann ist sie, Frau Kollegin Strohbach, nicht zuletzt auch auf all die Dinge zurückzuführen, die seit Jahren in der Sowjetzone geschehen, mit der Sie ja doch geistesmäßig eng liiert sind: Aufstellung, Ausrüstung und Bewaffnung der Volkspolizei unter Führung der Generale von Lensky, Lattmann, Vinzenz Müller, der Majore Bechler, Markgraf und all derer, die wegen Hoch- und Landesverrats längst vor ein deutsches Gericht gehörten.