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ID0112401800

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    Deutscher Bundestag — 124. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. März 1951 4733 124. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 4734A, 4746C, 4756D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzen über Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden 4734B Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände . 4734B Vermittlung der Annahme an Kindes Statt 4734B Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung . . . 4734B Anleihegesetz von 1950 4734B Verlängerung der Geltungsdauer des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes 4734B vermögensrechtliche Verhältnisse der Bundeswasserstraßen 4734B Sammlung von Nachrichten über Kriegsgefangene, festgehaltene oder verschleppte Zivilpersonen und Vermißte 4734B Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen (Nr. 2010 der Drucksachen) 4734B Anfrage Nr. 155 der Zentrumsfraktion betr. Gewerkschaft Elwerath (Nrn. 1809, 2009 der Drucksachen) 4734C Anfrage Nr. 162 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Vergünstigung für die im Ring der politischen Jugend zusammengeschlossenen parteilichen Jugendgruppen (Nrn. 1943 und 2012 der Drucksachen) 4734C Änderungen der Tagesordnung 4734C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen (Nrn. 1972, 2010, 2011 der Drucksachen) . . . . 4734C Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter 4734D Beschlußfassung 4'735B Erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes (Nr. 1998 der Drucksachen) 4735B Ausschußüberweisung 4735C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nr. 1618 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene (22. Ausschuß) (Nr. 1987 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 95) . . . 4735C Pfender (CDU), Berichterstatter . . 4735D Tichi (BHE-DG) 4737A Kuntscher (CDU) 4738A Priebe (SPD) 4739B Dr. Zawadil (FDP) 4740B Dr. Fink (BP) 4741C Willenberg (Z) 4742C Tobaben (DP) 4743A Müller (Frankfurt) (KPD) 4743D Paschek (WAV) 4744D Strauß (CSU) 4745A Abstimmungen 4745D Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Oellers, Schröter u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundeshilfe für das Land SchleswigHolstein im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1867 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2000 der Drucksachen) 4746C Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter 4746D Abstimmungen 4748D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals (Nrn. 1329, 1830 der Drucksachen) 4749A Schulze-Pellengahr (CDU), Berichterstatter 4749B Abstimmungen 4750A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Neugliederung des Bundesgebietes (Nr. 1966 der Drucksachen) . . . 4750A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 4750B Bettgenhäuser (SPD) 4751B Mehs (CDU) 4752A Beschlußfassung 4752B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Sicherungsmaßnahmen für den sozialen Wohnungsbau 1951 (Nr. 1970 der Drucksachen) 4752B Erler (SPD), Antragsteller 4752C Huth (CDU) 4754C Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 4756A Ausschußüberweisung 4756D Nächste Sitzung 4756D Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Walter Zawadil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind immerhin vier Jahre vergangen, bis die Initiative zur Schaffung von Maßnahmen zur Beseitigung der einseitigen Verlagerung und Verteilung der Heimatvertriebenen im Bundesgebiet ergriffen wurde. Die Regierungsverordnung vom 29. November 1949 zielte darauf ab, aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 300 000 Vertriebene nach den unterbelegten Ländern umzusiedeln, und zwar bis zum 31. Dezember 1950. Wir wissen, daß bis heute — das hat schon mein verehrter Vorredner erwähnt — von den 300 000 'für die Umsiedlung Vorgesehenen nur rund 250 000 umgesiedelt wurden, wobei noch bei einigen tausend die Streitfrage besteht, ob sie als Umsiedler im Sinne der Verordnung angesehen werden oder ob sie als freiwillige Umsiedler oder Umwanderer betrachtet werden sollen. Nachdem die Grundsätze, nach denen dieses Problem gelöst werden soll, schon in der Debatte bei der ersten Lesung ausführlich behandelt worden sind, kann ich darauf verzichten, möchte aber auf einige Besonderheiten hinweisen, die im Zuge der bisherigen Behandlung
