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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 155. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Juni 1951 6141 155. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 6142C, 6170D, 6174B, 6177D Anfrage Nr. 195 der Fraktion der SPD betr. Elternrente (Nrn. 2308, 2376 der Drucksachen) 6142C Änderungen der Tagesordnung 6142C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung (Nr. 2216 der Drucksachen) . . 6142D Ausschußüberweisung 6142D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Nr. 2303 der Drucksachen) 6142D Dr. Wagner (SPD), Antragsteller . 6143A, 6148A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 6144B Ewers (DP) 6145C Renner (KPD) 6146B Dr. Reismann (Z) 6147C Ausschußüberweisung 6150A Zweite und dritte Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen (Nr. 1885 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2204 [neu] der Drucksachen; Änderungsanträge Umdrucke Nm. 231, 233) . . . . 6150A Even (CDU), Berichterstatter . . . . 6150A Dr. Atzenroth (FDP) 6151C Hartmann, Staatssekretär im Bundes- ministerium der Finanzen . . . 6152B Bergmann (SPD) 6152C Sabel (CDU) 6153C Günther (CDU) 6154C Neuenkirch, Senator von Hamburg 6155C Willenberg (Z) 6156B Abstimmungen 6156C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Nrn. 2365, 1982, 2212, zu 2212, 2321 der Drucksachen) . 6142C, 6157B Dr. Ringelmann, Staatssekretär im bayerischen Staatsministerium der Finanzen, Berichterstatter . . . . 6157B Dr. Wellhausen (FDP): zur Abgabe einer Erklärung . . . 6159D zur Abstimmung 6160B, C Kiesinger (CDU) 6160A Abstimmungen 6160B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2377 der Drucksachen) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz in Bad Homburg (Nr. 2337 der Drucksachen), den Antrag der Fraktion der FDP betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz, Bad Homburg (Nr. 2359 [neu] der Drucksachen), den Antrag der Fraktion der DP betr. volle deutsche Gerichtshoheit (Nr. 2367 der Drucksachen) und den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (Nr. 2344 der Drucksachen) 6160D Dr. Laforet (CSU), Berichterstatter 6161A Dr. Tillmanns (CDU) 6161C Dr. Wellhausen (FDP) 6162A Beschlußfassung 6162B Wahl des Abg. Dr. von Golitschek zum Mitglied des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Dr. Oellers 6162C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 und des von den Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Faßbender, Tobaben, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Glasmeyer, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zahlung von Frühdruschprämien (Nrn. 2328, 2340 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2358 der Drucksachen) 6162C Beratung abgesetzt 6162D Beratung des Antrags der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Weitergeltung der Getreidepreise 6162D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 6162D Kriedemann (SPD) 6163A Beschlußfassung 6163C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Nrn. 2242, 2362 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen i(11. Ausschuß) über den von den Abg. Neuburger, Stahl, Eickhoff u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Behandlung von Tabakerzeugnissen besonderer Art (Nrn. 2214, 2363 der Drucksachen) 6152D, 6163D Dr. Kneipp (FDP), Berichterstatter . 6164A, 6168C Peters (SPD) 6166C, 6168C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6167B Neber (CDU) 6167C Abstimmungen 6169A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Einstellung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst (Nrn. 2314, 1945 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr 232) 6169C Leibfried (CDU), Berichterstatter . 6169C Langer (FDP) 6170A Frau Dr. Probst (CSU) 6170B Bazille (SPD) 6170B Abstimmungen 6170C Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Umgehung der Bundesstraße 51 in Haltern/Westfalen (Nrn. 2325, 2111 der Drucksachen) 6170D Ribbeheger (Z) 6170D, 6172B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . 6171C, 6172D Hoppe (CDU) 6171D Heiland (SPD) . 