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ID0114401800

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    Deutscher Bundestag — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951 5663 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 5664A, 5705A Änderungen der Tagesordnung . . 5664A, 5706B Eintritt des Abg. Dr. Niklas in den Bundestag 5664B Anfrage Nr. 85 der Zentrumsfraktion betr Überprüfung der Subventionen an die Margarineindustrie (Nrn. 2196 und 2279 der Drucksachen) 5664B Anfrage Nr. 89 der Fraktion der FDP betr Umsatzsteuersatz für Tabakgroßhandel (Nrn. 2243 und 2280 der Drucksachen) . . 5664B Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei längerer bergmännischer Tätigkeit . . . 5664B Entgegennahme und Besprechung einer Erklärung der Bundesregierung (Saarfrage) in Verbindung mit der Beratung der Interpellation der Abg. Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher u. Gen. betr. Saarfrage (Nr. 2115 der Drucksachen) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Regelung der Saarfrage (Nr. 2114 der Drucksachen) 5664C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5664C Strauß (CSU), Interpellant 5672A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 5677D Dr. Wuermeling (CDU) 5686D Dr. Seelos (BP) 5688D Mayer (Stuttgart) (FDP) 5689D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 5692C Loritz (WAV) 5693D Ewers (DP) 5694D Dr. Ott (BHE-DG) 5696B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5698A von Thadden (DRP) 5696B Niebergall (KPD) 5698D Dr. Hamacher (Z) 5701C zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5702C Unterbrechung der Sitzung . . 5702D zur Abstimmung: Ollenhauer 1 (SPD) 5702D Dr. von Merkatz (DP) 5703A Renner (KPD) 5703B Frau Wessel (Z) 5704B von Thadden (DRP) 5704C Abstimmungen 5704D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses, für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2236 [neu] der Drucksachen) 5705B Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 5705B Abstimmungen 5706A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr 2233 der Drucksachen) 5706B Ausschußüberweisung 5706B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung des im Geschäftsjahr 1950 erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder (Nr. 2244 der Druck- sachen) 5706C Scharnberg (CDU) 5706C Ausschußüberweisung 5706C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis (Nr. 2255 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 4. Mai 1951 auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung (Nr 2246 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene (22. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Wahrung der Interessen der aus dem westlichen Ausland ausgewiesenen Deutschen (Nrn. 2227, 1826 der Drucksachen) 5706D Beratung vertagt Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 184) 5707A Beschlußfassung 5707C Beratung der Übersicht Nr. 28 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 165) 5707C Beschlußfassung 5707C Nächste Sitzung 5707C Schröter (CDU) 5706B Die -Sitzung wird um 14 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn etwas tief bedauerlich ist, dann ist es die Tatsache, daß jetzt wie ein Blitz aus heiterem Himmel diese Komplikationen über uns hereingebrochen sind, die die Saar betreffen und die das Verhältnis zwischen Deutschland und , Frankreich, das uns wohl allen am Herzen liegt, zu trüben drohen. Ich möchte folgendes klarstellen:


    (Loritz)