    der Regierungsverordnung aufgetaucht sind. Denn
    aus eben diesen Erfahrungen haben sich gewisse
    Formulierungen des vorliegenden Gesetzes ergeben.
    Die Aufnahmeländer fordern hohe Geldsummen zur Erstellung von Wohnraum für die Heimatvertriebenen. Sie machen also die Durchführung der Umsiedlung von der Erstellung von Wohnraum abhängig. Zur Frage des Wohnraums in den Aufnahmeländern möchte ich den Vertretern der Aufnahmeländer sagen: Wohnraumnot ist ein sehr relativer Begriff! Das, was man in Bayern, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein unter Wohnraumnot versteht, steht in gar keinem Verhältnis zu dem, was man hierorts darunter versteht.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Eine z. B. in Nordrhein-Westfalen unter den Begriff Wohnraumnot fallende Wohnung könnte bei uns in Bayern, wenn ich mich etwas kraß ausdrücken darf, als Palast bezeichnet werden. Ich glaube, man hat in den Aufnahmeländern noch nicht erlebt, daß man, wie es noch heute in den überfüllten Ländern der Fall ist, zu dem Mittel der Zwangseinquartierungen greifen muß, die unter polizeilicher Aufsicht vor sich gehen.
    Die bisherige Umsiedlung ist unter mancherlei fragwürdigen Begleiterscheinungen vor sich gegangen, in Bayern z. B. bestehen heute noch rund 300 Lager. Ich denke weiter an die Taktik der Kommissionen, die nur Arbeitsfähige, Ledige und bestimmte Fachgruppen auswählten. Die Auswirkung solcher Auslese für die Abgabeländer ist, daß dort zum großen Teil Fürsorgeempfänger, Rentner oder Kinderreiche zurückbleiben. Die Zahl der Fälle, daß Umsiedler in dem Aufnahmeland in Lager eingewiesen werden, ist nicht gering und schreckt nur ab; vielleicht soll die Lagereinweisung sogar dazu dienen, abzuschrecken. Dagegen sind bereits Versuche feststellbar, daß sich Aufnahmeländer durch Unterhändler um die Verlagerung ganzer Flüchtlingsbetriebe bemühen. Wir haben in Oberfranken Fälle festzustellen — und da wird mir vielleicht mein Kollege Herrmann von der SPD recht geben können —, daß Glasindustrien der Gablonzer schon im Begriff sind, mit Sack und Pack nach Württemberg umzusiedeln, und zwar außerhalb der Umsiedlungsquote. Das heißt praktisch, daß dort, wo man sich in Bayern bemüht hat, Zentren zu schaffen — leider Gottes sind es zwei, eines in Kaufbeuren und das andere im Fichtelgebirge — und langsam wieder organische Wirtschaftseinheiten entstehen zu lassen, man diese Wirtschaftseinheiten jetzt wieder zerreißt. Das ist eine Maßnahme, die unfruchtbar ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Der bisherige Verlauf der Umsiedlung läßt die
    immer häufiger auftretende Meinung verstehen,
    der man immer wieder begegnet, nämlich daß mit
    der Summe von Umsiedlungskosten plus Transportkosten plus Gelder für Wohnungsbau plus Kredite
    für neue Industrien, verteilt auf die bisher überfüllten Abgabeländer, diese wahrscheinlich die
    Möglichkeit hätten, die Probleme der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Heimtvertriebenen selbst zu lösen. Ich kann nicht prüfen,
    inwieweit diese Auffassungen richtig sind, aber
    man könnte diesen Auffassungen beinahe nähertreten, um so mehr als die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits die weitaus
    größten Erfahrungen in der Lösung des Problems
    der Heimatvertriebenen erworben haben. Leider
    müssen wir auf Grund der bisherigen Erfahrungen
    mit der Umsiedlung feststellen, daß sich selten ein


    (Dr. Zawadil)

    als Partikularismus überspitzter Föderalismus für das Gesamtinteresse der Bundesrepublik so nachteilig und für die gesunde Entwicklung so hemmend ausgewirkt hat wie bei der innerdeutschen Umsiedlung.

