Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Angst, daß ich Sie bei dieser langen Debatte sehr lange aufhalten werden. Ich möchte mir nur in Ergänzung dessen, was mein Herr Vorredner gesagt hat, einige juristische und sachliche Bemerkungen erlauben.
Bei dem Antrag zu Punkt 2 handelt es sich um zwei Dinge: einen Antrag zu Abs. 1 und einen Antrag zu Abs. 2 des § 6. Was den Abs. 1 betrifft, so sehe ich nicht ein, wie man hier die Frage der Heimatvertriebenen überhaupt in die Diskussion werfen kann. Denn sie ist davon überhaupt nicht berührt. Im Ausschuß hat man sich eingehend damit befaßt, ob man in diesem Falle auch den Heimatvertriebenen das Stimmrecht in vollem Umfange und schon nach drei Monaten geben soll, das sie bei Landtagswahlen im allgemeinen erst nach einem Jahre haben. Es läßt sich dafür und dagegen einiges sagen. Es gibt sogar Heimatvertriebene, die selber erklären, sie seien gar nicht imstande, eine solche Frage in einem Land zu beantworten, in das sie gerade erst eingezogen sind. Aber es waren gerade die Vertreter Badens, die badischen Abgeordneten und auch die badische Regierung, die keinen Wert darauf gelegt haben, einen solchen Antrag hier im Plenum zu stellen. Wahrscheinlich sind sie der Meinung, daß die badische Lebensart so liebenswürdig ist, daß ein Fremder schon nach drei Monaten das Gefühl hat, ein vollberechtigter Bürger seines Landes zu sein, und sich deswegen für Baden entscheiden wird. Diese Fragen können Sie alle, da Sie nicht päpstlicher sein wollen als der Papst, ruhig auf sich beruhen lassen.
Es geht bei dem Antrag zu § 6 Abs. i nur darum, daß die Dreimonatsfrist nach rückwärts nicht vom Tage der Abstimmung berechnet wird,
sondern vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes an. Dahinter steht kein „heimtückischer" föderalistischer Gedanke, wie mancher von Ihnen vielleicht annimmt. Dahinter steht nur eine ganz praktische Überlegung. Die Abstimmung ist nach § 2 des Gesetzes, den Sie bereits angenommen haben, voraussichtlich am 16. September. Wenn Sie die Dreimonatsfrist von diesem Tage an rechnen, dann kann von heute ab, an dem Tage, an dem das hier beschlossen wird, noch der eine oder andere seinen Wohnsitz eigens beispielsweise nach Nordbaden verlegen. Ich will ja nicht annehmen, daß ein so prominenter Anhänger des Südweststaates wie der Herr Kollege Euler seinen Wohnsitz nach Weinheim verlegt. Aber weniger prominente Vertreter des Landes Baden und des Südweststaates — vielleicht ist gerade bei den Badenern die Gelegenheit besonders naheliegend — könnten ähnliches tun. Diesem Mißbrauch soll dadurch ein Riegel vorgeschoben werden, daß die drei Monate vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes an — was etwa in vier Wochen sein wird —gerechnet werden. Dann kann in dieser Hinsicht keinerlei Schiebung vorgenommen werden. Das ist das einzige, was zu diesem Punkt zu sagen ist. Das müßte allen vernünftig Denkenden einleuchten.
