Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Redner der Opposition, Herr Abgeordneter Wehner, hat ausgeführt, daß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen eine Fehlkonstruktion sei. Diese Behauptung hat er wie folgt begründet: wenn die dem Ministerium obliegenden Aufgaben wirklich erfüllt werden sollten, müßte es ein Überministerium sein. Abgeordneter Wehner hat darauf hingewiesen, daß in allen Ressorts gesamtdeutsche Politik getrieben werden müsse. Diese Ausgangsbasis seiner Darlegungen kann ich nur unterstreichen. In allen Ressorts hat der Geist einer gesamtdeutschen Politik zu herrschen. Ja, unser gesamtes Verhalten hier in der Bundesrepublik sollte davon durchdrungen sein, daß die oberste unverzichtbare nationale Aufgabe die Wiederherstellung unserer staatlichen Gemeinschaft in den historischen Grenzen Deutschlands ist. Aber aus dieser Tatsache folgern zu wollen, es handle sich bei diesem Ministerium um eine Fehlkonstruktion, geht viel zu weit. Die Aufgabe des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen wird es sein, die Gesichtspunkte zu koordinieren, die in allen Ressorts auftreten. Es ist nun einmal eine Folge der Niederlage, daß wir eine Reihe von neuen Aufgaben haben. Ich glaube, wer die Tätigkeit des Ministeriums, für dessen Errichtung die Fraktion der Deutschen Partei nachdrücklich eingetreten ist, gerecht beurteilt, wird zugeben müssen, daß man sich sehr bemüht hat, dieser Aufgabe eine klare und deutliche Kontur zu geben.
Die Aufgabe ist schwer, und es ist notwendig, hierzu neue Wege zu beschreiten. Ich unterstreiche die Worte des Herrn Abgeordneten Wehner, daß wir eine klare gesamtdeutsche Konzeption brauchen. Aber haben wir nicht und hat nicht die Bundesregierung in allen Akten und in jedem Schritt auf der Grundlage dieser gesamtdeutschen Konzeption gehandelt? Was war denn überhaupt der Sinn, nach dem diese Bundesrepublik errichtet worden ist? Den Kern und Ausgangspunkt zu finden, um den gemeinsamen Staat wiederherzustellen, den ein bitteres Geschick der deutschen
Nation zerschlagen hat! Ich glaube, wer die Dinge gerecht beurteilt, wird zugeben müssen, daß man den Weg im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ohne allzu starkes Experimentieren gegangen ist, daß man in vielen Punkten Bescheidenheit gegenüber der Größe der Aufgabe, die diesem Ministerium gestellt ist, hat walten lassen. Unser gemeinsames Bemühen — ich möchte hier sagen: das Bemühen der Koalition und der Opposition, aller wirklich aufbauenden Kräfte — muß darauf gerichtet sein, daß die Tätigkeit dieses Ministeriums in der kommenden Zeit — sie möge so kurz wie nur irgend möglich bemessen sein — immer mehr Kontur, immer mehr Wirksamkeit erfährt. Ich glaube deshalb, daß man sich ernsthaft Gedanken darüber machen muß, ob der Etat des Jahres 1951 für die Ausstattung des Ministeriums genügt oder ob man hier nicht doch mit einer Großzügigkeit, die der Größe der Aufgabe angemessen ist, etwas mehr tun sollte.
Dabei bin ich persönlich der Auffassung, daß zwar Propaganda in einem modernen Staat von außerordentlicher Wichtigkeit ist, daß aber allein aus dem Propagandistischen, aus der reinen Deklamation, aus den bloßen Protesten heraus die gesamtdeutschen Aufgaben nicht zu lösen sind. Wir haben insbesondere den Zusammenhang mit allen Bevölkerungsteilen Deutschlands, die nicht zum Hoheitsbereich der Bundesrepublik gehören, ganz konkret zu pflegen. Es müssen Methoden wirklich praktischer Hilfeleistung und Unterstützung entwickelt werden, damit in sämtlichen Teilen Deutschlands, vor allem in den Gebieten Mitteldeutschlands, die man fälschlicherweise die Ostzone nennt, aber auch bei den verstreuten Deutschen östlich der Oder-Neiße-Linie stets das Gefühl und das Bewußtsein vorhanden sind, daß diese von uns nicht nur nicht vergessen sind, sondern daß der ganze Sinn unserer Politik darauf gerichtet sein wird, ihnen zu helfen, sie wieder mit uns zusammenzuführen und zu vereinigen. Das gilt auch für die Bevölkerung an der Saar.
Ich bin auch der Auffassung, daß es wesentlich Aufgabe dieses Ministeriums ist, ein genaues Bild von den Vorgängen in ganz Deutschland zu erarbeiten und die anderen Ressorts in allen Einzelheiten zu beraten. wie sich diese oder jene Maßnahme auswirkt. Wir haben die Hand am Puls zu halten in allen Gebieten Deutschlands; denn für jeden Deutschen ist dieses eine große Ziel einer deutschen Politik unverzichtbar, die Einheit unseres Vaterlandes in der Freiheit wiederherzustellen.
Dabei haben wir eine klare Konzeption unserer Stellung in der Welt festzuhalten und zu begründen. Meine Partei hat bereits durch ihren Vorsitzenden am Vorabend der Londoner Konferenz von 1947 diesem Gedanken klar Ausdruck gegeben. Deutschland in seiner Gänze muß ein Teil sein, muß eingegliedert sein der Welt der freien Völker, und wenn gerade unsere Nation dazu ausersehen ist, daß durch unser Land der Gegensatz zweier Welten geht, dann sollten wir in der Zukunft in allen Ressorts, koordiniert durch dieses Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, noch weit mehr Energie dareinsetzen, daß dieses Ringen in unserem eigenen Bereich mit einem eindeutigen Sieg der Freiheit endet.