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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag — 135. Sitzung. Donn, Mittwoch, den 18. April 1951 5257 135. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 5258D, 5261C, 5267B Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abg. Loibl 5259A Zur Tagesordnung 5259B, 5261B, 5271B Anfrage Nr. 169 der Abg. Goetzendorff u. Gen. betr. Vorbereitung von Brückensprengungen durch die amerikanische Besatzungsmacht (Nrn. 2023 und 2162 der Drucksachen) 5261C Anfrage Nr. 171 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Wohnungsbauprogramm für die Besatzungsmächte (Nrn. 2027 und 2161 der Drucksachen) . . 5261C Anfrage Nr. 175 der Abg. Dr. Wuermeling, Etzenbach, Siebel u. Gen. betr. Wiederherstellung des zweiten Gleises der Siegstrecke (Nrn. 2105 und 2166 der Drucksachen) 5261C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Wahl der Vertreter und Stellvertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats . . . 5261C zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Dr. Seelos (BP) 5262A, C Ritzel (SPD) 5262A Beschlußfassung 5262C Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts (Nr. 2108 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und des Zentrums betr. Entwurf eines Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts (Nr. 2167 der Drucksachen) . . 5259B, C, 5262C Dr. Krone (CDU) (zur Tagesordnung) 5259B Mellies (SPD), Antragsteller . . . . 5262D Dr. Tillmanns (CDU) 5263D Ewers (DP) 5264C Dr. Arndt (SPD) 5265B von Thadden (DRP) 5266A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 5266A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 5266D Beschlußfassung 5267B Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Hessischen Verordnung über die einstweilige Regelung von Mietstreitigkeiten (Nr. 2129 der Drucksachen) 5267B Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5267C Ausschußüberweisung 5267C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Nr. 2110 der Drucksachen) . . 5267C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 5267D Ausschußüberweisung 5268C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Dehler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 5. März 1951 (Nr. 2135 der Drucksachen) 5268C Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 5268C Beschlußfassung 5268D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 28. Februar 1951 (Nr. 2136 der Drucksachen) 5269A Bromme (SPD), Berichterstatter . 5269A Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5269C Kahn (CSU) 5270A Beschlußfassung 5270A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Wirths gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 26. Februar 1951 (Nr. 2137 der Drucksachen) 5270B Hoogen (CDU), Berichterstatter . . 5270B Beschlußfassung 5271B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über die Anträge der Fraktion der BP und der Fraktion der DP betr. Besteuerung von Kleinpflanzertabak (Nrn. 1154, 1175, 2060 der Drucksachen) 5271C Junglas (CDU), Berichterstatter . . 5271C Beschlußfassung 5271D Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Freistellung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer (Nr 2020 der Drucksachen) 5271D Dr. Glasmeyer (Z), Antragsteller . 5271D Dr. Dresbach (CDU) 5272B Dr. Kneipp (FDP) 5272D Niebergall (KPD) 5273B Ausschußüberweisung 5273C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans -für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan X — Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 1911 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einrichtung einer Abteilung „Fischwirtschaft" im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2122 der Drucksachen, Umdruck Nr. 153) 5273C Brese (CDU), Berichterstatter . . ..5273D Tobaben (DP): als Antragsteller .5277A als Abgeordneter 5287C Kriedemann (SPD) 52'77C Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 5282B Dannemann (FDP) 5284D Lampl (BP) 5289B Dr. Horlacher (CSU) 5290A Niebergall (KPD) 5292C Schmidt (Bayern) (WAV) 5294D Dr. Glasmeyer (Z) 5296A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) 5297C Glüsing (CDU) 5298A Abstimmungen 5298B weite Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern (Nrn. 821, 1752, 1849 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für innergebietliche Neuordnung (30. Ausschuß) (Nr. 2160 der Drucksachen) . . . . 5259B, 5298C, 5299C zur Geschäftsordnung: Krone (CDU) 5259B, 5261A Erler (SPD) 5259C, 5260D, 5298D Euler (FDP) 5259D, 5260B, 5261B Hilbert (CDU) 5260A, 5298C Dr. Hamacher (Z) 5260B Wohleb, Staatspräsident von Baden 5260C Mayer (Stuttgart) (FDP) 5298C, 5299A, 5310D zur Sache: Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 5299C Farke (DP), Mitberichterstatter . . 5306D von Thadden (DRP) 5309D zur Geschäftsordnung: Dr. Jaeger (CDU) 5309C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) 5309D, 5310B Dr. Becker (Hersfeld) 5310B, C Unterbrechung der Sitzung . . 5310C Weiterberatung vertagt 5310C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 5311C Die Sitzung wird um 13 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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      Rede von: Unbekanntinfo_outline


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

      Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre sicher zu denen, die gern Kritik üben, wenn es mir notwendig erscheint. Aber die Kritik muß auch Maß und Ziel haben.

      (Sehr gut! rechts.)

