Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
durch die Politik des Marshall-Plans und durch die damit verbundene Liberalisierung der Wirtschaft und des HandeLs.
Nach der jahrzehntelangen bauernfeindlichen Palitik der herrschenden Schichten im Kaiserreich, in der Zeit der Weimarer Republik, insbesondere dann unter Hitler und nicht zuletzt im Zeichen der amerikanischen Kriegspolitik ist es leider eine Binsenwahrheit, daß die Ernährung der westdeutschen Bevölkerung nur zu etwa 600/0 aus der eigenen Scholle sichergestellt ist. Trotzdem hat sich an der bauernfeindlichen Politik auch nach 1945 nichts geändert. Im Gegenteil, stärdig wurde und wird wertvolles Ackerland für militärische Zwecke verwendet und damit der Landwirtschaft entzogen.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß Hitler mehrere hunderttausend Hektar fruchtbares Acker- und Weideland für militärische Zwecke verwendet und damit dem Bauern, d. h. der Erzeugung, weggenommen hat. Dieses Land wurde auch 1945 auf Grund der amerikanischen Kriegspolitik nicht für die Landwirtschaft und die Steigerung der Erzeugung freigegeben. Hier wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, dem Umsiedler und dem landarmen Bauern Land zu geben.
Heute erleben wir in Westdeutschland, obwohl wir jeden Quadratmeter Boden für die Ernährung brauchen, daß erneut wertvolles Acker- und Weideland für die Erweiterung und Neuanlage von Flugplätzen und Exerzierplätzen sowie für
sonstige militärische Zwecke der Landwirtschaft brutal genommen wird. Bisher handelt es sich dabei bereits um mehr als 137 000 ha Land,
und noch ist in dieser Hinsicht kein Ende abzusehen. Besonders schwer werden hiervon Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen betroffen. In der Roten Zone in Rheinland-Pfalz erschienen in diesen Tagen, ohne daß man die Bevölkerung gefragt hat, Landvermesser unter dem Schutz von Militärpersonen auf den Feldern, um für militärische Zwecke Land zu vermessen.
Vor mir liegt die „Trierische Volkszeitung", also keine kommunistische Zeitung. Sie schreibt:
Unverständliche Methoden der Landwegnahme in Wasserliesch. Neun Zehntel der Einwohner verlieren wertvolles Ackerland, aber niemand ist vorher benachrichtigt worden. Bestürzung bei den Betroffenen.
Das ist nur eines von hundert Beispielen in Westdeutschland. Im Kreise Fallingbostel in der Lüneburger Heide wird rund ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsfläche des Kreises von der britischen Besatzungsmacht für militärische Zwecke benutzt. Die für Flugplätze und Truppenübungsplätze beanspruchte Fläche des Kreises beträgt allein mehr als 14 000 ha Land. Im Kreise Baumholder. Rheinland-Pfalz, sieht es in dieser Hinsicht nicht besser aus. Aus dem südlichen Teile des Kreises Harburg liegen uns ähnliche Berichte vor. Nicht anders sieht es im Vorharz aus. Auch dort wurde ein großes Gelände für die Errichtung eines Flughafens beschlagnahmt. Kriegsübungen finden nicht nur in Niedersachsen statt, sondern im ganzen Westen und besonders im Wesergebiet. Außer den Panzerübungen, dem Bau von Panzerstraßen und Drehplatten im Gebiete von Soltau und Lüneburg wurde Mitte März der Plan bekannt, das Steinhuder Meer zu beschlagnahmen und als Raketenabschußbasis und -ziel zu benutzen. Das Steinhuder Meer umfaßt mehr als 33 000 qkm.
— Entschuldigen Sie, wir sind hier im Westen, und im Westen vollzieht sich das und nicht im Osten! Ich lade Sie ein, mit mir nach dem Osten zu fahren und dort den Nachweis zu erbringen.
Panzer wühlen den Boden metertief auf und kehren das unterste nach oben. Das ist eine Tatsache. Die Entschädigung für die angerichteten Schäden läßt oft anderthalb Jahre auf sich warten und entspricht nie der Höhe des Schadens, da der Boden durchschnittlich auf vier b is fünf Jahre unbrauchbar gemacht ist.
Das sind nur einige Beispiele von vielen in Westdeutschland, wo wertvolles Ackerland, Weide und Forst der Kriegsvorbereitung des amerikanischen Imperialismus zum Opfer fällt. Hinzu kommt die fortgesetzte Bedrohung der bäuerlichen Bevölkerung durch Maschinengewehr- und Artilleriebeschuß. Von vielen Beispielen nur ein einziges aus der Jüngstzeit. Das können Sie genau verfolgen, denn in dem Dorfe sitzt gerade die CDU ziemlich stark verankert. Vor einigen Wochen wurde ein Granattreffer mitten in ein bewohntes Dorf bei Baumholder gesetzt, und das alles angesichts des sogenannten Petersberger Abkommens. in diesem Abkommen wird folgendes gesagt:
Die Bundesregierung erklärt ferner ihre Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrechtzuerhalten.
