Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre sicher zu denen, die gern Kritik üben, wenn es mir notwendig erscheint. Aber die Kritik muß auch Maß und Ziel haben.
Sie darf nicht bloß die Schattenseiten sehen, sondern muß auch die Lichtseiten sehen. Wenn wir einmal von der Teuerungswelle, die durch die Korea-Krise und durch die Weltlage aufgetreten ist, absehen und unsere Gesamtlage betrachten, so haben wir seit dem Jahre 1948 in steigendem Maße gerade in Westdeutschland einen wirtschaftlichen Aufstieg erlebt, der vom Ausland gesehen, von unserem Volk aber nicht anerkannt wird.
Ich möchte empfehlen, daß alle unsere Herren Kollegen einmal die ERP-Fibel lesen. Hier steht vieles drin, was die deutsche Bevölkerung wissen müßte. Mit der Inkraftsetzung des Marshallplans haben wir unsere Wirtschaft, sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die gewerbliche Gütererzeugung, in steigendem Maße aufgebaut. In die Amtsperio de des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers fällt auch — und das übersieht unsere Bevölkerung —die Aufhebung der Rationierung, die Beseitigung des Schwarzmarktes. Wie hat unsere ganze Bevölkerung aufgeatmet, als die Zwangswirtschaft allmählich im Hintergrund verschwand! Man muß auch einmal das anerkennen, was gut war!
Gut war auf jeden Fall, daß es bis zum heutigen Tage gelungen ist, die Nahrungsmittelversorgung des deutschen Volkes in den Westzonen auf einer Höhe zu halten, wie es in keinem anderen europäischen Lande der Fall ist.
Die Labour Party in England — ich mache ihr keinen Vorwurf — hat mit ungeheuren Schwierigkeiten zu kämpfen, um der Teuerungswelle dort Herr zu werden.
— Das können Sie nicht abstreiten. Ich erinnere an die Verhältnisse in Frankreich, wo die Sozialisten maßgebend an der Regierung beteiligt sind.
— Ich kann den Zwischenruf nicht verstehen. — Ich erinnere an die Verhältnisse in Dänemark und Schweden. Wir müssen unsere Lage im ganzen sehen und dürfen sie nicht nur einzeln betrachten.
Ich möchte hier ein paar Ziffern geben. Ich bin sonst kein Freund von Ziffern. Wenn ich mir das Außenhandelsvolumen in den letzten Jahren anschaue, so hatten wir im Jahre 1945 ein Außenhandelsvolumen, also Einfuhr und Ausfuhr zusammengerechnet, von 100 Millionen Mark, im ersten Halbjahr 1948 ein solches von 5,40 Millionen Mark, im Januar/Juni 1950 von 1332 Millionen DM, im Juli 1950 von 1678 Millionen DM, im Dezember 1950 von 2332 Millionen DM und in) Januar und Februar 1951 ein solches zwischen 2,1 bis 2,2 Milliarden DM. Das ist also ein gewaltiger wirtschaftlicher Aufstieg, der sich hier unter Einschaltung der ausländischen Hilfe vollzogen hat. Erst die Marshall-Plan-Hilfe hat es uns ermöglicht, unsere Lebenshaltung auf die Höhe zu bringen, auf der wir heute stehen. In der Zeit vom 3. April 1948 bis zum 31. Juni .1950 hatten wir Einfuhren in Höhe von 892 Millionen Dollar. Insgesamt wurden in dieser Zeit Nahrungsmittel für rund 350 Millionen Dollar eingeführt. Was sich hier vollzogen hat, muß man auch anerkennen, die Aufbesserung des Außenhandelsvolumens unserer Wirtschaft, die Aufbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes durch die bessere Ernährung, die Erreichung eines höheren Produktionsindexes, das Bemühen, die ungeheure Menschenzahl, die nach den Westzonen hereingewandert ist, in Brot und Beschäftigung zu bringen, so daß die Zahl der Beschäftigten ständig steigt. Leider Gottes ist es so, daß die zusammengedrängte Bevölkerung sich nicht in vollem Umfange so unterbringen läßt, daß wir, was ich wünschen würde, keine Arbeitslosigkeit mehr haben.