      Sie darf nicht bloß die Schattenseiten sehen, sondern muß auch die Lichtseiten sehen. Wenn wir einmal von der Teuerungswelle, die durch die Korea-Krise und durch die Weltlage aufgetreten ist, absehen und unsere Gesamtlage betrachten, so haben wir seit dem Jahre 1948 in steigendem Maße gerade in Westdeutschland einen wirtschaftlichen Aufstieg erlebt, der vom Ausland gesehen, von unserem Volk aber nicht anerkannt wird.

      (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

      Ich möchte empfehlen, daß alle unsere Herren Kollegen einmal die ERP-Fibel lesen. Hier steht vieles drin, was die deutsche Bevölkerung wissen müßte. Mit der Inkraftsetzung des Marshallplans haben wir unsere Wirtschaft, sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die gewerbliche Gütererzeugung, in steigendem Maße aufgebaut. In die Amtsperio de des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers fällt auch — und das übersieht unsere Bevölkerung —die Aufhebung der Rationierung, die Beseitigung des Schwarzmarktes. Wie hat unsere ganze Bevölkerung aufgeatmet, als die Zwangswirtschaft allmählich im Hintergrund verschwand! Man muß auch einmal das anerkennen, was gut war!
      Gut war auf jeden Fall, daß es bis zum heutigen Tage gelungen ist, die Nahrungsmittelversorgung des deutschen Volkes in den Westzonen auf einer Höhe zu halten, wie es in keinem anderen europäischen Lande der Fall ist.

      (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien. — Abg. Kriedemann: Bloß nicht für alle!)

      Die Labour Party in England — ich mache ihr keinen Vorwurf — hat mit ungeheuren Schwierigkeiten zu kämpfen, um der Teuerungswelle dort Herr zu werden.

      (Widerspruch bei der SPD.)

      — Das können Sie nicht abstreiten. Ich erinnere an die Verhältnisse in Frankreich, wo die Sozialisten maßgebend an der Regierung beteiligt sind.

      (Zuruf von der SPD: Wir sind in Deutschland!)

      — Ich kann den Zwischenruf nicht verstehen. — Ich erinnere an die Verhältnisse in Dänemark und Schweden. Wir müssen unsere Lage im ganzen sehen und dürfen sie nicht nur einzeln betrachten.
      Ich möchte hier ein paar Ziffern geben. Ich bin sonst kein Freund von Ziffern. Wenn ich mir das Außenhandelsvolumen in den letzten Jahren anschaue, so hatten wir im Jahre 1945 ein Außenhandelsvolumen, also Einfuhr und Ausfuhr zusammengerechnet, von 100 Millionen Mark, im ersten Halbjahr 1948 ein solches von 5,40 Millionen Mark, im Januar/Juni 1950 von 1332 Millionen DM, im Juli 1950 von 1678 Millionen DM, im Dezember 1950 von 2332 Millionen DM und in) Januar und Februar 1951 ein solches zwischen 2,1 bis 2,2 Milliarden DM. Das ist also ein gewaltiger wirtschaftlicher Aufstieg, der sich hier unter Einschaltung der ausländischen Hilfe vollzogen hat. Erst die Marshall-Plan-Hilfe hat es uns ermöglicht, unsere Lebenshaltung auf die Höhe zu bringen, auf der wir heute stehen. In der Zeit vom 3. April 1948 bis zum 31. Juni .1950 hatten wir Einfuhren in Höhe von 892 Millionen Dollar. Insgesamt wurden in dieser Zeit Nahrungsmittel für rund 350 Millionen Dollar eingeführt. Was sich hier vollzogen hat, muß man auch anerkennen, die Aufbesserung des Außenhandelsvolumens unserer Wirtschaft, die Aufbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes durch die bessere Ernährung, die Erreichung eines höheren Produktionsindexes, das Bemühen, die ungeheure Menschenzahl, die nach den Westzonen hereingewandert ist, in Brot und Beschäftigung zu bringen, so daß die Zahl der Beschäftigten ständig steigt. Leider Gottes ist es so, daß die zusammengedrängte Bevölkerung sich nicht in vollem Umfange so unterbringen läßt, daß wir, was ich wünschen würde, keine Arbeitslosigkeit mehr haben.
      Die Landwirtschaft hat aufgebaut. Mit Hilfe des Auslandes hat der deutsche Bauer wieder die Höchstleistungen aus seinem Betrieb herausgebracht. Wir haben die Getreidewirtschaft sowie die Vieh- und Fleischwirtschaft in einem Ausmaß aufgebaut, wie wir es uns vor zwei Jahren noch nicht hätten träumen lassen. Wir haben uns wieder eine Lebenshaltung geschaffen, bei der der Fleischverzehr der Friedensmenge schon sehr stark genähert ist. Die Verhältnisse sind ganz anders, als sie im Jahre 1948 und im Jahre 1949 gewesen sind. Das muß anerkannt werden.
      Mir wäre es auch lieber, die Regierung würde ihr Gesamtwirtschaftsprogramm auf einen Sitz und einen Schlag herausbringen, damit unsere Bevölkerung sich auskennt, sie würde nicht alles so trümmerweis und zipfelweis, so zögernd und zagend bringen, sondern die Verhältnisse mit einem Schnitt in Ordnung bringen. Die widersprechenden Pressenachrichten beunruhigen unser Volk am meisten. Einmal steht das drin; dann steht jenes drin. Einmal steht Sparprogramm drin, einmal steht diese Steuer, einmal jene Steuer drin. Das ist nicht gut. Es wäre wünschenswert, daß ein Gesamtprogramm da ist, nach dem man sich richten kann. Dieses Gesamtprogramm müßte naturgemäß auch bei der Landwirtschaft vorhanden sein. Das ist ein schwerer Schönheitsfehler. Ich weiß die Schwierigkeiten, die da zu überwinden waren.
      Lassen Sie mich jetzt die Kritik an dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft objektiv behandeln. Er hat die Schwierigkeiten mit den Besatzungsmächten. Der Minister war in den Jahren 1949 und 1950 bezüglich seiner Verhandlungen mit den Besatzungsmächten nicht zu beneiden. Ich erinnere nur an die Frage der Liberalisierung, ich erinnere an die Marktordnungsgesetze. Es muß auch anerkannt werden, daß die Marktordnungsgesetze deswegen nicht rechtzeitig in Kraft treten konnten, weil die Schwierigkeiten auf der amerikanischen Seite vorhanden gewesen sind.

