Rede von
Dr.
Hans
Reif
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß wieder einmal wie so oft alle meine Herren Vorredner recht haben. Recht hat der Herr Wehner, wenn er mit uns allen der Meinung ist, daß die Dinge, die durch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen geleistet werden, noch viel besser geleistet werden müßten. Aber ich glaube, wir sind uns auch mit den Herren von der Sozialdemokratischen Partei in dem Willen einig, daß wir über den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und über den Berlin-Ausschuß dem Ministerium helfen wollen, soweit es in unseren Kräften steht, dafür zu sorgen, daß die Arbeit, von der man vor einem Jahre fast noch nichts spürte und die doch etwa seit einem halben Jahr sehr deutlich spürbar wird — jedenfalls nach Osten hin —, noch intensiver und noch wirksamer gestaltet werden kann.
Recht hat auch Herr Fisch, wenn er sich über diese Arbeit ärgert,
erstens weil er dadurch z. B. Herrn Wehner widerlegt hat und zweitens weil es wirklich so ist — Herr Fisch, ich weiß das aus sehr guter Quelle —, daß nicht nur Sie, sondern auch einige andere Leute allmählich anfangen, die Nerven zu verlieren.
Diese Tatsache ist nicht etwa die Folge irgend-
welcher Bedrohung oder irgendwelcher Spionage
oder wie Sie das sonst immer nennen mögen, sondern es ist einfach die Tatsache, daß es in der letzten Zeit möglich war, zu den gesamtdeutschen Fragen eine sehr klare und deutliche Haltung einzunehmen.
— Herr Renner hat auch etwas Richtiges gesagt,
wenn er sagt, daß das Volk anders darüber denke.
Damit komme ich zum zweiten und letzten Teil meiner Ausführungen. Das Ministerium Kaiser hat. nach drei Richtungen zu arbeiten. Über die eine haben wir eben gesprochen. Die zweite Richtung ist die Aufklärung hier in Westdeutschland. Ich muß leider mit Bekümmernis sagen, daß man, wenn man in Westdeutschland in Versammlungen, in der Eisenbahn, in der Straßenbahn und wo auch sonst immer mit Volksgenossen spricht, doch feststellen muß, daß diese Volksgenossen von denen, die in Ost- und Mitteldeutschland leiden, sehr, sehr wenig wissen. Es ist nicht notwendig, wie hier behauptet wurde, dick aufzutragen, es ist nur notwendig, die Wahrheit zu sagen, denn sie ist erschütternd; aber es ist notwendig, — und ich glaube, da müßte wirklich mehr geschehen —
diese Wahrheit in unserem Volk zu verbreiten.
Die dritte Arbeitsrichtung dieses Ministeriums — das hat Herr Wehner mit Recht erwähnt — ist nun in der Tat das Kabinett. Auch hier wollen wir ganz offen zum Ausdruck bringen, daß wir manchmal die Rücksichtnahme auf die möglichen Wirkungen irgendeiner Gesetzesvorlage im anderen Teil Deutschlands bisher vermissen mußten. Wir haben, als der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen in Berlin war, über einige außerordentlich wichtige Angelegenheiten der Polizei und der Justiz gesprochen, Angelegenheiten, die alle von hier erledigt werden müssen. Ich denke nur daran, daß uns in den letzten Tagen eine Vorlage über richterliche Vertragshilfe zugegangen ist, die offenbar noch gar nichts davon weiß, daß richterliche Vertragshilfe mit den Gerichten drüben unter Umständen etwas ganz anderes bedeutet als richterliche Vertragshilfe in einem demokratischen Land. Es ist nicht nur eine Frage der Persönlichkeit des Herrn Ministers für gesamtdeutsche Angelegenheiten, es ist wirklich auch eine Frage der inneren Bereitschaft der übrigen Mitglieder des Kabinetts und des Herrn Bundeskanzlers, bei allen Beratungen im Kabinett, bei allen Vorlagen, welcher Art sie auch immer sein mögen, die gesamtdeutsche Wirkung ins Auge zu fassen. Das ist bei manchen Fragen eine Angelegenheit des Takts, bei manchen Fragen eine Angelegenheit eines sehr sorgfältig zu erwerbenden Wissens. Dieses Wissen soll das Ministerium Kaiser repräsentieren. Dafür geben wir nun zwölf oder etwas mehr Millionen Mark aus, eine Summe, die in bezug auf die Aufgaben, die man diesem Ministerium gestellt hat, beinahe peinlich wirkt.
Ich bin nicht der Meinung, daß viel Geldausgeben ein Beweis von Tüchtigkeit ist, aber eines sollten wir hier begreifen, daß ohne Geld diese Dinge auch dicht zu machen sind.
Ich möchte mit einer kurzen Bemerkung über meine Erfahrungen in der Bundesvertretung in BerlIn schließen. Ich sehe beinahe täglich, daß
wichtige Dinge wegen der Knappheit der Mittel nicht erledigt werden können. Das ist die einzige wirklich scharfe Kritik, die ich an Herrn Minister Kaiser zu üben habe, daß er diesem Hause einen so kleinen Etat vorgelegt hat.