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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1951 4947 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 4948B, 5017D Änderungen der Tagesordnung 4948B Zur Geschäftsordnung: Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4948C Dr. Wuermeling (CDU) 4949A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern (Nm. 2057, 2071, 2088 der Drucksachen) 4949B Dr. Nevermann, Bürgermeister von Hamburg, Berichterstatter . . . . 4949B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4950D Renner, Innenminister des Landes Württemberg-Hohenzollern . . . 4952C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 4953C Euler (FDP) 4955A Fisch (KPD) 4955D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 4957B Beschlußfassung 4957D Zur Geschäftsordnung (betreffend Polizeimaßnahmen auf Zugangsstraßen zum Bundeshaus): Loritz (WAV) 4958A, 4959C Präsident Dr. Ehlers 4958C, D, 4959B, 4959C Dr. Arndt (SPD) 4958D Renner (KPD) 4959A Eickhoff (DP) 4959C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung der Reichsmarksparguthaben heimatvertriebener Sparer (Nr. 2015 der Drucksachen) 4959D Wackerzapp (CDU), Antragsteller . 4959D Tichi (WAV) 4962A Trischler (FDP) 4962D Kuntscher (CDU) 4964B Dr. Leuchtgens (DP) 4965C Dr. Bertram (Z) 4965D Seuffert (SPD) 4966C Dr. Besold (BP) 4967B Loritz (WAV) 4967B Ausschußüberweisung 4967D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung überholter steuerrechtlicher Vorschriften (Nr. 2054 der Drucksachen) 4967D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Berichterstatter 4968A Ausschußüberweisung 4968C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevor- ratung (Nr. 2059 der Drucksachen) . . 4968C Ausschußüberweisung 4968D Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nrn. 1287, 1882, zu 1882 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 1996 [neu] der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 92) . . . 4968D Kühn (FDP), Berichterstatter . . . . 4968D Arnholz (SPD) 4970B, 4971A Wackerzapp (CDU) 4970C Abstimmungen 4970A, B, 4972C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (Nr. 1917 der Drucksachen) 4972D Heiland (SPD), Berichterstatter . 4973A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 4973D Wehner (SPD) 4976A Fisch (KPD) 4979A Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 4980C Brookmann (CDU) 4981C Dr. Reif (FDP) 4982B Mellies (SPD) 4983A Beschlußfassung 4983C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nrn. 1306, zu 1306 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2075 der Drucksachen, Um- druck Nr. 108) 4983C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 4983C Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter . . . . 4984C, 4990A, 4992A, B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4987C, 5001A Dr. Lukaschek, Bundesminister für ' Angelegenheiten der Vertriebenen 4989A Dannemann (FDP) 4989D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) 4990B, D, 4994C, 4997C, 5012D, 5014C, 501'7A Dr. Wuermeling (CDU) : zur Sache. . . . . 4990B, 4996A, 5003A, 5007C, 5013D, 5014C, 5015B zur Geschäftsordnung . . . 5011B, 5017B von Thadden (DRP) 4990C, 499'7B, 5012A Farke (DP) 4991B, 5005D, 5015C Dr. Trischler (FDP) 4991C Dr. Miessner (FDP) . . . . 4995B, 4996D Freiherr von Aretin (BP) 4996C, 5012B, 5013B Matzner (SPD) 4998D, 5000D, 5009D, 5013A, 5013A, 5015A, 5016D Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP): zur Sache . . 5001C, 5009C, 5009C, 5012C 5014A, 5015A zur Geschäftsordnung 5017A Lücke (CDU) 5002B Henßler (SPD) 5002C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5004A, 5008D, 5010A Mellies (SPD) 5004C, 5011A Kuntscher (CDU) 5006C Dr. Horlacher (CSU) 5007B Dr. Dresbach (CDU) 5007D Dr. Kather (CDU) 5009A Fröhlich (BH-DG) . . 5010A, 5011C, 5016D Loritz (WAV) (Zur Geschäftsordnung) 5010D Gundelach (KPD) 5013C, 5016A Abstimmungen . . . 4989C, 4990C, 4991B, 4992B, 4995A, 4997A, 4998B, 5010C, 5011A, B, 5012D, 5013A, B, D, 5014A, D, 5015C, D, 5017A Weiterberatung vertagt 501'7D Nächste Sitzung 5017D Die Sitzung wird um 13 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Das Verfahren der Bundesregierung bringt uns in eine gewisse Schwierigkeit, da nach § 9 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses vor der Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Erklärungen abgegeben werden können. Der Bundestag hat das bisher immer so ausgelegt, daß eine Aussprache über den Antrag des Vermittlungsausschusses nicht zulässig sein soll. Die Tätsache, daß die Bundesregierung eine Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt naturgemäß, daß in gleicher Weise Erklärungen aus dem Haus oder vom Bundesrat abgegeben werden.
    Für den Bundesrat hat zunächst ums Wort gebeten der Herr Innenminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, Herr Renner. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
    Renner, Innenminister des Landes WüttembergHohenzollern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Land Württemberg-Hohenzollern, für das ich spreche, hat den Vorschlag gemacht, die Legislaturperiode der Landtage in Tübingen und Freiburg zu verlängern. Nach den Ausführungen. des Herrn Bundesinnenministers haben drei Fragen im Kabinett zur Erörterung gestanden, von denen zwei bejaht worden sind und die dritte verneint worden ist.
    Die erste Frage: Sind Einbrüche in die Verfassung möglich? wurde bejaht. Das ist auch ganz selbstverständlich, denn Art. 118 bestimmt, daß der Bund die Neuregelung vornehmen kann, wenn eine Ländervereinbarung nicht zustande kommt. Die Ländervereinbarung ist nur dadurch möglich, daß die Regierungen der einzelnen Länder ihre Verfassungen wahren, so daß also die Einigung der drei Länder daran scheitern kann, daß sie nicht in verfassungsmäßiger Weise vollzogen werden kann. Wenn das ein Grund der Unmöglichkeit ist, dann muß tatsächlich der Bund, der Bundestag in dieser Frage über die Verfassungen der Länder hinweggehen können.
    Die zweite Frage, ob eine stufenweise Regelung möglich ist, hat der Herr Bundesinnenminister ebenfalls bejaht, und sie ist auch zu bejahen. Es ist allerdings ein gewisser Widerspruch, wenn man diese zweite Frage bejaht und dann die dritte verneint. Bei der dritten Frage ging es darum, daß jedes Gesetz die Neugliederung zum Ziele haben müsse. Das kann ich ohne weiteres unterschreiben. Ich behaupte aber, daß dieses erste Gesetz die Neugliederung zum Ziele hat; denn die Regelung einer Neugliederung besteht ja nicht nur darin, daß man die Neugliederung vornimmt, sondern sie besteht auch darin, daß man zunächst alle Hindernisse, die ihr im Wege stehen, aus dem Wege räumt.
    . (Sehr richtig! rechts.)