      (Zuruf von der SPD: Ach, du lieber Gott!)

      — Ja, bitte, das ist Tatsache. Das kann Ihnen doch der Minister nachweisen. Die Marktordnungsgesetze sind durch den ständigen Einspruch der Amerikaner hinausgezögert worden. Wir müssen auch anerkennen, was wir an Schwierigkeiten haben.

      (Zuruf von der SPD.)

      — Gehen's zu! Das weiß beinahe jedes Kind, das den Petersberg hinaufgeht, daß uns da droben die Schwierigkeiten gemacht werden. Das braucht man doch nicht extra zu erzählen.
      Aber notwendig ist — der Herr Minister wird es bestätigen — darauf hinzuweisen, wie es beim Getreidegesetz war. Wie lange hat es gedauert,


      (Dr. Horlacher)

      bis das erste Marktordnungsgesetz die Genehmigung fand und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden konnte! Es war eine hübsch lange Zeit. Deswegen lassen Sie mich schon bestätigen, daß es mir lieber gewesen wäre, die Marktordnungsgesetze wären vor dem Erntejahr 1950/51, vor Beginn der Ernte, erledigt gewesen. Aber es war leider nicht möglich.
      Dann können Sie den Minister doch nicht für die Koreakrise und die weltpolitischen Auswirkungen verantwortlich machen. Es handelt sich um eine Katastrophe, die in Form der außenpolitischen Spannungen über die ganze Welt hereingebrochen ist und die Teuerungswelle mit sich gebracht hat.
      Weiter ist der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft bezüglich der Verhandlungen mit seinen anderen Kollegen nicht zu beneiden. Das ist auch so ein Kapitel. Es muß ja erst die Harmonie, der Zusammenklang zwischen den Ministerien hergestellt werden,

      (Abg. Albers: Nicht leicht!)

      und der Herr Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister hat hier keinen leichten Stand. Er muß die andere Seite von den Notwendigkeiten überzeugen, die bei der Landwirtschaft vorliegen, und er muß auf der andern Seite die Notwendigkeiten anhören, die für die Verbraucherschaft bestehen. Und hier den Mittelweg zu finden, damit alle befriedigt sind, ist eine sehr schwere Angelegenheit.
      Als besonderer Exponent kommt dabei der Herr Wirtschaftsminister in Frage. Der Herr Wirtschaftsminister hat eine so gute äußere Konstitution, aber auch inwendig, daß er mit einer gewissen Zähigkeit seine Sachen immer durchsetzt. Und wenn ihm einer gegenübersteht, der ein bißchen höflicher ist, dann sind wir von seiten der Landwirtschaft und auch von seiten der Verbraucher gezwungen, unserem Minister nicht ständig Vorwürfe zu machen, sondern ihn tatkräftig zu unterstützen. Er braucht da unsere Stütze, und wenn ich ihn oft kritisiert habe, so ist das nicht geschehen, um ihm wehzutun, sondern aus dem Grunde, um ihn zu unterstützen, damit er darauf hinweisen kann, welche Schwierigkeiten er hat. Und wenn er eine solche Rede einmal im Bundestag wünscht, — ich bin gern bereit, eine zu halten,

      (große Heiterkeit)

      die die Rede des Kollegen Kriedemann weit in den Schatten stellt;

      (erneute Heiterkeit — Oho-Rufe bei der SPD) denn ich habe mir da an dem, was zu rügen wäre, soviel zusammengestellt, daß das ein ganz schönes Aktenmaterial darstellt. Wunderbar! Aber naturgemäß, menschlich betrachtet, kann man nicht eine einzelne Person für all das verantwortlich machen.