    Ich glaube, nach all den Lehren der Vergangenheit muß Friede und Freundschaft mit dem französischen Nachbarvolk der Wunsch. jedes guten Deutschen sein. Gerade unter diesem Gesichtspunkt schmerzt uns die ganze Angelegenheit so besonders.
    Es ist heute schon manches über das Problem gesprochen worden; nur eines scheint mir noch nicht erwähnt worden zu sein. Wie kam es denn, daß all das mit solcher Wucht plötzlich über uns hereingebrochen ist? Ich glaube, wir sind teilweise über die ganzen Gegebenbeiten in dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich falsch informiert worden, leider auch von seiten der Regierungsbank, die uns nicht genügend und. nicht rechtzeitig über die Widerstände informiert hat, die in weiten Kreisen der Bevölkerung Frankreichs und auch im französischen Außenministerium noch gegen die Prämissen bestehen, die von seiten der Bundesregierung bereits als gegeben angenommen worden sind. Es ist in der Politik immer falsch, wenn man sich entweder selber rosenrote Brillen aufsetzt oder sie anderen Leuten aufsetzen will und die Gegebenheit nicht berücksichtigt. Gerade da hat man uns die Wahrheit nich t gesagt! So kam es, daß manche hier in diesem Hause und in der Öffentlichkeit sich in dem falschen Glauben gewiegt haben, als könnte man den Schumanplan ohne weiteres unterzeichnen und als seien die Probleme zwischen Deutschland und Frankreich bereits so geklärt, daß es darüber keiner weiteren Auseinandersetzungen mehr bedürfte. Es wäre Sache des Herrn Bundeskanzlers gewesen, bei den einschlägigen Besprechungen mit dem französischen Außenminister sich durch rechtzeitige Rückfragen zuerst zu vergewissern, wie die Situation im allgemeinen ist, und, wenn man darüber Gewißheit hat, selbstverständlich auch von sich aus eine entsprechende Politik einzuschlagen, eine Politik, die nicht Äpfel pflücken will, welche noch nicht reif sind, vor allem eine Politik, die nicht Dinge hingibt, die wir noch sehr notwendig brauchen könnten — wie heute schon von anderer Seite des Hauses gesagt worden ist —, die nicht Dinge hingibt, ohne dafür die nötigen Gegenleistungen im voraus zugesichert zu bekommen.
    Darüber gibt es doch keinen Zweifel: wenn schon eine Lösung kommen soll, wie der Schumanplan sie vorsieht, dann ist Grundvoraussetzung eine vollkommene Bereinigung der Streitpunkte zwischen Frankreich und Deutschland. Wenn dis von seiten irgendeines Partners, sei es von seiten des französischen Partners, sei es sonstwoher, nicht getan wird, dann sind auch für uns die Voraussetzungen in Wegfall gekommen, die zu einer Ratifizierung des Schumanplans durch uns in dem jetzigen Moment führen könnten und dazu in etwa berechtigen würden. „Gouverner c'est prévoir" — Regieren heißt voraussehen — gilt doppelt und dreifach für die Außenpolitik! Ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat leider nicht vorausgesehen, was hier alles kommen würde, kaum daß die Tinte auf dem Dokument trocken war, in welchem der Herr Bundeskanzler den Schumanplan zuerst für sich unterzeichnet hat!
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen:

    (Zurufe: Gott sei Dank!)

    Wir können nur dann mit Recht gegen undemokratisches Verhalten gewisser Leute im Saargebiet protestieren, wir können nur dann uns mit Recht, wie das heute geschehen ist, darüber entrüsten, daß die Opposition im Saargebiet nicht über das Radio
    sprechen darf, daß sie in ihren Rechten da und l dort beschnitten wird, wenn wir bei uns selber mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir nicht nach Parteiverboten schielen,

    (Abg. Hilbert: Und wenn es sich um Verbrecher handelt? — Weitere Zurufe)

    wenn wir nicht auf dem Wege über die Nichtzulassung zum Radio versuchen, im Inneren Deutschlands die Opposition niederzuhalten! Nur d a s können wir mit Recht auch vom Ausland verlangen, was wir hier selbst tun, und es hat mich sehr gefreut, daß der Bundeskanzler heute so entschieden betont hat, daß Verbote von Parteien der denkbar schlechteste Weg sind, um eine Demokratie zu stärken:

    (Abg. Hilbert: Sprechen Sie für Ihre Schützlinge?)

    Lassen Sie mich am Schluß noch einen Satz sagen, damit keine Mißverständnisse entstehen: Das Schicksal Europas, das Schicksal der Welt hängt ab

    (Abg. Kuntze: von Loritz!)

    von Freundschaft und Frieden zwischen Deutschland und Frankreich. Möge das überall erkannt werden; möge über a 11 ein Rückfall in die Fehler und die Sünden der Vergangenheit unterbleiben! Nur dann kann Europa und nur dann kann die Demokratie gerettet werden.