    (Zurufe: Sehr gut!) Föderalistischem Eigensinn und partikularistischer Engstirnigkeit ist energisch Einhalt zu gebieten, wo es um gesamtdeutsche Interessen geht. Zentrale Probleme sind nur durch zentrale Maßnahmen zu lösen!

    Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist der letzte Versuch, er bietet die letzte Möglichkeit, der Umsiedlung, die bisher so lendenlahm verlaufen ist, neuen Antrieb und, durch bisherige Erfahrungen vermehrt, neue Impulse zu verleihen. Meine Freunde und ich begrüßen den Gesetzentwurf. Als Angehöriger Bayerns bedaure ich zwar, im Gegensatz zu meinem Vorredner von der SPD, daß die ursprünglich in der ersten Verordnung vorgesehene Abgabequote in Höhe von 75 000 Umsiedlern aus Bayern nicht eingehalten wurde. Wenn man Bayern und Niedersachsen in wirtschaftlicher und soziologischer Hinsicht vergleicht, so ist festzustellen, daß der Prozentsatz der Heimatvertriebenen in Niedersachsen wohl höher ist, aber ich glaube, daß die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Niedersachsen etwas günstiger als in Bayern sind. Wir erkennen jedoch an, daß die augenblickliche Aufschlüsselung durchgeführt werden kann und auch ihre Berechtigung hat.
    Wir möchten insbesondere auf § 1 b der Vorlage hinweisen, wonach auch Pensions- und Rentenempfänger in entsprechendem Verhältnis Berücksichtigung finden sollen. In diesem Zusammenhange sei gesagt, daß es vielleicht förderlich gewesen wäre, von Anfang an so vorzugehen, daß die Summe aller Fürsorgelasten auf eine Bundesinstitution übertragen und von dort auf alle Länder entsprechend deren Prozentsatz an Fürsorgeempfängern anteilmäßig umgelegt wird. Dann hätte sich manches Aufnahmeland bisher nicht so geweigert, Renten- und Fürsorgeempfänger mit aufzunehmen. Eine solche Maßnahme wäre schon längst fällig gewesen, kann sich aber als Nachdruck für eine korrekte Durchführung des Gesetzes immer noch auswirken.
    Wir halten auch die §§ 4 a und 4 b für sehr wichtig und fruchtbar. Grundsätzlich möchten wir sagen, daß das Evakuiertenproblem nicht mit dem Umsiedlungsproblem verquickt werden kann. Dagegen erkennen wir an, daß das Evakuiertenproblem in einem Gesetz bearbeitet und gelöst werden müßte. Meine Freunde und ich schließen uns der vorliegenden Gesetzesfassung entsprechend den Beschlüssen des Ausschusses für Heimatvertriebene an und werden für das Gesetz stimmen. Ebenso bejahen wir, wie es bereits interfraktionell zum Ausdruck gekommen ist, den Abänderungsantrag der CDU.
    Für die weitere Behandlung dieses außerordentlich wichtigen Gesetzes aber möchten wir der Vorlage den Wunsch mit auf den Weg geben, der Bundesrat möge sich bei seiner Entscheidung vom Gesamtinteresse leiten lassen und nicht erneut die Rolle einer Gegenregierung gegenüber dem Bundestag spielen, wozu er schließlich nicht einmal im föderativen Grundgesetz ausersehen ist.

    (Allgemeiner Beifall.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Conrad Fink


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Parteifreunde und ich vermögen — erlauben Sie mir, Herr Kollege Tichi, daß ich das zu Beginn meiner Ausführungen sage - nicht einzusehen, welchen praktischen Nutzen für das Problem, das hier zur Debatte steht, polemische Ausführungen der Art haben sollen, wie sie hier von Ihrer Seite aus gemacht worden sind. Wir wollen kein politisches Kapital aus dem Heimatvertriebenen- und Flüchtlingsproblem schlagen.