      Dann kommt der Wirtschaftsminister daher. Mit dem muß er verhandeln. Dahin gehört der Punkt, daß für die Landwirtschaft und Fischerei Ausnahmen in der Treibstofffrage vorgesehen werden müssen. Das kann aber nur gemacht werden, wenn der Finanzminister zustimmt und wenn er mit ihm auf eine Linie hinkommt.
      Ein wichtiges Kapitel der Agrarpolitik ist die Steuerfrage und der Lastenausgleich. Da kann der Landwirtschaftsminister höchstens ein Gutachten abgeben, aber die Entscheidung liegt beim Finanzministerium.
      Sie sehen also, daß erst der Zusammenklang mit den übrigen Ministerien hergestellt werden muß und daß man nicht alles dem Herrn Bundesernährungsminister in die Schuhe schieben kann, weil er nicht für alle Ressorts, die für die Agrarpolitik in Frage kommen, zuständig ist.

      (Zuruf von der KPD.)

      — Bitte, das ist notwendig!
      Ferner hat der Bundesernährungsminister noch eine wichtige Hürde zu überspringen, nämlich Kollisionen mit den Länderministern zu vermeiden; aber, Herr Bundesminister, da müssen sich Ihre Beamten eines abgewöhnen: wenn Schwierigkeiten entstehen, die Länder verantwortlich zu machen. Das sollen sie gefälligst unterlassen, denn die Verhältnisse gegenüber früher haben sich geändert, und eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Ernährung ist eine absolute Notwendigkeit. Ich sage: eine vernünftige Zusammenarbeit, damit der Gleichklang der Verhältnisse auf einem so diffizilen Gebiet wie dem Ernährungswesen hergestellt ist. Da fehlt noch manches, und da muß man sich von den Vorstellungen der früheren Zwangswirtschaft entfernen. Da müssen Sie auch den Bayern soviel Auslandsgetreide geben, wie Sie den anderen rechtmäßig zukommen lassen. Da ist es notwendig, daß unsere bayerischen Mühlen genau über denselben Prozentsatz von Auslandsgetreide verfügen wie die rheinischen Mühlen. Dieser Ausgleich ist absolut notwendig, der Ausgleich des mittleren Gewerbes gegenüber dem größeren Gewerbe auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft. Herr Minister, ich kann Ihnen nachfühlen, daß es auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft für Sie nicht leicht war, die Verhältnisse zu ordnen. Denn was soll man machen, wenn man zwar ein sogenanntes Getreidegesetz hat, aber plötzlich keine genügenden Vorräte mehr in dem Umfang hat, wie man sich's gewünscht hat. Dabei muß man vorsichtig sein und darf nicht sagen. daß wir überhaupt keine Vorräte haben. Das stimmt nicht. Wir sind Gott sei Dank immer so schlecht und recht durchgekommen. Hoffentlich gelingt es in den kommenden Monaten auch. Wir sollen unsere Lage nicht schwärzer malen, als sie in Wirklichkeit ist. Denn wir leisten bloß Hilfsstellung für diejenigen, die von der Spekulation leben wollen,

      (Sehr gut! in der Mitte)

      und solche laufen in Deutschland genug herum.
      Wir kennen die Schwierigkeiten, und Sie können den Minister nicht verantwortlich machen, wenn Schiffe aus dem Ausland ausbleiben. Ist er auch dafür verantwortlich? Dann müßten wir ihn zum Schiffbaudirektor bei den Alliierten benennen, um das Problem vielleicht aus eigener Kraft meistern zu können. So muß er immer warten, bis die Verhältnisse an ihn herankommen, und er muß in tatsächlichen Verhandlungen versuchen, das Größtmögliche herauszuholen und die Dollars freizubekommen, um die notwendigen Einfuhren tätigen zu können. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir vergessen immer, daß wir manches nicht aus eigener Kraft regeln können, sondern die Hilfe der anderen für die Regelung unserer Verhältnisse unbedingt benötigen.
      Herr Minister, zu dem, was hier über die Getreidelage gesagt worden ist, lassen Sie mich nur einen Satz sagen. Wir haben noch von Januar bis zum heutigen Tage Getreide hereingebracht, wenn es auch nicht mehr so „dickflüssig" gewesen ist. Aber die Neuordnung der Getreidepreise war eine zwingende Notwendigkeit, um sich wieder auszukennen und damit der Bauer ungefähr weiß, was im neuen' Wirtschaftsjahr gelten soll. Da müssen


