Rede von
Dr.
Josef
Trischler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Gesetzesvorlage, weil sie die Möglichkeit bietet, dieses seit langem in Kreisen der Heimatvertriebenen behandelte Problem nun einer Lösung zuzuführen. Die heimatvertriebenen Sparer sollen mit den Einheimischen gleichgestellt und so wie diese bei der Währungsumstellung behandelt werden.. Man kann diesen Fragenkomplex als Teilgebiet entweder des gesamten Lastenausgleichs oder all der Schäden und Benachteiligungen im Zuge der Währungsumstellung ansehen. Wir wissen genau: wenn wir uns auf den zweiten Weg verlegen und sagen würden, daß wir das als einen Teil der Währungsschäden betrachten, die hier in irgendeiner Form wieder gutgemacht würden, dann würde das ein Präjudiz bedeuten und eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen bei Gruppen, die sich ebenso mit Recht als benachteiligt und geschädigt ansehen können, notwendig machen.
Es scheint uns also richtig zu sein, daß man den Fragenkomplex mit demjenigen des gesamten Lastenausgleichs verbindet. Daraus ergeben sich
) auch die Wege, auf denen es möglich ist, 0. as Problem zu lösen. Woher sollen die Mittel genommen werden? Der Entwurf hat sich dafür entschieden, daß der Lastenausgleichfonds dazu herhalten soll. Selbstverständlich würden es die Heimatvertriebenen oder die anderen berechtigten Empfänger aus dem Lastenausgleich wahrscheinlich lieber sehen, wenn man diese Mittel irgendwelchen anderen Quellen entnehmen könnte; aber aus dem vorher Gesagten geht hervor, daß das nicht sehr wahrscheinlich erscheint..
Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß für die Betroffenen auf die Behandlung, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist, ein formeller Rechtsanspruch nicht besteht. Es ist richtig: auf einen formellen Rechtsanspruch können sie sich nicht berufen. Aber wir wissen ja, daß man in der heutigen Zeit der großen Not und all der Ereignisse infolge der letzten zehn Jahre, die hinter uns liegen, mit dem Rechtsanspruch auch auf anderen Gebieten nicht viel anfangen kann. Man könnte dann auch den Rechtsanspruch im Rahmen des Lastenausgleichs selbst anzweifeln. Also ohne Rücksicht auf diese formelle Frage sprechen wir uns dafür aus, daß das Problem gelöst werden soll.
Bezüglich des Personenkreises haben wir allerdings auch unsere eigenen Bedenken, und zwar gerade im Sinne all der Empfangsberechtigten aus dem Lastenausgleich. Hier sollen Angehörige einer gewissen Gruppe der Berechtigten gesondert bendelt werden, die zufällig in der Lage sind, durch das Sparbuch oder andere Urkunden nachzuweisen, daß sie eine Spareinlage in dieser oder jener Höhe gehabt haben. Wir vertreten bei allen Fragen, die die Lösung von Flüchtlingsproblemen betreffen, den Standpunkt, daß wir die Betroffenen möglichst gleichmäßig und gerecht behandelt sehen wollen. Auch unter diesen selbst wollen wir von einem eigenen Lastenausgleich sprechen. Wir sagen daher, daß sich die Regelung nicht nur auf die Gruppen der Ostvertriebenen beschränken darf, die zufällig im Besitz des Sparbuches oder sonstiger Urkunden sind, sondern sich auch auf alle anderen Flüchtlingsgruppen beziehen muß.
Mein Vorredner, Herr Tichi, hat bereits hervorgehoben, daß die Sudetendeutschen, die im Sudetengebiet gewohnt haben, erfaßt sein würden, während z. B. die Sudetendeutschen, die im Protektoratsgebiet gewohnt haben, nicht erfaßt wären. Dort gab es noch Doppelkonten; entweder konnte man R-Mark-Konten oder eventuell noch alte Tschechenkronen-Konten haben. Aber denken Sie jetzt an die anderen Vertriebenen des Westens, die nicht erfaßt sind, oder denken Sie an alle die, die bei uns jetzt nach den bestehenden Gesetzen und auch nach dem kommenden Bundesflüchtlingsgesetz wahrscheinlich als Flüchtlinge angesehen werden. Denken Sie an die sonstigen Auslandsdeutschen, an die deutschen Flüchtlinge, die irgendwo in der Welt gelebt haben und die auch Sparbücher gehabt haben. Denken Sie an die Gruppe der Volksdeutschen, die in den verschiedensten Staaten, angefangen vom Baltikum bis herunter an die Adria, in Ost- und Südosteuropa, beheimatet waren. Auch diese gehören zu unseren Heimatvertriebenen, und wir würden es für gerecht und richtig erachten, wenn man sie alle entsprechend berücksichtigen könnte.
Dabei erhebt sich natürlich die Frage, ob nur die R-Mark-Einlagen oder evtl. auch Spareinlagen in fremder Währung zu berücksichtigen sind. Tatsache ist, daß z. B. gerade auch Volksdeutsche im
Laufe der letzten zwei Jahre des Krieges größere Reichsmarkeinlagen über ihre Volksgruppen getätigt haben. Sie haben aus freiem Willen in vollem Vertrauen zu den deutschen Stellen über ihre Volksgruppen größere Beträge zur Verfügung gestellt, die dann im Reich über die volksdeutsche Mittelstelle entsprechend verwandt wurden. Man hat ihnen zugesagt, daß sie auf ein entsprechendes Sperrkonto in RM Mer im Bundesgebiet, damals im Reichsgebiet gutgebucht werden. Zum Teil sind solche Gutschriften auf Sparkonten noch erfolgt, auch wieder nicht nur im Bundesgebiet, sondern auch in der Ostzone und insbesondere in Wien, in Österreich, zum Teil sind sie aber auch nicht mehr erfolgt. Also auch dieser Fragenkomplex gehört zweifellos hier herein. Aus dem Ausgeführten ergibt sich naturnotwendig, daß man nicht nur die im Gesetzesantrag genannten Bankinstitute berücksichtigen dürfte, sondern eben auch die anderen in den verschiedenen Gebieten, wo die Möglichkeit von Spareinlagen bestand.