    'Da eine Häufung der Abstimmungen dem demokratischen Gedanken abträglich sein kann, unter bestimmten Umständen sogar abträglich sein muß und eine Neuregelung erschwert, das dürfte außer Frage stehen. Ich behaupte also, daß dieses Gesetz den von der Bundesregierung verlangten Zweck erfüllt. Es hat die Neugliederung insofern zum Ziele, als es wesentliche Hindernisse, die dieser Neugliederung entgegenstehen, ausräumen will.
    Wenn nun noch behauptet wird, diese Regelung müsse ihrem objektiven Gehalt nach ein Teil der Neugliederung sein, so ist das gleichbedeutend mit der Frage: Kann der Bund nur das Notwendige oder darf er auch das Zweckmäßige tun? Und, meine Damen und Herren, im Gesetz ist ein solcher Unterschied überhaupt nicht gemacht. Das Gesetz berechtigt nicht dazu zu sagen: er darf nur das Notwendige tun und muß das Zweckmäßige unterlassen. Wenn man diese Frage richtig beantworten will, so muß man davon ausgehen, wie diese Verfassungen zustande gekommen sind. Die Bildung dieser Länder entsprach keineswegs dem Willen der Bevölkerung, .

    (Abg. Bausch: Sehr richtig!)

    sondern diese Länder sind unter dem Zwang der damaligen Verhältnisse entstanden.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig! Andere auch!)



    (Renner)

    Als man die Verfassungen beschloß, haben die Abgeordneten aller drei Länder schon den Gedanken gehabt, diese Regelung bei der ersten besten Gelegenheit wieder zu ändern,

    (Abg. Bausch: Sehr richtig!)

    und sie haben bei dem Beschluß über ihre Verfassungen nie daran gedacht, daß die Verfassungsbestimmungen einer solchen schnellen Regelung im Wege stehen sollten. Württemberg-Baden war in der Lage, eine Bestimmung in seine Verfassung aufzunehmen, die diesen Zusammenschluß wieder erleichterte. Die Länder der französischen Zone konnten das nicht; sie hätten es gern getan — wenigstens unser Landtag in Württemberg-Hohenzollern —, wenn es damals möglich gewesen wäre.
    Wenn man von diesem Gedanken ausgeht, dann muß man fordern, daß die Bestimmungen unserer Verfassung und des Grundgesetzes so ausgelegt werden, daß dem Wunsche der Bevölkerung im ganzen Südwestraum nach einer Neuregelung keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, sondern daß diese Regelung erleichtert wird.

