Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rednerreihenfolge ist heute irgendwie auf den Kopf gestellt, und wir von den nicht so großen Parteien fragen uns: warum eigentlich? Auf Grund des sehr eingehenden, erschöpfenden und einstimmig angenommenen Ausschußberichts mit den sehr kurzen, knappen, aber eindringlichen Schlußfeststellungen braucht eigentlich keine große oder kleine Partei mit ihren Meinungen und Tendenzen zurückzuhalten. Wir kleineren Parteien — entschuldigen Sie, Herr Kollege Mayer, wenn ich auch die FDP noch nicht zu den großen rechne — brauchen aber nicht abzuwarten, was die großen Brüder oder Schwestern dazu sagen, sondern wir können unsere Meinung hier sehr unverblümt und sehr deutlich aussprechen. Gestatten Sie mir daher, daß ich zum Teil in Ergänzung der Ausführungen .meines Herrn Vorredners vom Standpunkt der Deutschen Partei aus kurz und knapp zunächst einmal folgendes feststelle.
Bei dem Ausgangspunkt der völlig unstreitigen Sachlage, die sich schon nach wenigen Sitzungen im „Spiegel"-Ausschuß ergab, liegen mindestens vier Punkte vor, vier Tatbestände, die nach der Auffassung jedes deutschen Menschen, der Ehre im Leibe hat und der sich unter einem demokratischen Parlament etwas vorstellt, was nicht nur eine Quatschbude ist, sondern Anspruch auf Achtung und Ehrfurcht erhebt, ein reiner Skandal sind. Diese vier Umstände sind folgende.
Es steht fest, daß in den Tagen der Abstimmung Bonn—Frankfurt hier in diesem Haus, vielleicht sogar im Sitzungssaal, zwischen Abgeordneten Bemerkungen darüber ausgetauscht worden sind, daß in diesem Zusammenhang völlig unzulässige und unmögliche Zahlungen vorgenommen worden seien. Es steht fest, daß die Gesprächspartner angesichts dieses Geschwätzes keineswegs auch nur den Schatten einer Möglichkeit gesehen haben, dies dem Hohen Hause mitzuteilen, da sie derartiges Geschwätz offenbar für völlig harmlos und mit einem Parlamentarismus, der auf sich hält, für vereinbar hielten. Sie trugen damit dazu bei, daß erst mit größter Verspätung, fast ein rundes Jahr zu spät, diese Dinge überhaupt aufgegriffen werden konnten.
Der zweite Skandal: Es steht fest, daß um die gleiche Zeit ein Abgeordneter dieses Hauses sein Mandat nicht niedergelegt hat, obwohl er als Witz zugegebenermaßen verbreitet hat, er habe eine Liste bei sich von, ich glaube, 100 Abgeordneten, die bestochen seien;
dies wurde vielen erzählt. Und selbst wenn dies aus „Dummheit" geschehen sein sollte, so müssen wir verlangen, daß der Abgeordnete sofort aus dem Haus, eben dann allein wegen Dummheit ausscheidet.
Auf jeden Fall haben wir für solche „Witze" nicht das geringste Verständnis.
Wenn es ein Witz gewesen wäre, dann wäre er so komisch, daß man die Unwahrhaftigkeit erkannt haben müßte. Gelacht hat zwar anscheinend keiner über diesen „Witz".
Und endlich drittens: Es steht fest, daß einem Parteiführer nicht nur — am 28. Februar 1950 — ein Gedächtnisprotokoll — auf den Begriff komme ich noch zu sprechen — zu Händen kam, nein, daß er es selbst angefertigt hat, und zwar mit einem Inhalt, den die Sensationspresse, wenn es ihr nur
zugeleitet wurde, als einen unglaublichen Brockenauffaßte und mit dem dann auch die erforderliche Sensation erzielt worden ist. In diesem Protokoll sind die skandalösesten Behauptungen über das Gebaren gewisser Abgeordneter — zum großen Teil Gott sei Dank wahrheitswidrig — aufgestellt.
Ich muß erklären, daß das für einen Parteiführer ein völlig unmögliches Verhalten ist.