    (Beifall bei der WAV. — Zuruf rechts: Ganz groß!)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Frage der Saar selber anlangt, so haben wir eine sehr ähnliche und fast genau so wie heute durch allzulange Reden etwas entwertete Debatte hier im Hause am 10. März 1950 gehabt. Damals wie heute, darf ich feststellen, herrschte bei der Opposition von links und rechts und bei den Regierungsparteien Einmütigkeit darüber, daß erstens rechtlich alles, was an der Saar geschieht, von Frankreich befohlen, geduldet oder herbeigeführt, für uns und die übrigen Völker nicht existent sein kann und daß wir zweitens das Unrecht, das unseren Landsleuten, diesen 900 000 Saarländern, geschieht, beklagen. Daß wir andererseits als Nachbarn Frankreichs sehr wohl einmütig anerkennen, daß Frankreich mit Rücksicht auf die Saarkohle und seine lothringischen Erze stärkste wirtschaftliche Interessen im Saargebiet und in den angrenzenden Gebieten zu vertreten und für sich selbst wahrzunehmen hat, darüber herrscht Einigkeit. Über die außerordentlich beklagenswerten Einzelumstände an der Saar ist heute sehr eingehend gesprochen worden. Dazu - ven mir aus kein weiteres Wort.
    Was die Sache so ungemein ernst, ich möchte sagen, tragisch macht, das hat mein Vorredner, Herr Loritz, angedeutet. Seinen Kursus darüber, wie sich ein Außenminister im Ausland nach seiner Meinung benehmen muß, wird sich der Herr Bundeskanzler zu eigen machen, und er wird ihm ein gelehriger Schüler sein. Ich glaube allerdings, daß Belehrungen in dieser Beziehung nicht gerade nötig sind; aber sie schaden auch nichts, und man nimmt sie zur Kenntnis.
    Herr Loritz hat aber insofern recht, als er sagt, daß wir hier im Bundestag, zumindest zum Teil und jedenfalls wir auf den Regierungsbänken durch das, was mit dem Schuman-Brief vom 9. Mai 1951 im Saarland angerichtet worden ist, überrascht,


    (Ewers)

