Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion stimmt dem vorliegenden Antrag der SPD nach seinem Grund und nach seinem Inhalt im wesentlichen zu. Wir müssen aber auf drei Gesichtspunkte aufmerksam machen, die nach unserer Ansicht in den Beratungen noch eingehender Erörterung bedürfen.
Da hat zunächst der Herr Vertreter dieses Vorschlags eben darauf hingewiesen, daß sich das Parlament selbst reinigen müsse. Was hier aber vorgeschlagen wird, ist etwas anderes. Hier wird vorgeschlagen, daß das Bundesverfassungsgericht eventuell darüber zu entscheiden hat. Aber gerade da haben wir Bedenken. Das Hohe Haus wird nach unserer Meinung doch Bedenken haben müssen, die letzte Entscheidung über diese Dinge durch eine andere Instanz als sich selbst treffen zu lassen. Man könnte es vielleicht umgekehrt machen, daß der Bundesverfassungsgerichtshof berechtigt oder wenigstens mitberechtigt wäre, den Antrag zu stellen. Aber die letzte Entscheidung aus der Hand zu geben, erscheint uns bedenklich. Gerade dieser Punkt muß überlegt werden. Es handelt sich dabei um die Frage, ob es außer dem Bundestag, der repräsentativen Vertretung des deutschen Volkes, eine in irgendwelcher Hinsicht noch höhere Instanz geben darf oder geben soll. Eine solche Entscheidung, im Sinne dieses Antrages zugunsten des Bundesverfassungsgerichtshofes gefällt, könnte im Augenblick noch nicht übersehbare Auswirkungen haben, die sich mit der Idee der Volkssouveränität nicht vertragen. Die richterliche Gewalt und die gesetzgebende Gewalt sind zwei verschiedene Dinge. Es kann aber nicht angehen, daß auf dem Umweg über die richterliche Gewalt eine andere als die Repräsentation des Volkes irgendwie an die Spitze des Staates drängt. Das sind Bedenken, mit denen man sich auseinandersetzen muß.
Zweitens zu dem Inhalt. Es ist richtig, daß es notwendig, sogar unabweisbar notwendig erscheint, unter gewissen Umständen Abgeordnete auszumerzen. Es ist aber die Frage, ob dieser Fall nur dann gegeben ist, wenn es sich um einen gewinnsüchtigen Mißbrauch handelt. Das Wort „Mißbrauch" ist dabei in erster Linie zu betonen. Aber was heißt nun „gewinnsüchtig"? — Haben Sie schon mal gesehen, daß jemand aus „Verliersucht" handelt? Wenn es sich also um Geld oder Geldeswert oder Vorteile handelt, dann wird man fast immer von Gewinnsucht sprechen können. Aber in den wenigen Fällen, in denen man nicht um eines eigenen Gewinnes willen eine unerlaubte oder zu mißbilligende Handlung begeht, kann die Tat trotz-
dem genau so verwerflich sein. Ist z. B. im Falle des Stimmenkaufs, einem ganz groben Fall, der Käufer nicht ebenso zu verurteilen wie der Verkäufer seiner Stimme? Gerade die Fälle, die wir hinter uns haben, sollten uns in dieser Hinsicht zu denken geben. Es genügt nicht, da das Subjekt — man kann es nicht anders bezeichnen — auszumerzen, das seine Stimme verkauft, sondern man muß auch an den denken, der diese Handlung aktiv begeht. Und der hat selber wahrscheinlich keinen „gewinnsüchtigen" Vorteil, denn er bezahlt; aber er hat einen politischen Vorteil.
— Er handelt aus „Verliersucht"? Er handelt seiner politischen Vorteile wegen! — Es gibt aber auch politische Vorteile, die zu mißbilligen sind oder bei denen der Weg zu mißbilligen ist, auf dem man sie zu erreichen sucht.
Mit all diesen Fragen wird man sich im Ausschuß auseinandersetzen. Ich möchte jedenfalls darauf hingewiesen haben: so einfach, daß man dem Antrag stehenden Fußes zustimmen könnte, liegen die Dinge nicht. Aber mit dem Kern des Antrages, sowohl was die Begründung als auch die Zielrichtung anlangt, sind wir einverstanden.