      (Dr. Horlacher)

      wir zusammenstehen, damit diese Regelung auch wirklich Gütagkeit hat und damit der Spekulation mit aller Schärfe entgegengetreten wird. Ich habe es gewagt, als Landwirtschaftsvertreter im bayerischen Rundfunk ernstlich meine Meinung zu sagen, denn ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß die Verhältnisse so bleiben müssen, um Erzeuger sowohl wie Verbraucher in gerechter Weise Rechnung zu tragen.
      Daß das Konsumbrot aufrechterhalten werden muß, ist schon betont worden; das brauche ich nicht weiter auszuführen. Es gibt aber da Schwierigkeiten, weil wir Roggen erst wieder-in genügendem Umfang zur Verfügung haben, wenn die neue Ernte zur Auswirkung kommt; und wenn sie in der Ernährungswirtschaft wieder eine Rolle spielt, wird sich manches erleichtern.
      Daß die Agrarpolitik als Ganzes betrachtet werden muß, ist schon in allen Reden zum Ausdruck gekommen. Deshalb muß man auch die Frage der Milchwirtschaft als eine Frage betrachten. die sowohl Erzeuger wie Verbraucher angeht. Ich sehe leider Gottes die ausländischen Zufuhren bei den Margarinerohstoffen sinken. Wenn ich das sehe, muß ich eine vorsorgliche Politik treiben und die Landwirtschaft dazu anhalten, das Höchstmögliche aus der Milchwirtschaft herauszuholen, indem ich ihr die Produktionskosten ersetze. Das ist unsere Aufgabe, und das dient sowohl dem Bauern wie dem Verbraucher. Ein solches Programm darf man allerdings nicht auf kurze Sicht aufstellen. sondern das muß auf weite Sicht aufgestellt werden. Deshalb ist es auch notwendig, gewisse Subventionsmittel für Butter zur Verfügung zu halten. Das ist auch eine Frage, die mit dem Bundesfinanzminister in Ordnung gebracht werden muß.
      Bei Vieh und Fleisch — darauf ist schon hingewiesen worden — sind die Verhältnisse so geregelt, daß der Bundesernährungsminister hier das erforderliche Instrument in der Hand hat. um die Dinge auf dem Markt in Ordnung zu halten. Ich wünschte nur, daß die Einfuhren und die Vorräte so aufeinander abgestimmt sind, daß der Minister richtig disponieren kann.
      Meine Fraktion, die CDU/CSU, wünscht ferner, daß die Förderung und Unterstützung des Obst-und Gemüse- sowie des Weinbaues nicht aus den Augen verloren wird. Hier ist eine Vorlage angekündigt, hoffentlich kommt sie möglichst bald.
      Was die Flurbereinigung anlangt, meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann ich hier wieder nur als Abgeordneter der CSU reden.

      (Hört! Hört! links. Das ist hier leider Gottes notwendig, denn meine Kollegen von der CDU haben in diesen Dingen nicht immer die gleiche Meinung wie wir von der CSU, aber die gleiche Weltanschauung. Beinahe hätte ich noch etwas dazugesagt, aber das will ich unterlassen; da sind wir uns völlig einig. Aber es gibt schon wirtschaftliche Fragen, in denen man eine andere Meinung haben kann. Jedenfalls würde ich wünschen, daß die anderen Länder das gute bayerische Flurbereinigungsgesetz nachmachten, dann brauchten sie sich nicht mehr mit dem Bundesernährungsminister herumzustreiten, dann könnten sie das selber erledigen. Wir sind jedenfalls nicht gesonnen, unser gutes bayerisches Flurbereinigungsgesetz, das wir jetzt modernisiert haben — und die Flurbereinigung geht bei uns in Ordnung —, zugunsten eines schlechteren Bundesgesetzes zurückzuziehen. Hier kann also nur ein Rahmengesetz in Frage kommen, sonst nichts. Jetzt ermahnt mich das Licht, zum Schluß zu kommen. Das passiert mir zum erstenmal, denn sonst habe ich immer kürzer gesprochen. Aber einige Gesichtspunkte mußte ich doch herausheben. Ich möchte zum Schluß nur das eine sagen: Tragen wir in unserem Herzen, wir hier wie unser gesamtes Volk, folgende Gedanken: Möge der Herrgott es verhüten, daß die außenpolitische Lage in der Welt sich weiter verschlechtert! Möge im Gegenteil eine Besserung dieser außenpolitischen Lage es ermöglichen, den wirtschaftlichen Fortschritt Deutschlands weiter voranzutreiben und damit auch unsere deutsche Landwirtschaft immer mehr in den Stand zu setzen, für die eigene Produktion so viel zu tun, wie ihr nur möglich ist, damit wir auf der einen Seite weitere Devisen ersparen, um diese dann auf der andern Seite ausgeben zu können für den notwendigen gewerblichen Aufbau, den unsere Wirtschaft so dringend benötigt. Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir auf dem Ernährungsund Landwirtschaftssektor in Westdeutschland gegenwärtig sehen und erleben, ist alles andere als rosig. Die heutige Lage der Landwirtschaft in Westdeutschland wird bestimmt durch die amerikanischen Kriegsvorbereitungen, (Zuruf rechts: Haben Sie immer noch nichts Neues gefunden?)


      (Heiterkeit)


      (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)


    Rede von Dr. Carlo Schmid
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Otto Niebergall


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

      durch die Politik des Marshall-Plans und durch die damit verbundene Liberalisierung der Wirtschaft und des HandeLs.

      (Sehr richtig! bei der KPD.)