    alle aber ausnahmslos geradezu empört sind. Dieser Umstand ist in der Debatte mit Rücksicht auf die Regierungserklärung nicht sehr hervorgetreten. Auch ich will ihn nicht sehr breit behandeln. Ich halte dieses Überraschungsmoment aber für das Entscheidende, worüber heute gesprochen werden muß, was in den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Mayer von der FDP, auch durchklang.
    Wie liegen insofern die Dinge? Als wir uns am 10. März 1950 hier über die Saarkonventionen an Hand einer außerordentlich einprägsamen und nachlesenswerten Regierungserklärung unseres Herrn Bundeskanzlers unterhielten, da hatten wir alle das Gefühl, daß durch derartige Dinge bei uns in Deutschland in den Kreisen rechtsradikaler Agitatoren größtes Unheil angerichtet werden könnte; denn selbstverständlich wird sich einem französischen Nationalismus wiederum ein deutscher entgegenstellen, und damit kommen wir dann wieder etwa auf den Standpunkt des Jahres 1900 zurück, als hätten Frankreich und Deutschland ein halbes Jahrhundert nichts erlebt. In jener Debatte am 10. März 1950 hat mein Parteifreund Dr. von Campe erklärt, daß man sich durch solche peinlichen Unrechte, wie sie an der Saar begangen würden, nicht von der klaren Konzeption abbringen lassen dürfe, daß man vielmehr, indem man auf wirtschaftlichem Gebiet in Europa durch Verträge Ordnung schaffe, derartige vollkommen aus der Zeit gefallene imperialistische Regungen zurückdämmen solle und könne. Dann fiel, von uns allen freudigst begrüßt, in diese abwartende Atmosphäre hinein von Frankreich aus die unter dem Namen Schumanplan inzwischen weithin populär gewordene Anregung, bei der Montanindustrie wirtschaftlichpraktisch mit dem Aufbau Europas zu beginnen.
    Unabhängig davon, was man vom Schumanplan im einzelnen halten mag, möchte ich hier nur zweierlei betonen: Einmal ist daran das völlig Neue, daß hier zum erstenmal auf einem für die Wirtschaft der verbundenen Nationen wichtigsten Teilgebiet eine europäische Souveränität geschaffen wird, daß zum erstenmal in der Weltgeschichte überhaupt selbständige Staaten zu einem Überstaat zusammentreten. Zweitens ist dadurch, daß man sich ausgerechnet bei der Bewirtschaftung der Grundstoffe Kohle, Eisen und Erz zu einer Souveränitätsaufgabe veranlaßt sah, endgültig ausgeschlossen, daß zwischen diesen verbundenen Staaten jemals wieder ein Krieg geführt werden kann. So ist es nach Annahme dieses Planes angesichts der Natur der modernen technischen Kriege vollkommen unmöglich, daß Frankreich und Deutschland jemals wieder auf verschiedenen Seiten in einen Krieg eintreten können. Diese beiden Umstände — der erste praktische Schritt zu einem überstaatlichen Gebilde und die nicht durch irgendwelche „Nichtangriffspakte", nicht allein mit Worten erklärte, sondern durch die Tat, durch die Satzung, durch die Schaffung neuer Gewalten herbeigeführte Unmöglichkeit der Kriegführung zwischen zwei Nationen, die jetzt seit genau 300 Jahren fast nichts anderes getan haben, als gegeneinander Krieg zu führen — bilden das unglaubwürdig Neue und das, was — so meine ich — auch bei den Herren der SPD hier im Hause einige Hoffnung und einige Begeisterung hervorrufen könnte. Diese Dinge werden durch einen Vertrag eingeleitet, dessen Präambel mein Vorredner Herr Dr. Seelos mit gerührten Worten schon als geradezu „begeisternd" bezeichnet hat. Es ist in dieser Präambel davon die Rede, daß „schöpferische Anstrengungen für den
    Weltfrieden" gemacht werden, daß „ein Beitrag für ein organisiertes und lebendiges Europa und zur Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen" geleistet werde und daß die Entschlossenheit betätigt werde, „an Stelle jahrhundertealter Rivalitäten den Zusammenschluß der wesentlichsten Interessen" und sonstiger Gemeinsamkeiten zu fördern. Alles das ist wunderschön und aller Ehren wert.
    Nur haben wir als das besiegte Volk, das immer noch, wenn auch abgeschwächt, unter dem Besatzungsrecht leidet — ich muß es sagen: leidet! —, von unseren Besatzungsmächten je und je in den letzten sechs Jahren -- immer mehr abgeschwächt, aber immer wieder neu — einige Nadelstiche empfangen, die uns allzu hochmögende Erklärungen etwas skeptisch ansehen lassen. Wir haben dergleichen aber noch niemals in einem Vertrage als eine verbindliche Rechtssatzung niedergelegt gesehen; denn wir können ja erst seit jüngsten Daten überhaupt Verträge schließen, nachdem wir außenpolitisch wieder selbständig geworden sind. Und nun. muß es uns passieren, daß unmittelbar nach der Unterzeichnung, man kann fast sagen: am Tage darauf im Saargebiet, dieser Achillesferse unserer französischen Beziehungen, etwas geschieht, was uns vor unheimliche Fragen stellt, nämlich besonders vor die Frage: Welchem Frankreich stehen wir gegenüber? Dem, das diesen Vertrag unterzeichnete und sich zu so hohen menschlichen Taten bereit erklärt hat, oder demjenigen, das sich, als hätten wir kein halbes Jahrhundert erlebt, mit Grenzverschiebungen, durch Eroberung wertvoller Gebiete selbst schadlos halten will und vor dem mit größtem Mißtrauen gesehenen Nachbarn schützen zu müssen glaubt. Das eine ist der Imperialismus des 19. Jahrhunderts, das andere ist der zukunftsfrohe Glaube einer modernen europäischen Nation. Man kann nicht beides gleichzeitig vertreten wollen. Eines von beiden ist geheuchelt; und wir Deutschen haben uns zu fragen: was ist geheuchelt? Diese Frage werden wir heute hier nicht beantworten. Ich möchte aber auf eine Frage eingehen, die Herr Dr. Carlo Schmid schon anschnitt.
    Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er „mit tunlichster Beschleunigung" die Vorlage über den Schumanplan einbringen werde. „Tunlichster" — der Superlativ bedeutet doch wohl „größtmöglicher". „Tunlicher" hieße „unter Abwägung alles Für und Wider so schnell wie möglich". Ich hätte gewollt, es hieße — gramatisch richtiger — „tunlicher Beschleunigung". — Er hat nun aber weiter erklärt, daß dann, wenn das geschähe, hier im Saale, wie er befürchten müsse, politische Meinungsverschiedenheiten entstehen könnten, von denen heute nicht die Rede sein solle, und daß — nun kommt es — es sich „bis dahin" zeigen werde, ob der bestehende Konflikt an der Saar bereinigt werden könne. Daraus hat Herr Dr. Carlo Schmid die Möglichkeit abgeleitet, daß man also mit der Einbringung der Vorlage warten würde, bis sich an der Saar irgend etwas —hoffentlich auch äußerlich, nicht nur erklärungsmäßig — gegenüber dem heutigen Zustand geändert habe. Der Herr Bundeskanzler aber hat diese Frage verneint
    Ich möchte demgegenüber folgendes zum Ausdruck bringen. Der Schumanplan, dessen Grundtendenz ich gefeiert habe, enthält in seinen Einzelheiten eine solche Fülle von Bestimmungen, daß nur der Jurist — wie ich etwa — die juristischen, der Wirtschaftler die wirtschaftlichen, der Kohleexperte die Kohlebestimmungen, der Erzfachmann die Erzbestimmungen usw. in jeder Beziehung übersehen kann. Er ist ein Gesamtwerk, aus einer Fülle sachlicher Beratungen entstanden, dessen


