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ID0112302100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 123. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951 4685 123. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4686C, 4687A, 4718A, 4732C Änderung der Tagesordnung 4686D Anfrage Nr. 159 der Fraktion der SPD betr. Überschwemmungsschäden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nrn 1861 und 1979 der Drucksachen) 4687A Zwischenbericht des Bundesministers der Finanzen über die Frage der Freigabe historischer Gold- und Silbermünzen (Nr 1981 der Drucksachen) 4687A Bericht des Bundeskanzlers über Kredite und steuerliche Begünstigungen für Flüchtlingsbetriebe (Nrn. 1286 und 1986 der Drucksachen) 4687B Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Uraltkonten in West-Berlin, deren Berechtigte im Gebiete der Bundesrepublik wohnen (Nr. 1786 der Drucksachen) 4687B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP), Interpellant 4687B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4688A Frau Schroeder (Berlin) 4689A Dr. Reif (FDP) 4689D Frau Kalinke (DP) 4690A Dr. Krone (CDU) 4690B Ausschußüberweisung 4690C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) (Nr. 1982 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen) . . . 4690C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4690D, 4710D Dr. Koch (SPD) 4695D Dr. Bertram (Z) 4701B Neuburger (CDU) 4703D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 4707A Ewers (DP) 4713A Loritz (WAV) 4714C Müller (Frankfurt) (KPD) 4716A Ausschußüberweisung 4718A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr 1977 der Drucksachen) 4718A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit , . . 4718A Ausschußüberweisung 4719A Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes (Nr. 1993 der Drucksachen; Anträge Umdruck Nrn. 93 und 94) 4687A, 4719A Dr. Schröder (Düsseldorf), Antragsteller 4719A, 4724D Frau Strobel (SPD) 4719D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 4721D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 4723A Kriedemann (SPD) 4723C Dr. Preusker (FDP) 4724C Abstimmungen 4725A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes (Nr. 1654 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1984 der Drucksachen) 4725C Neuburger (CDU), Berichterstatter 4725C Abstimmungen 4726A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und 4 Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Nr. 1845 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 1972 der Drucksachen) 4726C Degener (CDU), Berichterstatter . 4726C Beschlußfassung 4726D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verlängerung der Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 1731 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (16. Ausschuß) (Nr 1980 der Drucksachen) 4727A Dr. Schatz (CSU), Berichterstatter . . 4727B Beschlußfassung 4728A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Mende u. Gen. betr. Programm für die Betreuung der deutschen Jugend (Nrn. 1030, 1968 der Drucksachen) . . . 4728A Kemmer (CSU), Berichterstatter . . 4728B Strauß (CSU) 4728D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4730A Beschlußfassung 4731C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Gebührenbefreiung beim Kleinwohnungsbau (Nrn. 1467, 1978 der Drucksachen) . . 4731C Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 4731C Beschlußfassung 4732A Beratung der Übersicht Nr. 21 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 87) 4732A Beschlußfassung 4732C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 91) 4732C Beschlußfassung 4732C Nächste Sitzung 4732C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte vor einiger Zeit Gelegenheit, zu sagen, daß der Herr Bundesfinanzminister damit beschäftigt sei, neue Steuern zu erfinden. Diese Behauptung hat sich nun als richtig erwiesen. Wir haben hier schon die Erhöhung des Notopfers Berlin und die Erhebung der Mineralölsteuer beschlossen. Die Coca-Cola-Steuer ist uns vorgelegt worden. Jetzt ist eine Abänderung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer angekündigt, und in unseren Fächern liegt bereits der Entwurf eines Gesetzes über die SüBwarensteuer mit einer Generalermächtigung für die Bundesregierung, bei allen Gütern, die die Regierung in einem besonderen Katalog bestimmt, 50 % zu erheben. Das ist also eine ganze Fülle von neuen Steuern.
    Wenn solche Steuern erwogen werden, ist es zunächst notwendig, zu prüfen, ob neue Steuern überhaupt notwendig sind. Wir sind von der Notwendigkeit, die Steuern in dem vorgesehenen Umfange zu erheben, bisher nicht überzeugt. Der Bericht der Bundesregierung geht davon aus, daß ein Mehrbedarf von 2,25 Milliarden DM im Etatjahr 1951 ungedeckt sei. Zunächst einmal ist in der Ausgabeposition die Gesamtanforderung der Besatzungsmächte für zusätzliche Besatzungskosten enthalten, obwohl es bekannt ist, daß sich die Besatzungsmächte selber zur Zeit bemühen, eine entsprechende Ermäßigung ihres Besatzungskostenhaushalts durchzuführen. Eine definitive Erklärung, welches Ergebnis die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Hohen Kommissaren über den Besatzungshaushalt für 1951 haben werden, liegt uns nicht vor, wird aber ebensowenig dem Bundesfinanzminister vorliegen, so daß er bezüglich dieses Postens ganz auf Schätzungen und Vermutungen angewiesen sein dürfte.

