Rede von
Gertrud
Strohbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Herren und meine Damen! Ich finde es sehr erfreulich, daß der Bundestag sich in diesem Jahr mit der Frage der Zuckerversorgung befaßt, ehe es so weit ist, daß draußen die Obst- und Beerenernte umkommen muß. Nach Ansicht meiner Fraktion gehen jedoch die vorliegenden Anträge an dem Kern des Problems weit vorbei. Ich meine, daß sie höchstens dazu angetan sein können, in der Bevölkerung falsche Hoffnungen zu erwecken. Denn mit dem, was hier beantragt ist, werden wir aller Voraussicht nach der Zuckerknappheit nicht Herr werden können.
Es gibt begründeten Anlaß zu 'dieser Befürchtung. Die Pressemitteilungen der Bundesregierung vom 11. April dieses Jahres beispielsweise haben davon gesprochen, daß der Groß- und Einzelhandel mit Zucker aus der Ernte 1950 in großem Umfang eingedeckt sei und daß eine Veränderung des Zuckerpreises deshalb nicht bevorstehe. Tatsächlich hat aber die Presse bereits darüber berichtet, daß der Zuckerpreis neuerlich in die Höhe gehen soll, wie meine Vorrednerin bereits ausgeführt hat. Man soll sich also nicht darüber wundern, daß die Vertrauensseligkeit der Bevölkerung in die Mitteilungen der Regierung sehr stark eingeschränkt wird, wenn immer wieder solche Widersprüche zwischen Reden und Tatsachen festgestellt werden.
Der Antrag der Abgeordneten Müller und Genossen schlägt vor, die Zuckerzuweisungen an die zuckerverarbeitende Industrie herabzusetzen. Man soll sich doch darüber klar sein, welche Folgen das haben würde. Zunächst würde es wahrscheinlich die Folge haben, daß eine große Anzahl von Arbeitern und Arbeiterinnen in der 'zuckerverarbeitenden Industrie kurzarbeiten oder überhaupt aussetzen müßten. Wir sind der Meinung, daß man ein Loch nicht stopfen sollte, indem man irgendwo ein anderes aufreißt. Damit ist nicht wirklich geholfen, damit sind die Probleme nur verlagert.
Derselbe Antrag schlägt weiter vor, ausreichende Devisen zu beschaffen, um Zucker einzukaufen. Meine Herren und Damen, Sie wissen alle so gut wie wir, daß die Frage der Bereitstellung von Devisen in starkem Maße von der Beantwortung der
Frage abhängt, inwieweit der Verbrauch dieser Devisen den „militärischen Notwendigkeiten" entspricht.
Dazu gehört leider der Zuckerbedarf der Zivilbevölkerung nicht. Und da der Standpunkt der Hohen Kommission in dieser Frage leider auch der Standpunkt der Bundesregierung ist, darf doch der Wille zur Bereitstellung von Devisen gar nicht vorausgesetzt werden.
Was ist zu tun? Meine Vorrednerin hat bereits festgestellt: Zuckerbeschaffung ist das einzig mögliche, was der Misere in diesem Jahr, die sich schon überall deutlich abzeichnet, abhelfen könnte. Das .,Handelsblatt" vom 27. Oktober vorigen Jahres hatte mitgeteilt, daß aus Polen, ,der Tschechoslowakei und auch aus der Deutschen Demokratischen Republik Zuckerangebote an Westdeutschland vorliegen. Nach den Mitteilungen der Bundesregierung an die Presse vom 9. Mai 1951 ist die Zerreißung Deutschlands wesentlich mit schuld an den Zuständen, die auf dem Gebiet der Zuckerversorgung vorhanden sind. Es liegt in Ihrer Hand, durch das längst angebotene gesamtdeutsche Gespräch dieses Hindernis wegzuräumen und so die natürlichste Lösung der Schwierigkeiten auch in der Frage der Zuckerbeschaffung herbeizuführen.
Wir schlagen vor, die Regierung zu beauftragen, daß sie diese Möglichkeiten gründlich ausschöpft. Wir sind fest überzeugt, daß damit die Zuckersorgen in diesem Sommer auf die bestmögliche Weise beseitigt werden könnten.