Ich bedaure, daß wir nicht einmal wissen, wie es
denn eigentlich kommt, daß etwas unklare und sehr
bescheidene Mittelsmänner in den Besitz dieses Originals gekommen sind, um es dann der Sensationspresse zuzuspielen, die leider Gottes allzuviele Kollegen nur allzu gierig kaufen, offenbar um ihre
eigene schmutzige Weste bewundern zu können,
womit dann der große Skandal anhob. So bekam der Bundestag selbst erst im Oktober, sieben Monate. später, Gelegenheit, sich mit diesem Schmutz und diesem Unrat, der in diesem „Gedächtnisprotokoll" angehäuft war, zu befassen. Das ist der dritte Skandal.
Ich sage es ganz offen: Mir ist das Wort „Gedächtnisprotokoll" — ich bin immerhin ein Jurist, der mehr als vier Jahrzehnte in der praktischen Jurisprudenz tätig ist — bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal begegnet. Ich erkläre, daß schon in diesem famosen Begriff Bauernfängerei liegt;
denn ein Protokoll ist eben eine Urkunde, die bei einem bestimmten Akt in Gegenwart der übrigen Anwesenden aufgenommen wird. Aus dem Gedächtnis kann man nur eine „Niederschrift" anfertigen, aber nie ein Protokoll. Das Wort „Protokoll" aber soll dieser späteren Niederschrift aus dem Gedächtnis eine Art amtlichen Charakter geben und damit die Beweiskraft erhöhen. Damit erweist sich diese Bezeichnung als eine Roßtäuscherei.
— Ich möchte keinen Namen hier genannt haben; ich möchte ganz objektiv sein.
Endlich der vierte Skandal: Es ist hier im Restaurant angeblich vorgekommen, daß wiederum einem Fraktionsführer von einem Unbekannten gesagt wurde: „Was kostet es, wenn Ihre Fraktion für Bonn stimmt?" Und dieser Fraktionsführer hat es nicht für seine selbstverständliche Pflicht gehalten, entweder die Personalien dieses Anbieters festzustellen oder, wenn es nicht gelang, sofort dem Präsidium zu melden, daß hier Bestechungsgelder angeboten würden. Wenn das damals geschehen wäre, wie anders stünden wir heute da!
— Es ist mir egal, wer es ist. Ich will es nur feststellen.
Fassen wir diese vier Punkte kurz zusammen: Das allgemeine Geschwätz über Bestechungsgelder, der Witz über die Liste,
das Geheimhalten eines Protokolls über sechs Monate, in dem unmögliche Beschuldigungen gegen Abgeordnete enthalten sind, und die Nicht-Meldung eines so infamen Angebotes, — das alles ist von vornherein ein Skandal, der nunmehr urbi et orbi klar vor Augen liegt und den wir hier im Bundestag mit schonungslosen, wenn auch parlamentarischen Worten geißeln müssen.
Und nun zu einer allgemein sehr weitgespannten Untersuchungsfrage, die den Ausschuß Monate und Monate hindurch beschäftigt hat, nämlich der großen Frage, über der die Überschrift steht: Geld und Demokratie!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es, solange ich Politiker bin, mit der Muttermilch eingesogen, daß nun einmal in der Demokratie das Geld eine ganz entscheidende Rolle spielt, eine gute, häufig aber eine sehr gefährliche und schlechte. Das liegt allein daran, daß bei jeder Politik nun mal Geldwerte eine ganz entscheidende Rolle spielen — wir wissen es —, je nachdem die Gesetze ausfallen. Meine Herren von der SPD, wir kennen Ihren Kampf gegen das Einkommensteuergesetz; wir sind bereit, es vor jedermann zu vertreten. Sie aber behaupten, wir hätten einer gewissen Klasse fast eine Milliarde DM „geschenkt". — Die Parteien sind nun einmal in der Demokratie die Keimzellen der Staatshoheit, und deswegen ist es ganz klar, daß, wo es um Geld geht, natürlich Interessenten da sind, die hinter den Parteien stehen.
