Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß Verfassungsfragen Machtfragen sind und dementsprechend von der jeweiligen machthabenden Gewalt gedreht und gewendet werden, wie es gewünscht wird, so wäre der Beweis hier erbracht.
Ich denke, man sollte dieses Problem seines ganzen schöngeistigen Beiwerks entkleiden und es auf das zurückführen, was es in Wirklichkeit ist. Dazu muß man hier klar aussprechen, aus welchen Motiven heraus der Streit um die beiden Auffassungen überhaupt entstanden ist. In den beiden Landtagen der Länder Württemberg-Hohenzollern und Baden gab es in den letzten vier Jahren eine absolute Mehrheit der CDU.
— Jawohl, stimmt; wissen Sie es nicht, Herr Expräsident?
In diesen beiden Ländern, wo die CDU bisher die
absolute Mehrheit in den Landtagen hatte, stellen
wir nun das Bestreben dieser Partei fest, ihre
Machtposition dort zu erweitern, und dazu hat man in beiden Ländern Wahlgesetze geschaffen, die der CDU erlauben, auch dann, wenn sie nicht über die Mehrheit der Stimmen verfügt, auf jeden Fall die Mehrheit der Sitze in den kommenden Landtagen einzunehmen.
Diese beiden Wahlgesetze liegen vor. Die CDU möchte gern, daß diese beiden Wahlgesetze auch zum Tragen kommen, damit sie in der kommenden Zeit dort unten in den beiden Ländern noch besser nach ihren eigenen Gelüsten und ohne Rücksicht auf die wirklichen Mehrheitsverhältnisse unter der Bevölkerung regieren kann. Dem steht die Auffassung der beiden anderen Parteien entgegen, der. SPD und der FDP, die glauben, sie müßten heute schon eine Vorleistung auf den künftigen SüdwestStaat machen.
Der Südwest-Staat ist bekanntlich eine amerikanische Erfindung.
Der Südwest-Staat ist eine amerikanische Erfindung. Dem steht nicht die Tatsache entgegen, daß es einige Politiker gibt, die ehemals in Tübingen beheimatet waren und die sich nun diese amerikanische Auffassung zu eigen gemacht haben.
Die Amerikaner möchten den Südwest-Staat, weil
sie" in einem solchen Staatsgebilde auch ihren
direkten Einfluß auf jene Gebiete besser ausüben könnten, die heute noch unter dem erstrangigen Einfluß der französischen Besatzungsmacht stehen. Meine Damen und Herren, zwei Seelen wohnen in der einen Brust der großen Koalition, die sich vor unseren Augen hier über die Frage streitet, ob die Legislaturperiode der beiden Landtage in Baliagen und in Freiburg entgegen den bestehenden Verfassungen
verlängert werden oder nicht.
— Aber Ihr Landtag wohnt doch auf dem Dorf, Herr Kollege Schmid, nicht in Tübingen.
Meine Damen und Herren! Um nun diese beiden Standpunkte mit dem Glorienschein verfassungsrechtlicher Herkunft zu umgeben, streiten sich hier, wie Sie gehört haben, die Leute und wollen, jeder für sich, die Bundesverfassung für die Unterstützung ihres eigenen Standpunktes in Anspruch nehmen. Es wird aber beiden Parteien nicht gelingen, zu verheimlichen und zu vertuschen, daß das, was nun die Mehrheit des Hauses zu tun im Begriff ist, nichts anderes ist als ein glatter Verfassungsbruch.
Die Verfassung in den beiden Ländern schreibt
vor, daß die Legislaturperiode vier Jahre umfaßt.
Diesen Verfassungstext kann man nicht ändern,
auch nicht unter Berufung auf das Grundgesetz, auch nicht unter Berufung auf den Art. 118 des Grundgesetzes.
