Rede von
Dr.
August
Dresbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem sozialdemokratischen Kollegen dafür dankbar sein, daß er die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses angezweifelt hat. So komme ich wenigstens zu etwas Zuhörerschaft, wenigstens vorläufig.
Als ich mich gestern auf mein heutiges Sprüchlein vorbereitete, stieß ich auf einen Aufsatz aus der Mitte der 20er Jahre. Verfasser war der damalige Stadtkämmerer von Essen, Herr Seippel. Herr Seippel hielt es damals noch nicht für notwendig, daß das materielle Gewerbesteuerrecht reichsgesetzlich geregelt würde. Er glaubte an eine Einengung der Gemeinden. Damals hatten die preußischen Gemeinden ja noch das Recht, besondere Gewerbesteuerordnungen zu erlassen. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind jetzt doch der Meinung, daß die Gesetzgebung vom 1. Dezember 1936, auch wenn sie in nazistischer Zeit herauskam, ein Fortschritt war; und ich habe auch mit Freuden festgestellt, daß in der Begründung zum heutigen Gesetzesentwurf die Notwendigkeit eines einheitlichen Rechtszustandes ebenfalls hervorgehoben wird.
Wir sollen also den Art. 105 Ziffer 2 Abs. 3 unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 handhaben, d. h.: Der Bund übt die konkurrierende Gesetzgebung aus, wenn es die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erfordert.
Die Gewerbesteuer ist ein so bedeutender Faktor in der Wirtschaft geworden, daß man sie nicht mehr unter die Steuern mit örtlicher Wirkungskraft rechnen kann, wenn sie auch traditionell eine Kommunalsteuer ist. Ich möchte annehmen, daß auch die Herren vom ausgesprochen föderalistischen Flügel diesen Dingen zustimmen werden.
Nun findet sich allerdings im geltenden und auch im vergangenen Recht keine zwingende Bestimmung, daß die Gewerbesteuer nur eine Gemeindesteuer sei. In Art. 106 des Grundgesetzes heißt es, daß die Realsteuern den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung auch den Gemeinden zufließen. Die Möglichkeit ist also immerhin gegeben, daß auch die Länder Teile des Aufkommens, beispielsweise der Gewerbesteuer, an sich ziehen. Wir haben allerdings gehört — ich glaube sogar aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers —, daß die Lander nicht mit dieser Absicht umgehen, auch dann nicht, wenn ihnen durch den Bund Teile der Einkommen- und Körperschaftssteuer weggezogen werden.
Aber nun kommt die Rolle des Bundes. Da ist in Art. 105 des Grundgesetzes auch vorgesehen, daß der Bund die Realsteuern ganz oder zum Teil zur Deckung der Bundesausgaben in Anspruch nehmen kann. Wir haben schon einmal, und zwar im letzten Kriege, einen Gewerbesteuer-Plafond erlebt, wo das Reich das Mehraufkommen an Gewerbesteuer von einem bestimmten Zeitpunkt an sich zog. Und wir stehen ja beim Bund vor immer neuen wachsenden Ausgaben: da ist die Kriegsliquidation, da sind die Kriegsfolgelasten, da sind die Besatzungslasten, die man neuerdings ja gern zum Verteidigungsbeitrag umtauft. Die Gefahr, daß es zu einem Bundes-Plafond für die Gewerbesteuer kommen könnte, scheint mir nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein.
Nun will der Entwurf — damit komme ich auf Einzelheiten zu sprechen, die aber doch programmatischer Art sein dürften — die bereits in der Kriegszeit eingeführte Übereinstimmung des Bemessungszeitraums mit dem Erhebungszeitraum herstellen, d. h. die Gegenwartsbesteuerung, wie es schlagwortartig heißt, durchführen. Wir werden uns im Ausschuß wohl über die technischen Einzelheiten noch unterhalten müssen. Neu ist der Gedanke einer Mindeststeuer. Noch interessanter daran ist, daß in der Begründung die
Äquivalenztheorie Miquels aus den neunziger Jahren auftaucht, nämlich daß die Gewerbesteuer einen Ausgleich für die Lasten darstellen soll, die die Betriebe haben; das sind Polizeilasten, Schullasten, Wohlfahrtslasten, Wegebaulasten usw. Hier wird also der Grundsatz von Leistung und Gegenleistung gehandhabt. Das bedeutet ein gewisses Abgehen vom Wesen der Besteuerungshoheit und eine Annäherung an das Wesen der Gebühr. Selbstverständlich heißt der Grundsatz von Leistung und Gegenleistung hier nicht, daß in jedem Falle ganz genau abgewogen würde. Aus dieser Äquivalenztheorie d. h. dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung, also einem Abgehen vom Besteuerungshoheitscharakter, entspringt auch das Recht zu Steuervereinbarungen. Wir haben es seit dem § 5 des Einführungsgesetzes vom 1. Dezember 1936 wieder kodifiziert. Das ist schon fast ein Vorgang, der sich dem privatrechtlichen Vertrage nähert. Solche Gewerbesteuerverträge sind ein bekanntes Mittel, um Industrien anzulocken, d. h. also industrielle Standorte zu bestimmen. Vom Standpunkt des Landes, der Landgemeinden — ich glaube, Herr Kollege Mellies, ich spreche jetzt auch in Ihrem Namen — und auch der Landkreise haben wir an diesen Steuervereinbarungen kein großes Interesse, denn wir machen das Wettrennen mit den Großstädten doch nicht mit; die werden uns immer voran sein.
Noch eine Feststellung zu dem Kernstück der Gewerbesteuer, der Gewerbeertragssteuer. Sie ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr vom Charakter einer Objektsteuer abgerückt und hat einen personalsteuerartigen Charakter angenommen. Sie ist jetzt in der Fassung, wie sie der Änderungsentwurf vorsieht, noch nicht eine vollständige zusätzliche Einkommensteuer auf das fundierte Einkommen. Aber bei der Betrachtung der Gewerbesteuer und insbesondere der Gewerbeertragssteuer sollte man doch beachten, daß es sich eigentlich um eine Einkommensteuerkumulation handelt. Das sollten vor allen Dingen die inländischen und die ausländischen Kritiker an unserer Einkommensteuer und an unseren Einkommensteuertarifen in Betracht ziehen..
Für die Gemeinden als Steuerberechtigte ist im Augenblick nicht so sehr das materielle Steuerrecht maßgeblich; problematisch ist hier vor allen Dingen der Standort im Finanzausgleich. Ich habe bereits auf die Gefahren hingewiesen, daß ein Bundes-Plafond kommen könnte. Nun aber, meine Damen und Herren: wenn wir auch alle möglichen Zwangsläufigkeiten für die Ausgabengestaltung des Bundes anerkennen müssen, so sollten wir es uns hier doch angelegen sein lassen, die Ausgaben des Bundes nicht unnötig zu vermehren, um nicht den Herrn Bundesfinanzminister in die Gefahr zu bringen, daß er diesen Bundes-Plafond bei der Gewerbesteuer einbauen muß. Diese Forderung darf ich auch an die sozialdemokratische Opposition richten, die sich ja, wie der Verlauf der Debatte über das 131er Gesetz gezeigt hat, so sehr der Interessen der Gemeinden angenommen hat.