Nun fragt sich — und das ist eine Doktorfrage —: Wo setzt denn nun eigentlich hier etwas ein, was die Demokratie eben wegen dieser unabänderlichen Abhängigkeit ihrer Einrichtungen von Geldmächten schimpflich und korrupt macht? Dazu ein offenes Wort. Es ist mittlerweise kein Geheimnis, daß meine und die meiner Partei verwandten Parteien mit aller Entschiedenheit auf Grund ihres Weltbildes für das Privateigentum eintreten. Wir tun das nicht um der einzelnen Eigentümer willen, sondern deswegen, weil wir im Eigentum in der Tat den Ausdruck der Herrschaft des Menschen über die Dinge der Erde sehen.
Das tun wir also aus ganz allgemeinen, Sie können ruhig sagen: philosophischen Gründen.
Es ist klar, daß diejenigen, die ihr Eigentum durch sozialistische oder von einer anderen Weltanschauung getragene Versuche der Sozialdemokratie bedroht sehen, sich an die Parteien halten, die nicht um der schönen Augen des Geldspenders willen, sondern um ihrer Weltanschauung willen für diese eintreten. Weiter ist klar: Meine und die meiner Partei verwandten Parteien kämpfen für den selbständigen kleinen Mittelständler. Wir halten es für ein Unglück, daß die Nation in Großbetriebe und Abhängige aufgespalten ist. Wir wollen den Gewerbetreibenden mit seiner Tüchtigkeit. Wir wollen den kleinen Kaufmann und nicht die Großbetriebe. Wir lehnen den Kapitalismus genau wie den Sozialismus ab.
— Lachen Sie ruhig! Daß Sie, Herr Renner und Konsorten, etwas anderes wollen, ist mir bekannt. Jedenfalls treten wir hierfür ein. Ob mit Recht oder Unrecht, mag der Wähler entscheiden. Daß diejenigen Gemeinschaften und Verbände, die ebenfalls um die Existenz des einzelnen gegen die Großunternehmen kämpfen, wiederum interessiert sind, entsprechende Parteien zu unterstützen, ist klar.
Nun komme ich zu der Frage, die mein verehrter Vorredner, Herr Mayer, ja sehr eingehend erörtert hat, warum nämlich die Unterstützung nicht durch Mitgliedsbeiträge stattfindet. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätten Sie auf unsereinen — auch wenn man damals noch nicht weithin, sondern nur in seinem kleinen Kreis bekannt war
— gehört, so hätten Sie mit der Entnazifizierung
wesentlich früher innegehalten; denn dadurch, daß Sie diese harmlosen Nichtpolitiker, die glaubten, sich national zu betätigen, wenn Sie Pg wurden, bestraften, haben Sie ja die demokratischen Parteien bei Leuten, die immer noch unpolitisch denken, geradezu unmöglich gemacht. Wer läßt sich denn heute entnazi- und morgen entsozifizieren, wenn er kein Idiot ist? — Durch diese Entnazifizierungspolitik haben wir es verhindert, daß freie Menschen, die nicht kollektiv in Gewerkschaften oder sonstwie gebunden sind, keine besondere Neigung verspüren, Parteien beizutreten. Unterstützen wollen sie -sie gern, aber beitreten, — das scheint diesen gewiß nicht sehr mutigen und deswegen nicht sehr ehrenwerten Landsleuten eine außerordentlich gefährliche Maßnahme auch heute noch zu sein. Und so kommt es — ich kann den Ausführungen von Herrn Mayer nur voll und ganz beitreten —, daß in der Tat die Parteien, die keinen Kollektivismus predigen, die also nicht Anhänger haben, die auf Kommandoworte hören, sondern von dem freien Willen einzelner abhängig sind, tatsächlich mit ihren Mitgliederzahlen weit hinter den Kollektivisten der Linken zurückstehen müssen. Deswegen ist allerdings die Spendenwirtschaft nötig und gänzlich unentbehrlich.
Ich verstehe nun den Antrag der Herren SPD-Leute zu 1 überhaupt nicht, weshalb es ausgerechnet „Abgeordneten" verboten sein soll — von denen doch als führende Politiker im Ministerium die Parteiführer sitzen —, Gelder entgegenzunehmen, dagegen anderen Mitarbeitern der Partei soll es beliebig erlaubt sein? Das gibt doch gar keinen Sinn!
