Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat an diesem Gesetz intensiv mitgearbeitet. Sie hat auch jetzt bei der zweiten Lesung nicht die Absicht, zu diesem nun glücklich zustande gekommenen Gesetzentwurf allzuviel Abänderungsanträge zu stellen. Wir haben uns deshalb darauf beschränkt, in den wichtigsten Bezirken dieses Gesetzes nachzuprüfen, was dienlich ist oder nicht dienlich sein kann.
Diesen Antrag, den ich hier zu vertreten habe, stellen wir heute nicht zum erstenmal, vielmehr haben wir ihn schon in der zweiten und dritten Lesung im Beamtenrechtsausschuß gestellt und müssen ihn aus unserem Verantwortungsbewußtsein heraus hier wiederholen. Ich werde mir nun erlauben, diesen Abänderungsantrag vor dem Hohen Hause zu begründen.
Es handelt sich um den Ausgleichsbetrag, den jene Gemeinden zahlen sollen, die das vorgeschriebene Soll von 20 °/o der unter das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen nicht erfüllen. Wenn die Gemeinden dieses Soll nicht erreichen, müssen sie von dem darauf entfallenden Besoldungsaufwand 25 %, also ein Viertel zahlen. Wir fragten im Ausschuß, warum das zu zahlen sei, weil wir nach dem ganzen Aufbau der seinerzeitigen Gesetzesvorlage glaubten, es handle sich hier für die Bundesregierung um eine Finanzierungsquelle. Ich mache darauf aufmerksam und rufe alle, die in den Ausschußsitzungen immer anwesend waren, zu Zeugen dafür auf, daß das immer bestritten wurde. Es hieß, es bestände niemals die Absicht, hier Finanzquellen zu suchen, sondern der Abs. 2 des § 15 sei nur dazu bestimmt, auf die Gemeinden und anderen Dienstherren einen moralischen Druck auszuüben.
— Nein, es wurde ausdrücklich gesagt: auch ein moralischer Druck, Herr Kollege Schütz. Ich war dabei, ich muß es also wissen, und Ihre Kollegen vom Beamtenrechtsausschuß werden es Ihnen bestätigen. Ich will jetzt aber nicht mit Worten streiten, sondern die Tatsachen sprechen lassen.
Wie verhält es sich denn eigentlich mit der Unterbringung und mit diesem „moralischen Druck"? Ich möchte die Aufmerksamkeit aller, die es angeht, vor allem auf folgendes lenken. Wie ist die Unterbringung gesichert? In den §§ 16 a und b sind zum Unterschied von den bisherigen Bestimmungen der Flüchtlingsgesetze, in denen mit Kann-Vorschriften gearbeitet wurde, jetzt Muß-Vorschriften enthalten. Sie kennen diese Paragraphen, wenn Sie das Gesetz gelesen haben. Es heißt danach folgendermaßen. Bis zu 62/3 % muß jede Stelle mit einem 131er besetzt werden. Bis zur Hälfte des Solls müssen zwei Stellen mit einem 131er besetzt werden, und eine Stelle kann frei besetzt werden. Ist die Hälfte — also 10 % — schon erreicht, so steht es eins zu eins. Wenn nun ein Dienstherr diese Verpflichtung nicht erfüllt, so muß er, wie wir in § 16 b festgelegt haben, einen Ausgleichsbetrag zahlen, der 100 % des Besoldungsaufwandes für diese Fehlbesetzung ausmacht. Wenn wir das berücksichtigen, so muß jeder, der noch Achtung vor der Durchführung eines Gesetzes hat, zugeben, daß das eine vollständig ausreichende Sicherung zur Erfüllung der Vorschriften darstellt. Darüber hinaus haben wir in den späteren Paragraphen über die Unterbringung bestimmt, daß die zuständigen Rechnungshöfe die Durchführung dieser Bestimmungen prüfen und die Nachricht von der Nichtdurchführung an die betreffenden Dienstherren bzw. an das Bundesministerium des Innern weiterleiten sollen. Meine Damen und Herren, gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit eines „moralischen Drucks"? Es gibt keine! Denn die Gemeinden können ja nur die Stellen besetzen, die frei sind oder frei werden oder neu geschaffen werden; nur dazu sind sie in der Lage und zu mehr nicht, es sei denn, sie räumen die jetzigen Verwaltungskörper aus und erfüllen so ihr Soll von 20 5. Das wird man heute keiner Gemeinde zumuten können, will man nicht in den Gemeinden draußen eine Stimmung schaffen, die sich so auswirken würde, daß das Gegenteil von dem erreicht würde, was Sie mit diesem Abs. 2 erreichen wollen.