    (Abg. Dr. Krone: Das ist die Mindestgrenze, Herr Bertram!)

    — Er schätzt und vermutet diese Mindestgrenze. Wenn man an die Vorschläge des amerikanischen Hohen Kommissars denkt, so ist zu vermuten, daß diese Mindestgrenze unterschritten werden wird. Aber immerhin, es ist zur Zeit noch eine bloße Schätzung, und trotzdem werden uns heute schon Steuervorlagen unterbreitet.
    Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch folgender. Wir wissen gar nicht, ob die Schätzung des Bundesfinanzministeriums über das Steueraufkommen auch nur annähernd zutrifft. Der Bundesfinanzminister geht davon aus, daß im letzten Jahr ein Brutto-Sozialprodukt von 90 Milliarden erreicht worden sei und daß es im kommenden Jahr 95 Milliarden betragen werde. Dabei ist zu beachten, daß sich das Brutto-Sozialprodukt in den letzten Jahren ja nicht gleichmäßig entwickelt hat. Im ersten Halbjahr 1950 waren es 42 Milliarden, im zweiten Halbjahr 1950 48 Milliarden, und der Produktionsindex , ist von 95 auf 105 im ersten Halbjahr und von 105 auf 125 im zweiten Halbjahr gestiegen. Das bedeutet doch, daß der Steigerungsgrad der Zunahme des Brutto-Sozialprodukts im Laufe des zweiten Halbjahres erheblich größer geworden ist. Wenn wir also einen Vergleich des bisherigen Brutto-Sozialprodukts mit dem Brutto-Sozialprodukt im kommenden Jahre anstellen wollen, dann müssen wir von dem Stand ausgehen, der beispielsweise im letzten Vierteljahr 1950 erreicht worden ist. Gehen wir aber davon aus, so kommen wir zu einer wesentlich höheren Ziffer, einer Ziffer, die ja auch der Bundeswirtschaftsminister mit 100 Milliarden offiziell angegeben hat. Ich weiß nicht, warum das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium in dieser wichtigen Frage um 5 Milliarden differieren. Jedenfalls würde sich bei einer Schätzung des Volkseinkommens in Höhe von 100 Milliarden auch eine entsprechend höhere Steuerschätzung ergeben.
    Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Wir alle kennen die Preissteigerung, die sich vor allem im Laufe der letzten Monate ergeben hat. Im Zuge der Preis-


    (Dr. Bertram)