    (Zurufe von der Mitte: Sehr richtig! Sehr gut!)

    Es sei mir gestattet anzudeuten, daß bei manchen Gegnern dieser Regelung wohl im Unterbewußtsein nicht die juristischen Gründe das Wesentliche sind, sondern politische Momente.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich möchte allerdings ausdrücklich sagen: ich glaube, daß das nur im Unterbewußtsein der Fall ist und daß das nicht ins Bewußtsein heraufgehoben wurde.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Also ist es keine Sünde!)

    — Nein, von Sünde ist keine Rede. Aber es ist falsch, und man soll solchen Regungen nicht nachgeben. Man soll in diesen Dingen überhaupt nicht so juristisch vorgehen, als ob — das darf ich als Tübinger wohl sagen — der bekannte Rechtsgelehrte Philipp Heck, der Vater der Interessenjurisprudenz, nicht gelebt hätte. Man macht ja häufig die Erfahrung, daß gerade im öffentlichen Recht die Begriffsjurisprudenz noch viel größere Triumphe feiert als im Zivilrecht. Und davon sollte man absehen. Ich glaube, man hat diese juristischen Bedenken, die jetzt vorgetragen werden, bei dem Beschluß des Gesetzes nicht so sehr berücksichtigt, so daß es vielleicht gerechtfertigt ist, wenn ich das Verfahren mit dem Satz charakterisiere: Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges stets bewußt.

    (Sehr gut! — Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, Sie waren auf dem rechten Weg, und ich bitte Sie, sich nicht durch die grellen juristischen Scheinwerfer blenden und von diesem rechten Weg abbringen zu lassen. Bleiben Sie bei dem Gesetz!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP. — Abg. Dr. Horlacher: Sehr gut ausgedrückt! — Abg. Renner: „Der Zweck heiligt die Mittel", kann man da auch sagen!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, es wird nötig werden, daß wir uns über den sachlichen Unterschied zwischen einer Aussprache und der Abgabe von Erklärungen gelegentlich einmal Gedanken machen. Im Augenblick hören wir Erklärungen. Ich stelle das ausdrücklich fest.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Zu einer weiteren Erklärung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schmid.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergreife das Wort nicht zu einer Er klär u n g, sondern in einer A u s s p r a c h e über die eben abgegebene Erklärung der Bundesregierung.

    (Abg. Bausch: Sehr richtig!)

    Ich glaube, s o ist die geschäftsordnungsmäßige Situation. Jedesmal, wenn die Bundesregierung eine Erklärung abgibt, hat dieses Haus das Recht, diese Erklärung zu diskutieren.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir diskutieren nicht und debattieren nicht über die Vorteile oder Nachteile des Vorschlags des Vermittlungsausschusses, sondern über den Grad der Wohlbegründetheit der Erklärung, die der Herr Bundesinnenminister soeben im Auftrag der Bundesregierung abgegeben hat.
    Wenn ich an den letzten Satz in der Rede meines Freundes, des Herrn Innenministers von Württemberg-Hohenzollern, anknüpfen darf: Wir wollen uns durch die Scheinwerfer der Jurisprudenz nicht blenden lassen, — nein! Wir wollen aber mit ihren Scheinwerfern den Tatbestand erhellen, so daß wir die Dinge klarer erkennen. Wir werden dann sehen, daß sie sehr viel einfacher liegen, als es offenbar die Meinung der Justitiare der Bundesregierung ist.
    Es kann kein Zweifel bestehen: Unser Grundgesetz steht auf dem Standpunkt der Verfassungsautonomie der Länder. Der Bund hat den Ländern keine Verfassungen zu machen. Er hat ihnen ihre Verfassungen auch nicht zu genehmigen. Die Schranken für die Verfassungsautonomie der Länder sind in Art. 28 des Grundgesetzes erschöpfend aufgezählt. Wenn ein Land sich eine Verfassung gibt, die diesem Artikel widerspricht, dann gilt diese eben insoweit nicht, als sie diesem Art. 28 widerspricht. Auf der anderen Seite: wenn der Bund im Rahmen seiner grundgesetzlichen Zuständigkeit ein Gesetz erläßt, dann gilt dieses Gesetz in den Ländern und für die Länder auch dann, wenn eine Landesverfassung diesem Gesetz entgegenstehen sollte. Insoweit bricht Bundesrecht Landesrecht, auch Landesverfassungsrecht.
    Nun ist die Frage, ob Art. 118 des Grundgesetzes dem Bund eine solche Zuständigkeit gibt. Der Bund hat nach Art. 118 die Zuständigkeit erhalten, die staatliche Neugliederung im Südwestraum durch ein Bundesgesetz vorzunehmen. Der Bund ist in den Maßnahmen, die er dafür für erforderlich hält, völlig frei. Die einzige Vorschrift, an die er durch das Grundgesetz gebunden ist, ist, daß das Neugliederungsgesetz eine Volksbefragung vorsehen muß. Das Grundgesetz schreibt nicht einmal vor, in welcher Weise dem Ergebnis dieser Volksbefragung Rechnung zu tragen ist.
    In dem Bundesgesetz über die Neugliederung ist natürlich auch das Verfahren dieser Neugliederung zu regeln, und zu dieser Verfahrensregelung gehört die Schaffung der Institutionen, die der Bundesgesetzgeber für erforderlich hält, um die Neugliederung gesetzmäßig und zweckmäßig durchführen zu können. Es kann keinem Zweifel unterliegen — und wenn ich recht verstanden habe, steht dies auch für das Kabinett außer Zweifel —, daß es z. B. zur Durchführung der Neugliederung gehört, zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Organe der jetzigen Länder in der Übergangszeit


