Rede von
Willy
Brandt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat Ziffer 6 des vorliegenden Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 167 deshalb vorgeschlagen, weil wir uns von der Auffassung leiten lassen, daß das Land Berlin in alle wesentlichen bundesgesetzlichen Regelungen einbezogen werden muß. Angesichts der verfassungsrechtlichen Lage gibt es ja zunächst nur den Weg der Einbeziehung in jedes einzelne Gesetz, und zwar in der Form, daß dem Gesetz Geltung für Berlin verschafft wird, sobald das Abgeordnetenhaus von Berlin die Anwendung des Gesetzes gemäß Art. 87 der Berliner Verfassung beschließt. Wir hoffen, daß es vielleicht auf diesem Wege möglich sein wird, zu einer Lockerung und Aushöhlung jener Suspension beizutragen, durch die die alliierten Kontrollmächte das Inkrafttreten von Art. 23 des Grundgesetzes bis auf weiteres verhindert haben.
Die Auffassung meiner Fraktion geht dahin, daß die Frage der Einbeziehung des Landes Berlin in dieses Gesetz und ähnliche Gesetze von der Frage
des materiellen Inhalts des Gesetzes getrennt werden sollte. Wenn diese Einbeziehung im Berliner und im gesamtdeutschen Interesse liegt, dann wird sie auch um den Preis betrieben werden müssen, daß Berlin in gesetzlicher Hinsicht von den Unzulänglichkeiten der Gesetzgebung in der Bundesrepublik nicht verschont bleibt. Meine Fraktion wird darum sinngemäß auch noch einen Artikel, wie er hier als § 5 a vorgeschlagen wird, bei den zu behandelnden Umsatzsteuer- und Ausfuhrförderungsgesetzen vorschlagen.
Abgesehen von der politisch-staatsrechtlichen Seite handelt es sich darum, daß Westdeutschland und das Land Berlin ein einheitliches Währungs-und Wirtschaftsgebiet sind. Darum erscheint es uns unerläßlich, daß eine Angleichung an und eine Eingliederung in das Finanzsystem des Bundes erfolgt. Es handelt sich nicht um ein Novum; denn wir haben in einer Reihe von Gesetzen, die dieses Haus beschlossen hat — ich erinnere an das Wirtschaftssicherungsgesetz und an das Gesetz über die Besteuerung von Mineralöl —, bereits eine solche Einbeziehung vorgesehen. Die sozialdemokratische Fraktion ist allerdings der Meinung, daß eine solche Einbeziehung in bundesgesetzliche Regelungen — sie soll wo immer möglich erfolgen — den besonderen Schwierigkeiten Berlins Rechnung tragen und die Entwicklung der Berliner Wirtschaft fördern sollte, jener Berliner Wirtschaft, ohne deren Entfaltung der Widerstand gegen den östlichen Totalitarismus geschwächt werden müßte.
Im vorliegenden Fall kommt diese Absicht dadurch zum Ausdruck, daß wir in Abs. 2 des vorgeschlagenen § 5 a eine Regelung wünschen, die dahin geht, daß die §§ 7 a und 7 e des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom Dezember vergangenen Jahres für Berlin bis zum 31. Dezember nächsten Jahres in Geltung bleiben sollen. Es dreht sich also dabei um jene beiden Paragraphen, die von der Bewertungsfreiheit für die Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter und für Fabrikgebäude, Lagerhäuser und landwirtschaftliche Betriebsgebäude handeln.
Zur Begründung dieser Sonderregelung darf ich nicht nur auf die in diesem Hause häufig dargelegte besondere Notlage des Landes Berlin verweisen, sondern auch auf die Tatsache, daß die Regelung gemäß §§ 7 a und 7 e des Einkommensteuergesetzes in der alten Fassung in Berlin erheblich später als im unmittelbaren Geltungsbereich des Grundgesetzes erlassen wurde. Es scheint daher billig, diese Regelung so zu treffen, wie sie hier vorgeschlagen wird. Die Fassung ist restriktiv gehalten, so daß die Möglichkeit des Ausschließens von Mißbräuchen gegeben ist.
Nachdem gestern Ziffer 6 unseres Antrags auf Umdruck Nr. 167 eingereicht war, haben Besprechungen mit Kollegen aus den Regierungsparteien und auch mit Vertretern der Verwaltung stattgefunden. Aus diesen Besprechungen hat sich eine redaktionelle Neufassung des Abs. 2 von § 5 a ergeben. Diese redaktionelle Neufassung, die den Sinn der von uns vorgeschlagenen Regelung nicht verändert, ergibt sich aus dem Änderungsantrag, wie er von den Kollegen Dr. Bucerius und Dr. Tillmanns eingebracht worden ist. Abs. 1 des Antrags der Kollegen Dr. Bucerius und Dr. Tillmanns ist identisch mit dem Abs. 1 des sozialdemokratischen Antrags. Wir haben keine Bedenken, dem Abs. 2 in der von den beiden eben erwähnten Kollegen vorgeschlagenen redaktionellen Neufassung zuzustimmen.
Ich darf das Hohe Haus bitten, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen. Die sozialdemokratische Fraktion wird ihrerseits keine Bedenken haben, den Abs. 2 in der abgeänderten Form zu akzeptieren.