    steigerung ist zwangsläufig auch ein höheres Steueraufkommen zu erwarten. Unter diesen Umständen sind schon auf Grund dieser beiden Ziffern — ein Sozialprodukt von 90 Milliarden, dessen Anstieg auf über 95 Milliarden erwartet -wird — die Schätzungen unzutreffend, so daß wir auf der Einnahmenseite mit einem um 5 % höheren Steueraufkommen zu rechnen hätten.
    Ein weiterer Gesichtspunkt: Seit April 1949 hat sich die Aufkommenkurve für die veranlagte Einkommensteuer scharf abwärts bewegt, während die Aufkommenkurve für die Umsatzsteuer und die Kurve für Verbrauchsteuern und Zölle sich scharf aufwärts bewegt hat. Seit diesem Zeitpunkt haben wir eine Schere: das Aufkommen an veranlagten Steuern einerseits und an Umsatzsteuern und Verbrauchsteuern andererseits. Diese Schere hat sich doch offenbar dadurch aufgetan, daß in dieser Zeit die Bestimmungen der §§ 7 a ff. über die Abzugsfähigkeit eingeführt wurden. Dabei ergab sich für die Wirtschaft — und auf diese Möglichkeit hat der Bundesfinanzminister im vorigen Sommer selbst hingewiesen — die Möglichkeit der Selbstveranlagung. Kein Finanzbeamter — auch die gesamte Finanzverwaltung nicht — ist in der Lage, zu prüfen, ob diese Vergünstigungsvorschriften auch nur annähernd richtig angewendet worden sind und ob nicht in den Steuererklärungen in viel zu großem Umfange von Vergünstigungen Gebrauch gemacht worden ist, die in Wirklichkeit gar nicht berechtigt sind. Diese Überinanspruchnahme, diese ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen hat zu dem katastrophalen Rückgang des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer und an Körperschaftsteuer wahrscheinlich entscheidend beigetragen. Wir können damit rechnen, daß — in dem Umfang, in dem diese Vergünstigungen abgebaut werden — bei richtiger Inanspruchnahme der Vergünstigungen nicht nur der geschätzte Betrag mehr aufkommen würde, sondern daß bei Fortfall der Vergünstigungen dem Bund bzw. den Ländern auch das Mehraufkommen zufließen würde, das bisher wegen der ungerechtfertigten und nicht kontrollierbaren Inanspruchnahme derartiger Steuervergünstigungen nicht verfügbar gewesen ist.
    Die Kurve der veranlagten Einkommensteuer ist immer parallel verlaufen der Kurve der Umsatzsteuer, wenn auch mit einer gewissen Zeitdifferenz. Dieses plötzliche Absinken nach unten von 800 Millionen DM auf 450 Millionen DM ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß in der Wirtschaft tatsächlich die Steuervorteile nach den Bestimmungen der §§ 7 a ff., 10 a, 32 a ff. usw. übermäßig ausgenutzt worden sind und eine Kontrolle einfach nicht möglich war.
    Wir können also damit rechnen, daß sich an Mehreinnahmen nicht nur die vom Bundesfinanzministerium vorgesehenen 970 Millionen ergeben, sondern daß sich darüber hinaus noch weitere Beträge ergeben werden, weil eben eine falsche Auslegung der Bestimmungen nach ihrer Beseitigung überhaupt nicht mehr möglich sein wird. und wir können damit rechnen. d iß die künftige Wirtschaftsentwicklung vom Bundesfinanzministerium zu vorsichtig geschätzt worden ist. Das würde insgesamt einen erheblichen Mehrbetrag ausmachen. Wenn man davon ausgeht, daß das Sozialprodukt um 5 % zu niedrig geschätzt ist, würden wir hier eine Steuermehreinnahme von 5 % erwarten können. Das würde allein bei den veranlagten Steuern einen Betrag von 200 Millionen DM ausmachen. Wenn wir nochmals denselben Betrag — und das ist bestimmt nicht zu hoch geschätzt — aus dem Wegfall der zu Unrecht in Anspruch genommenen Vergünstigungen hinzusetzen, dann würden wir schon eine Mehreinnahme von 400 Millionen DM haben
    Die Länder erhalten von den Gemeinden aus der Gewerbesteuer eine erhebliche finanzielle Stärkung. Diese finanzielle Stärkung kommt dadurch zustande, daß die Gewerbesteuer und damit auch das Gewerbesteueraufkommen von dem Betriebsgewinn abhängig sind. Lassen wir die Vergünstigungen jetzt fortfallen, dann wird sich automatisch das Gewerbeertragsteueraufkommen erheblich steigern. Vom Finanzministerium ist dieser Betrag auf eine halbe Milliarde DM geschätzt worden. Wenn wir also diesen Betrag, der den Gemeinden zunächst zufließt, aber über die internen Länderfinanzzuweisungen praktisch auch den Ländern zur Verfügung steht, hinzurechnen, kommen wir bereits auf eine Mehreinnahme von 900 Millionen DM gegenüber dem Voranschlag, der in dem Memorandum aufgestellt worden ist. Schon dieser Betrag ist aber so hoch, daß er die gesamten Berechnungen der Bundesregierung umwerfen würde.
    Ich glaube deshalb nicht, daß man die bisherigen Schätzungen als ausreichend untermauert ansehen kann, so daß sie uns Abgeordnete veranlassen könnten, einen Betrag zu bewilligen, dessen Bewilligung doch zweifellos tief in die gesamte Wirtschaftsstruktur unseres Volkes eingreifen würde. Insbesondere die Bewilligung der Umsatzsteuererhöhung — und das ist bis vor ganz kurzer Zeit noch auch die Meinung der Bundesregierung gewesen — müßte außerordentliche Nachteile für die gesamte Preisentwicklung nach sich ziehen. Wir stehen jetzt in einer wirtschaftspolitisch außerordentlich schwierigen Zeit. Die Preise in Deutschland laufen weg; manche Preise liegen schon über dem Weltmarktpreisniveau. Durch die knappen Devisenkontingente haben sich auf den Warenmärkten in Deutschland zusätzliche Knappheitserscheinungen entwickelt. Diese Verknappungen treiben die Preise zusätzlich empor und bringen für unsere Exportindustrie erhebliche Erschwerungen mit sich. Wenn wir nun diesen allgemeinen Trend der Preise nach oben durch die Umsatzsteuererhöhung noch verstärken, besteht eine große Gefahr für unsere gesamte Wirtschaftspolitik. Ist es deshalb — und das ist die Frage, die wir an die Regierung stellen — genügend sicher, daß tatsächlich das Aufkommen an Steuern richtig veranschlagt ist, und ist nicht hier eine ganz große Reserve vorhanden?
    Wenn wir hören, daß allein im Monat Januar dieses Jahres das Steueraufkommen — wenn ich recht unterrichtet bin — 1,8 Milliarden gegenüber einem durchschnittlichen monatlichen Steueraufkommen von 1,1 Milliarden beträgt, hier also sich ein ganz starker Zug nach oben ergeben hat, dann ist meiner Ansicht nach damit bereits bewiesen, daß die Vorausschätzungen der Bundesregierung über die Steuereinnahmen zu niedrig sind und daß hier deshalb eine ganz starke Reserve vorhanden ist. Daß wir deshalb die Umsatzsteuererhöhung ablehnen, gerade die Umsatzsteuer als eine der Steuern. die den breiten Massenkonsum belasten, liegt auf der Hand.
    Der Bundesfinanzminister hat uns Zahlen über das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern genannt. Diese Zahlen mag man als richtig ansehen, wenn man nicht weiß, wie die Begriffe „direkte Steuern" und „indirekte Steuern" zuvor abgegrenzt worden sind. Wenn wir sagen, es sind nur die indirekten Steuern im klassischen Sinn,