    (Zuruf links: Das müssen Sie Fischbacher sagen!)

    Es handelt sich bei uns nicht darum, die Heimatvertriebenen „loshaben" zu wollen. Uns geht es um die Sache , uns geht es wirklich hierbei um den Menschen, sowohl um den Einheimischen bei uns als auch um den Heimatvertriebenen und den Flüchtling und schließlich auch um die Besserstellung des Loses der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Das wissen wir alle, daß Bayern heute einfach dieses Problem zu lösen nicht mehr imstande ist.
    Im übrigen, Herr Kollege Tichi, warum immer
    die alten Ladenhüter von Dr. Fischbacher usw.
    auftischen? Sprechen Sie doch mit uns selbst. Ich
    glaube, Sie werden bei uns Menschen finden, die
    ein aufgeschlossenes Ohr für diese Dinge haben.
    Auf dieser Ebene kann man besser verhandeln und
    auch zu einem Ergebnis kommen. Es war im
    übrigen, als am 24. Januar 1951 im Bayerischen
    Landtag die Interpellation der Bayernpartei über
    das Umsiedlungsproblem, über die Heimatvertriebenenfrage auf der Tagesordnung stand, eine
    weitgehende Übereinstimmung in der Auffassung
    der Interpellanten meiner Partei und des BHE-
    Staatssekretärs Prof. Dr. Oberländer festzustellen!

    (Beifall.)

    Die Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat schon zu wiederholten Malen dieses Hohe Haus beschäftigt, und ich kann und muß es mir ersparen, im einzelnen darauf einzugehen. Ich kann auf die Protokolle der Plenarsitzungen vom 23. März, 4. Mai und 13. Dezember 1950 verweisen.
    Grundsätzlich möchte ich aber klar und eindeutig folgendes aussprechen. Nachdem die Bundesregierung schon am 29. November 1949 eine Rechtsverordnung über die Umsiedlung der Heimatvertriebenen aus Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erlassen hatte und nachdem der Bundestag am 4. Mai des vergangenen Jahres fast einstimmig einer Umsiedlung von 600 000 Heimatvertriebenen zugestimmt hatte, die mit tunlichster Beschleunigung durchgeführt werden sollte, fragen wir uns heute — und, ich glaube, mit Recht —: Was ist denn in der Zwischenzeit nun wirklich geschehen und was ist in der Zwischenzeit in der Tat durchgeführt worden? Da lautet die Antwort und kann nur lauten, daß wir, nachdem wir eineinhalb Jahre gewartet haben, heute nur ein denkbar mageres Ergebnis zu verzeichnen haben, das sich für Bayern noch besonders mager darstellt, weil wir prozentual bis heute bei der Abgabe von Heimatvertriebenen an letzter Stelle gestanden haben, dabei aber den größten Prozentsatz an erwerbstätigen Heimatvertriebenen abgegeben haben, was schließlich auch bei der Betrachtung des ganzen Problems eine Rolle spielen dürfte.
    Herr Minister Lukaschek hat im Vorjahr schon erklärt — und die Regierung hat eine diesbezügliche Verordnung erlassen —, daß 1950 statt der