Die beiden Ausschüsse, denen der Gesetzentwurf zugeleitet wird, werden zu entscheiden haben, was sie mit der Frage anfangen wollen, ob nur diejenigen berücksichtigt werden sollen, die auf Grund von vorhandenen Sparbüchern oder Urkunden den Nachwie s erbringen können, oder ob man nicht Mittel und Wege suchen muß, hier irgendwie auch die anderen zu erfassen. Es ist bekannt, daß z. B. die Sudetendeutschen ihre Sparbücher einfach nicht mitnehmen durften; das hätte ihren Tod bedeutet, oder wenn man das Sparbuch bei den anderen gefunden hat, hat man es einfach weggenommen.
Ferner: Im vergangenen Jahr fand die Aktion statt, in deren Verlauf Sparbücher aus der Ostzone zur Bankkommission nach Berlin eingesandt wurden mit allen möglichen Versprechungen. Was ist der Erfolg? Die Sparbücher liegen heute dort, und ihre Inhaber haben sie nicht in der Hand. Wohl ist für diese vorgesehen, daß sie berücksichtigt werden können, wenn sie ihre Ansprüche, die sie dort eventuell erreichen können, hier an den Lastenausgleichsfonds abtreten. Wieweit sie die Bestätigungen dafür haben, ob die Höhe der Sparsumme in diesen Bestätigungen enthalten ist, ist mir nicht bekannt. Ich glaube es nicht ohne weiteres. Was wird mit diesen geschehen? Es wird also sehr ernstlich zu überlegen sein, was man mit diesem Nachweis anfangen und ob man nicht eventuell hier andere Wege gehen soll.
Auf der anderen Seite, wenn man den großen Kreis der Berechtigten aus dem Lastenausgleich betrachtet, wird wahrscheinlich auch der Gedanke auftauchen, daß man sagt: Bitte, diese Spareinlagen sind genau so wie die anderen Konten, Bankkonten, Kontokorrentkonten usw. oder wie andere Werte, Wertpapiere, Pfandbriefe usw. ein Teil des verlorenen Vermögens; sie können und sollen im Zuge der Schadensfeststellung mit erfaßt werden und dann vielleicht bei der endgültigen Entschädigung — nach unserer Ansicht auf dem quotalen Wege — entsprechende Berücksichtigung finden. Die beiden Ausschüsse werden die Aufgabe haben, auch über diesen Fragenkomplex dem Plenum endgültige Vorschläge zu unterbreiten.
Auch wir sind einverstanden damit, daß der Gesetzentwurf an den Ausschuß für den Lastenausgleich und an den Ausschuß für Geld und Kredit geht. Wir würden aber bezüglich der Zeitfolge vorschlagen, daß dieses Gesetz vorher verabschiedet wird. Es ist dem Hause ja bekannt, daß wir
seinerzeit auch das Gesetz über die Schadensfeststellung eingereicht haben, und auch dort vertreten wir nach wie vor den Standpunkt, daß wir es für richtig erachten würden, um Zeit zu gewinnen, das Schadensfeststellungsgesetz noch vor Verabschiedung des endgültigen Lastenausgleichsgesetzes zu verabschieden. Genau dasselbe halten wir auch bezüglich dieses Gesetzes für richtig. Ich weiß, daß es verschiedene Bedenken gibt, im Hause und in eingeweihten Kreisen, bei Besprechungen darüber, ob man die Schäden feststellen kann, wenn nicht einwandfreie Nachweise geliefert werden. Ich habe das Bedenken nicht. Wir haben uns in verschiedenen Unterausschüssen des Lastenausgleichsausschusses und des Heimatvertriebenenausschusses mit diesem Problem eingehend befaßt. Es liegen formulierte Anträge vor, wie das gehen kann. Ich möchte nur auf einen einzigen Satz aufmerksam machen, den ich gern in den Formularen sehen möchte, die die einzelnen Auszufüllen haben. Wenn da in geeigneter Form ein Satz steht, wonach ein jeder zur Kenntnis nimmt, daß er seinen gesamten Anspruch aus dem Lastenausgleich verliert, wenn er wissentlich oder grobfahrlässig irgendwelche falsche Angaben bezüglich der Höhe der Vermögenswerte oder bezüglich des Verschweigens von Schulden macht, dann, so bin ich überzeugt, kann man schon weitgehend alle Schwindeleien auch bei der Feststellung der Höhe von Spareinlagen ohne Nachweise ausschalten., Außerdem habe ich das Vertrauen in die landsmannschaftlichen Organisationen, daß sie durchaus in der Lage sind, aus jedem Gebiet, aus jeder Gemeinde, auch aus jeder Stadt entsprechende Leute herauszustellen, die nach bestem Wissen und Gewissen aus der Vergangenheit in der Lage sind, zu beurteilen, wieweit die Angaben der einzelnen sehr wahrscheinlich sind oder nicht.