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    — und die Übergangszeit beginnt mit dem Erlaß des Neugliederungsgesetzes — zu funktionieren haben. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß das Neugliederungsgesetz von sich aus in den drei Ländern bestimmte neue Organe für die Interimszeit schaffen könnte. Es hat es auch getan: der Ministerrat und anderes darin Vorgesehenes sind ja Länderorgane, die in den Länderverfassungen nicht vorgesehen sind. Und daß es sich um eine Interims zeit handelt, ist doch ganz offenkundig; denn unter gar keinen Umständen werden, nachdem der Mechanismus des Neugliederungsgesetzes abgelaufen ist, die Länder WürttembergBaden, Baden und Württemberg-Hohenzollern weiter bestehen. Entweder wird es den Südweststaat geben oder Württemberg im alten Sinne mit Hohenzollern und Baden im alten Sinne. Auf jeden Fall also ist der Zustand der drei Länder vom Erlaß des Neugliederungsgesetzes ab bis zu seiner Abwicklung ein Interimszustand. Mit dem Erlaß des Neugliederungsgesetzes steht somit fest, daß innerhalb der darin vorgesehenen Fristen die heutigen Länder Württemberg-Baden, WürttembergHohenzollern und Baden in ihrer heutigen Gestalt und mit ihren heutigen Verfassungen untergehen werden.

    (Abg. Dr. Horlacher: Aber nur in ihrer Gestalt, sonst nicht!)

