Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich in seiner 122. Sitzung vom 1. März dieses Jahres sehr eingehend mit der Sozialversicherung und mit der Erhöhung der Renten für die Invalidenrentner beschäftigt. Der damaligen Beratung in diesem Hause lagen drei Anträge zugrunde, der Antrag der SPD, der Antrag der DP und der Antrag der CDU/CSU.
In dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion wird darauf hingewiesen, daß die Fraktion bereits am 29. Juli 1950 eine Anpassung der Leistungen in der Sozialversicherung an die Preisentwicklung gefordert hat. Außerdem verlangt dieser Antrag, daß die Regierung beauftragt wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Wünschen der Rentner entspricht. Es ist darin ferner gefragt worden, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um eine den Verhältnissen gerecht werdende Verbesserung der Leistungen auf allen in Betracht kommenden Gebieten der Sozialfürsorge durchzuführen. Schließlich wird gefragt, wann dieser Gesetzentwurf bzw. diese Maßnahmen in Kraft treten sollen. Auch in . dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei wird von der Regierung die Vorlage eines Gesetzentwurfes verlangt, der diesen
Wünschen der Sozialrentner Rechnung trägt. Ebenso fordert der Antrag der CDU/CSU-Fraktion von der Regierung die Vorlage eines Gesetzentwurfes, der die gesetzliche Rentenversicherung sanieren und eine den wirtschaftlichen Verhältnissen der Rentner angemessene Rentenerhöhung zusichern soll. Abs. 2 dieses Antrages besagt, daß die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen im Durchschnitt um 25 % erhöht werden sollen. Gleichzeitig soll die Rentenhöhe stärker als bisher von der Anzahl der bisher entrichteten Beiträge abhängig gemacht werden.
In dieser entscheidenden Sitzung vom 1. März, in der sich der Bundestag sehr eingehend mit den Rentnern beschäftigt hat, sind eine Reihe wichtiger Ausführungen gemacht worden. So hat die Frau Abgeordnete Kalinke ihren Antrag damit begründet, daß die augenblickliche Rente für die große Masse der Rentenempfänger in allen Sparten unzureichend ist und daß die Kaufkraft der Renten um mehr als die Hälfte geringer geworden ist. Auch der Herr Abgeordnete Arndgen von der CDU hat erklärt, daß dem Antrag auf Erhöhung der Renten kein Wort hinzugefügt zu werden brauche, er könne das unterstreichen, was seine Vorredner gesagt hätten. Schließlich hat der Herr Arbeitsminister erklärt: „Ich kämpfe seit Wochen mit dem' Bundesfinanzminister darum, daß er mir für den neuen Etat die Mittel zur Verfügung stellt, um die Dinge in ihrer Grundsätzlichkeit regeln zu können". Er hat hinzugefügt, daß kleine Pflästerchen nicht mehr ausreichten, es müsse eine neue Durcharbeitung dieser Versorgungsinstitutionen erfolgen.
In der Sitzung des Bundestages am 1. März 1951 habe ich namens der sozialdemokratischen Fraktion einen Antrag eingereicht, der eine Erhöhung der Renten um 25 % ab 1. April 1951 vorsieht, und gebeten, über ihn im Plenum am selben Tage abzustimmen. Ich habe damals verlangt, daß dieser Antrag nicht dem Ausschuß überwiesen wird, sondern daß über ihn im Plenum des Bundestages sofort abgestimmt wird, damit die Rentner ab 1. April 1951 in den Genuß der Rentenerhöhung kommen können. Dieser Antrag ist dann in der Abstimmung abgelehnt worden. Dagegen ist der Antrag der CDU/CSU angenommen worden, der eine durchschnittliche Erhöhung der Renten um 25 % vorsieht. Wir haben seinerzeit dafür gestimmt. Ich habe aber damals bereits erklärt, daß bei den Rentnern dadurch, daß die Zeitungen geschrieben haben, die Renten würden um 25 % erhöht, Hoffnungen erweckt werden, denen wahrscheinlich eine schwere Enttäuschung folgen wird. Wir warten bis zum heutigen Tage darauf, daß die Regierung den damaligen Beschluß, die Renten um 25 % zu erhöhen, durchführt. Die Regierung hat ein Versprechen einzulösen. Sie hat in ihrer Regierungserklärung vom 24. September 1949 selbst erklärt, daß sie eine soziale Regierung sein will. Ich bin deshalb der Meinung, daß die Regierung die Verpflichtung hat, den Beschluß des Bundestages vom 1. März dieses Jahres möglichst rasch in die Tat umzusetzen.
Wir haben nun folgendes erlebt. Vor einigen Wochen hat die Presse gemeldet, daß das Kabinett einige Beschlüsse gefaßt habe. In den Zeitungen ist folgendes als Überschrift veröffentlicht worden: „Beamtengehälter werden um 20 % erhöht — Rentner erhalten drei Mark Zulage pro Monat". Mit anderen Worten heißt das: Die Rentner er-
halten eine Erhöhung ihrer Renten um 10 Pfennig pro Tag.
Von uns bestreitet niemand, daß eine Neuregelung
auch der Beamtengehälter erfolgen muß, nachdem
die letzte Regelung der Beamtengehälter im Jahre
1927 vorgenommen wurde. Auf der anderen Seite
aber kommt es einer Verhöhnung der Invaliden
gleich, wenn man den Invaliden gleichzeitig 3 Mark
Erhöhung ihrer Renten anbietet.