6172C Beschlußfassung 6173B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung zur Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in Münster (Nrn. 2360, 2246 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung zum Verkauf eines Teilgeländes der ehemaligen Munitionsanstalt in Moelln (Nrn. 2364, 2343 der Drucksachen) 6173B Dr. Leuchtgens (DP), Berichterstatter 6173C Beschlußfassung 6174A Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Nichtanerkennung der deutschen Vorkriegsauslandsschuld und der Nachkriegsschulden (Nr. 2301 der Drucksachen) 6174A Fisch (KPD), Antragsteller 6174A Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 6176B Übergang zur Tagesordnung 6176C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 2311 der Drucksachen) 6176C Diel (SPD), Antragsteller 6176C Scheuble, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Arbeit . . 6177B Frau Dr. Probst (CSU) 6177C Beschlußfassung 6177D Nächste Sitzung 6177D Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Der so harmlos aussehende Gesetzentwurf, welcher von dem Herrn Vertreter der SPD, Herrn Kollegen Wagner, auch so verniedlicht vorgetragen worden ist, enthält Auslegungsmöglichkeiten und Anwendungsmöglichkeiten, die uns die beiden auf ihn folgenden Redner, vor allen Dingen Herr Kollege Becker, sehr eindringlich klargemacht haben. Das ist also ein Gesetz, welches auswertbar und ausdehnbar ist wie Kautschuk. Ich will das beweisen.
    Gestatten Sie mir aber zuerst eine Vorfeststellung. Es ist hier das Ergebnis des „Spiegel"-Ausschusses herangezogen worden. Es ist davon gesprochen worden, daß dieser Bundestag an eine Reihe von Abgeordneten die Aufforderung gerichtet hat, freiwillig ihr Mandat niederzulegen. Nach Pressemeldungen hat das auf die Mitglieder der Partei, aus der die in Frage kommenden Herren stammen, so gewirkt, daß am vergangenen Sonntag der Herr von Aretin und der Herr Volkholz zum ersten bzw. dritten Vorsitzenden ihrer Parteigruppe mit Stimmenmehrheit wiedergewählt worden sind. Das steht in den Zeitungen zu lesen. Also die Mitglieder der Partei, deren Abgeordnete hier in dieser Art und Weise bloßgestellt worden sind, haben eine abweichende Auffassung von Ehre, von Bestechung und von Sauberkeit der Abgeordneten. Das muß man doch einmal klar herausstellen.
    Wie soll man nun bei einer derartigen Auffassung in der Wählerschaft bzw. in der Mitgliedschaft einer Partei zu der Überzeugung kommen, daß durch die Schaffung eines Ehrengerichts, das wir doch nur aus dem Bundestag zusammensetzen können, Remedur geschaffen werden könnte? Übrigens haben sich die beiden Herren ihre Wiederwahl sehr leicht gemacht. Sie haben — das habe ich in der Zeitung gelesen — behauptet, daß der von ihnen gestellte Antrag auf Aufhebung ihrer Immunität vom Bundestag abgelehnt worden sei. Das ist auch ein starkes Stück, wenn man die generelle Haltung des Bundestages in der Frage der Immunität, die darauf hinausgeht, daß der Bundestag von sich aus nicht einem Ersuchen eines Abgeordneten auf Aufhebung seiner Immunität stattgibt, nachher so ausgelegt, wie das in diesem Fall offensichtlich geschehen ist.
    Nun zu diesem Gesetz selber. Ihre Auffassung, Herr Kollege Wagner, darüber, was „gewinnsüchtig mißbraucht" bedeutet, ist ja inzwischen wohltuend ergänzt worden. Ich frage: gewinnsüchtig mißbraucht zu wessen Gunsten? Zu seinen persönlichen Gunsten, also für die eigene Person oder etwa für die Wähler oder für die Gruppe mißbräuchlich ausgewertet, die einen hierher geschickt hat? Da gibt mir zum Beispiel der Kampf um die sogenannte Mitbestimmung Anlaß, einige Gedanken zu entwickeln. Damals hat man Ihnen doch vorgeworfen, daß Sie mit diesem Gesetz auf kalte Art und Weise „sozialisieren". Man hat Ihnen gesagt, daß Sie sich damit über die Eigentümer der Werke und Betriebe hinweg materielle Vorteile erobern. Man hat heute davon gesprochen, daß Aufsichtsratsposten besetzt und extra zu dem Behufe geschaffen werden könnten, einige Abgeordnete in diese Sessel hineinzubringen. Ich stelle die Frage: Wird man nicht eines schönen Tages aus der Tatsache, daß doch dieses sogenannte Mitbestimmungsrecht immerhin GewerkschaftsSpitzenfunktionären Aufsichtsratsposten gibt, den Vorwurf ableiten, daß sie im Kampf um dieses sogenannte Mitbestimmungsrecht mißbräuchlich ihr Amt zu gewinnsüchtigen Zwecken ausgenutzt haben?
    Nun fiel hier das Schlagwort „Parteibuchbeamter". Ich erinnere mich an eine Aussprache im Herbst 1949 nach dem großen Wahlsieg der


