Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen erst heute, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, zur Verabschiedung gelangt, so bedauert das niemand mehr als die Bundesregierung selbst. Sie ist sich der Bedeutung dieses Gesetzes für die Wiederherstellung klarer Rechtsverhältnisse auf dem durch den Zusammenbruch besonders stark in Mitleidenschaft gezogenen Gebiet und damit der inneren Befriedung voll bewußt. Diese gesetzgeberischen Arbeiten konnten ja auch erst in Angriff genommen werden, nachdem die Wahlen zum ersten Bundestag stattgefunden hatten, nachdem zunächst einmal eine Bundesregierung gebildet und das mit der Federführung beauftragte Ministerium so besetzt und organisiert worden war, daß es arbeitsfähig war.
Welche Schwierigkeiten bei der Behandlung des Stoffes zu bewältigen waren, ist in der Öffentlichkeit und selbst bei uns in diesem Hause vielfach verkannt worden. Auch Abgeordnete unseres Hauses waren geneigt, die Bundesregierung zu tadeln, weil sie den Gesetzentwurf erst im Juli 1950 vorgelegt hat.
Welche Problematik in diesem Gesetz gesteckt hat, das haben die langen Beratungen in dem mit großem Fleiß und unermüdlichem Einsatz arbeitenden Ausschuß gezeigt. Die Fragen, die im Beamtenrechtsausschuß bewältigt werden mußten, waren rechtlicher, sozialpolitischer und finanzpolitischer Art. Sie mußten kritisch durchgeprüft werden. Schließlich kam als außerordentlich erschwerend hinzu, daß unsere Unterlagen sehr lückenhaft waren. Wir hatten keinen Anmeldezwang, und die statistischen Erhebungen wiesen erhebliche Lücken auf. Wir mußten alle diese Unterlagen in bezug auf die vielgestaltigen Berechnungen gewissenhaft auswerten. Die Höhe der durch das Gesetz entstehenden Ausgaben bei den verschiedenen Lösungsversuchen, die in Vorschlag gebracht wurden,
mußte sorgfältig ermittelt werden. Schließlich mußte das Gesamtergebnis auf die Möglichkeit der praktischen Ausführung im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Bundes selbst überprüft werden.
Eins kann ich Ihnen aber zur Beruhigung sagen. Diese lange Dauer der Überprüfung hat nicht zu einer Benachteiligung der unter das Gesetz Fallenden geführt, sondern die Ausschußarbeiten haben im Gegenteil in bezug auf die endgültige Lösung eine erhebliche Verbesserung gebracht. So mögen sich die schmerzlich auf das Gesetz Wartenden, die sich in der Übergangszeit mit schmalen Bezügen der vorläufigen Zuwendungen der Länder begnügen mußten, damit trösten, daß diese Übergangszeit nicht vergeblich gewesen ist.
Nach dem Beschluß des Bundestags vom 2. Dezember 1949 über die Gleichstellung in den Pensionsbezügen hatte sich die Gleichstellung auf die Gruppe der heimatvertriebenen Pensionäre beschränkt. Jetzt empfiehlt Ihnen der Beamtenrechtsausschuß in seinem Bericht, die Gleichstellung auf alle unter den Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Pensionäre auszudehnen. Auch die Übergangsgelder, die die noch dienstfähigen Beamten auf Lebenszeit und die ihnen gleichzubehandelnden Angehörigen des öffentlichen Dienstes bis zu ihrer Wiederverwendung erhalten, konnten gegenüber den Sätzen der Regierungsvorlage wesentlich erhöht werden, nachdem inzwischen die Zahl der zu betreuenden Personen infolge der Unterbringung erheblich zurückgegangen war. Ob weitere Erhöhungen möglich sind, wird davon abhängen, wie sich nach der Regierungsvorlage die Ausgaben an Pensionen und Bezügen noch vermindern werden. Die künftige Entwicklung können wir heute noch nicht voraussehen; aber man kann sagen, daß die Regelung, auf die sich der Beamtenrechtsausschuß einmütig geeinigt hat, in finanzieller Hinsicht wirklich das äußerste darstellt, was der Bund leisten kann und was bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage zu verantworten ist.
