Rede von
Wilhelm
Mellies
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nach den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wuermeling wirklich sehr schwer, in diesem Augenblick noch sachlich zu bleiben. Wenn er davon gesprochen hat, daß diejenigen, die der Auffassung sind, daß die hier vorgesehenen Belastungen der Gemeinden im Interesse der Gemeinden und, ich möchte noch einmal anschließend an die Worte meines Fraktionskollegen Matzner mit aller Deutlichkeit sagen, auch im Interesse der Vertriebenen nicht verantwortet werden können, eine Front gegen die Vertriebenen bilden, dann gibt es für mich für eine Kennzeichnung eines 'derartigen Gehabens keinen parlamentarischen Ausdruck.
Ich möchte gleichzeitig, denn dieser Vorwurf wird sich ja praktisch auch gegen die kommunalen Spitzenverbände richten, von dieser Stelle aus — ich habe keinen besonderen Auftrag, aber ich glaube, ich kann mir diesen Auftrag anmaßen — namens der kommunalen Spitzenverbände ganz entschieden gegen eine solche Verdächtigung Einspruch erheben. Ich glaube, Herr Wuermeling, die einfachste Betrachtung dessen, was die Gemeinden und Gemeindeverbände für die Flüchtlinge getan haben, sollte Sie hindern, hier einen solchen Ausspruch zu tun.
Wenn man zu dem sachlichen Inhalt Stellung nehmen will und sich vor allen Dingen die Reden der Herren Minister anhört, dann muß man doch sagen, man hat den Eindruck, als ob nur diese Bestimmung in dem Gesetz dazu beitragen könnte, daß die Vertriebenen in den Gemeinden angestellt werden. Ich habe Verständnis für die Darlegung des Herrn Finanzministers, und es ist ja jetzt deutlich geworden, was vorhin einmal abgestritten wurde, daß dieser Ausgleichsbetrag ein Teil der vier Finanzierungsquellen war, die der Herr Finanzminister zunächst überhaupt für die Belastungen aus diesem Gesetz vorgesehen hatte.
— Lassen Sie mich erst einmal ausreden, dann können Sie es widerlegen. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, was zunächst einmal hier los war. Zunächst hatte der Herr Finanzminister vorgesehen, die Finanzierung in der Weise vorzunehmen, daß bei den aktiven Beamten ein 3%iger Gehaltsabzug vorgenommen würde. Wir haben uns heute morgen im Haushaltsausschuß über diese Frage noch kurz unterhalten, und ich habe den Finanzminister darauf hingewiesen, wie schon innerhalb eines Jahres doch irgendwelche Vorstellungen, die man einmal gehabt hat, zerstäuben können. Diese Möglichkeit hat er heute nicht mehr.
Die zweite Möglichkeit hat er damals darin gesehen, daß den Beamten, die unter 131 fielen, ein bestimmter Prozentsatz ihrer Versorgungsbezüge
gekürzt würde. Ich darf im Interesse der Wahrheit feststellen, daß vom ersten Augenblick an die sozialdemokratische Fraktion mit Nachdruck erklärt hat, eine solche unterschiedliche Behandlung nicht mitzumachen.
Wenn diese Gleichstellung — ich glaube, das sollten die Abgeordneten der Vertriebenen nie vergessen — so verhältnismäßig schnell erreicht werden konnte, ist das auf diese starke und entschiedene Halburig der sozialdemokratischen Fraktion vom ersten Augenblick an zurückzuführen.
— Ach, Herr Oellers, Sie waren bei den ersten Verhandlungen und bei den Besprechungen, die gepflogen wurden, nicht zugegen, Sie können's nicht so ganz beurteilen.
— Ja, es gibt immer einige Leute, die sich einbilden, sie sähen allein die Probleme. und wir haben bei Ihnen öfters feststellen können. daß Sie offenbar zu der Sorte gehören.
— Herr Oellers, was Parteipropaganda hier im Hause betrifft, kann ich es mit Ihnen leider nicht aufnehmen.
— Das sagt man dann nachher.