    — Auch in den Verfassungen, meine ich. Aber wir können uns über die Frage von Form und Materie heute nicht ausgiebig genug unterhalten, Herr Kollege.
    Wenn es aber dem Bund möglich ist, auf Grund des Art. 118 einmal diese drei Länder untergehen zu lassen und dann die Organe zu bestimmen, die vom Erlaß des Neugliederungsgesetzes ab bis zur Durchführung der Neugliederung in den heutigen Ländern wirken sollen, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Neugliederungsgesetz — und damit sachlich zusammenhängende Rechtsvorschriften — auch die Legislaturperioden der Landtage von Württemberg-Hohenzollern und Baden verlängern könnte. Eine solche Maßnahme ginge ja doch nicht weiter, als wenn das Neugliederungsgesetz bestimmt hätte — was es ja tun könnte —, daß von seiner Verkündung ab an die Stelle gewisser verfassungsmäßig vorgesehener Einrichtungen in den drei Ländern andere Einrichtungen treten sollten.
    Das Neugliederungsgesetz hätte doch zweifellos bestimmen können: Die Landtage hören auf, an ihre Stelle tritt ein anderes Organ, das allerdings den Voraussetzungen des Art. 28 zu entsprechen hätte. Die Verlängerung der Legislaturperioden der Landtage bedeutet aber nichts anderes, als daß in Ausführung des Art. 118 die jetzigen Landtage die Funktion der Gesetzgebung und der Regierungskontrolle für diese Übergangszeit und zeitlich begrenzt ausüben sollen. Wenn es möglich gewesen wäre, hierfür neue Organe zu schaffen, dann ist es doch erst recht möglich, die jetzt schon bestehenden Einrichtungen in ihrer Wirksamkeit zu verlängern. -
    Nun wird gesagt: Schön, das ist richtig, aber es besteht kein innerer Zusammenhang zwischen dem sogenannten Blitzgesetz und der in Art. 118 vorgesehenen Operation. Meine Damen und Herren, ich gestehe, daß ich soviel juristischem Scharfsinn zu folgen außerstande bin. Zu welchem anderen Zweck hat man denn dieses Gesetz erlassen als zu dem Zweck, den Art. 118 durchzuführen? Es kann doch nicht von irgendwelcher Bedeutung sein, ob diese Bestimmungen in zwei Gesetzen stehen oder ob man sie redaktionell in einem Gesetz zusammenfaßt. Das sind doch keine juristischen Argumente mehr!
    Auf der anderen Seite muß ich mich dagegen wehren, wenn gesagt wird, daß die Überschrift eines Gesetzes ohne Rechtserheblichkeit sei. Warum stimmen wir denn dann hier immer über Einleitung und Überschrift eines Gesetzes ab?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Überschrift ist ein Teil des Gesetzes, sie qualifiziert das Gesetz, und das Gesetz ist unter Umständen von seiner Überschrift aus auszulegen; es bekommt möglicherweise erst durch sie seinen Sinn und wird erst dadurch verwendbar.

    (Sehr gut!)

    Die Regelung, die das Haus beschlossen hat und die der Vermittlungsausschuß vorschlägt, ist vernünftig. Sie wird auch von den Beteiligten gewollt; sie ist auch von unserem badischen Kollegen im Ausschuß gewollt worden; auch er ist für diese Regelung eingetreten. Der Landtag von Württemberg-Hohenzollern hat sie nachträglich ausdrücklich bestätigt. Weswegen der Herr badische Staatspräsident noch Bedenken gefunden hat, weiß ich nicht.

    (Abg. Mellies: Der hat immer Bedenken!)

    Es wäre vollkommen sinnlos, zwei Volksabstimmungen und eine Wahl binnen drei Monaten durchzuführen. Ich glaube, damit würden wir dem Ansehen des demokratisch-parlamentarischen Systems nur schaden können. Wahlbeteiligungen von 10 und 5 °/o, die wir dann bekämen, trügen doch sicher nicht zur Steigerung des Ansehens unseres parlamentarischen Systems bei.
    Ich stelle hier fest: Niemand will, daß Bundesmacht den Ländern gegenüber mißbräuchlich angewandt wird, und jeder weiß, daß hier nichts anderes gewollt wird als etwas Vernünftiges, zu dem das Grundgesetz uns die Möglichkeit gibt. Will man denn unbedingt Vernunft zu Unsinn werden lassen?
    Und nun noch zwei Dinge. Man hat mir gesagt — der Herr, der es mir sagte, 'sollte es eigentlich wissen —, im Kabinett werde die Auffassung vertreten, es bestehe die Möglichkeit, daß der Herr Bundeskanzler dem von uns etwa zu beschließenden Gesetz die Gegenzeichnung verweigert oder gar daß man sich weigern könnte, den Gesetzesbeschluß an den Herrn Bundespräsidenten zur Ausfertigung weiterzuleiten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wenn solches beabsichtigt sein sollte, müßte dieses Haus dagegen energisch protestieren!

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat gegenzuzeichnen, wenn festgestellt ist, daß das im Grundgesetz für die Gesetzgebung vorgesehene Verfahren getreulich eingehalten worden ist. Dasselbe gilt für die Ausfertigung durch den Herrn Bundespräsidenten. Weder der Herr Bundeskanzler noch der Herr Bundespräsident sind etwas wie Organe eines Vorverfahrens, das etwa einem Verfassungsgerichtshofverfahren vorgeschaltet wäre; sie haben nicht die Möglichkeit zu sagen: Dieses Gesetz erachten wir materiell für verfassungswidrig, also zeichnen wir nicht gegen und fertigen wir nicht aus. Sie haben zu prüfen, ob alles geschehen ist, was das Grundgesetz für einen Gesetzesbeschluß vorschreibt. Und


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    daß das vorgeschriebene Verfahren hier eingehalten worden ist, darüber kann doch kein Zweifel bestehen!

    (Beifall bei der SPD.)