Meine Damen und Herren, Sie dürfen bei Ihren Beschlüssen auch die Zusammenhänge mit den beiden andern großen Kriegsfolgelasten regelnden Gesetzen, dem Gesetz über die Opfer des Krieges und dem Gesetz über den Lastenausgleich, nicht übersehen. Nur bei Anspannung aller Kräfte wird es gelingen, die für die Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse _der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen erforderlichen Mittel im Bundeshaushalt bereitzustellen. Diese Mittel machen schätzungsweise das Zweieinhalbfache dessen aus, was die Länder bisher auf diesem Gebiet als Übergangsgeld aufgewendet haben. Was dieses Zweieinhalbfache der Aufwendungen der Länder jetzt bei der beschränkten Steuerkraft des Bundes bedeutet, meine verehrten Damen und Herren, brauche ich hier wohl nicht im einzelnen auszuführen. Dabei hat es sich ja noch nicht einmal ermöglichen lassen, in dem Personenkreis des Gesetzes auch die im Ausland lebenden früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihre Hinterbliebenen zu berücksichtigen. Das ist ein sehr bedauernswerter Kreis von Personen, die damals gezwungen wurden, in das Ausland zu gehen, und denen nun die Heimkehr versagt ist. Unsere auswärtigen diplomatischen und konsularischen Vertretungen werden sich dieser Armen anzunehmen haben. Ob es möglich ist, weitere Wünsche zu erfüllen, bleibt ebenfalls der Entwicklung vorbehalten.
Aber trotz dieser finanziell bedingten Einschränkungen wird mit der Regelung durch dieses von
Ihnen hoffentlich einstimmig zu verabschiedende Gesetz immerhin ein Ziel erstrebt, das auch die Regierungsvorlage von Anfang an verfolgte, nämlich die Schaffung einer festen Rechtsgrundlage für die rechtlichen Beziehungen des betroffenen Personenkreises. Die Ansprüche, die das Gesetz verleiht, sind echte Rechtsansprüche, die im Klagewege verfolgt werden können; und selbst dort, wo keine solchen Ansprüche bestehen, z. B. bei der Unterbringungspflicht der öffentlich-rechtlichen Dienstherren, wird es sich um die Erfüllung genau umschriebener rechtlicher Verbindlichkeiten handeln und nicht um bloße Akte der Liberalität. Die rechtlichen Beziehungen sind für die verschiedenen Personengruppen des Art. 131 unter Berücksichtigung des Rechtsstandes vom 8. Mai 1945 grundsätzlich einheitlich gestaltet worden. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen den Verdrängten, ob sie im Dienste des Reiches oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft gestanden haben. Jedenfalls behandelt das Gesetz auch die Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und die Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes, soweit es sie einbezieht, nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Die nur im Hinblick auf den aktiven Beruf geschaffene Sonderstellung dieser Bediensteten ist dem Zweck des Gesetzes entsprechend ebenso beseitigt worden wie die mit diesem nicht zu vereinbarenden Prärogativen gewisser Beamtenkategorien. Während das Recht der Unterbringung und der an der Unterbringung teilnehmenden Personen mangels eines Vorbildes im sonstigen Beamtenrecht neu gestaltet werden mußte, ist als Versorgungsrecht das Bundesbeamtenversorgungsrecht zugrunde gelegt worden. Dabei haben wir schon verschiedene für dieses Bundesbeamtenversorgungsrecht in Aussicht genommene Verbesserungen und Neuerungen — wie die zehnjährige Wartezeit und die damit in Zusammenhang stehende Änderung der Pensionsskala — gleich mitberücksichtigt. Im übrigen ist vorgesehen, daß die versorgungsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zu Art. 131 dem vor der Einbringung stehenden endgültigen Bundesbeamtengesetz angepaßt werden. Darin liegt eine wirksame Sicherung der Gleichstellung der Pensionäre des Personenkreises des Art. 131 mit den sonstigen Pensionären.
Ich darf zum Schluß noch folgendes ausführen. Die Bundesregierung hofft, daß die Bedenken, die bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von den einzelnen Fraktionen geäußert worden sind, durch die Ergebnisse der Ausschußberatung beseitigt sind und daß das Gesetz vom Plenum des Bundestages heute einstimmig oder mit ganz großer Mehrheit angenommen wird. Eine solche einstimmige Annahme würde auch ihren Eindruck auf den Bundesrat nicht verfehlen und ihn veranlassen, auch seinerseits dem Gesetz zuzustimmen. Wenn eine Anrufung des Vermittlungsausschusses unterbleibt, was die Bundesregierung hofft, dann kann das Gesetz noch im April, also noch im Laufe dieses Monats, verkündet werden; und damit hätten wir bei allem unserem Mühen um eine frühzeitige Inkraftsetzung des Gesetzes uns nicht allzuweit von dem ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt, dem 1. April 1951, entfernt. Die Bundesregierung — das darf ich Ihnen noch versichern — wird alles tun, um die Durchführung dieses wertvollen Gesetzes zu beschleunigen.