Ich habe mich bemüht, Ihnen klarzumachen, daß die derzeitigen Bestimmungen ohne den Abs. 2 vollständig ausreichen, um das Gesetz durchzuführen.
Ich möchte nun diesen Abschnitt abschließen und zu einer weiteren Begründung der Streichung kommen. Meine Damen und Herren, was bringt denn diese 25%ige Abgabe an Gutem und Bösem? An Gutem für den Geschädigten-Kreis oder für den Betroffenen-Kreis gar nichts; was sie an Schlechtem bringt, das will ich nun zu beweisen versuchen. Diese 25%ige Abgabe vom Besoldungsaufwand trifft nun alle die, die das Soll nicht erfüllt haben.
Meine Damen und Herren, wie war es denn mit der Erfüllung des Solls? Es gibt gewiß auch eine schuldhafte Nichterfüllung. Wir haben aber auch Beispiele, daß viele, viele Gemeinden, Länder und besonders die sogenannten klassischen Flüchtlingsländer weit über das Soll hinaus erfüllt haben. Gewiß gibt es auch manche Ausnahmen der Art, daß vielleicht in allzu geringer Berücksichtigung insbesondere des Vertriebenen-Kreises zu wenige eingestellt wurden. Aber es gibt auf der anderen Seite auch Städte und andere Dienstherren, die das einfach nicht tun konnten. Denken Sie einmal an die Brennpunkte des Wohnungsbedarfs, denken Sie an die schwer zerstörten Städte! Hier war es vielleicht gar nicht einmal möglich, diesen Prozentsatz bei den Einstellungen zu erreichen. Sie treffen, wenn dies hier eine Strafbestimmung sein soll, die Unschuldigen mit den wenigen vielleicht Schuldigen. Auch das scheint uns ein Prinzip zu sein, das man in einem solchen Gesetz nicht verankern sollte.
Meine Damen und Herren, was erreichen wir denn damit? Es ist doch vielen von Ihnen nicht unbekannt, daß der größte Teil dieser Gemeinden heute einen ausgeglichenen Etat nicht mehr hat. Sie bringen den Gemeinden eine neue Belastung, die sie einfach nicht tragen können. Wenn sie sie tragen müssen, so wird wahrscheinlich das Land wegen finanzieller Zuschüsse angesprochen werden. Das Land wird, wenn es diese Zuschüsse nicht leisten kann, an den Bund herantreten und wird sagen: Ich kann das eben nicht leisten! Und so ist es ein Kreislauf dieser Schuldbeträge, und wer hat einen Nutzen davon? Niemand! Aber wer hat einen Schaden davon?
Meine Damen und Herren, ich komme zu einer ganz wichtigen Angelegenheit hinsichtlich des Kreises, der hier gesetzlich betroffen wird. Bei def Erledigung des Gesetzes im Beamtenrechtsausschuß wurde mehrmals die Frage gestellt: Woran denkt denn ihr Heimatvertriebenen bei diesem Gesetz? Ihr setzt euch für einen ganz bestimmten Personenkreis ein; und was ist denn mit den anderen, was ist denn mit den heimatvertriebenen Bauern, was ist mit den heimatvertriebenen Handwerkern? Wir haben darauf geantwortet: Hier geht es nicht um ein Vergleichen der heimatvertriebenen Beamten mit den heimatvertriebenen Bauern; hier geht es um den Vergleich von heimatvertriebenen Beamten mit heimatverbliebenen Beamten, und hier verlangen wir mit Fug und Recht die Gleichstellung.
Bis dahin können wir das ruhig vertreten. Hier aber geht es um etwas anderes. Die Gemeinden — mögen wir sie nennen, wie wir wollen — haben nun sagen wir, 100 000 DM an Ausgleichsbetrag zu zahlen. Wem nehmen wir diesen Betrag? Keine Gemeinde hat soviel, daß sie 1:00 000 DM ohne weiteres verkraften kann. Die Gemeinde wird naturgemäß auf der Linie des geringsten Widerstandes gehen, und der Gemeinde werden die Mittel für den Flüchtlingswohnungsbau, für die
Fürsorge und für alle die Dinge fehlen, um für den großen Kreis dieser Menschen, die flüchten mußten und die in Bombennächten ihre Habe verloren haben, zu sorgen. Das ist die Entscheidung, die wir hier fällen müssen. Deswegen, glauben wir, hat dieser Kreis nichts davon.
-- Es geht um die Heimatvertriebenen in ihrer großen Masse, Herr Kollege Miessner, hier in diesem Falle; für die 131er haben wir im Gesetz genügend gesorgt.