    (Dr. Fink)

    ursprünglich vorgesehenen Zahl von 600 000 nur 300 000 Flüchtlinge umgesiedelt werden könnten. Aber nicht einmal diese Zahl ist erreicht worden. Der Herr Minister hat die, schleppende Durchführung der Aktion u. a. damit zu begründen versucht, daß die sogenannten Aufnahmeländer erheblichen Widerstand gegen das ihnen auferlegte Soll leisteten. Sieht so — die Ausführungen des Herrn Kollegen Zawadil möchte ich nur begrüßen — der Föderalismus in Wirklichkeit aus? Was wäre geschehen, wenn 1945/46 auch Bayern einen solchen Widerstand geleistet hätte? Wie war es denn damals? Ich erinnere mich noch sehr gut, mit welchen Schwierigkeiten ich damals als Landrat in meinem nahe an der Grenze gelegenen Landkreis zu kämpfen gehabt habe, wo die Flüchtlinge zu Hunderten und Tausenden hereingeströmt sind, wo jede Woche Transporte mit 400 und 600 Flüchtlingen gekommen sind, die eine Nacht, vielleicht auch zwei Nächte, im Lager bleiben durften und dann in zwei oder drei Tagen in die Gemeinden hinausgebracht und dort untergebracht werden mußten. Da gab es keinen Widerstand, da gab es kein Nein, und da gab es auch keine Klagelieder à la Kater Hidigeigei, die die Steine hätten erweichen können.

    (Heiterkeit.)

    Wir mußten mit diesem Problem einfach fertig werden.
    Nun stehen wir also wieder am Anfang. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir über dieses Problem hier im Bundestag, ich möchte sagen, fast gerungen haben, stehen wir vor einem neuen Gesetzentwurf, der für das Jahr 1951 wiederum eine Gesamtumsiedlung von 300 000 Heimatvertriebenen vorsieht, wobei auf SchleswigHolstein 150 000, auf Niedersachsen 85 000 und auf Bayern entgegen der ursprünglichen Fassung — die Ausschußfassung stellt eine Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Fassung dar — statt 50 000 65 000 fallen. Diese Zahl ist wirklich bei unserer Anzahl von fast 2 Millionen Heimatvertriebenen in Bayern viel, viel zu gering. Sie entspricht bei weitem nicht dem zu behebenden Notstand Bayerns. Doch wir wollen darüber heute nicht weiter rechten und uns zunächst mit dieser Zahl abfinden. Aber wir verlangen, daß wenigstens damit raschestens einmal Ernst gemacht wird. Wir sind ja so bescheiden geworden.

    (Lachen und Oho-Rufe.)

    Im übrigen darf man nicht nur die relativen Zahlen ins Auge fassen, sondern muß auch an die absoluten Zahlen denken. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß Bayern bei einer Stammbevölkerung von etwa 8 Millionen nahezu 2 Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge beherbergt, wobei die Zahl der DPs und Evakuierten — das Problem ist heute auch schon angeschnitten worden — noch nebenher läuft.
    Schließlich noch ein kurzer Hinweis auf die Familienzusammenführung. Der neue Gesetzentwurf sieht für Bayern 65 000 Umzusiedelnde vor. Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß uns die Familienzusammenführung des vergangenen Jahres nahezu 40- bis 45 000 Neuzugänge gebracht hat. Was bleibt dann praktisch noch von diesen 65 000? Kaum ein nennenswerter Bruchteil all dessen, was wir bis jetzt verlangt haben und was wir mit Fug und Recht verlangen können. Das praktische Ergebnis ist also fast gleich null.
    Wenn meine politischen Freunde und ich trotz aller schwerwiegenden Bedenken dem Entwurf in
    der jetzt vorliegenden Fassung zustimmen, so deswegen, weil wir die Erwartung hegen, daß damit nun wenigstens endlich einmal Ernst gemacht wird. Wir möchten aber heute schon betonen, daß es dabei nicht bleiben kann, und wir möchten Herrn Minister Lukaschek und die gesamte Bundesregierung auffordern, alles zu tun, um dieses Problem für Bayern so zu lösen, wie wir es nicht nur von unserem eigenen Interesse aus, sondern vom Standpunkt der Gerechtigkeit und vom Standpunkt des im Grundgesetz verankerten Föderalismus aus wirklich fordern können.

    (Beifall bei der BP.)