Dies ist aber nur die eine Seite der Bedrohung unserer Landwirtschaft. Hinzu kommt eine Reihe von Erscheinungen, die unmittelbar mit den Kriegsvorbereitungen zusammenhängen. So fügt die Kohlenverknappung als Folge der Kriegsvorbereitungen ,der Landwirtschaft schwere Schäden zu. Die Preisschere zwischen den landwirtschaftlichen und den industriellen Erzeugnissen wird zunehmend größer. Sie erhöhte sich ab Januar 1948 bis Januar 1950 von 52,1 auf 57% und hat sich im Jahre 1950 bedeutend weiter erhöht. Die Preisschere wird sich auch in diesem Jahre nicht zum Besseren für die Landwirtschaft, sondern im Gegenteil zum Schlechteren entwickeln. Ich erinnere daran, daß laut Bericht des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom März 1951 die Preise für Landmaschinen und technische Betriebsmittel um 10 bis 24 % gestiegen sind und die für Gummibereifung noch höher. Allein durch die Dieselkraftstoff-Preiserhöhung wird der Landwirtschaft eine Mehrbelastung von mehr als 54 Millionen DM aufgebürdet.
Die Kosten für Neubauten haben sich um 25 bis 30 % erhöht und ziehen nach wie vor weiter an.
Hinzu kommt die unerträgliche Besteuerung, wie sie sich aus der Adenauerschen, aus der amerikanischen Kriegspolitik hier im Westen ergibt. Es ist doch eine Tatsache, daß die steuerliche Belastung der Landwirtschaft gegenüber 1913/14 bis zum Jahre 1948 um mehr als das 22fache gestiegen ist.
Und wie sieht es auf anderen Gebieten aus? — Die Mittel zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, die besonders in Niedersachsen, Schleswig-Holstein tobt, sind mehr als unzureichend. Die Bauern hätten ja nichts dagegen einzuwenden, wenn der Petersberg von dieser Seuche betroffen wäre. Aber leider ist es so, daß unsere Landwirtschaft davon betroffen ist. Der Maul- und Klauenseuche könnte Einhalt geboten werden durch die Einführung des wissenschaftlich hochentwickelten Impfstoffes des Herrn Professors Röhrer aus der DDR. Aber der Koller bestimmter Herrschaften gegen die DDR hält sie anscheinend zum Schaden der Landwirtschaft davon ab.
Zu den vielen Sorgen der westdeutschen Landwirtschaft kommt noch eine Hauptsorge hinzu. Das ist der Marshallplan und die sogenannte Liberalisierung. Liberalisierung der Wirtschaft und des Handels hat für Hunderttausende westdeutscher Bauern und Gärtner einen mehr als üblen Klang. Müßten die Herren Bundesminister für Landwirtschaft und Wirtschaft alle Flüche und Verwünschungen über die Liberalisierung sammeln, sie kämen bestimmt außer Atem. Das ist verständlich; denn sowohl Herr Professor Erhard als auch Herr Professor Dr. Niklas können sich der Verantwortung für diese Politik nicht entziehen. So erklärte der Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard auf dem Wirtschaftstage in Köln am 24. Februar 1951:
Die Bundesregierung ist fest entschlossen, jedes Opfer zu bringen, um das System der Liberalisierung aufrechtzuerhalten.
Die Bauern hätten wahrscheinlich nichts dagegen,
wenn Herr Erhard diese Opfer bringen müßte. Sie
wären dann die Liberalisierung los, aber auch die-
sen Wirtschaftsminister. — Nur ein Beispiel von vielen: Wahrend 1950 eine Jahreseinfuhr von 190 000 Tonnen Gemüse, 275 000 Tonnen Obst und 600 000 Tonnen Südfrüchte zu erwarten waren, trafen bereits in den ersten elf Monaten des Jahres 1950 ein: 392 000 Tonnen Südfrüchte, 600 000 Tonnen Obst und Gemüse und darunter mehr Zwiebeln, als ganz Deutschland an Inlandsbedarf hat.
Hinsichtlich des Weins ist es doch auch nicht anders. Wir haben doch gegenwärtig eine regelrechte Weinschwemme zuungunsten unserer Winzer in Westdeutschland zu verzeichnen. Wir gestatten uns deshalb die Frage an die Verantwortlichen: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, und zwar nicht nur gegen die Liberalisierung, sondern auch gegen die schwarze Liberalisierung, die von bestimmten Stellen betrieben wird, indem Weine und Obst mit gefälschten Einfuhrscheinen und mit anderen Mitteln eingeführt werden, wie wir das bereits vor einigen Tagen und Wochen festgestellt haben.