      Nach der jahrzehntelangen bauernfeindlichen Palitik der herrschenden Schichten im Kaiserreich, in der Zeit der Weimarer Republik, insbesondere dann unter Hitler und nicht zuletzt im Zeichen der amerikanischen Kriegspolitik ist es leider eine Binsenwahrheit, daß die Ernährung der westdeutschen Bevölkerung nur zu etwa 600/0 aus der eigenen Scholle sichergestellt ist. Trotzdem hat sich an der bauernfeindlichen Politik auch nach 1945 nichts geändert. Im Gegenteil, stärdig wurde und wird wertvolles Ackerland für militärische Zwecke verwendet und damit der Landwirtschaft entzogen.

      (Hört! Hört! bei der KPD.)

      Es ist eine bekannte Tatsache, daß Hitler mehrere hunderttausend Hektar fruchtbares Acker- und Weideland für militärische Zwecke verwendet und damit dem Bauern, d. h. der Erzeugung, weggenommen hat. Dieses Land wurde auch 1945 auf Grund der amerikanischen Kriegspolitik nicht für die Landwirtschaft und die Steigerung der Erzeugung freigegeben. Hier wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, dem Umsiedler und dem landarmen Bauern Land zu geben.

      (Sehr wahr! bei der KPD.)

      Heute erleben wir in Westdeutschland, obwohl wir jeden Quadratmeter Boden für die Ernährung brauchen, daß erneut wertvolles Acker- und Weideland für die Erweiterung und Neuanlage von Flugplätzen und Exerzierplätzen sowie für


      (Niebergall)

      sonstige militärische Zwecke der Landwirtschaft brutal genommen wird. Bisher handelt es sich dabei bereits um mehr als 137 000 ha Land,

      (Hört! Hört! bei der KPD)

      und noch ist in dieser Hinsicht kein Ende abzusehen. Besonders schwer werden hiervon Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen betroffen. In der Roten Zone in Rheinland-Pfalz erschienen in diesen Tagen, ohne daß man die Bevölkerung gefragt hat, Landvermesser unter dem Schutz von Militärpersonen auf den Feldern, um für militärische Zwecke Land zu vermessen.
      Vor mir liegt die „Trierische Volkszeitung", also keine kommunistische Zeitung. Sie schreibt:
      Unverständliche Methoden der Landwegnahme in Wasserliesch. Neun Zehntel der Einwohner verlieren wertvolles Ackerland, aber niemand ist vorher benachrichtigt worden. Bestürzung bei den Betroffenen.
      Das ist nur eines von hundert Beispielen in Westdeutschland. Im Kreise Fallingbostel in der Lüneburger Heide wird rund ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsfläche des Kreises von der britischen Besatzungsmacht für militärische Zwecke benutzt. Die für Flugplätze und Truppenübungsplätze beanspruchte Fläche des Kreises beträgt allein mehr als 14 000 ha Land. Im Kreise Baumholder. Rheinland-Pfalz, sieht es in dieser Hinsicht nicht besser aus. Aus dem südlichen Teile des Kreises Harburg liegen uns ähnliche Berichte vor. Nicht anders sieht es im Vorharz aus. Auch dort wurde ein großes Gelände für die Errichtung eines Flughafens beschlagnahmt. Kriegsübungen finden nicht nur in Niedersachsen statt, sondern im ganzen Westen und besonders im Wesergebiet. Außer den Panzerübungen, dem Bau von Panzerstraßen und Drehplatten im Gebiete von Soltau und Lüneburg wurde Mitte März der Plan bekannt, das Steinhuder Meer zu beschlagnahmen und als Raketenabschußbasis und -ziel zu benutzen. Das Steinhuder Meer umfaßt mehr als 33 000 qkm.

      (Abg. Strauß: Reden Sie über Ostpreußen?)

      — Entschuldigen Sie, wir sind hier im Westen, und im Westen vollzieht sich das und nicht im Osten! Ich lade Sie ein, mit mir nach dem Osten zu fahren und dort den Nachweis zu erbringen.

      (Abg. Strauß: Reden Sie lieber von Ostpreußen und von dem Land jenseits der Oder und Neiße!)

