Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen! Wieder einmal wird in diesem Hause über die Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrandkohle geredet. Von diesen Debatten sind im vergangenen Winter die Wohnungen, die Schulen, die Krankenhäuser nicht warm geworden, und sie werden auch in Zukunft von diesen Debatten nicht warm werden, wenn man nicht einmal energisch an die Beseitigung der Ursachen der Kohlenknappheit herangeht. Die Ursachen dieser Kohlenknappheit liegen in der Aufrüstungs- und Remilitarisierungspolitik der Regierung Adenauer.
— Das können Sie nicht bestreiten, meine Herren. Die Zustimmung der großen Mehrheit dieses Hau-
ses zu den New Yorker Beschlüssen und zum Schumanplan ist der materielle Beitrag zur Kriegsvorbereitung und ist auch der Grund dafür, daß die Menschen im Lande draußen frieren müssen. 6,3 Millionen t Kohle im Vierteljahr müssen auf Befehl der internationalen Ruhrbehörde ausgeführt werden. Der Bundeswirtschaftsminister Erhard mußte selbst zugeben, daß die amerikanische Kohle zu einem Preise eingeführt wird, der doppelt so hoch ist wie der Preis der Exportkohle, die weit unter dem Weltmarktpreis verkauft wird; und zwar ist diese Differenz so groß, daß für die eingeführte Kohle ein Viertel des Erlöses aus der Kohlenausfuhr verwandt werden muß, um nur dieses Defizit zu decken. Ich denke, das ist ein ausgezeichnetes Geschäft für die amerikanischen Kohlenkönige. Man muß sich fragen — und das Volk hat ein Recht, das zu fragen —, wieso deutsche Vertreter dazu kommen, anstatt Einstellung des Zwangsexportes die Einfuhr .weiterer amerikanischer Kohle zu fordern. Die Bevölkerung hat ein Recht, zu fragen: Was kostet diese 1 Million t Kohle, von der der Wirtschaftsminister hier gesprochen hat?
Unter diesen Umständen ist es sehr eigenartig, daß der Sprecher der SPD-Fraktion gefordert hat — ich habe ihn so verstanden —, zur Deckung des Defizits weitere amerikanische Kohle einzuführen. Die Forderung der DKBL auf Erhöhung der Inlandspreise — angeblich, um die Lohnforderungen damit zu decken — liegt auf der gleichen Linie der Abwälzung aller Lasten auf die Werktätigen. Auch hier sind wir gegenüber der Erklärung, die der Bundeswirtschaftsminister abgegeben hat, sehr skeptisch. Damit soll die gerechte Forderung der Bergarbeiter auf eine Lohnerhöhung von 3 DM pro Schicht und 50 DM Teuerungszulage abgewürgt
werden.
Es ist auch sehr bezeichnend, daß die „Wirtschaftszeitung" vom 17. Januar in einer Notiz sagen muß, daß pro Kopf der Bevölkerung beispielsweise im Januar nur 34 kg Kohle ausgegeben werden konnten, während ein Besatzungsangehöriger 1600 kg erhielt.
Alle diejenigen, die ihre Zustimmung zu den
New Yorker Beschlüssen und dem Schumanplan
gegeben haben, die ihren sogenannten „Sicherheitsbeitrag" anbieten — und das ist die große Mehrheit dieses Hauses —, sollten auch den Mut haben,
vor der ganzen Bevölkerung die Verantwortung
für die sich daraus ergebenden Verschlechterungen
in der Lebenshaltung zu übernehmen, anstatt hier
Reden zu halten, die vom wahren Tatbestand ablenken und die dazu dienen, die Bevölkerung zu
vertrösten. Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt vor einigen Tagen verkündet hat, daß
keiner mehr frieren solle, so muß ich sagen, daß
wir diese Tonart in früherer Zeit schon einmal gehört haben, und zwar zu einer Zeit, als der Bevölkerung statt Butter Kanonen gegeben wurden.
Auch damals gab es solche Reden: „Keiner soll hungern, keiner soll frieren!" Wir haben großes Mißtrauen gegenüber solchen Erklärungen, und auch die Bevölkerung hat kein Vertrauen zu diesen Versprechungen, noch dazu, wenn sowohl von seiten der Regierung als auch vom letzten Sprecher hier wiederum gefordert wird, daß diese Versprechungen auf Kosten der Leistung der Bergarbeiter erfüllt werden sollen, wenn wieder einmal die Bergarbeiter angespornt werden sollen, höhere Leistungen dafür zu geben.
Die Forderung der KPD-Fraktion wurde bereits im November vorigen Jahres mit Antrag Drucksache Nr. 1642 dem Hohen Hause vorgelegt. Der einzige Weg, den man beschreiten kann, ist die Einstellung des Zwangsexports. Unsere Forderung — und das ist die Forderung aller Menschen, die erkennen, daß Ihre Versprechungen ihnen keine warme Stube geben — lautet: Keine Tonne Kohle für den Export, bevor nicht der Bedarf der deutschen Wirtschaft und der Haushaltungen an Kohle gedeckt ist!