Rede von
Alfred
Loritz
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn etwas tief bedauerlich ist, dann ist es die Tatsache, daß jetzt wie ein Blitz aus heiterem Himmel diese Komplikationen über uns hereingebrochen sind, die die Saar betreffen und die das Verhältnis zwischen Deutschland und , Frankreich, das uns wohl allen am Herzen liegt, zu trüben drohen. Ich möchte folgendes klarstellen:
Ich glaube, nach all den Lehren der Vergangenheit muß Friede und Freundschaft mit dem französischen Nachbarvolk der Wunsch. jedes guten Deutschen sein. Gerade unter diesem Gesichtspunkt schmerzt uns die ganze Angelegenheit so besonders.
Es ist heute schon manches über das Problem gesprochen worden; nur eines scheint mir noch nicht erwähnt worden zu sein. Wie kam es denn, daß all das mit solcher Wucht plötzlich über uns hereingebrochen ist? Ich glaube, wir sind teilweise über die ganzen Gegebenbeiten in dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich falsch informiert worden, leider auch von seiten der Regierungsbank, die uns nicht genügend und. nicht rechtzeitig über die Widerstände informiert hat, die in weiten Kreisen der Bevölkerung Frankreichs und auch im französischen Außenministerium noch gegen die Prämissen bestehen, die von seiten der Bundesregierung bereits als gegeben angenommen worden sind. Es ist in der Politik immer falsch, wenn man sich entweder selber rosenrote Brillen aufsetzt oder sie anderen Leuten aufsetzen will und die Gegebenheit nicht berücksichtigt. Gerade da hat man uns die Wahrheit nich t gesagt! So kam es, daß manche hier in diesem Hause und in der Öffentlichkeit sich in dem falschen Glauben gewiegt haben, als könnte man den Schumanplan ohne weiteres unterzeichnen und als seien die Probleme zwischen Deutschland und Frankreich bereits so geklärt, daß es darüber keiner weiteren Auseinandersetzungen mehr bedürfte. Es wäre Sache des Herrn Bundeskanzlers gewesen, bei den einschlägigen Besprechungen mit dem französischen Außenminister sich durch rechtzeitige Rückfragen zuerst zu vergewissern, wie die Situation im allgemeinen ist, und, wenn man darüber Gewißheit hat, selbstverständlich auch von sich aus eine entsprechende Politik einzuschlagen, eine Politik, die nicht Äpfel pflücken will, welche noch nicht reif sind, vor allem eine Politik, die nicht Dinge hingibt, die wir noch sehr notwendig brauchen könnten — wie heute schon von anderer Seite des Hauses gesagt worden ist —, die nicht Dinge hingibt, ohne dafür die nötigen Gegenleistungen im voraus zugesichert zu bekommen.
Darüber gibt es doch keinen Zweifel: wenn schon eine Lösung kommen soll, wie der Schumanplan sie vorsieht, dann ist Grundvoraussetzung eine vollkommene Bereinigung der Streitpunkte zwischen Frankreich und Deutschland. Wenn dis von seiten irgendeines Partners, sei es von seiten des französischen Partners, sei es sonstwoher, nicht getan wird, dann sind auch für uns die Voraussetzungen in Wegfall gekommen, die zu einer Ratifizierung des Schumanplans durch uns in dem jetzigen Moment führen könnten und dazu in etwa berechtigen würden. „Gouverner c'est prévoir" — Regieren heißt voraussehen — gilt doppelt und dreifach für die Außenpolitik! Ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat leider nicht vorausgesehen, was hier alles kommen würde, kaum daß die Tinte auf dem Dokument trocken war, in welchem der Herr Bundeskanzler den Schumanplan zuerst für sich unterzeichnet hat!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen:
Wir können nur dann mit Recht gegen undemokratisches Verhalten gewisser Leute im Saargebiet protestieren, wir können nur dann uns mit Recht, wie das heute geschehen ist, darüber entrüsten, daß die Opposition im Saargebiet nicht über das Radio
sprechen darf, daß sie in ihren Rechten da und l dort beschnitten wird, wenn wir bei uns selber mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir nicht nach Parteiverboten schielen,
wenn wir nicht auf dem Wege über die Nichtzulassung zum Radio versuchen, im Inneren Deutschlands die Opposition niederzuhalten! Nur d a s können wir mit Recht auch vom Ausland verlangen, was wir hier selbst tun, und es hat mich sehr gefreut, daß der Bundeskanzler heute so entschieden betont hat, daß Verbote von Parteien der denkbar schlechteste Weg sind, um eine Demokratie zu stärken:
Lassen Sie mich am Schluß noch einen Satz sagen, damit keine Mißverständnisse entstehen: Das Schicksal Europas, das Schicksal der Welt hängt ab
von Freundschaft und Frieden zwischen Deutschland und Frankreich. Möge das überall erkannt werden; möge über a 11 ein Rückfall in die Fehler und die Sünden der Vergangenheit unterbleiben! Nur dann kann Europa und nur dann kann die Demokratie gerettet werden.