Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Steuern haben immer etwas Unangenehmes an sich, entweder wenn man Steuern bezahlen muß oder wenn man, wie ich es jetzt hier tue, eine Steuervorlage zu vertreten und zu verteidigen hat, die zusätzliche steuerliche Belastungen bringt. Ich bin daher an sich nicht überrascht, daß ich bis jetzt im wesentlichen nur Kritik gehört habe. Aber mit Kritik allein läßt sich der Etat nun einmal nicht füllen; und dafür, daß der Etat in Ordnung ist, daß also für die Ausgaben auch die Einnahmen da sind, ist nicht nur der Finanzminister, sondern meines Erachtens sogar noch sehr viel mehr das Hohe Haus verantwortlich.
Es ist primär und um so mehr verantwortlich, als ja wir vorweg die Höhe der Ausgaben eigentlich erst bestimmen und der Finanzminister dann gezwungen ist, danach zu sehen, welche Vorschläge er uns in Anbetracht der Höhe dieser Ausgaben zum Zwecke der Deckung machen kann. Das heißt
mit anderen Worten: die Verantwortung liegt auch bezüglich der Höhe bei uns.
Eine Tatsache müssen wir in den Mittelpunkt unserer Erörterungen und Überlegungen — auch der kritischen Überlegungen — stellen, nämlich die Tatsache, daß von einem Sozialprodukt von nicht ganz 100 Milliarden der steuerliche Anteil indirekter und direkter Steuern rund 25 Milliarden, also über 25 %, beträgt. Diese Steuerhöhe ist die eigentliche Ursache all unserer Steuerkalamitäten. Sie ist die Ursache dafür, daß wir finanz- und steuerpolitisch nicht mehr denken können, ohne zugleich im ursprünglichsten Sinne wirtschaftspolitisch zu denken und zu überlegen. Die Steuerhöhe ist die Ursache dafür, daß wir immer um den Grundsatz der Vereinfachung kämpfen müssen, und die Steuerhöhe ist mit verantwortlich und mit ursächlich dafür, daß wir einen beinahe uferlosen und teilweise aussichtslosen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit führen müssen.
Ich komme zunächst auf die Finanzpolitik im Verhältnis zur Wirtschaftspolitik zu sprechen. Betrügen die Steuersätze nur 5 oder 10 % unseres Sozialproduktes, so brauchten wir nur fiskalische Überlegungen anzustellen. Der Finanzminister brauchte dann wirklich nur ein Finanzminister zu sein und hätte seinen Etat nur nach fiskalischen Gesichtspunkten in Ordnung zu halten. Die Steuern sind aber so hoch, daß jede finanzpolitische Maßnahme wirtschaftspolitische Auswirkungen hat. Wir nähern uns der gefährlichen und inhaltsschweren Situation, daß die Steuer zum Steuerungsmittel der Wirtschaft wird. Deshalb ist es kein Zufall, daß schon bei der ersten Steuervorlage vor einem Jahr die wirtschaftspolitischen Erwägungen im Vordergrund standen und daß auch bei der I heutigen Vorlage vom Finanzminister neben den fiskalischen Gesichtspunkten ausdrücklich wirtschaftspolitische Gesichtspunkte zur Begründung vorgetragen und herangezogen wurden. Vorhin fiel das Wort, man müsse damit aufhören, in jedem Frühjahr neue Steuervorlagen einzubringen. Weiter wurde gesagt: daß der Finanzminister nicht jedes Jahr wie ein Weihnachtsmann kommen solle. Dazu sage ich: Lösen Sie durch die Senkung der Steuersätze die Verkoppelung mit der Wirtschaftspolitik, dann ist auch eine stetige Steuer- und Finanzpolitik möglich!
— Das ist mit unsere Aufgabe, daß wir zu einer Senkung dieser Steuersätze kommen.
— Darüber werden wir uns noch unterhalten.
— Vielleicht komme ich sogar nachher selbst noch bei meinen Ausführungen dazu.
Eine gewisse abhängige Beweglichkeit der Steuerpolitik ist also zwangsläufig, weil die Wirtschaft selbst sich ständig in Bewegung befindet und damit wechselnde wirtschaftliche Anforderungen auftreten; und dies alles verschärft mit Rücksicht darauf, daß wir mit rund 25 % unserer Wirtschaft von Faktoren abhängig sind, die außerhalb unserer Macht und außerhalb unseres Landes liegen.
