Rede von
Werner
Jacobi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Kollege Miessner hat der Sache, um die es ihm geht, mit seinem Antrag keinen besonders guten Dienst geleistet.
— Verzeihen Sie, wenn Sie von vornherein ein solches Vorurteil haben, dann warten Sie in Zukunft doch, bis der Redner, der etwas zu sagen hat, gesprochen hat.
Wenn es Ihnen um die Bereinigung des Berufsbeamtentums geht, dann sollten Sie das einer Aufgabe überlassen, die im Zusammenhang mit diesem Gesetz gar nicht gelöst werden kann. Die Frage, wie die Qualitäten von Beamten sein müssen und wie das Berufsbeamtentum auszusehen hat, ist eine Frage, die der allgemeinen beamtenrechtlichen Regelung überlassen bleiben muß. Sie wissen so gut wie wir, daß man zur Zeit dabei ist, gewisse Prinzipien zu entwickeln und zu einem allgemeinen Berufsbeamtengesetz zu kommen. Hier könnten die Fragen geregelt werden, um die es geht, wenn der Antrag des Herrn Kollegen Miessner wirklich das meint, wovon er hier spricht. In
Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes. In
Wirklichkeit steckt hinter diesem Antrag nicht das
Bestreben, die Parteibuchbeamten — das hat Herr
Miessner gemeint, wenn er diesen Ausdruck auch
vermieden hat — zu entfernen, weil man der
Meinung ist, daß hier und da jemand in eine Position gekommen ist, in die er nicht hineingehört. In
Wirklichkeit geht es auch gar nicht darum, hier
einen besonderen Schutz für Ostbeamte, die untergebracht werden sollen, zu schaffen. Hier handelt
es sich vielmehr um ein Politikum erster Ordnung.
Die Einstellung des Herrn Kollegen Miessner geht von einer völligen Verkennung der Situation aus, wie sie sich uns 1945 dargestellt hat. Wenn der Herr Kollege Miessner die Tage um den Zusammenbruch und danach aus eigener praktischer Schau besser kennen würde, wenn er einmal die Aufgabe gehabt hätte, aus den Trümmern der Verwaltung wieder ein erstes Fundament zu erstellen und die ersten organisatorischen Voraussetzungen für das öffenliche Leben zu schaffen, dann müßte er ein wenig schweigsam sein in seiner generellen Beurteilung und Verurteilung von Leuten, die damals unter Mühen und unter Übernahme schwerer Lasten Funktionen auf sich genommen haben, die diejenigen, an die er jetzt denkt, zu übernehmen weder willens noch fähig gewesen sind.
Man vergißt doch völlig, daß wir damals unter Verhältnissen gelebt haben, die es uns unmöglich gemacht haben, selbständig und völlig aus eigener Kraft und aus eigenem Willen wieder Verwaltungen aufzubauen. Ein großer Teil der Beamten konnte nicht übernommen werden. Ich will hier nicht über die Entnazifizierung und darüber reden, inwieweit in Verbindung mit der Entnazifizierung Unrecht geschehen ist. Das ist in diesem Hause von allen Parteien wiederholt und mit Nachdruck klargestellt worden. Aber es ist doch nicht so, daß Beamte, die 1933 entlassen wurden, die 1945 zum Teil wiedergeholt werden konnten und die später eingestellt worden sind, unter allen Umständen Beamte bleiben müssen; denn wo Unfähigkeit vorliegt, geben die geltenden beamtenrechtlichen Gesetze jede Möglichkeit, solche Leute aus dem Amt zu entfernen. Es gibt kein Beamtengesetz, in dem nicht derartige Bestimmungen in der Vergangenheit waren und in der Zukunft sein werden. Es handelt sich also um eine Frage, die außerhalb jeder Leidenschaft erörtert werden sollte und von der man sagen muß: Wie immer man sie regelt, — in Verbindung mit diesem Gesetz kann sie nicht geregelt werden. Sonst bringen Sie in dieses Gesetz in noch verstärktem Maße ein Odium hinein, meine Damen und Herren, vor dem wir Sie warnen möchten.