    (Dr. Bertram)

    nämlich die Verbrauchsteuern und Zölle, zu den indirekten Steuern gerechnet worden, dann mag der Bundesfinanzminister recht haben. Damit kommen wir aber nicht weiter. Wir müssen zu den indirekten Steuern — wenn wir die Frage der Massenbesteuerung gegenüber der progressiven Besteuerung aus Einkommen- und Körperschaftsteuer erörtern -- doch sicherlich noch diejenigen Steuern hinzusetzen, die bei uns Massensteuern, im Ausland aber nicht Massensteuern sind, beispielsweise die Lohnsteuer. Es ist ja bekannt, daß die Anzahl derjenigen Personen, die in Deutschland zur Lohnsteuer herangezogen werden die Zahl der entsprechenden Personen in Amerika oder England um ein Vielfaches übertrifft. Wegen der Höhe der Freibeträge in Amerika und England sind die Zahlen der Steuerpflichtigen dort erheblich niedriger. In Amerika sind es, glaube ich, nur ein Zehntel derjenigen, die wir in Deutschland haben. Wir müssen also, um einen international richtigen Vergleich zu haben, sicherlich das Notopfer Berlin — soweit es von den Lohnsteuerpflichtigen bezahlt wird — und die Lohnsteuer zu den indirekten Steuern ebenso hinzurechnen wie die Umsatzsteuer, um auf diese Art und Weise ein Bild zu bekommen auf der einen Seite der Massenbelastung und auf der anderen Seite der Belastung mit progressiv wirkenden Steuern.
    Die Abgrenzung von direkten und indirekten Steuern ist überhaupt sehr schwierig. Nimmt man aber die erwähnten Steuern, um einen international brauchbaren Vergleich zu haben, dann erkennt man zweifellos, daß wir in Deutschland die Massenkaufkraft in wesentlich höherem Maße durch Steuern als das Ausland belastet haben. Dort ist man in der Lage, mit dem Ertrag der Progressivsteuern den bei weitem größten Anteil der Staatsausgaben zu decken.
    Das Bundesfinanzministerium schlägt jetzt vor, § 7 a des Einkommensteuergesetzes zu ändern. Auch dieser Vorschlag ist im Zusammenhang mit der damaligen Steuerdebatte schon von uns gemacht worden. Nach dem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zu § 7 a können Steuerpflichtige, die wegen Verfolgung aus Gründen der Rasse usw. ihre frühere Erwerbsgrundlage verloren haben, die nach diesen Bestimmungen möglichen Vergünstigungen bis zu einem Höchstsatz von 100 000 DM noch weiter in Anspruch nehmen. In dieser Aufzählung fehlen die total Bombengeschädigten. Es ist nicht richtig, daß nur Flüchtlinge und Vertriebene ihre Erwerbsgrundlage verloren haben können, sondern das gleiche gilt ja auch für total Bombengeschädigte. Der Katalog muß deshalb um der Gerechtigkeit willen erweitert werden. Sie werden sich daran erinnern, daß vor einiger Zeit im Bundestag auch eine entsprechende Erklärung über die Gleichstellung von Bombengeschädigten, Flüchtlingen und Vertriebenen abgegeben worden ist.
    Die Bundesregierung hat uns leider noch nicht gesagt, in welcher Weise sie die höheren Steuereingänge, die sie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet, den Ausgaben des Bundes zuführen will. Solange wir nicht wissen, wie sich der Bund mit den Ländern über diese Dinge geeinigt hat und ob überhaupt eine Einigung im Rahmen des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes, im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes, möglich ist, können wir mit einer solchen Beschlußfassung dem Bund praktisch ja überhaupt nichts zuführen. Der Bund hat von einer solchen Einkommensteuerregelung gar nichts, solange nicht ein Gesetz nach
    Art. 106 Abs. 3 vorgelegt ist und die Zustimmung
    des Bundestags und des Bundesrats gefunden hat.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das kommt!)