    (Renner)

    CDU/CSU. Da habe ich dem Herrn Adenauer einmal im Düsseldorfer Landtag die Frage gestellt: Wie ist es denn eigentlich, man hört doch, daß ihr jetzt in Bonn 4000 Beamte neu einstellen wollt; das werden doch, so sagte ich ihm, alles Beamte Ihrer Couleur? — Sicher, sagte der Herr Adenauer, schließlich haben wir ja auch gesiegt!

    (Lachen in der Mitte.)

    Das ist die Konzeption von Herrn Adenauer bezüglich des Begriffs Berufsbeamtentum.

    (Abg. Bausch: Herr Renner, wenn Sie siegen würden, wie würden Sie das machen?)

    — Herr Bausch, „wenn Sie siegen würden", fragen Sie mich, „was würden Sie dann tun?" Also, wenn Sie unterstellen, daß der Sieger sowieso diese Politik betreibt, dann hören Sie doch auf, mit dem Begriff „Parteibuchbeamtentum" zu arbeiten. Das ist doch ein Schwindel, nicht wahr? Ich freue mich, daß Sie mir diesen Ball zugeworfen haben.
    Aber noch etwas anderes zu diesem Gesetz. Angesichts der Tatsache, daß ein Mitglied der Regierung den Kampf um das Mitbestimmungsrecht so dargestellt hat, daß die Gewerkschaften dadurch zuchthausreif geworden seien, sollte man doch auch einmal auf die im Zusammenhang mit der Bildung der Grenzschutzpolizei offizielle und allgemein bekannte Aufforderung der CDU, Bewerbungen um die Offiziersposten in der Polizei durch die CDU-Sekretariate laufen zu lassen, hinweisen. Ich bin der Auffassung, daß man bei diesem Tatbestand nicht durch ein Gesetz verhindern kann, daß der Besitz der politischen Macht zur Verschaffung von Vorteilen für sich, für die Partei, die Interessentengruppen, für den „lieben Bruder" oder für den Neffen mißbraucht wird.

    (Lachen in der Mitte.)

    — Ja, fiel nicht gestern das Wort „der junge
    Adenauer"? Die Dinge sind doch stadtbekannt.

    (Abg. Dr. Schäfer: Neffe?)

    Einer der Herren Vorredner hat gesagt, daß man die Anklageerhebung auf den Bundesanwalt übertragen müsse. Der Herr Becker hat gesagt, daß das Bundesverfassungsgericht bereits durch Anklageerhebung des Bundesanwalts in die Lage kommen müsse, die Frage des Verlusts eines Mandats eines Abgeordneten zu behandeln. Ich bin der Meinung, daß man sich angesichts der Tatsache, wie hier nach Parteigesichtspunkten um die Besetzung des Vorsitzendenpostens des Bundesverfassungsgerichtshofes gekämpft wird, davor hüten sollte, solche generellen Feststellungen zu machen, wie Sie das getan haben, Herr Kollege Wagner, daß dieser Gerichtshof mit seiner „objektiven Unabhängigkeit" alle Garantien für den notwendigen Rechtsschutz der Abgeordneten böte. Ich fürchte — wie ich glaube, mit Recht —, daß dieses Parlament ein derartiges Gesetz auswerten wird — nicht kann, auswerten wird! —, um mißliebige Abgeordnete aus seinen Reihen auszuschalten. Wenn hier schon angetippt wird, daß die „Beleidigung des Bundestages" genügen soll, dann denken Sie doch einmal an die Perspektiven. Die „Beleidigung eines Ministers" müßte logischerweise doch dieselbe Konsequenz haben. Also, den Bundeskanzler Adenauer zu beleidigen, müßte die Konsequenz haben, daß der Bundesanwalt an den Bundesverfassungsgerichtshof herangehen kann mit dem Antrag, den Abgeordneten seines Mandats verlustig zu erklären. Das sind die Konsequenzen, und diese
    Konsequenzen werden Sie sicherlich gegen uns auswerten, wenn Sie in der Phase der Vorbereitung Ihres Krieges zu solchen Unterdrückungsmaßnahmen gezwungen sind.

    (Anhaltende Zurufe.)

    So liegen die Dinge. Darum, Herr Kollege Wagner, haben wir einem solchen Gesetz gegenüber allergrößte Bedenken. Wir wissen, wie die Reaktion derartige Gesetze in der Stunde mißbraucht, in der sie irgendwelche schwerwiegenden Verbrechen gegen das Volk vorbereitet und durchführt.