Dann darf ich zum zweiten Absatz, zum Geburtsprinzip etwas sagen. Wir sind uns völlig darüber klar, daß auch das Geburtsprinzip gewisse Ungenauigkeiten, die auf Zufällen beruhen, mit sich bringt. Es wäre richtig, wenn diejenigen abstimmen könnten, die in den Ländern Baden und Württemberg die Landeszugehörigkeit besitzen. Der Herr Kollege Erler hat zwar dem Sinne nach gesagt, daß es eine Staatsangehörigkeit heute nur noch im Bund und nicht in den Ländern gebe. Ich darf dazu auf das Grundgesetz hinweisen, das nach den Worten von Herrn Professor Schmid ja allein maßgebend ist, was den Landescharakter betrifft. Es heißt in Art. 73, Ziffer 2 des Grundgesetzes, daß der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Staatsangehörigkeit im Bunde hat; und es heißt in Art. 74, Ziffer 8 des Grundgesetzes, daß der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Staatsangehörigkeit in den Ländern hat. Daraus sehen Sie, daß es sowohl eine Staatsangehörigkeit im Bunde als auch eine solche in den Ländern gibt, genau so wie in den Zeiten der Weimarer Republik. Wenn wir trotzdem diese Staatsangehörigkeit nicht zur Grundlage des Gesetzes gemacht haben, so deswegen, weil uns der Vertreter des Bundesinnenministeriums im Ausschuß erklärt hat, nachdem vom Jahre 1934 bis zum Jahre 1945 diese Staatsangehörigkeit in den Ländern aufgehoben gewesen sei, sei es technisch nicht möglich, sich darauf einzustellen. Deshalb haben wir das Geburtsprinzip genommen, trotz gewisser Mängel, die es mit sich bringt.
Wir sind uns alle einig, daß diese Frage innerhalb Deutschlands politisch überhaupt nicht zu vergleichen ist oder jedenfalls nicht auf eine Ebene zu stellen ist mit einer Abstimmung, die allenfalls vielleicht in Schleswig stattfinden kann, von der wir alle wünschen, daß sie nicht stattfinden wird. Hierin sind wir uns doch alle, mit Ausnahme eines einzigen Abgeordneten, einig. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß nicht auch gewisse allgemeine Rechtsgrundsätze aus dem Völkerrecht in die Beziehungen zwischen deutschen Ländern übernommen werden können. Von einem Professor des öffentlichen Rechts, der als solcher wissenschaftlich genau so ernst zu nehmen ist wie der verehrte Herr Kollege Professor Schmid, ist im Ausschuß
unwidersprochen festgestellt worden, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich in der Weimarer Republik die Grundsätze des Völkerrechts bei den Beziehungen zwischen den deutschen Ländern nicht nur analog, sondern unmittelbar angewendet worden sind. Dies wird also auch das Bundesverfassungsgericht tun. Es wird dies um so mehr tun, als in Art. 25 des Grundgesetzes steht, daß die Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Das gebe ich den Herren zu bedenken.
Ich darf aber unabhängig von der juristischen Frage, ob diese Regeln unmittelbar oder analog anzuwenden sind, doch auf folgendes hinweisen: Über das Verhältnis der Länder untereinander ist im Grundgesetz wenig gesagt. Es ist viel gesagt über das Verhältnis der Länder zum Bund und das Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Das ist ein Verhältnis, das sich natürlich nicht völkerrechtlich, sondern eben allein nach dem Grundgesetz regelt. Aber in dem Verhältnis der Länder untereinander sind die Dinge doch so, daß dort, wo das Grundgesetz schweigt — und es schweigt meistens —, eben zumindest analog, wenn Sie es nicht unmittelbar wollen, andere Rechtsgrundsätze herangeholt werden müssen. Und wo. wollen Sie sie denn, wenn Sie das Verhältnis zweier deutscher Länder betrachten, anders hernehmen als aus dem Verhältnis zweier souveräner Staaten? Mutatis mutandis ist das eben zu tun. Wollen Sie es vielleicht aus dem bürgerlichen Recht nehmen, vielleicht aus dem Eherecht? Das läge ja wohl nahe, nachdem man von dem Vater Württemberg und von der Mutter Baden in bezug auf das Land Hohenzollern gesprochen hat. Aber wenn Sie es aus dem Eherecht nehmen wollen, dann muß ich sagen, bei dem vor uns liegenden Gesetzentwurf ist die Gleichberechtigung der Frau noch nicht bekannt gewesen!