      Panzer wühlen den Boden metertief auf und kehren das unterste nach oben. Das ist eine Tatsache. Die Entschädigung für die angerichteten Schäden läßt oft anderthalb Jahre auf sich warten und entspricht nie der Höhe des Schadens, da der Boden durchschnittlich auf vier b is fünf Jahre unbrauchbar gemacht ist.
      Das sind nur einige Beispiele von vielen in Westdeutschland, wo wertvolles Ackerland, Weide und Forst der Kriegsvorbereitung des amerikanischen Imperialismus zum Opfer fällt. Hinzu kommt die fortgesetzte Bedrohung der bäuerlichen Bevölkerung durch Maschinengewehr- und Artilleriebeschuß. Von vielen Beispielen nur ein einziges aus der Jüngstzeit. Das können Sie genau verfolgen, denn in dem Dorfe sitzt gerade die CDU ziemlich stark verankert. Vor einigen Wochen wurde ein Granattreffer mitten in ein bewohntes Dorf bei Baumholder gesetzt, und das alles angesichts des sogenannten Petersberger Abkommens. in diesem Abkommen wird folgendes gesagt:
      Die Bundesregierung erklärt ferner ihre Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrechtzuerhalten.
      Dies ist aber nur die eine Seite der Bedrohung unserer Landwirtschaft. Hinzu kommt eine Reihe von Erscheinungen, die unmittelbar mit den Kriegsvorbereitungen zusammenhängen. So fügt die Kohlenverknappung als Folge der Kriegsvorbereitungen ,der Landwirtschaft schwere Schäden zu. Die Preisschere zwischen den landwirtschaftlichen und den industriellen Erzeugnissen wird zunehmend größer. Sie erhöhte sich ab Januar 1948 bis Januar 1950 von 52,1 auf 57% und hat sich im Jahre 1950 bedeutend weiter erhöht. Die Preisschere wird sich auch in diesem Jahre nicht zum Besseren für die Landwirtschaft, sondern im Gegenteil zum Schlechteren entwickeln. Ich erinnere daran, daß laut Bericht des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom März 1951 die Preise für Landmaschinen und technische Betriebsmittel um 10 bis 24 % gestiegen sind und die für Gummibereifung noch höher. Allein durch die Dieselkraftstoff-Preiserhöhung wird der Landwirtschaft eine Mehrbelastung von mehr als 54 Millionen DM aufgebürdet.

      (Hört! Hört! bei der KPD.)

      Die Kosten für Neubauten haben sich um 25 bis 30 % erhöht und ziehen nach wie vor weiter an.
      Hinzu kommt die unerträgliche Besteuerung, wie sie sich aus der Adenauerschen, aus der amerikanischen Kriegspolitik hier im Westen ergibt. Es ist doch eine Tatsache, daß die steuerliche Belastung der Landwirtschaft gegenüber 1913/14 bis zum Jahre 1948 um mehr als das 22fache gestiegen ist.
      Und wie sieht es auf anderen Gebieten aus? — Die Mittel zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, die besonders in Niedersachsen, Schleswig-Holstein tobt, sind mehr als unzureichend. Die Bauern hätten ja nichts dagegen einzuwenden, wenn der Petersberg von dieser Seuche betroffen wäre. Aber leider ist es so, daß unsere Landwirtschaft davon betroffen ist. Der Maul- und Klauenseuche könnte Einhalt geboten werden durch die Einführung des wissenschaftlich hochentwickelten Impfstoffes des Herrn Professors Röhrer aus der DDR. Aber der Koller bestimmter Herrschaften gegen die DDR hält sie anscheinend zum Schaden der Landwirtschaft davon ab.
      Zu den vielen Sorgen der westdeutschen Landwirtschaft kommt noch eine Hauptsorge hinzu. Das ist der Marshallplan und die sogenannte Liberalisierung. Liberalisierung der Wirtschaft und des Handels hat für Hunderttausende westdeutscher Bauern und Gärtner einen mehr als üblen Klang. Müßten die Herren Bundesminister für Landwirtschaft und Wirtschaft alle Flüche und Verwünschungen über die Liberalisierung sammeln, sie kämen bestimmt außer Atem. Das ist verständlich; denn sowohl Herr Professor Erhard als auch Herr Professor Dr. Niklas können sich der Verantwortung für diese Politik nicht entziehen. So erklärte der Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard auf dem Wirtschaftstage in Köln am 24. Februar 1951:
      Die Bundesregierung ist fest entschlossen, jedes Opfer zu bringen, um das System der Liberalisierung aufrechtzuerhalten.
      Die Bauern hätten wahrscheinlich nichts dagegen,
      wenn Herr Erhard diese Opfer bringen müßte. Sie
      wären dann die Liberalisierung los, aber auch die-


      (Niebergall)

      sen Wirtschaftsminister. — Nur ein Beispiel von vielen: Wahrend 1950 eine Jahreseinfuhr von 190 000 Tonnen Gemüse, 275 000 Tonnen Obst und 600 000 Tonnen Südfrüchte zu erwarten waren, trafen bereits in den ersten elf Monaten des Jahres 1950 ein: 392 000 Tonnen Südfrüchte, 600 000 Tonnen Obst und Gemüse und darunter mehr Zwiebeln, als ganz Deutschland an Inlandsbedarf hat.

      (Hört! Hört! bei der KPD.)