    (Abg. Arndgen: Ostzone!)

    Darum sind wir nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf in dieser Form unsere Zustimmung zu geben.


Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion stimmt dem vorliegenden Antrag der SPD nach seinem Grund und nach seinem Inhalt im wesentlichen zu. Wir müssen aber auf drei Gesichtspunkte aufmerksam machen, die nach unserer Ansicht in den Beratungen noch eingehender Erörterung bedürfen.
    Da hat zunächst der Herr Vertreter dieses Vorschlags eben darauf hingewiesen, daß sich das Parlament selbst reinigen müsse. Was hier aber vorgeschlagen wird, ist etwas anderes. Hier wird vorgeschlagen, daß das Bundesverfassungsgericht eventuell darüber zu entscheiden hat. Aber gerade da haben wir Bedenken. Das Hohe Haus wird nach unserer Meinung doch Bedenken haben müssen, die letzte Entscheidung über diese Dinge durch eine andere Instanz als sich selbst treffen zu lassen. Man könnte es vielleicht umgekehrt machen, daß der Bundesverfassungsgerichtshof berechtigt oder wenigstens mitberechtigt wäre, den Antrag zu stellen. Aber die letzte Entscheidung aus der Hand zu geben, erscheint uns bedenklich. Gerade dieser Punkt muß überlegt werden. Es handelt sich dabei um die Frage, ob es außer dem Bundestag, der repräsentativen Vertretung des deutschen Volkes, eine in irgendwelcher Hinsicht noch höhere Instanz geben darf oder geben soll. Eine solche Entscheidung, im Sinne dieses Antrages zugunsten des Bundesverfassungsgerichtshofes gefällt, könnte im Augenblick noch nicht übersehbare Auswirkungen haben, die sich mit der Idee der Volkssouveränität nicht vertragen. Die richterliche Gewalt und die gesetzgebende Gewalt sind zwei verschiedene Dinge. Es kann aber nicht angehen, daß auf dem Umweg über die richterliche Gewalt eine andere als die Repräsentation des Volkes irgendwie an die Spitze des Staates drängt. Das sind Bedenken, mit denen man sich auseinandersetzen muß.
    Zweitens zu dem Inhalt. Es ist richtig, daß es notwendig, sogar unabweisbar notwendig erscheint, unter gewissen Umständen Abgeordnete auszumerzen. Es ist aber die Frage, ob dieser Fall nur dann gegeben ist, wenn es sich um einen gewinnsüchtigen Mißbrauch handelt. Das Wort „Mißbrauch" ist dabei in erster Linie zu betonen. Aber was heißt nun „gewinnsüchtig"? — Haben Sie schon mal gesehen, daß jemand aus „Verliersucht" handelt? Wenn es sich also um Geld oder Geldeswert oder Vorteile handelt, dann wird man fast immer von Gewinnsucht sprechen können. Aber in den wenigen Fällen, in denen man nicht um eines eigenen Gewinnes willen eine unerlaubte oder zu mißbilligende Handlung begeht, kann die Tat trotz-


    (Dr. Reismann)

    dem genau so verwerflich sein. Ist z. B. im Falle des Stimmenkaufs, einem ganz groben Fall, der Käufer nicht ebenso zu verurteilen wie der Verkäufer seiner Stimme? Gerade die Fälle, die wir hinter uns haben, sollten uns in dieser Hinsicht zu denken geben. Es genügt nicht, da das Subjekt — man kann es nicht anders bezeichnen — auszumerzen, das seine Stimme verkauft, sondern man muß auch an den denken, der diese Handlung aktiv begeht. Und der hat selber wahrscheinlich keinen „gewinnsüchtigen" Vorteil, denn er bezahlt; aber er hat einen politischen Vorteil.

    (Abg. Renner: Er bezahlt aus „Verliersucht"!?)

    — Er handelt aus „Verliersucht"? Er handelt seiner politischen Vorteile wegen! — Es gibt aber auch politische Vorteile, die zu mißbilligen sind oder bei denen der Weg zu mißbilligen ist, auf dem man sie zu erreichen sucht.
    Mit all diesen Fragen wird man sich im Ausschuß auseinandersetzen. Ich möchte jedenfalls darauf hingewiesen haben: so einfach, daß man dem Antrag stehenden Fußes zustimmen könnte, liegen die Dinge nicht. Aber mit dem Kern des Antrages, sowohl was die Begründung als auch die Zielrichtung anlangt, sind wir einverstanden.