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, glauben wir nicht, daß es das Hohe Haus verantworten kann, heute den Selbstverwaltungskörpern dieses große Opfer aufzuerlegen. Bedenken Sie: Wir verlangen von ihnen mit Fug und Recht sehr viel. Die Personalpolitik dieser Gemeinden ist auf Jahre hinaus durch dieses Gesetz mitbestimmt, zwar nicht so, wie es die Gemeinden manchmal sagen, daß sie überhaupt keinen Einfluß hätten. Das haben wir widerlegt. Wir sagen: Nein, so ist es nicht, die Selbstverwaltungskörper können sich ja unter den 131ern einen entsprechenden Mann, den sie fachlich und sonst für geeignet halten, aussuchen. Aber im großen und ganzen sind sie doch auf Jahre hinaus durch das Gesetz gebunden. Das betrachten wir als ein Opfer, und wir glauben, daß es die Gemeinden im Interesse dieses Personenkreises auf sich nehmen werden. Darüber hinaus, glauben wir, brauchten wir ein solches finanzielles Opfer nicht zu verlangen, wenn es nicht, wie uns versichert wurde, zur Entlastung des Bundes gefordert würde. Hier handelt es sich, um dem Zwischenrufer zu antworten, um eine sehr wichtige Angelegenheit, im Gegensatz zu jenen Dingen, die vorhin ruhig geduldet worden sind — wenigstens in den Anfängen — und die äußerst unwichtig waren und sich mit Anträgen beschäftigten, deren Urheber nicht ein einziges Mal in diesem Ausschuß zur Mitarbeit erschienen ist.
Ich habe schon bei der Verabschiedung des Sofortmaßnahmengesetzes darauf aufmerksam gemacht: Wir sollten alles vermeiden, was draußen psychologische Spannungen schafft. Wir brauchen zur Erfüllung dieses Gesetzes selbstverständlich neben diesen gesetzlichen Zwangsmaßnahmen auch den guten Willen, der von vornherein vorhanden sein muß und den wir durch solche materiellen Lasten nicht stärken. Es ist also kein moralischer Druck, meine Damen und Herren. Es handelt sich um eine materielle Belastung und nicht um einen moralischen Druck. Wir erweisen dem Personenkreis den besten Dienst, wenn wir diese Ausgleichsabgabe heute in der zweiten Lesung fallen lassen.
Der Bund hat die Kriegsfolgelasten zu tragen. Das steht eindeutig im Grundgesetz.
— Herr Kollege Kather, das Grundgesetz ändern S i e auch nicht.
— Bitte, das haben wir zweimal vertreten, Herr Kollege Kather.
Nach dieser Unterbrechung möchte ich nochmals darauf aufmerksam machen, daß es sich nach unserer Meinung hier um eine Verletzung des Grundgesetzes handelt.
Wir glauben, daß die betroffenen Gemeinden oder Länder, wenn sie nicht schon im Bundesrat Widerstand leisten, in ihren einzelnen Gliedern vielleicht aus diesem Grunde das Verfassungsgericht anrufen. Wer hat, wenn das Gesetz aus diesem Grunde fallen sollte, dann den Nutzen davon? Wieder sage ich: kein 131er kann sich dafür ein Stückchen Brot kaufen. Wenn das Gesetz im Bundesrat wegen dieses einen Gedankens beanstandet würde, würde das für den betroffenen Personenkreis wieder eine Verschleppung bedeuten. Sie werden sich erinnern, daß ich bei der Beratung über das SofortGesetz, als Sie die Bestimmungen des jetzigen § 16 b nicht annehmen wollten, davor gewarnt habe. Sie kamen damals zu keiner Übereinstimmung. Wegen dieser Bestimmung — es war der bedeutendste Bestandteil des Einspruchs des Bundesrats — hat der Bundesrat damals den Vermittlungsausschuß angerufen. Daß das geschieht, wußten wir nämlich schon vorher, Herr Kollege Schütz.
— Herr Kollege Miessner, wir wollen eben dem ganzen Hause die Verantwortung nicht nur für das eine Gesetz vor Augen führen, sondern wir wollen ihm auch vor Augen führen, daß damit ein weiterer Schritt zur Vernichtung der Selbstverwaltung getan wird. Und das legt uns eine große Verantwortung auf.
Ich fasse zusammen. Kein Geschädigter hat einen Nutzen von diesem Paragraphen. Die Unterbringung ist, wenn man noch Vertrauen hat, durch die bestehenden Bestimmungen gesichert.
Wenn dieser Paragraph geschaffen wird, entsteht daraus eine bedeutende Schädigung des betroffenen Personenkreises selbst, weil die Gefahr vorhanden ist, daß der Vermittlungsausschuß angerufen wird.
Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß der betroffene Personenkreis, was die Unterbringung anlangt, nur — —