Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der Debatte über den Bericht des „Spiegel"-Ausschusses haben, glaube ich, zu dem Versuch geführt, das, was als tadelnswert gefunden worden ist, vielleicht nach drei Richtungen hin zu verbessern: erstens durch die Schaffung eines Ehrenrats mit einer Ehrenordnung in diesem Hause, zweitens in der Richtung, in der sich wohl der vorliegende Antrag bewegt, und drittens durch Schaffung etwaiger neuer Bestimmungen des Strafgesetzbuches gegen Bestechung von Abgeordneten.
Der Tendenz und der Begründung des vorliegenden Antrages, wie sie der Herr Vorredner gegeben hat, stimmen wir vollkommen zu. Wir sind auch damit einverstanden, daß er durch den zuständigen Ausschuß behandelt wird. Wir schließen uns auch dem Wunsche an, daß eine solche Bestimmung, wenn sie geschaffen ist, hoffentlich niemals angewandt zu werden braucht. Ich glaube aber doch, daß es nötig sein wird, dem Ausschuß noch einige Gedanken mit auf den Weg zu geben, die sich bei einer Prüfung des Textes dieses Antrags im einzelnen ergeben.
Mit Recht hat der Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß die Entscheidung darüber, ob ein Abgeordneter sein Mandat wegen gewinnsüchtigen Mißbrauchs verwirkt hat, dem Gericht, und zwar dem höchsten Gericht des Bundes übertragen werden soll. Es ist in der Tat so, daß die Spuren des französischen Konvents von 1793 schrecken, der glaubte, über seine Selbstreinigung selbst entscheiden zu sollen, und zwar gerade meist auf Antrag
d e s Robespierre, der sich selbst den „Unbestechlichen" nannte. Wir sind also einverstanden mit der Entscheidung durch den obersten Gerichtshof des Bundes.
Es ist aber die Frage aufzuwerfen, ob nicht auch die Anklageerhebung statt durch dieses Parlament durch den Bundesanwalt erfolgen sollte, und zwar aus folgender Erwägung heraus. Es ist durchaus möglich, daß ein Fall vor das Gericht gehört, daß sich aber eine Zweidrittelmehrheit dieses Hauses aus irgendwelchen Erwägungen heraus nicht zur Stellung des Antrages bereit findet. Umgekehrt ist es durchaus möglich, daß sich unter Umständen eine Zweidrittelmehrheit schützend vor irgend jemanden stellt. Wir würden es also gerne sehen, wenn der Bundesanwalt, der natürlich auf Antrag dieses Hauses, aber auch auf Antrag von anderer Seite tätig werden könnte, die Anklageerhebung übernähme.
Die Frage, was gewinnsüchtig und was Mißbrauch ist, wird im Ausschuß eingehend zu klären sein. „Gewinnsüchtig" wird nicht nur den Fall umfassen können, daß jemand in der plumpsten Form, die es gibt, nämlich durch die Bestechung des Abgeordneten selbst, gegen diese Bestimmungen verstößt; sondern es wird vielleicht zu beachten sein, daß diese Gewinnsucht ja auch darin bestehen kann, daß Umgehungen versucht werden, indem man versucht, Angehörigen der Familie, Bekannten oder Freunden irgendwelche Vorteile zuzuschanzen. Da sind doch unter Umständen Mißbräuche zu beobachten, die die Frage nahelegen, ob die Mißbräuche, die heute schon in der Öffentlichkeit beklagt werden, nicht auch schon unter „gewinnsüchtigen Mißbrauch" fallen, nämlich dann, wenn jemand unter der Gewinnsucht nicht die Sucht, sich selbst zu bereichern, versteht, sondern andern, die einem nahestehen, Vorteile zuzuwenden. Ich denke also z. B. an das große Kapitel des Parteibuchbeamtentums. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob nicht auch diese Tätigkeit eines Abgeordneten gegebenenfalls unter den Begriff eines gewinnsüchtigen Mißbrauchs zu bringen ist, wenn diese Vorteile Angehörigen der eigenen Partei zugeschanzt werden sollen, ohne daß bei dem Beamten die für das Amt notwendigen Voraussetzungen vorliegen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit überhaupt einmal anregen, ob wir uns nicht allesamt in diesem Hohen Hause dahin verständigen könnten, daß es gewisse Posten gibt — Ministerposten, Staatssekretäre, meinethalben auch die Ministerialdirektoren und Botschafter —, die als politische Posten anzusehen sind und entsprechend besetzt werden, daß aber alle anderen Posten, die es irgendwie in der Verwaltung gibt, unter allen Umständen von parteipolitischen Einflüssen bei der Besetzung freigehalten werden sollten.