      Hinsichtlich des Weins ist es doch auch nicht anders. Wir haben doch gegenwärtig eine regelrechte Weinschwemme zuungunsten unserer Winzer in Westdeutschland zu verzeichnen. Wir gestatten uns deshalb die Frage an die Verantwortlichen: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, und zwar nicht nur gegen die Liberalisierung, sondern auch gegen die schwarze Liberalisierung, die von bestimmten Stellen betrieben wird, indem Weine und Obst mit gefälschten Einfuhrscheinen und mit anderen Mitteln eingeführt werden, wie wir das bereits vor einigen Tagen und Wochen festgestellt haben.
      Diese Lage unserer Landwirtschaft, die sich aus dieser Politik des Krieges, des Marshallplanes und der Liberalisierung ergibt, hat eine starke Landfiucht und in zunehmendem Maße Bankrotte zur Folge. Am 1. Oktober 1950 betrug die Zahl der Beschäftigten in der westdeutschen Land- und Forstwirtschaft nur noch rund 1 129 000 gegenüber rund 1 245 000 im Vorjahr und rund 1 448 000 am 1. Oktober 1948. Allein 283 000 Personen wechselten im vergangenen Jahre von der Landwirtschaft zur Industrie uber.
      Die volle Verantwortung für diese Lage in der Landwirtschaft tragen die Adenauer-Regierung und die Regierungsparteien, die dieser Politik ihre Zustimmung geben. Ihre Politik trifft die Landwirtschaft und die Verbraucher. Alle Versuche. dies zu bestreiten, sind vergebliche Liebesmühe, denn die Beweise dafür sind eindeutig. Durch die amerikanische Kriegspolitik ist eine sehr ernste Lage in der Versorgung unserer Bevölkerung eingetreten. Die ganze Weisheit der Regierung besteht darin, das Preisgefüge auf Kosten der Armen zu regulieren. Wir ersuchen alle westdeutschen Bauern, angesichts dieser Zustände nüchtern- die Bilanz hinsichtlich der Politik der Adenauer-Regierung zu ziehen. Wir fordern alle Werktätigen auf, ohne Illusionen diese Dinge zu sehen.
      Wie will die Regierung Adenauer eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung herbeiführen, wenn sie zuläßt, daß wertvolles Ackerland für Flugplätze, Truppenübungsplätze und Kasernen entzogen wird? Wie will diese Regierung eine Steigerung der Erzeugung erzielen, wenn sie zuläßt und fördert, daß die Düngemittelindustrie erneut far Kriegszwecke dienstbar gemacht wird? Wie will 'diese Regierung den Bauern 'helfen, wenn sie die Liberalisierung des Handels fördert und verantwortlich dafür ist, daß unser Obst-, Wein-und Gemüsebau vor die Hunde geht? Wie kann die Adenauer-Regierung der Landwirtschaft helfen, wenn sie Milliarden für Besatzungskosten zahlt und Millionen für die Aufrüstung verpulvert, anstatt den Bauern billige Kredite zu geben und dem Winzer im Kampf gegen die Reblaus zu helfen? Wie kann der Landwirtschaft durch die Regierung geholfen werden, wenn für den Kampf gegen die Krafte des Fortschritts, für den Kampf gegen die Krafte des Friedens Dutzende von Millionen durch das Ministerium Kaiser verpulvert werden, an-. statt daß man dies Geld- für Steuersenkungen benutzt?
      Diese Politik, die Preispolitik, zielt ab auf die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, Wir wenden uns mit allen Mitteln gegen den Versuch, den Bauern gegen den Landarbeiter, den Landarbeiter gegen den Bauern und den Städter gegen den Bauern auszuspielen.

      (Sehr wahr! bei der KPD.)

      Wir sind der Meinung, daß die Verantwortlichen auf der Regierungsbank und bei den Regierungsparteien sitzen.
      Aus dieser Misere gibt es einen Ausweg. Eine Hilfe dabei ist uns die Landwirtschaftspolitik der DDR. Sie zeigt die Wege und Möglichkeiten auf. Wir haben vor Monaten einen Antrag eingereicht, die Regierung möge ein Gesetz zum Schutz unserer Landwirtschaft erlassen. Wir haben diese Vorschläge in acht Punkten zusammengefaßt. Man hat damals erklärt: „Zur Tagesordnung übergehen!" Unsere Bauern sind nicht zur Tagesordnung übergegangen; denn alles, was da angesprochen war, steht auch heute noch.

      (Zuruf rechts: Eure Bauern? Wo sitzen die denn?)

      Wir haben auch Bauern, damit Sie sich nicht irren, und morgen werden wir mehr haben; denn es ist noch nicht aller Tage Abend.

      (Sehr wahr! bei der KPD. — Zuruf rechts: Kulis werden Sie haben!)

      — Ja, die müssen Sie uns schenken! Wir schenken sie Ihnen zum Namenstag!
      Hinzufügen muß man, daß Schluß gemacht werden muß mit der Politik der Kriegstreiberei, des Marshallplans und der Liberalisierung. Was wir brauchen, ist eine einheitliche, unabhängige deutsche Wirtschaftspolitik. Was wir brauchen, ist ein Fri?densvertrag im Jahre 1951 und der Abzug der Besatzungstruppen. Was wir brauchen, das ist ein Zusâmmengchen der Bauern mit den Werktätigen im gemeinsamen Kampf zur Lösung all dieser Probleme. Das ist ein Ausweg, und nicht der Versuch, hier irgend jemanden verantwortlich zu machen, um am Ende bei den Radfahrern zu landen.

      (Beifall bei der KPD.)