Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Offenlegung der Steuerlisten, den zu begründen ich die Ehre habe, hat im Vorjahr in diesem Hause eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen. Inzwischen haben, wie ich glaube, die Realitäten eine beredte Sprache gesprochen, und auch in diesem Hause hat sich, wie die gestrige Aussprache und die gestrigen Abstimmungen bewiesen haben, eine wesentlich andere und nüchternere Auffassung durchgesetzt. Auch der Herr Bundesfinanzminister, der uns im vorigen Jahre mit sehr viel Überzeugungskraft seine Auffassung vortrug, daß die Steuermoral nur dadurch gebessert werden könne, daß man die Steuersätze senkt, ist ganz offensichtlich zu einer etwas anderen Auffassung übergegangen. Dafür liefert die Vorlage, die wir jetzt besprechen, einen Beweis. Weiter beweisen das seine verschiedenen Ausführungen, die er in der Frage einer verschärften Steuerprüfung gemacht hat. Wir haben die feste Überzeugung, daß der Herr Bundesfinanzminister in der politischen Vertretung seiner Ansichten über die neue Situation schon wesentlich weiter gegangen wäre, wenn er die Gewißheit gehabt hätte, daß er seinen politischen Freunden und deren Koalitionspartnern soviel Tobak auf einmal zumuten könnte. Wir verstehen, daß er nur mit Dosierungen operieren kann.
Wir glauben, daß für unsern Antrag die Situation heute um einiges günstiger geworden ist. Der Zweck unseres Antrags auf Offenlegung der Steuerlisten deckt sich vollkommen mit dem Ziel, das der Herr Finanzminister mit der schärferen steuerlichen Erfassung verfolgen will. Mit diesem Antrag bezwecken wir ebenfalls eine schärfere steuerliche Erfassung. Man hat bereits im vorigen Jahr den Einwand erhoben: wenn dieser Antrag realisiert wird, werden der Denunziation in Deutschland Tür und Tor geöffnet. Man hat uns ferner entgegengehalten, ein solcher Antrag sei undemokratisch. Ich möchte darauf erwidern: das Gegenteil ist der Fall. Es ist auffallend, daß gerade die alten Demokratien die Offenlegung der Steuerlisten immer als eine Selbstverständlichkeit betrachtet haben, und zwar doch ganz offensichtlich deshalb, weil sie die Offenlegung der Steuerlisten geradezu ais eine Forderung eines demokratischen und auf steuerliche Ordnung bedachten Staates ansehen. Gerade bei uns ist die Offenlegung der Steuerlisten noch wichtiger als in anderen Ländern. Wir haben auch von Vertretern der Regierungsparteien gehört, daß man versuchen will, durch die schärfere steuerliche Erfassung mindestens eine Milliarde DM zu gewinnen. Wir glauben, daß diese Summe bei weitem noch nicht ausreicht. Aber wie dem auch sei: Wenn der Herr Bundesfinanzminister in dieser Richtung vorgeht — und er wird dabei durch unseren Antrag unterstützt —, dann wird er sich die große geistige Anstrengung, nach neuen Steuerquellen zu suchen, ebenso sparen können wie die weitere Anstrengung, diese neuen Steuerquellen seinen Regierungsparteien schmackhaft zu machen, was ihm ja bisher, wie die Tatsachen bewiesen haben, in den meisten Fällen nicht gerade gelungen ist.
Die Offenlegung der Steuerlisten bedeutet aber auch, daß 85 bis 90 % der Bevölkerung, die bisher ganz selbstverständlich ihre Steuern zu bezahlen hatten, endlich einmal insofern eine Chance bekommen, als gegenüber den Veranlagungspflichtigen eine Gleichheit hergestellt wird. Es gibt im Volke einen Spruch, der da lautet, daß es eine Gruppe von Menschen in unserem Lande gibt, die
ihr ganzes Leben lang jammern und stöhnen und, wenn man ihren Angaben glauben darf, ihr ganzes Leben lang von der Substanz leben; und zum Schluß stellt sich heraus, daß sie recht wohlhabende' Leute geworden sind. Dieser Gruppe wollen wir mit unserem Antrag auf die Finger gucken.
Mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich hier aus einem sehr interessanten Bericht folgende Worte:
Die tatsächlich gezahlten Steuersätze betragen in Deutschland ungefähr 50 % bei den höchsten Steuersätzen. Große Vermögen haben sich gebildet. Die hohen Einkommensgruppen haben relativ weniger zu dem Steueraufkommen beigetragen als ähnliche Gruppen anderer Demokratien. Manche Kreise der deutschen Geschäfts- und Finanzwelt neigen zu einer krassen Selbstsucht und haben für das Gemeinwohl zu wenig übrig. Ihre Haltung widerspricht den Forderungen der Gegenwart und der Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung, die sich wie faire und verantwortliche Staatsbürger zu verhalten wünschen. Es muß dafür gesorgt werden, daß nicht die Bundesrepublik aus Gewinnsucht zugrunde geht.
So zu lesen in dem Sonne-Bericht, herausgegeben von einem Bundesministerium dieser Bundesrepublik!
Die Konsequenzen, die wir im Zusammenhang mit dieser Feststellung deutscher und ausländischer Fachleute zu ziehen haben, heißen: endlich einmal den Schleier wegzureißen von der Verdeckung der großen Einkommen.
Ich glaube, wir werden Wunder erleben. Ich glaube, daß die Steuerbetrüger, die es bisher verstanden haben, sich geschickt herumzudrücken, allein durch einen solchen Paragraphen im Gesetz dazu veranlaßt werden, sich hinfort etwas vorsichtiger zu verhalten. Für die Steuerehrlichen aber wird die Belastung, wenn sie sehen, daß durchgegriffen wird, psychologisch erträglicher, auch wenn diese Belastung sehr groß ist.
Ich glaube, in diesem Deutschland und in dieser Zeit haben wir alle miteinander die Pflicht, den Steuerbetrügern gründlich auf die Finger zu gucken. Dieses Volk ist in der Lage und auch willens, Opfer zu tragen, aber nur unter der Voraussetzung, daß es deutlich erkennt, daß die Regierenden in diesem Lande die ernstliche Absicht haben, der moralischen Verwilderung auf steuerlichem Gebiet mit der gebührenden Deutlichkeit entgegenzutreten.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.