— Ich habe den Antrag drei-, vier-, fünfmal gelesen. Es gibt keinen Sinn, sage ich noch einmal.
Diesen Antrag werden wir so ablehnen. Was man
statt dessen tun soll, um jeder Korruption vorzubeugen, das mag ernstlich erwogen werden. Die
Grenze ist unbedingt dort gegeben, wo durch eine
Spende die persönliche freie Entscheidung der
Partei, ,des Parteiführers und des Abgeordneten
irgendwie angetastet wird oder, wie man es bemerken kann, wenigstens angetastet werden soll. Das
ist die Grenze, bis wohin man gehen darf und muß.
Auf das, was der unbekannte Spender letzten Endes
dann beabsichtigt, braucht man nicht einzugehen.
Und nun ein Wort zu dem „Michael", den Herr Renner zitierte; ein Blatt, das ich noch nie gelesen,
vielleicht schon einmal gesehen habe. Es tut mir leid, es erscheint wohl in Nordrhein-Westfalen; in unsere Gegend kommt es offenbar selten. — In diesem Blatt soll nach dem, was Herr Renner zitiert hat — und zwar mit einer gewissen schmunzelnden Zufriedenheit —, stehen: „Abgeordnete können bestochen werden; das ist keine strafbare Handlung, denn sie sind keine Beamten". Ich muß ehrlich gestehen: wenn es wirklich so in dem Blatt steht, muß ich die Tendenz dieser Ausführungen entschieden zurückweisen; denn das heißt ja auf deutsch: Abgeordnete sind in keiner Weise so gewissenhaft, so anständig und sind nicht denselben Ehrbegriffen unterworfen wie Beamte. Das heißt es zunächst. Es vermindert also den Rang eines Abgeordneten. Gewiß, wir 'sind keine Beamten; aber in Wahrnehmung unseres Mandats, das wir nach dem Grundgesetz für das gesamte Volk auszuüben haben, haben wir mindestens so unbestechlich zu sein wie Beamte.
Meines Erachtens müssen wir uns aber darüber hinaus von jeder Möglichkeit, uns in unserer freien Entscheidung durch irgendwelche offenen oder verdeckten Zuwendungen beeinflussen zu lassen, mit aller Entschiedenheit abwenden. Dieser Artikel im „Michael" wäre richtig, wenn er schließen sollte — ich kenne ihn nicht —: „Deswegen, weil dem so ist, muß der Gesetzgeber sofort dahin wirken, daß dies ebenso ein Zuchthausvergehen wie bei den Beamten wird." Wenn das die Schlußfolgerung sein sollte, dann wäre gegen die Ausführungen des „Michael" nichts einzuwenden. .
Wir können in dem Sinne auch dem zweiten Antrag so, wie er dasteht, nicht beitreten. Das Parteiengesetz unter Beachtung der Richtlinien des Grundgesetzes ist ein außerordentlich schwieriges Kapitel. Denn es stehen hier in der Tat gewisse Aufsichts- und Ordnungsvorschriften mit der in einer Demokratie nun einmal nötigen Freiheit in einer sehr sonderbaren, undurchsichtigen Wechselbeziehung. Ich halte es für außerordentlich schwierig, in dem Punkte eine für alle befriedigende und in der Praxis des Lebens mögliche Lösung zu finden.