Diese Lage unserer Landwirtschaft, die sich aus dieser Politik des Krieges, des Marshallplanes und der Liberalisierung ergibt, hat eine starke Landfiucht und in zunehmendem Maße Bankrotte zur Folge. Am 1. Oktober 1950 betrug die Zahl der Beschäftigten in der westdeutschen Land- und Forstwirtschaft nur noch rund 1 129 000 gegenüber rund 1 245 000 im Vorjahr und rund 1 448 000 am 1. Oktober 1948. Allein 283 000 Personen wechselten im vergangenen Jahre von der Landwirtschaft zur Industrie uber.
Die volle Verantwortung für diese Lage in der Landwirtschaft tragen die Adenauer-Regierung und die Regierungsparteien, die dieser Politik ihre Zustimmung geben. Ihre Politik trifft die Landwirtschaft und die Verbraucher. Alle Versuche. dies zu bestreiten, sind vergebliche Liebesmühe, denn die Beweise dafür sind eindeutig. Durch die amerikanische Kriegspolitik ist eine sehr ernste Lage in der Versorgung unserer Bevölkerung eingetreten. Die ganze Weisheit der Regierung besteht darin, das Preisgefüge auf Kosten der Armen zu regulieren. Wir ersuchen alle westdeutschen Bauern, angesichts dieser Zustände nüchtern- die Bilanz hinsichtlich der Politik der Adenauer-Regierung zu ziehen. Wir fordern alle Werktätigen auf, ohne Illusionen diese Dinge zu sehen.
Wie will die Regierung Adenauer eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung herbeiführen, wenn sie zuläßt, daß wertvolles Ackerland für Flugplätze, Truppenübungsplätze und Kasernen entzogen wird? Wie will diese Regierung eine Steigerung der Erzeugung erzielen, wenn sie zuläßt und fördert, daß die Düngemittelindustrie erneut far Kriegszwecke dienstbar gemacht wird? Wie will 'diese Regierung den Bauern 'helfen, wenn sie die Liberalisierung des Handels fördert und verantwortlich dafür ist, daß unser Obst-, Wein-und Gemüsebau vor die Hunde geht? Wie kann die Adenauer-Regierung der Landwirtschaft helfen, wenn sie Milliarden für Besatzungskosten zahlt und Millionen für die Aufrüstung verpulvert, anstatt den Bauern billige Kredite zu geben und dem Winzer im Kampf gegen die Reblaus zu helfen? Wie kann der Landwirtschaft durch die Regierung geholfen werden, wenn für den Kampf gegen die Krafte des Fortschritts, für den Kampf gegen die Krafte des Friedens Dutzende von Millionen durch das Ministerium Kaiser verpulvert werden, an-. statt daß man dies Geld- für Steuersenkungen benutzt?
Diese Politik, die Preispolitik, zielt ab auf die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, Wir wenden uns mit allen Mitteln gegen den Versuch, den Bauern gegen den Landarbeiter, den Landarbeiter gegen den Bauern und den Städter gegen den Bauern auszuspielen.
Wir sind der Meinung, daß die Verantwortlichen auf der Regierungsbank und bei den Regierungsparteien sitzen.
Aus dieser Misere gibt es einen Ausweg. Eine Hilfe dabei ist uns die Landwirtschaftspolitik der DDR. Sie zeigt die Wege und Möglichkeiten auf. Wir haben vor Monaten einen Antrag eingereicht, die Regierung möge ein Gesetz zum Schutz unserer Landwirtschaft erlassen. Wir haben diese Vorschläge in acht Punkten zusammengefaßt. Man hat damals erklärt: „Zur Tagesordnung übergehen!" Unsere Bauern sind nicht zur Tagesordnung übergegangen; denn alles, was da angesprochen war, steht auch heute noch.
Wir haben auch Bauern, damit Sie sich nicht irren, und morgen werden wir mehr haben; denn es ist noch nicht aller Tage Abend.
— Ja, die müssen Sie uns schenken! Wir schenken sie Ihnen zum Namenstag!
Hinzufügen muß man, daß Schluß gemacht werden muß mit der Politik der Kriegstreiberei, des Marshallplans und der Liberalisierung. Was wir brauchen, ist eine einheitliche, unabhängige deutsche Wirtschaftspolitik. Was wir brauchen, ist ein Fri?densvertrag im Jahre 1951 und der Abzug der Besatzungstruppen. Was wir brauchen, das ist ein Zusâmmengchen der Bauern mit den Werktätigen im gemeinsamen Kampf zur Lösung all dieser Probleme. Das ist ein Ausweg, und nicht der Versuch, hier irgend jemanden verantwortlich zu machen, um am Ende bei den Radfahrern zu landen.