— Ja, natürlich, davon rede ich ja doch! Ich rede von der Bundespolitik und, meine Herren von links, auch von den Ländern!
— Nun regen Sie sich doch nicht unnötig auf, meine Herren!
Denn die Geschichte ist doch die, daß wir uns alle-
samt, ohne daß ich irgendwie eine Partei habe an- sprechen wollen — ich habe niemanden dabei scharf angesehen —,
einmal versuchen sollten, ob wir uns nicht nach dieser Richtung hin einigen können.
Die Kontrolle des Parlaments darüber, daß derartige Vorschriften, über die wir uns einigen würden, eingehalten werden, wird in erster Linie beim Haushaltsausschuß und in zweiter Linie bei diesem Parlament liegen, dem die Stellenbesetzungen vorgelegt werden müßten und das nun seinerseits kontrollieren könnte, ob die vereinbarte Unparteilichkeit bei der Stellenbesetzung eingehalten wird. Das ist eine kleine Abschweifung vom Thema; sie wird aber durch eine Auslegung des Begriffes „gewinnsüchtiger Mißbrauch" ausgelöst.
Wir werden noch mehr Fragen im Ausschuß zu prüfen haben. Nehmen Sie an, es wird eine Reihe von Aufsichtsratsposten durch ein Gesetz dieses Hohen Hauses geschaffen — sie fallen vielleicht als Nebenprodukt ab —, dann wird ein Eintreten für dieses Gesetz vielleicht nicht ohne weiteres als Gewinnsucht oder Mißbrauch anzusehen sein. Wenn das Gesetz aber darauf ausgeht, derartige Aufsichtsratsposten expreß zu schaffen und ganz bestimmte Voraussetzungen für die Besetzung dieser Posten, nämlich nur durch bestimmte Personengruppen, vorzusehen, und wenn dieses Gesetz in einer Weise geschaffen wird, von der die Begründung des Gesetzes sagt, daß die Vorgeschichte dieses Gesetzes bekannt sei, dann ist die Frage aufzuwerfen, ob nicht auch hier Mißbrauch vorliegt. Also diese Dinge sind genau zu prüfen.
Eine weitere Frage: Soll denn derjenige, dem das Mandat aberkannt ist, dieses für immer, auf Zeit oder nur in diesem einzelnen Falle verlieren? Soll mit anderen Worten die Möglichkeit bestehen, daß er bei Neuwahlen — etwa 6 Monate darauf — schon wiedergewählt werden kann? Ich glaube, wir werden diese Frage im einzelnen prüfen müssen. Anschließend werden wir auch die Frage prüfen müssen, welche Änderungen — seien es substantielle, seien es redaktionelle — am Wahlgesetz vorzunehmen sind.
Wir werden uns weiter auch die Frage vorzulegen haben, ob irgendeine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die auf der Grundlage einer solchen Bestimmung, wie sie hier angestrebt wird, ergeht, schon in irgendeiner Weise für eine strafgerichtliche Beurteilung präjudiziell sein soll, wenn der strafgerichtliche Tatbestand sich mit dem Tatbestand, der hier getroffen werden soll, in irgendeiner Weise deckt.
Wir werden also an dem Gesetz in der Hoffnung mitarbeiten, daß auch nach anderer Richtung — Ehrenordnung, Ehrenrat oder auch strafgesetzliche Bestimmungen — die Konsequenzen, die sich auf Grund der Untersuchungen des „Spiegel"-Ausschusses ergeben haben, gezogen werden. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich noch einmal eins hervorheben: wir teilen die Hoffnung des Herrn Kollegen Wagner, daß die Existenz einer solchen Bestimmung genügt, daß sie nicht angewendet zu werden braucht. Wir unterstreichen aber auch, daß die Untersuchungen des „Spiegel"-Ausschusses nur bei ganz wenigen Abgeordneten irgend etwas auszusetzen gefunden haben und daß die große, die überwiegende Mehrheit dieses Hohen Hauses als völlig integer aus diesen Untersuchungen herausgegangen ist.