Was den dritten Antrag der SPD anlangt, nämlich dahin zu beschließen, daß das Verfahren des verehrten Herrn Bundesfinanzministers mißbilligt wird, so möchte ich dazu dieses sagen: Ich möchte keinem der verehrten Freunde aus dem wunderschönen Lande Bayern das meine studentische Heimat war, zu nahetreten, aber ich möchte doch sagen: es fällt selbstverständlich auf, daß als irgendwie in den Kreis von merkwürdigen Beziehungen gerückte Abgeordnete namentlich überhaupt nur solche aus Bayern aufgeführt sind. So stammt denn auch unser verehrter Herr Bundesfinanzminister aus Bayern. Ob das alles ausschließlich mit der Bayernpartei zusammenhängt, — ich maße mir kein Urteil darüber an. Aber wir haben ja hier gesehen, daß bei der Bayernpartei offenbar ähnliche Zustände herrschten wie bei der WAV, was wir just gestern in dem Wahlprüfungsausschuß zur Kenntnis genommen haben. Es wird bei gewissen Parteien gerade in Bayern der Parteidiebstahl versucht: man sucht durch Absetzung einer Führungsschicht und Hineinmogeln einer neuen Führung eine ganze Partei zu erobern. Das hat sich in Bayern offenbar 1949 — bei der WAV und auch sonst vielleicht — vollzogen.
Nun möchte ich mich in diese bayerischen Geheimniskrämereien nicht weiter einmischen. Ich will nur soviel sagen: Wenn Herr Minister Schäffer erklärt hat und vermutlich auch heute erklären würde, daß er dem Abgeordneten Donhauser wesentlich sympathischer gegenüber stände als dem Abgeordneten Dr. Baumgartner, so muß ich ihm ehrlich gestehen: dafür habe ich vollste Sympathie, ohne mich über die Herren sonst im übrigen aussprechen zu wollen. Wenn ich aber höre, daß er mit Herrn Donhauser, ich glaube, seit 1945, politisch zusammenarbeitet, so sehe ich keineswegs, wie Herr Dr. Reismann, in einer Zuwendung, die der Gruppe Donhauser gemacht wird, etwa ein Herüberziehen zur Regierungskoalition, sondern nur eine politische Bereinigung, die auf Bayern beschränkt bleibt.
Jedenfalls sind hier keine Zahlungen an Donhauser geleistet, damit dieser oder andere sich in einem bestimmten Sinne bei einer Abstimmung im Bundestag verhielten, sondern die Zahlungen sind zur
Deckung von Schulden geleistet, um ihn von der bisherigen Parteiführung unabhängiger zu machen. Diese Zahlungen werden, glaube ich, in Zukunft besser von anderen Parteistellen als ausgerechnet von dem Herrn Minister vorgenommen, aber sie belasten, wie die Dinge nun einmal in Bayern lagen, den bayerischen führenden Politiker keineswegs, von dessen politischer Begabung wir doch wohl alle hier im Hause tief durchdrungen sind und von dessen Unanständigkeit hier noch niemals die Rede gewesen ist.
Es ist auch noch nie in Zweifel gezogen worden, daß er ein kerniger, gerader Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle ist.
Diese Dinge können ihn nach unserer Überzeugung nicht belasten.
Ich komme dann zum Schlußantrag der SPD, nämlich zu dem Antrag, den nach Pressemeldungen die SPD der CDU aus den Händen gewunden hat, weil diese ihn dann doch nicht stellen wollte, also zur Empfehlung, daß gewisse Abgeordnete — vier der Bayernpartei, einer der WAV oder der früheren WAV, ich weiß es im Moment nicht, jedenfalls alle aus Bayern — ihre Mandate niederlegen möchten. Dazu ein Wort! In -dem Bericht des 44. Ausschusses ist mit Recht eine Ehrenordnung gefordert. Darf ich dazu bemerken, daß ich seit etwa 8 bis 10 Wochen von dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität den Auftrag habe, in Anlehnung an die demnächst hoffentlich endgültig zu verabschiedende Geschäftsordnung eine Ehrenordnung zu entwerfen und dafür eine Begründung zu geben. Meine Arbeit ist fertig, sie ist in der Reinschrift begriffen, und morgen werde ich die entsprechende Vorlage — diesen Vorschlag, mehr ist es zunächst nicht — Herrn Ritzel als dem Vorsitzenden des Ausschusses übergeben. Ich stimme mit meinem Vorredner in der Ansicht überein, daß solche Ehrengesetzgebung — sie mag in eine Form gefaßt sein, wie sie will — nach den 'Erfahrungen dieses „Spiegel"-Ausschusses unbedingteste Notwendigkeit ist, wenn wir Wert darauf legen, daß dieses Parlament die Achtung mindestens hält, wenn nicht verbessert, die es bisher zu erringen die Möglichkeit hatte.