Aber, meine Damen und Herren. die dritte Quelle, die für 'die Finanzierung offenblieb, war dann dieser Ausgleichsbeitrag der Gemeinden, und die vierte Quelle war erst der Zuschuß des Bundes. Es ist jetzt lediglich dieser Ausgleichsbetrag geblieben, und der Herr Finanzminister hat in seinen Darlegungen eben ganz klar und deutlich gezeigt, daß er an dieser einen Möglichkeit noch festhalten will. Aber wenn Sie das in Zusammenhang bringen mit der Unterbringung — —, Herr Innenminister, ich habe mich eben über Ihre Darlegungen wirklich gewundert. Sie haben gesagt: Diese Bestimmung bietet die einzige Möglichkeit, um auf die Gemeinden einen entsprechenden Druck auszuüben. Sie scheinen die Bestimmungen in den §§ 16 a und 16 b des Gesetzes nicht zu kennen. Denn nach § 16 a kann nur von der Aufsichtsbehörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn eine Person genommen werden soll, die nicht unter 'den Art. 131 des Grundgesetzes fällt. Ich möchte auch 'die Vertreter der Bestimmungen in § 15 Abs. 2 einmal fragen: Haben Sie eigentlich zu der Aufsichtsbehörde ein, so geringes Zutrauen, daß Sie glauben, sie wird die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht erfüllen? Sonst müssen Sie sich doch ganz klar sagen, die Gemeinde kann gar nicht anders; sie muß einfach einen Vertriebenen nehmen, weil sie sonst die Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht bekommt, sondern die Aufsichtsbehörde von ihren Machtbefugnissen Gebrauch machen kann. Außerdem ist der § 16 b eingefügt, in dem festgelegt ist: Wenn sich eine Gemeinde böswillig weigert, eine solche Einstellung vorzunehmen, dann hat sie das ganze Gehalt als Strafe zu bezahlen. Kann man in einem Gesetz noch drakonischere Maßnahmen 'treffen? Ich glaube, jeder, der das sachlich und objektiv prüft, muß feststellen, daß es bei diesem Festhalten an dem Ausgleichsbeitrag für den Herrn Finanzminister nur darum geht, die Dinge zu finanzieren. Aber auf der anderen Seite ist es bei den Vertretern des § 15 Abs. 2 offenbar so, daß sie die Vorstellung haben: Man kann hier erhebliche Mehreinstellungen dadurch erreichen, daß man eine Aufblähung des ganzen Verwaltungsapparats zuläßt. Glauben Sie, die Gemeinden und Gemeindeverbände werden es sich zum Teil nicht überlegen, ihren Apparat einfach zu vergrößern? Liegt es nach all den Debatten, die wir über Verwaltungsreform usw. hier gehabt haben, denn in unserem Interesse, eine Aufblähung des Verwaltungsapparats zu ;bekommen? Ich glaube, das liegt nicht einmal im Interesse der Vertriebenen, die dann zufällig eingestellt würden.
Herr Minister Lukaschek hat sich für die Kollektivhaftung eingesetzt, die in § 15 Abs. 2 für die kleinen Gemeinden festgesetzt ist. Ich hätte Verständnis dafür gehabt, wenn sich die Vertreter der Vertriebenen sehr stark dafür eingesetzt hätten, daß aber ein Minister, der selbst früher in der Verwaltung tätig gewesen ist, und auch der Herr Innenminister die Durchführung dieser Bestimmungen für möglich hält, wundert mich sehr. Stellen Sie sich das doch einmal praktisch vor, und Herr Kollege Dresbach, der maßgebend im Landkreis tätig ist, wird uns das sehr schnell bestätigen können. Wir haben Hunderte und Tausende von kleinen Gemeinden, die zum Teil nur ihren ehrenamtlichen Bürgermeister — Sie haben nicht überall die Ämterverfassung, die haben Sie nur in Nordrhein-Westfalen — und dazu eine Schreibkraft haben. Jetzt nehmen Sie all die Gemeinden, zusammengefaßt in den einzelnen Kreisen, und dann soll, wie es in den Bestimmungen heißt, die Kommunalaufsichtsbehörde bestimmen, wie die Last auf die Gemeinden verteilt wird. Das bedeutet, daß Sie eine zweite Kreisumlage schaffen. Das bedeutet aber auch, daß in den Kreistagen ganz erhebliche Auseinandersetzungen losgehen; denn die Gemeinde, die gerade die Möglichkeit gehabt hat, eine Vertriebene als Stenotypistin oder Sekretärin einzustellen, wird sichselbstverständlich weigern, an dieser Kollektivhaftung beteiligt zu sein. Herr Minister Lukaschek, ich hoffe, Sie wissen, daß in der britischen Zone durch die Regelung, wie sie jetzt 'besteht, der Kreistag 'gleichzeitig Kommunalaufsichtsbehörde ist. Sie können bei den Vehandlungen in den Kreistagen demnächst etwas erleben, wenn die festsetzen sollen, in welchem Umfang die Gemeinden X, Y und Z an dieser Umlage beteiligt werden sollen. Zu einer befriedigenden Lösung werden Sie nach der Richtung hin niemals kommen.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die die Streichung des § 15 Abs. 2 beantragt haben, sind von der ernsten Sorge bewegt, daß er unendlichen Schaden anrichtet, praktisch aber nicht dazu führen kann, den Vertriebenen in stärkerem Maße zu helfen, als das in den §§ 16 a und b des Gesetzes bereits vorgesehen ist.