Dabei ist das Entscheidende, daß die Rentenerhöhung, wie damals gesagt worden ist,.. erst am 1. Juli in Kraft treten soll.
Der Herr Abgeordnete Wuermeling hat seinerzeit bei der Beratung des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes erklärt, es sei für die CDU selbstverständlich, daß nach Regelung dieses Gesetzes auch die Rentenerhöhung durchgeführt werden müsse.
Verehrte Anwesende, wir haben in der 134. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. April 1951 einen Antrag eingebracht, nach welchem eine Vorauszahlung auf die Rentenerhöhung für die Invalidenrentner erfolgen soll. Unser Antrag ist damals abgelehnt worden. Wir haben jetzt erneut einen Antrag eingebracht, auf den ich gleich zu sprechen kommen werde. In der 134. Sitzung vom. 12. April 1951 hat sich aber doch einiges ereignet, das ich bei der heutigen Sitzung in das Gedächtnis zurückrufen möchte. Der Herr Bundesarbeitsminister Storch hat nach dem Protokoll damals folgendes erklärt:
Ich habe am Dienstag dieser Woche dem Kabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich genau an die Beschlüsse dieses Hohen Hauses über die Erhöhung der Renten um 25 % anlehnt. Es ist selbstverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister sehen muß, wie er die finanzielle Grundlage für dieses Gesetz herbeizaubern kann, aber ich darf Ihnen sagen, daß sowohl der Bundeskanzler als auch alle anderen Minister auf dem Standpunkt gestanden haben, daß hier die größte Not herrsche und daß hier am schnellsten geholfen werden müsse. Ich habe die Hoffnung, daß dieses Gesetz möglichst bald diesem Hohen Hause vorgelegt werden kann.
In derselben Sitzung ist unser Antrag auf eine Vorauszahlung abgelehnt worden. Der Herr Abgeordnete Horn von der CDU hat damals erklärt, nachdem der Herr Bundesarbeitsminister eben gesagt habe, daß dieser Gesetzentwurf möglichst bald vorgelegt werde, sehe er keine Notwendigkeit mehr, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen. Er hat aber hinzugefügt:
Wir halten die Bundesregierung allerdings —
das möchte ich mit allem Nachdruck sagen —
an die jetzt vom Herrn Arbeitsminister abgegebene Erklärung gebunden. Wir würden es
in den Regierungsparteien nicht hinnehmen
können, daß die Vorlage jetzt noch über das unerläßlich notwendige Maß, das für die
dringliche Bearbeitung erforderlich ist, hinaus
verzögert wird.
Die Bundesregierung hat bis zum heutigen Tag einen Gesetzentwurf nicht vorgelegt.
Wir haben deshalb erneut den heute zur Debatte stehenden Antrag eingebracht, in dem erstens die Vorlage des seit 10 Monaten geforderten Gesetzentwurfs und zweitens verlangt wird, daß bis zur endgültigen Regelung der Renten rückwirkend ab 1. April an die Rentenempfänger ein Vorschuß von 15 DM monatlich, an die Witwen- und Witwer-Rentenempfänger ein solcher von 12 DM monatlich und an die Waisen-Renten-Empfänger ein solcher von 6 DM monatlich gezahlt wird. Das soll keine endgültige Regelung sein, diese Beträge sollen vielmehr lediglich Vorschüsse bis zur endgültigen Regelung durch den Gesetzentwurf darstellen.
Nun liegt uns heute morgen auf Umdruck Nr. 182 ein Antrag der Regierungsparteien vor. Darin wird verlangt, daß die Bundesregierung den geforderten Gesetzentwurf bis zum 15. Juni J951 vorlegt. Weiter ist gesagt, daß der Beschluß betreffend Erhöhung der Renten um durchschnittlich 25 % ab 1. Juni 1951 wirksam werden soll. Meine Damen und Herren, die Teuerung tritt ja nicht erst am 1. Juni 1951 in Kraft, sondern die Teuerung besteht seit langer Zeit. Es bedeutet nach meiner Auffassung — ich möchte es gelinde sagen — einen Betrug an den Rentnern, nachdem man ihnen seit langer Zeit eine Erhöhung ihrer Renten versprochen hat, daß man jetzt den Termin vom 1. April auf den 1. Juni verschiebt, um so die Rentner für ein Vierteljahr um ihre erhöhten Rentenunterstützung zu bringen. Wir sind deshalb der Meinung, daß der Bundestag heute unseren Antrag annehmen sollte, den Rentnern einen Vorschuß zu gewähren. Ich brauche nicht von der Empörung zu sprechen, die draußen in den Kreisen der Rentner über die Beschlüsse des Bundestags herrscht. Wir meinen, nachdem alle Fraktionen am 1. März und auch am 12. April hier so warm für die Rentner eingetreten sind, bedeutet der Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion eingereicht hat, eine absolute Verpflichtung des Bundestags. Ich möchte Sie bitten, es nicht nur bei den Worten zu belassen, sondern dafür einzutreten, daß unser Antrag angenommen wird und daß den Worten auch die Taten folgen.