Die Situation, vor die sich unsere Wirtschaft vor einem Jahr gestellt sah, war eine völlig andere als die, in der wir jetzt stehen. War die Situation vor einem Jahr dadurch gekennzeichnet, daß es unserer Wirtschaft an Aufträgen mangelte, daß wir
sozusagen eine Wirtschaftsstagnation hatten, so ist
es heute umgekehrt so, daß die Wirtschaft mit Aufträgen überlastet ist. Damals galt es daher, die
Wirtschaft durch das Mittel der Steuer in Bewegung zu bringen. Wenn behauptet wird, das sei
nicht richtig gewesen, und wenn behauptet wird, die
Auswirkungen seien schädlich gewesen, so ist das die
unrichtigste Behauptung, die je aufgestellt wurde.
Durch die Steuerreform vor einem Jahr sind die Selbstfinanzierung, die Eigenfinanzierung und die Kapitalbildung angeregt worden.
— Komme ich drauf! — Jeder Arbeitsplatz, der neu gebildet wird, bedarf vorweg einer Investition. Allein in der Zeit vom März 1950 bis September 1950 sind zusätzlich rund eine Million Menschen neu in Arbeit gekommen. In der gleichen Zeit des Vorjahres betrug die Sparkapitalbildung rund 0,8 Milliarden, also 800 Millionen. — Herr Kollege, ich habe die Statistik nachgesehen: in den 1,4 Milliarden, die Sie als Sparkapital dos Jahres 1949 nennen, sind sämtliche Beträge enthalten, die nachträglich auf Grund der Aufwertung bzw. der Reste, die bei der Währungsreform noch verblieben, gutgeschrieben wurden.
Das Jahr 1949 hat uns eine Sparkapitalbildung von einer Milliarde gebracht. Das Jahr 1950 — das ist richtig — hat uns eine Sparkapitalbildung von ebenfalls einer Milliarde gebracht. Vom Februar bis September 1950 haben wir eine Sparkapitalbildung von 800 Millionen, und erst ab September hat sich dann die Sparkapitalbildung sehr stark verlangsamt.
Wir haben dafür aber auf dem Sektor Bausparkassen und auf dem Sektor Lebensversicherungen eine zusätzliche Sparkapitalbildung gehabt, so daß wir im Jahre 1950 insgesamt eine Sparkapitalbildung von über 2 Milliarden haben, immerhin eine Summe, die sich sehen lassen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich noch auf die Einwendung eingehen, die Steuereinnahmen seien rückläufig. Seinerzeit, vor einem Jahr, wurde ausdrücklich erklärt, daß ein solcher steuerlicher Impuls, der zunächst mit Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der Eigenfinanzierung arbeitet, selbstverständlich zunächst einen Steuerausfall bringen wird. Ich kann den Steuerausfall nicht dadurch errechnen, daß ich diese 3/4 Jahre mit dem Jahr vorher vergleiche. Wir können vielmehr erst Vergleiche ziehen, wenn das Finanzjahr per 31. März abgeschlossen ist. Dann werden wir feststellen, daß wir keine Steuerausfälle zu verzeichnen haben. Die Eigenfinanzierung, die wir damals bewußt eingeführt haben, diente in erster Linie also dem Zweck, der Wirtschaft wieder Aufträge und eine gewisse Auftragsfreudigkeit zu geben und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist geschehen. Das Sozialprodukt hat sich erweitert. Weil sich das Sozialprodukt erweitert hat, sind — was niemand bestreiten kann — die Käufer immer zurückhaltender geworden, und die Preise sind bis September langsam, aber stetig gesunken. Es hat etwas dazu gehört, die Waren abzusetzen.
Wenn ich nun die wirtschaftliche Lage von heute betrachte, so muß ich folgendes sagen. Wenn Ihr Standpunkt richtig wäre, dann müßte die heutige wirtschaftliche Situation gerade durch die Eigenfinanzierung bedingt sein. Nun kennen wir aber doch die Ursachen der Gleichgewichtsstörung von heute. Die Gleichgewichtsstörung unserer Wirtschaft von heute ist doch nicht dadurch bedingt, daß wir leerstehende Produktionsstätten oder Überkapazitäten haben, sondern die Gleichgewichtsstörung beruht in erster Linie darauf, daß wir eine einseitigeVerlagerung in die Konsumsphäre haben. Diese Verlagerung haben wir, weil sich unser Preisgefüge nicht hat halten können. Wir wissen aber, wenn wir ehrlich mit uns zu Rate gehen, die Ursachen dafür, daß sich das Preisgefüge nicht hat halten können. Jedenfalls liegt das nicht an steuerpolitischen Maßnahmen.
Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Ich kann jedenfalls die Eigenfinanzierung in keiner Weise verantwortlich machen a) für die Preisentwicklung und b) für die Konsumverlagerung.
Wenn Sie sagen, die Engpässe hätten Investitionen gebraucht, dann will ich Ihnen folgendes sagen. Gerade zu der Zeit, im Juni und Juli, konnten die Zechen die Kohlen nicht absetzen. Ich selbst bin in Süddeutschland angegangen worden, weil die Gaswerke ihren Koks nicht absetzen konnten. Wenn wir die Korea-Krise nicht bekommen hätten, dann würde unsere Kohlenproduktion mehr als ausreichen. Es wäre nicht das erste Mal, daß wir hier im europäischen Wirtschaftsraum eine Kohlenschwemme gehabt hätten. Wir würden dann sagen, daß all die Gelder, die wir dafür investiert haben, Fehlinvestitionen sind. Ob etwas fehlinvestiert ist, entscheidet doch erst die Wirtschaftskonjunktur, die nachher kommt.
Mit anderen Worten, die sogenannten Engpässe von heute sind in keiner Weise dadurch bedingt, daß seinerzeit die §§ 7 a, 10 a und 32 a eingeführt wurden.
— Das sind meine Erfahrungen und meine Erkenntnisse, die ich hier vortrage.
So komme ich also zu dem Ergebnis, daß die Steuerreform von damals, weil sie eben mit Rücksicht auf die Steuerhöhe wirtschaftspolitische Gesichtspunkte haben mußte, gerechtfertigt war und ihren Zweck voll erfüllte. Weil diese Voraussetzungen heute wegfallen, müssen diese steuerpolitischen Vorteile eben zwangsläufig in Wegfall kommen. Daher sind wir uns grundsätzlich darüber einig, daß der § 7 a wegfallen muß. Ob die §§ 10 a und 32 a ebenfalls wegfallen müssen, möchte ich persönlich bezweifeln. Ich hätte es gern gesehen, wenn zumindest der § 10 a noch die Möglichkeit einer gewissen Eigenfinanzierung vorsehen würde.
Was die Investierungsraten des Jahres 1950 betrifft, so möchte ich Ihnen folgendes sagen. Im Jahre 1950 wurden etwas über 15 Milliarden DM investiert; darunter 35 % aus öffentlichen Mitteln, 23 % aus Mitteln des Kapitalmarktes, 10 % aus Mitteln der Gegenwertfonds und rund 27 % aus normalen Investierungen, aus Bankkrediten und aus diesen steuerbegünstigten Investierungen. Das sind etwa 4,5 Milliarden DM. Sie haben vorhin den Betrag von 5 Milliarden DM genannt. Wenn
Sie von diesen 4,5 Milliarden DM die sogenannten normalen Investierungen, die Sie ja unserer Wirtschaft zubilligen müssen, absetzen, dann kommen Sie über diese Steuerbegünstigungen glücklich noch zu einer Investierung von rund 2 Milliarden DM. Dafür haben wir über eine Million Leute neu in Arbeit gebracht, und das Sozialprodukt hat sich entsprechend erhöht. Auf Grund des Memorandums, das der Minister vorgelegt hat, soll sich durch die Erweiterung unserer Wirtschaft das Steueraufkommen ohne Änderung unserer Steuergesetze um über 2 Milliarden DM erhöhen. Denn der Minister verlangt von den 4,5 Milliarden DM auf Grund neuer Steuergesetze nur 2,2 Milliarden DM, während der normale Gesundungsprozeß unserer Wirtschaft 2,2 Milliarden DM zusätzlich erbringt. Wenn also diese Investierungen sich nicht gelohnt haben und wenn das Wirtschaftsprogramm und die Finanzpolitik nicht zweckentsprechend waren, dann gibt es nichts mehr, was sich lohnt und volkswirtschaftlich richtig ist.
