Meine Damen und Herren, für die nachfolgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Dr. Becker [Hersfeld] : Meine Damen und Herren! Der Antrag, über den der Ausschuß jetzt beschlossen hat, stammt aus dem Herbst 1949. Es fällt mir aber nicht ein, deshalb den Ausschußmitgliedern vorzuwerfen, sie hätten ihrerseits absichtlich die Arbeit daran verschleppt. Der Antrag verfolgt den Zweck: einmal soll das Material gesichtet werden, das sich auf die Genehmigungen im Grundstückswesen, bei Grundstücksverkäufen, -verpachtungen usw. bezieht, und anschließend sollen die Konsequenzen gezogen werden, die zu ziehen notwendig ist, um die Dinge zu regeln.
Ich will Ihnen einmal an einem Beispiel, wie es jeder Notar und jedes Grundbuchamt täglich ein paar Mal erlebt, schildern, wie die Dinge in Wirklichkeit verlaufen. Nehmen Sie an, in einer kleinen Stadt hat ein Landwirt ein Anwesen. Er will einen Bauplatz, ein Stück Land oder einen Garten dazu an eines seiner Kinder übergeben. Das vollzieht sich folgendermaßen: Wenn er den Vertrag glücklich gemacht hat, dann muß dieser Vertrag, wenn in der betreffenden Gemeinde das Wohnsiedlungsgesetz von 1933 gilt, erst dem Landrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Wenn die Genehmigung erteilt ist, bekommt er sie nicht gleich ausgehändigt, sondern er erhält zunächst einen Brief, worin er aufgefordert wird, soundso viel Gebühren zu bezahlen. Wenn er die Gebühren bezahlt hat, wird ihm die Genehmigung ausgehändigt. Dann geht die Geschichte an die Preisstoppbehörde weiter, obwohl — weil Schenkung — kein Preisstopp in Frage kommen kann. Beim Kauf ginge sie mit Recht dahin. Die Preisstoppbehörde arbeitet einige Wochen daran. Oft sind die Preisstoppbehörden mit Leuten besetzt, die von der Gegend keine Ahnung haben und gar nicht wissen, wie die Preise in der Vergangenheit dort gewesen sind. Es gibt dann die größten Komplikationen.
Eine weitere Genehmigung, die nötig ist: Nehmen Sie an, der Betreffende, der das Anwesen oder das Grundstück seinem Sohn übergibt, hat sich vor fünfzehn Jahren mal in Entschuldungsverfahren befunden. Dann muß das Entschuldungsamt noch seinen Segen dazu geben. Das dauert wieder drei oder vier Wochen. Außerdem muß er nach einem Gesetzgebungswerk, das seinen Ursprung in der Nazizeit hat, nämlich nach dem verbesserten Erb-hofrecht, das an sich offiziell aufgehoben, aber durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 meiner Ansicht nach noch verschlimmert ist — verschlimmert im Sinne der vice-versa-Betreuung der Nazimethoden —, nun die Genehmigung entweder des Kreislandwirts oder des Bauerngerichts einholen. Sie werden sagen, es ist sehr gut, daß die Bauern dabei noch mitsprechen. Ich will Ihnen sagen, daß in dem Gesetz steht, man könne von vornherein
4832 Deutscher Bundestag — Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951
darauf verzichten, daß das Bauerngericht die Bauern als Beisitzer überhaupt herholt; der Vorsitzende kann dann allein entscheiden, und das, was der angebliche Vorzug dieses Bauerngerichts sein soll, ist ins Gegenteil verkehrt. Im übrigen: Warum muß überhaupt ein Mensch den anderen in Deutschland betreuen? Es ist seit der Nazizeit Mode geworden, daß eine Hälfte des deutschen Volkes immer die andere Hälfte betreuen muß.
Kommen nun, wie der Herr Berichterstatter erwähnte, noch die landesgesetzlichen Aufbaugesetze hinzu und die landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen zum Kontrollratsgesetz Nr. 45, dann müssen noch alle möglichen sonstigen Genehmigungen eingeholt werden. Z. B. muß der Verzicht auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde eingeholt werden, wenn schon ein sogenannter Baugebietsplan, also ein erweiterter Fluchtlinienplan in der Gemeinde besteht. Bitte, rechnen Sie sich jetzt einmal zusammen, wieviel Zeit bei Innehaltung dieser Fristen vergeht, bis alle diese Genehmigungen erteilt sind. Es sind Zeiträume von zwischen drei bis acht Monaten, was Ihnen jeder Notar und jedes Grundbuchamt bestätigen kann.
Und nun — das wird den Herrn Wohnungsbauminister interessieren — ist die Frage zu stellen: Müssen diese Genehmigungen alle sein, müssen all diese Verzögerungen sein, bis der Betreffende zu seinem Bauplatz kommt, und müssen bei der Geschichte all diese überflüssigen Gebühren entstehen, oder lassen sich die Dinge nicht einfacher machen?
Ziel meines Antrags war, gerade im Hinblick auf die Bauplatzbeschaffung, aber auch sonst zur Entlastung des Grundbuchverkehrs einmal. eine Sichtung des gesetzgeberischen Materials herbeizuführen. Das Ganze ist ein großer Wirrwarr von Paragraphen. Wenn Paragraphen glücklich machen könnten, meine Damen und Herren. dann müßte auf diesem Gebiet des Grundstücksverkehrs Deutschland das glücklichste Land der Welt sein. Die Wirklichkeit aber hat gezeigt, daß Monat um Monat vergeht, bis ein Eigentümer nur als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann. Das Ganze ist ein Irrgarten von gesetzlichen Vorschriften. Wenn ein Irrgarten verwachsen und verwildert ist, muß man ihn herunterbrennen, und wenn dann Platz geschaffen ist, muß etwas Gescheites, Neues, Übersichtliches, Einfaches und Klares darauf erstellt werden.
Das war das Ziel meines Antrages. Meine Worte sollten nur einmal die Aufmerksamkeit all derjenigen Stellen, die mit der Durchführung zu tun haben, insbesondere die des Justizministeriums und Wohnungsbauministeriums, auf diese vielen Überflüssigkeiten und auf die Notwendigkeit lenken, hier Ordnung zu schaffen und diese Dinge zu beseitigen.