Die Landwirtschaft hat aufgebaut. Mit Hilfe des Auslandes hat der deutsche Bauer wieder die Höchstleistungen aus seinem Betrieb herausgebracht. Wir haben die Getreidewirtschaft sowie die Vieh- und Fleischwirtschaft in einem Ausmaß aufgebaut, wie wir es uns vor zwei Jahren noch nicht hätten träumen lassen. Wir haben uns wieder eine Lebenshaltung geschaffen, bei der der Fleischverzehr der Friedensmenge schon sehr stark genähert ist. Die Verhältnisse sind ganz anders, als sie im Jahre 1948 und im Jahre 1949 gewesen sind. Das muß anerkannt werden.
Mir wäre es auch lieber, die Regierung würde ihr Gesamtwirtschaftsprogramm auf einen Sitz und einen Schlag herausbringen, damit unsere Bevölkerung sich auskennt, sie würde nicht alles so trümmerweis und zipfelweis, so zögernd und zagend bringen, sondern die Verhältnisse mit einem Schnitt in Ordnung bringen. Die widersprechenden Pressenachrichten beunruhigen unser Volk am meisten. Einmal steht das drin; dann steht jenes drin. Einmal steht Sparprogramm drin, einmal steht diese Steuer, einmal jene Steuer drin. Das ist nicht gut. Es wäre wünschenswert, daß ein Gesamtprogramm da ist, nach dem man sich richten kann. Dieses Gesamtprogramm müßte naturgemäß auch bei der Landwirtschaft vorhanden sein. Das ist ein schwerer Schönheitsfehler. Ich weiß die Schwierigkeiten, die da zu überwinden waren.
Lassen Sie mich jetzt die Kritik an dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft objektiv behandeln. Er hat die Schwierigkeiten mit den Besatzungsmächten. Der Minister war in den Jahren 1949 und 1950 bezüglich seiner Verhandlungen mit den Besatzungsmächten nicht zu beneiden. Ich erinnere nur an die Frage der Liberalisierung, ich erinnere an die Marktordnungsgesetze. Es muß auch anerkannt werden, daß die Marktordnungsgesetze deswegen nicht rechtzeitig in Kraft treten konnten, weil die Schwierigkeiten auf der amerikanischen Seite vorhanden gewesen sind.
— Ja, bitte, das ist Tatsache. Das kann Ihnen doch der Minister nachweisen. Die Marktordnungsgesetze sind durch den ständigen Einspruch der Amerikaner hinausgezögert worden. Wir müssen auch anerkennen, was wir an Schwierigkeiten haben.
— Gehen's zu! Das weiß beinahe jedes Kind, das den Petersberg hinaufgeht, daß uns da droben die Schwierigkeiten gemacht werden. Das braucht man doch nicht extra zu erzählen.
Aber notwendig ist — der Herr Minister wird es bestätigen — darauf hinzuweisen, wie es beim Getreidegesetz war. Wie lange hat es gedauert,
bis das erste Marktordnungsgesetz die Genehmigung fand und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden konnte! Es war eine hübsch lange Zeit. Deswegen lassen Sie mich schon bestätigen, daß es mir lieber gewesen wäre, die Marktordnungsgesetze wären vor dem Erntejahr 1950/51, vor Beginn der Ernte, erledigt gewesen. Aber es war leider nicht möglich.
Dann können Sie den Minister doch nicht für die Koreakrise und die weltpolitischen Auswirkungen verantwortlich machen. Es handelt sich um eine Katastrophe, die in Form der außenpolitischen Spannungen über die ganze Welt hereingebrochen ist und die Teuerungswelle mit sich gebracht hat.
Weiter ist der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft bezüglich der Verhandlungen mit seinen anderen Kollegen nicht zu beneiden. Das ist auch so ein Kapitel. Es muß ja erst die Harmonie, der Zusammenklang zwischen den Ministerien hergestellt werden,
und der Herr Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister hat hier keinen leichten Stand. Er muß die andere Seite von den Notwendigkeiten überzeugen, die bei der Landwirtschaft vorliegen, und er muß auf der andern Seite die Notwendigkeiten anhören, die für die Verbraucherschaft bestehen. Und hier den Mittelweg zu finden, damit alle befriedigt sind, ist eine sehr schwere Angelegenheit.