Auf einem Gebiet sind die Auffassungen heute wie vor einem Jahr die gleichen, auf dem Gebiet der Kapitalnot. Daher sind mit Recht die Bestimmungen betreffend den Wohnungsbau, die Lebensversicherungen und die Bausparkassen geblieben. Nicht ganz einverstanden bin ich, wie ich bereits vorhin gesagt habe, damit, daß die anderen Vergünstigungen abgebaut werden, ohne daß in dieser Steuervorlage zugleich echte neue Kapitalquellen durch steuerliche Vergünstigungen erschlossen werden. Ich persönlich denke hier daran, daß es möglich sein müßte, den Sparer wieder an den Pfandbrief zu bringen. Der Sparer müßte auch wieder an die Obligation gebracht werden. Aber wir müssen bezüglich dieser beiden Papiere neue 'rechtliche Wege gehen. Wir müssen Pfandbrief und Obligation an einen echten Sachwert koppeln, um nach all dem, was wir bisher erlebt haben, bei diesen beiden Papieren — den Standardpapieren des Sparens und der Investition — das Prinzip der Wertbeständigkeit juristisch zu verwirklichen.
Die Steuerhöhe ist auch ein Feind jeder Vereinfachung. Denn je höher der Steuersatz ist, desto mehr Vergünstigungen und Ausweichmöglichkeiten muß man mit Rücksicht auf die Vielfalt des Lebens gewähren. Deshalb stehe ich auch Ihren beiden Vorschlägen der Investitionsabgabe und der sogenannten Verbrauchssteuer oder Mehrumsatzsteuer etwas skeptisch gegenüber. Denn Sie werden dann in dieselben Schwierigkeiten kommen. Bei der Investitionsabgabe wäre es doch so, daß unter Umständen derjenige, der gerade besonders günstig verdient, investiert. Ob das volkswirtschaftlich gerade das Richtige ist, steht auf einem anderen Blatt. Das läßt sich im Augenblick der Investition meistens nicht zutreffend beurteilen.
Bei der Mehrverbrauchssteuer ist selbstverständlich der Gedanke richtig, zu sagen: Wer sich den Luxus erlaubt, von seinen Einnahmen mehr als üblich zu verbrauchen, der soll dafür eine gewisse Steuer zahlen. Aber welcher tägliche Umsatz, mein lieber Herr Kollege Koch, ist dann in diesem Sinne steuerunschädlich? Stellen Sie sich einmal die Vielfalt des Lebens vor, denken Sie an Familienzuwachs, an notwendige Anschaffungen für den Haushalt, an Krankheit, an Erziehungsausgaben für die Kinder, an eigene Ausgaben für Erholung oder
für Krankheit, an Umzug oder sonstige Fälle. Sie kämen ohne einen großen Kalender nicht aus, den Sie dann eben von der anderen Seite her aufbauen müßten, und schließlich kämen Sie noch zu einer zweiten Steuerveranlagung. Es ist die Frage, ob d a s dann eine Vereinfachung darstellt. Ebenso ist es mit der Betriebssteuer, die wir doch praktisch bei den Kapitalgesellschaften haben. Solange die Steuersätze so hoch sind, wird jedes Steuersystem kompliziert bleiben.
Dasselbe gilt nun leider auch für den Grundsatz der Steuerehrlichkeit, für den wir nicht genug streiten können und für den wir immer wieder streiten müssen. Niemand zahlt gern seine Steuern richtig, wenn er weiß, daß der andere umgekehrt den Steuerfiskus in irgendeiner Form betrügt. Die Steuerehrlichkeit hat aber zwei natürliche Feinde, einmal die Steuerhöhe und weiter die Unstetigkeit unserer Steuern wegen der Kopplung der Steuerpolitik mit der Wirtschaftspolitik.
— Das möchte ich auch sagen.
Heute ist auf Grund des Grundgesetzes die Steuerveranlagung, die Steuerüberprüfung auf die einzelnen Länder verlagert. Die einzelnen Länder selber sind gegenseitig Unterstützungszahler und Unterstützungsempfänger. Die Steuermeßzahlen bei den Ländern liegen von rund 40 % auf der einen Seite bis rund 150 % auf der anderen Seite. Mit anderen Worten, Sie verlangen, wenn Sie von den Ländern eine steuergerechte Eintreibung fordern, von den steuerstarken Ländern, daß sie ihre Steuerzahler beknien, damit diese alle Steuern bezahlen, um diese Steuern dann an das andere Land geben zu können. Umgekehrt soll das steuerschwache Land ebenfalls das Letzte herausholen, um nicht soviel fordern zu müssen. Aber in dem Kampf des Steuerausgleichs zwischen den Ländern spielen die umgekehrten Positionen die entscheidende Rolle. Der eine will möglichst wenig in seiner Kasse haben, damit er viel verlangen kann; der andere will möglichst wenig in seiner Kasse haben, damit er wenig zu geben braucht. Wenn ich aus der Erfahrung spreche — ich möchte niemandem zu nahe treten — und mir überlege, was hinsichtlich der Verlagerung und der Neuansiedlung von Betrieben alles an Steuervergünstigungen gegeben und versprochen wird, dann muß ich sagen, daß der Begriff der Steuergleichheit — ich möchte in bezug auf die Länder nicht von Steuerehrlichkeit sprechen, sondern von Steuergleichheit — ein sehr relativer Begriff ist. Ich muß sagen, meines Erachtens werden wir auf diesem Gebiete niemals zu gesunden Verhältnissen kommen, wenn es uns nicht in diesem Hohen Hause sowie im Bundesrat gelingt, die Dinge verantwortlich und real zu sehen und mindestens zu einem einheitlichen Steuerprüfungs- und Steuerfahndungsdienst zu kommen.