    (Ewers)

    letzte Qualität ein Einzelner kaum beurteilen kann. In den Schumanplan sind sehr viele institutionelle Garantien eingebaut, damit dieser oder jener Staat nicht an die Wand gedrückt werde, so daß man hoffen kann, dieser Plan werde technisch funktionieren. Es sind aber auch so viele Bestimmungen drin, die dem Laien schildern, wie außerordentlich schwierig und kompliziert die Übergangszeit ist, daß man sieht: auch die Verfasser haben die Sorge, ob die Überleitung der Einzelwirtschaften in den großen europäischen Markt auch überall reibungslos verlaufen werde. Er ist also jedenfalls alles in allem ein Wagnis, und zwar ein wunderschönes, kühnes, fortschrittliches Wagnis. Wie es funktioniert,, wissen wir aber nicht.
    Ich halte nun gar nicht viel von „institutionellen Garantien". Wir haben ja bekanntlich als solche z. B. im Dritten Reich die Sondergerichte gehabt, um eine „Rechtsprechung" zu garantieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Das war eine äußerliche Garantie; innerlich wurde nicht Recht gesprochen. Deswegen sind auch hohe Gerichte, die eingesetzt werden, nur dann eine Garantie, wenn man den Geist kennt, aus dem sie urteilen werden. Wenn wir zu den Partnern unseres Vertrages nicht das volle, mit aller Nüchternheit abgewogene Vertrauen haben können und wissen, daß der Geist des Vertrages der gleiche ist, den wir wollen, nämlich die unter Opfern vollzogene Einreihung in eine größere europäische Gemeinschaft, wenn wir uns dessen nicht sicher sind, so ist es — ich sage das offen — unmöglich, das Risiko eines solchen Vertrages zu laufen. Denn es hängt ja nicht von den Paragraphen, es hängt von dem Geist ab, mit dem dieser neuartige, schöne Vertrag durchgeführtwird, ob er funktioniert und ob er unseren Kindern und Enkeln zum Segen wird. Andernfalls laden wir unter Umständen einen Fluch auf uns, den wir vor niemandem verantworten können. In diesem Sinne ist es — mit Herrn Loritz gesprochen — so tieftraurig und tragisch, daß uns das jetzt passieren muß und daß unsere Skepsis gegenüber dem Vertragspartner des Herrn Bundeskanzlers so erheblich zugenommen hat. Ich hoffe sehr, daß es seiner hohen Kunst, seinem europäischen Willen und seinem deutschen Herzen gelingen möge, diese Schwierigkeiten zu beheben, so daß wir mit voller Zuversicht und mit voller innerer Überzeugung etwas Segensreiches schaffen und dem Werke des Schumannlans, wenn es uns vorliegt, werden zustimmen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)