Als besonderer Exponent kommt dabei der Herr Wirtschaftsminister in Frage. Der Herr Wirtschaftsminister hat eine so gute äußere Konstitution, aber auch inwendig, daß er mit einer gewissen Zähigkeit seine Sachen immer durchsetzt. Und wenn ihm einer gegenübersteht, der ein bißchen höflicher ist, dann sind wir von seiten der Landwirtschaft und auch von seiten der Verbraucher gezwungen, unserem Minister nicht ständig Vorwürfe zu machen, sondern ihn tatkräftig zu unterstützen. Er braucht da unsere Stütze, und wenn ich ihn oft kritisiert habe, so ist das nicht geschehen, um ihm wehzutun, sondern aus dem Grunde, um ihn zu unterstützen, damit er darauf hinweisen kann, welche Schwierigkeiten er hat. Und wenn er eine solche Rede einmal im Bundestag wünscht, — ich bin gern bereit, eine zu halten,
die die Rede des Kollegen Kriedemann weit in den Schatten stellt;
denn ich habe mir da an dem, was zu rügen wäre, soviel zusammengestellt, daß das ein ganz schönes Aktenmaterial darstellt. Wunderbar! Aber naturgemäß, menschlich betrachtet, kann man nicht eine einzelne Person für all das verantwortlich machen.
Dann kommt der Wirtschaftsminister daher. Mit dem muß er verhandeln. Dahin gehört der Punkt, daß für die Landwirtschaft und Fischerei Ausnahmen in der Treibstofffrage vorgesehen werden müssen. Das kann aber nur gemacht werden, wenn der Finanzminister zustimmt und wenn er mit ihm auf eine Linie hinkommt.
Ein wichtiges Kapitel der Agrarpolitik ist die Steuerfrage und der Lastenausgleich. Da kann der Landwirtschaftsminister höchstens ein Gutachten abgeben, aber die Entscheidung liegt beim Finanzministerium.
Sie sehen also, daß erst der Zusammenklang mit den übrigen Ministerien hergestellt werden muß und daß man nicht alles dem Herrn Bundesernährungsminister in die Schuhe schieben kann, weil er nicht für alle Ressorts, die für die Agrarpolitik in Frage kommen, zuständig ist.
— Bitte, das ist notwendig!
Ferner hat der Bundesernährungsminister noch eine wichtige Hürde zu überspringen, nämlich Kollisionen mit den Länderministern zu vermeiden; aber, Herr Bundesminister, da müssen sich Ihre Beamten eines abgewöhnen: wenn Schwierigkeiten entstehen, die Länder verantwortlich zu machen. Das sollen sie gefälligst unterlassen, denn die Verhältnisse gegenüber früher haben sich geändert, und eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Ernährung ist eine absolute Notwendigkeit. Ich sage: eine vernünftige Zusammenarbeit, damit der Gleichklang der Verhältnisse auf einem so diffizilen Gebiet wie dem Ernährungswesen hergestellt ist. Da fehlt noch manches, und da muß man sich von den Vorstellungen der früheren Zwangswirtschaft entfernen. Da müssen Sie auch den Bayern soviel Auslandsgetreide geben, wie Sie den anderen rechtmäßig zukommen lassen. Da ist es notwendig, daß unsere bayerischen Mühlen genau über denselben Prozentsatz von Auslandsgetreide verfügen wie die rheinischen Mühlen. Dieser Ausgleich ist absolut notwendig, der Ausgleich des mittleren Gewerbes gegenüber dem größeren Gewerbe auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft. Herr Minister, ich kann Ihnen nachfühlen, daß es auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft für Sie nicht leicht war, die Verhältnisse zu ordnen. Denn was soll man machen, wenn man zwar ein sogenanntes Getreidegesetz hat, aber plötzlich keine genügenden Vorräte mehr in dem Umfang hat, wie man sich's gewünscht hat. Dabei muß man vorsichtig sein und darf nicht sagen. daß wir überhaupt keine Vorräte haben. Das stimmt nicht. Wir sind Gott sei Dank immer so schlecht und recht durchgekommen. Hoffentlich gelingt es in den kommenden Monaten auch. Wir sollen unsere Lage nicht schwärzer malen, als sie in Wirklichkeit ist. Denn wir leisten bloß Hilfsstellung für diejenigen, die von der Spekulation leben wollen,
und solche laufen in Deutschland genug herum.