Diese ,Ehrenordnung erst wird uns zu einer gewissen Brüderschaft zusammenfassen, auf daß wir über alle Parteigrenzen hinweg wechselseitig den Menschen achten.
— Die Kommunisten nehme ich ausdrücklich aus. — Diese Brüderschaft in der Politik wird mit den Mitteln der Toleranz und der persönlichen Anständigkeit um die Probleme ringen, um die wir hier seit zwei Jahren gerungen haben und weiter ringen wollen. Diese Ehrenordnung wird hoffentlich, wie gesagt, mit der Geschäftsordnung, also noch vor den Ferien, verabschiedet werden.
In meinem Entwurf habe ich vorgesehen, daß vor den Ehrenausschuß — man könnte es auch Ehrenrat nennen — kein Mensch gezogen werden darf, dessen ehrenrühriges Verhalten vor Erlaß der Ehrenordnung vollendet war. Ich glaube nicht, daß es in einem Rechtsstaat möglich ist, rückwirkende Gesetze zu erlassen und nunmehr die hier in dem Ausschußbericht angefochtenen Abgeordneten nachträglich vor eine Einrichtung zu ziehen, die es zur Zeit ihrer Handlungsweise gar nicht gab. So weit jedenfalls mein Vorschlag.
Wenn die Ehrenordnung so aussieht, dann gewinnt dieser SPD-Antrag, den die CDU, wie man aus der Presse weiß, zeitweilig erwogen hat, besondere Bedeutung. Denn dann erblicke ich in ihm die Niederlegung der Auffassung, daß es angezeigt sei, wenn wir eine Ehrenrechtsprechung hätten und- über die Unwürdigkeit oder Würdigkeit eines Abgeordneten Beschlüsse mit rückwirkender Kraft fassen könnten, auf Grund des in einem mit richterlichen Funktionen ausgestatteten Untersuchungsausschuß einstimmig ermittelten Ergebnisses die Unwürdigkeit festzustellen. Wer das tut, der begeht meines Erachtens kein Sakrileg gegen demokratische Freiheiten, wenn er in der nach der gegenwärtigen Rechtslage einzig möglichen Form diesem Antrag zustimmt, also zwar keinen irgendwie empfindlichen Druck ausübt, aber erklärt: nach dem, was wir in dem Bericht leider, leider lesen müssen, bedauern wir, aussprechen zu sollen, daß es besser wäre, gewisse Persönlichkeiten gehörten dem Bundestag nicht mehr an. Ich kann daher für meine Person nur erklären, daß ich dem Antrag der SPD insoweit zustimmen werde. Für meine Fraktion kann ich insoweit nicht sprechen.
Und nun ein kurzes Schlußwort. Meine sehr Verehrten Damen und Herren! Auch der „Spiegel"-Ausschuß und seine Ergebnisse werden durch neue Sensationen abgelöst werden. Sie werden der Geschichte angehören. Ich hoffe und wünsche, daß die zum Teil betrüblichen Ergebnisse dieses Ausschusses und die Gesamtmaterie, die man in ihm erörtert hat, zu einer Klärung der Geister beitragen werden und daß der Bundestag für das nächste Jahrzehnt von einem so ausufernden und kaum Grenzen kennenden Untersuchungsverfahren verschont sein wird. Wir alle — ich möchte da keine einzige Partei und Fraktion ausnehmen — können lernen und haben hoffentlich gelernt, und nur derjenige ist meines Erachtens völlig unbelehrbar, der auf seinem eigenen Roß so hoch sitzt, daß er glaubt, nur Kritik üben zu können. Wir sollen uns die Lehren dieses Ausschusses und seiner sehr fleißigen Arbeit zu eigen machen und sollen sehen, daß' wir bei unseren weiteren Arbeiten für den Rest dieses Bundestages ebenso wie die Nachfolger im Parlament danach trachten, daß wir durch Sauberkeit, Redlichkeit und Fleiß die Achtung für das deutsche Parlament erwerben, ohne die es nicht leben kann.