Sie sagen, Herr Minister Renner, Einbrüche in die Verfassung des Landes Württemberg-Hohenzollern und des Landes Baden seien darum zulässig, weil der Art. 118 den Bund dazu berechtige, eine Regelung der Südwest-Frage herbeizuführen, und zwar dann, wenn die betreffenden Länder selbst nicht dazu in der Lage sind. Der Herr Kollege Schmid wird noch etwas stärker und erklärt, ja, hier erweise sich der Grundsatz, daß das Bundesrecht Landesrecht bricht.
— Aber ich erinnere daran, daß der Art. 118 nur Vorschriften über die Regelung der Ländergrenzen bzw. über die Neuschaffung von Ländern im südwestdeutschen Raum enthält. Im Art. 118 gibt es aber keine Vorschrift darüber, daß die Legislaturperiode der beiden Landtage willkürlich verlängert werden kann. Sie machen sich die Sache einfach, Herr Kollege Schmid, indem Sie sagen: Was wir hier vorhaben, nämlich die willkürlicht Verlängerung der Legislaturperiode der beiden Landtage, das geschieht mit . dem Ziel der Regelung der Südwest-Frage, liegt also in der Linie der Absichten des Art. 118. Das ist reine Phantasie. Der Bund hätte, wenn er wollte, die Möglichkeit, auf Grund des Art. 118 des Grundgesetzes eine Regelung der Ländergrenzen durch Gesetz herbeizuführen. Er hat aber nicht das Recht, die Legislaturperiode der beiden Landtage willkürlich zu verlängern. Ich widerspreche ganz entschieden der Behauptung, daß das sogenannte Blitzgesetz und das, was dahintersteht, mit dem Grundgesetz bzw. mit dem Art. 118 des Grundgesetzes in Einklang zu bringen ist.
Meine Damen und Herren, in der Begründung wurde noch etwas anderes angeführt: die drei Länder im Südwesten verdanken ihre Existenz nicht dem Willen der deutschen Bevölkerung, sondern den Beschlüssen und den Direktiven militärischer, politischer und wirtschaftlicher Art der Besatzungsmächte. Das ist richtig. Aber es ist kühn zu behaupten, daß das, was Sie jetzt hier über den Willen der Bevölkerung in diesen beiden Ländern hinweg dekretieren wollen, eher dem Willen der Bevölkerung entspreche als die künstliche Ziehung der Zonengrenzen im Jahre 1945.
Ich möchte deshalb erklären: erstens: es ist richtig, daß jene Länder im Südwesten Deutschlands einem Willkürakt der Besatzungsmächte ihr Dasein verdanken.
— Das hat mit dem Potsdamer Abkommen gar nichts zu tun. Es ist richtig, daß die künstliche Grenzziehung im Südwestraum Westdeutschlands nicht dem Willen der Bevölkerung entspricht und darum sobald als möglich abgeändert werden sollte.
Zweitens: Der Plan des Südweststaates, der von gewisser Seite als Nachfolgelösung empfohlen wird, entspricht ebensowenig dem Willen der Bevölkerung. Dieser Plan verdankt sein Dasein gleichfalls den Intentionen der Besatzungsmächte.
Die Bevölkerung in diesen Ländern hat ein Interesse daran, daß die alten Länder Baden und Württemberg wieder in der Form erstehen, wie sie der
historischen und wirtschaftlichen Tradition entspricht.
Aber sie glaubt, daß dies mit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands verbunden sein muß. In einem geeinten Deutschland haben die wiederhergestellten alten Länder Württemberg und Baden ihren Platz.
Drittens: Wir sind der Auffassung, daß die willkürliche Verlängerung der Legislaturperiode in den beiden Ländern einen Verfassungsbruch darstellt. Diesen Verfassungsbruch muß man auf das schärfste zurückweisen. Wenn man eine Erklärung sucht, dann ist sie vielleicht darin zu finden, daß es Leute gibt, die im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt keine Wahlen wollen, weil sie befürchten, daß die Menschen in den Wahlversammlungen andere Fragen in den Mittelpunkt stellen als die Frage der neuen Grenzziehung, nämlich die Frage der Remilitarisierung und der Kriegswirtschaft, unter der wir zu leiden haben.