Wir kennen die Schwierigkeiten, und Sie können den Minister nicht verantwortlich machen, wenn Schiffe aus dem Ausland ausbleiben. Ist er auch dafür verantwortlich? Dann müßten wir ihn zum Schiffbaudirektor bei den Alliierten benennen, um das Problem vielleicht aus eigener Kraft meistern zu können. So muß er immer warten, bis die Verhältnisse an ihn herankommen, und er muß in tatsächlichen Verhandlungen versuchen, das Größtmögliche herauszuholen und die Dollars freizubekommen, um die notwendigen Einfuhren tätigen zu können. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir vergessen immer, daß wir manches nicht aus eigener Kraft regeln können, sondern die Hilfe der anderen für die Regelung unserer Verhältnisse unbedingt benötigen.
Herr Minister, zu dem, was hier über die Getreidelage gesagt worden ist, lassen Sie mich nur einen Satz sagen. Wir haben noch von Januar bis zum heutigen Tage Getreide hereingebracht, wenn es auch nicht mehr so „dickflüssig" gewesen ist. Aber die Neuordnung der Getreidepreise war eine zwingende Notwendigkeit, um sich wieder auszukennen und damit der Bauer ungefähr weiß, was im neuen' Wirtschaftsjahr gelten soll. Da müssen
wir zusammenstehen, damit diese Regelung auch wirklich Gütagkeit hat und damit der Spekulation mit aller Schärfe entgegengetreten wird. Ich habe es gewagt, als Landwirtschaftsvertreter im bayerischen Rundfunk ernstlich meine Meinung zu sagen, denn ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß die Verhältnisse so bleiben müssen, um Erzeuger sowohl wie Verbraucher in gerechter Weise Rechnung zu tragen.
Daß das Konsumbrot aufrechterhalten werden muß, ist schon betont worden; das brauche ich nicht weiter auszuführen. Es gibt aber da Schwierigkeiten, weil wir Roggen erst wieder-in genügendem Umfang zur Verfügung haben, wenn die neue Ernte zur Auswirkung kommt; und wenn sie in der Ernährungswirtschaft wieder eine Rolle spielt, wird sich manches erleichtern.
Daß die Agrarpolitik als Ganzes betrachtet werden muß, ist schon in allen Reden zum Ausdruck gekommen. Deshalb muß man auch die Frage der Milchwirtschaft als eine Frage betrachten. die sowohl Erzeuger wie Verbraucher angeht. Ich sehe leider Gottes die ausländischen Zufuhren bei den Margarinerohstoffen sinken. Wenn ich das sehe, muß ich eine vorsorgliche Politik treiben und die Landwirtschaft dazu anhalten, das Höchstmögliche aus der Milchwirtschaft herauszuholen, indem ich ihr die Produktionskosten ersetze. Das ist unsere Aufgabe, und das dient sowohl dem Bauern wie dem Verbraucher. Ein solches Programm darf man allerdings nicht auf kurze Sicht aufstellen. sondern das muß auf weite Sicht aufgestellt werden. Deshalb ist es auch notwendig, gewisse Subventionsmittel für Butter zur Verfügung zu halten. Das ist auch eine Frage, die mit dem Bundesfinanzminister in Ordnung gebracht werden muß.
Bei Vieh und Fleisch — darauf ist schon hingewiesen worden — sind die Verhältnisse so geregelt, daß der Bundesernährungsminister hier das erforderliche Instrument in der Hand hat. um die Dinge auf dem Markt in Ordnung zu halten. Ich wünschte nur, daß die Einfuhren und die Vorräte so aufeinander abgestimmt sind, daß der Minister richtig disponieren kann.
Meine Fraktion, die CDU/CSU, wünscht ferner, daß die Förderung und Unterstützung des Obst-und Gemüse- sowie des Weinbaues nicht aus den Augen verloren wird. Hier ist eine Vorlage angekündigt, hoffentlich kommt sie möglichst bald.
Was die Flurbereinigung anlangt, meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann ich hier wieder nur als Abgeordneter der CSU reden.