Als ich seinerzeit hier in dem Hohen Hause bei der Auseinandersetzung zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern gehört habe, daß damit, daß im Grundgesetz ein Steuerausgleich vorgesehen sei, auch eine Existenzberechtigung für steuerschwache Länder gegeben sei, ist mir der Gedanke gekommen: weil wir eine Krüppelfürsorge haben, haben wir auch Rechtsansprüche darauf, Krüppel zu haben.
— Es ist aber so.
Abschließend möchte ich folgendes sagen. Die Steuernovelle muß unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß wir jetzt diese Steuerhöhe haben und daß uns diese Steuerhöhe zwangsläufig in diese Kalamitäten bringt.
— Darauf komme ich noch. Um unserer Wirtschaft entscheidend zu helfen, müssen wir die Kapitalbildung auf jede Weise und in echter Form so fördern, daß der Sparer auch das Gefühl hat, daß er in keiner Weise mehr mit einer nominellen Entwertung seines Spargeldes zu rechnen hat.
Nun die Umsatzsteuer. Sie lehnen die Umsatzsteuer völlig ab, betonen aber auf der anderen Seite, völliges Verständnis dafür zu haben, daß die Ausgaben zu leisten sind.
Für zusätzliche Ausgaben allein für die äußere Sicherheit — ich will jetzt nicht vom inneren, sozialen Frieden sprechen — sind 1,7 Milliarden Mark angefordert. Die Umsatzsteuer soll 1,2 Milliarden Mark bringen. Ja ist jemand hier im Hause oder ist jemand in unserem Volke, der nicht verpflichtet wäre, für diese Sicherheit einen Geldbeitrag zu leisten? Man darf auf keinen Fall der Versuchung erliegen, die Umsatzsteuer als indirekte Steuer allein zu betrachten, sondern man muß immer die Gesamtsteuerbelastung sehen — und unter dem Gesichtspunkt der Zusammenrechnung von Umsatzsteuer und Einkommensteuer haben wir immer noch eine sozial sehr gestufte Steuer.
Was noch den § 33 a betrifft, so werden weite Kreise der Betroffenen zweifellos verlangen, daß diese Bestimmung aufrechterhalten bleibt, obwohl andererseits unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung und in Verbindung mit der Erhöhung der Freibeträge vielleicht ein Ausgleich gefunden werden könnte.
Zu begrüßen ist, daß die Leistungen der freien Wohlfahrtspflege umsatzsteuerfrei werden sollen. Ich würde es aber noch mehr begrüßen, wenn im Hinblick auf die geradezu turbulente Rechtslage von heute in den verschiedenen Ländern der Herr Bundesfinanzminister sich entschließen könnte, einen einheitlichen Stundungserlaß für diese Steuer rückwirkend ab 1. April 1950 herauszugeben.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir können an diese Steuervorlage mit gar nicht genug Verantwortung herangehen. Die Steuersätze haben meines Erachtens jetzt eine Höhe erreicht, die nicht mehr überschritten werden kann.
Man kann auch in der staatlichen Verwaltung übertreiben. Wir haben seinerzeit den Zusammenbruch des Bewirtschaftungssystems erlebt, wir haben auch schon Zusammenbrüche auf dem Preissektor erlebt. Deshalb müssen wir uns auf dem Gebiete der Ausgabenwirtschaft, und zwar sowohl hier in diesem Hause wie als einzelne, die größte Disziplin auferlegen. Bringen wir diese Disziplin nicht auf, dann fürchte ich für unsere Zukunft, nicht nur für
unsere wirtschaftliche, sondern auch für unsere soziale und demokratische Zukunft.