Herr Präsident! Meine Damen und Herren und insbesondere Sie, mein verehrter Herr Kollege Dr. Müller! Ich habe alles Verständnis dafür, daß man reichlich nervös ist, wenn man als Politiker, als Partei oder als Koalition Verantwortung für so etwas tragen muß, was man hierzulande Wirtschaftspolitik nennt.
Diese Nervosität hat Sie vielleicht daran gehindert, die Ausführungen meiner Kollegin, der Frau Abgeordneten Strobel, aufmerksam genug mit anzuhören. Da ist mit keinem Wort etwas über die Höhe der Getreidepreise gesagt worden. Da ist u. a. auch nicht verlangt worden, etwa an jeden Bauernhof einen Gendarm hinzustellen, und auch sonstige Wünsche sind nicht geäußert worden. Da ist nur ein sehr ernsthaftes Bedenken gegen das Verfahren geäußert worden, und nur darauf kommt es uns in diesem Augenblick an.
Ich möchte hier nicht entscheiden, ob der Standpunkt richtig ist, den der Herr Minister vertritt,
daß, obwohl das Getreidegesetz in Kraft ist und
alle möglichen anderen Vorschriften dieses Getreidegesetzes jetzt angewendet werden sollen, dieser Teil des Gesetzes, der dem Bundestag und nur
dem Bundestag das Recht gibt, Getreidepreise festzusetzen, noch nicht in Anwendung ist. Das mögen
befugtere Leute, Leute mit mehr juristischen
Kenntnissen entscheiden, als ich sie habe. Wir werden uns um die Klärung der Sache aber schon deshalb bemühen, weil, wenn das Gesetz in dieser
Vorschrift noch nicht wirksam sein sollte, dann
auch andere Vorschriften — wie z. B. über die
Mühlenstelle — noch nicht wirksam sein können.
Meine Damen und Herren, es kann ja nicht die Rede davon sein, daß hier ganz plötzlich aus h eiterem Himmel eine Situation entsteht, die die Regierung zwingt, kurzerhand, sozusagen Hals über Kopf zu handeln. Seit Wochen, ja seit Monaten
wissen wir alle miteinander, daß die Festpreise längst überholt sind, in weitem Umfange eigentlich nur noch spaßeshalber da sind, in der Praxis aber gar keine Bedeutung haben, und auch an dem Tage, an dem die Bundesregierung glaubte, einer katastrophalen Entwicklung vorbeugen zu müssen, war das noch so.
Im übrigen wird es mich sehr interessieren, ob dem Herrn Bundesminister schon irgendein Fall bekanntgeworden ist, in dem nach dieser Mitteilung, die doch mindestens in ihrer Form als Empfehlung an die zuständigen Stellen sehr, sehr merkwürdig ist, Getreide tatsächlich anders als von der Vorratsstelle zu 400 bis 420 DM an die Mühlen herangekommen ist. Nach meiner Kenntnis liegt der Preis im großen Durchschnitt auch heute noch eher über als unter 500 DM, und daran wird sich auch wohl durch eine derartige Erklärung oder eine derartige Information der Bundesregierung nichts ändern.
Meine Damen und Herren! Wir haben, als man zum erstenmal an die Getreidepreise herangegangen ist, hier mit aller Deutlichkeit unsern Standpunkt dahingehend interpretiert: Jawohl, wir sind dafür, daß auch der Bauer, daß auch der Landarbeiter einen anständigen Lohn kriegt, und wir wissen, daß sich das in den Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse ausdrücken muß. Wir müssen aber erwarten, daß die Bundesregierung, wenn sie Maßnahmen in der einen Richtung ergreift, in der andern Richtung bereit ist, sich zu den Konsequenzen zu bekennen,
sie offen darzulegen und entweder Maßnahmen vorzuschlagen oder zu ergreifen, die diese Konsequenzen für die Verbraucher abwenden. Damals hat man uns gesagt: Die Getreidepreise werden erhöht; das hat mit dem Brotpreis aber nichts zu tun. Ich will das Haus hier nicht um irgendwelche Illusionen bringen und mich wohl hüten, alle mir bekannten Einzelheiten über die mit dem Konsumbrot und seinem Preis zusammenhängenden Diskussionen, Verhandlungen und Schwierigkeiten vorzutragen. Das möge jeder, der Spaß daran hat, auf eigene Rechnung tun. Wir sind doch zum zweitenmal in der gleichen Situation, daß die Bundesregierung etwas mit den Getreidepreisen macht. Ich will über die Höhe der Preissteigerung gar nicht reden. Ich wünschte, man bekäme Getreide zu dem Preis, den die Bundesregierung für richtig hält. Aber auch jetzt wieder wird nach der anderen Seite alles getan, um die harten Auswirkungen der Preiserhöhung zumindest nicht in Erscheinung treten zu lassen.
Es wäre doch richtig gewesen, es wäre auch, glaube ich, im Sinne des Gesetzes gewesen, wenn die Bundesregierung uns hier alle miteinander vor die entscheidende Frage gestellt hätte, wenn nicht sie auf eine noch recht zweifelhafte Weise die Verantwortung in einer recht eingewickelten und versteckten Form übernommen hätte, wenn sie dieses Haus vor die Verantwortung für das gestellt hätte, was nun auf dem Getreidesektor mit allen Einzelheiten, auch mit den Konsequenzen für den Brotpreis, geschehen sollte. Das hat die Regierung nicht getan. Sie hat damit in die allgemeine Unsicherheit noch neue Unsicherheiten hineingetragen. Ihr Vorgehen scheint mir — vor allen Dingen, wenn man die der eben noch einmal wiederholten Mitteilung vorangegangenen Mitteilungen entgegengesetzter Natur an die Preisüberwachungsstellen kennt — nicht geeignet zu sein, das Gefühl von
Sicherheit, Ordnung und Stabilität in unsere Dinge hineinzubringen. Das haben wir heute ausgesprochen. Dagegen wenden wir uns in unserem Antrag. Alle darüber hinausgehenden Erörterungen sind mindestens im gegenwärtigen Moment überflüssig. Ich wünsche für uns alle, daß wir keine Veranlassung haben mögen, in die Getreidepolitik, in die Brotpolitik und in alle damit zusammenhängenden Fragen eingehender einzusteigen, als es heute der Fall zu sein braucht.