    — Ich glaube Ihnen, daß das kommt. Der Bundesfinanzminister hat es ja schon angekündigt. Mir ist nur die Reihenfolge unverständlich. Mir wäre es verständlich, wenn zunächst ein Gesetz nach Art. 106 und danach eine Steuererhöhungsvorlage eingebracht worden wären. Die Verhandlungsgrundlage für den Bund wird ja bei der jetzt gewählten Art des Vorgehens außerordentlich geschwächt. Wenn nämlich die Länder schon wissen, daß das Gesetz über die Einkommensteueränderung perfekt ist, dann haben sie es gar nicht mehr nötig, noch große Konzessionen zu machen. Bei dem umgekehrten Verfahren wäre die Stellung des Bundesfinanzministers wesentlich stärker. Schon aus diesem Grunde müssen wir das jetzige Verfahren als verfehlt bezeichnen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Man kann doch nichts verteilen, was man noch nicht hat!)

    — Ich weiß ganz genau, daß man noch nichts verteilen kann, was man noch nicht hat; aber wir können nach Art. 106 grundsätzlich einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen. Vom Bundesfinanzministerium sind 30 % vorgesehen. Findet ein solches Gesetz über eine 30 %ige Inanspruchnahme die Zustimmung des Bundesrats, dann ist damit eine Änderung des Einkommensteuergesetzes möglich und zweckmäßig.
    Ich kann auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs wegen des Ablaufes meiner Redezeit leider nicht eingehen. Ich möchte nur zusammenfassend sagen: Wir sind wegen des mangelnden Nachweises des tatsächlichen Finanzbedarfs und der ungenügenden Vorausschätzung nicht in der Lage, dem Umsatzsteuergesetz, dem wir auch aus anderen Gründen nicht zustimmen würden, zuzustimmen, und schlagen vor, die Beratung über das Einkommensteueränderungsgesetz so lange zu verschieben, bis uns ein Gesetz nach Art. 106 vorgelegt sein wird, das dann eine geordnete Finanzwirtschaft im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ermöglicht.

    (Beifall beim Zentrum.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Steuern haben immer etwas Unangenehmes an sich, entweder wenn man Steuern bezahlen muß oder wenn man, wie ich es jetzt hier tue, eine Steuervorlage zu vertreten und zu verteidigen hat, die zusätzliche steuerliche Belastungen bringt. Ich bin daher an sich nicht überrascht, daß ich bis jetzt im wesentlichen nur Kritik gehört habe. Aber mit Kritik allein läßt sich der Etat nun einmal nicht füllen; und dafür, daß der Etat in Ordnung ist, daß also für die Ausgaben auch die Einnahmen da sind, ist nicht nur der Finanzminister, sondern meines Erachtens sogar noch sehr viel mehr das Hohe Haus verantwortlich.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    Es ist primär und um so mehr verantwortlich, als ja wir vorweg die Höhe der Ausgaben eigentlich erst bestimmen und der Finanzminister dann gezwungen ist, danach zu sehen, welche Vorschläge er uns in Anbetracht der Höhe dieser Ausgaben zum Zwecke der Deckung machen kann. Das heißt


    (Neuburger)

    mit anderen Worten: die Verantwortung liegt auch bezüglich der Höhe bei uns.
    Eine Tatsache müssen wir in den Mittelpunkt unserer Erörterungen und Überlegungen — auch der kritischen Überlegungen — stellen, nämlich die Tatsache, daß von einem Sozialprodukt von nicht ganz 100 Milliarden der steuerliche Anteil indirekter und direkter Steuern rund 25 Milliarden, also über 25 %, beträgt. Diese Steuerhöhe ist die eigentliche Ursache all unserer Steuerkalamitäten. Sie ist die Ursache dafür, daß wir finanz- und steuerpolitisch nicht mehr denken können, ohne zugleich im ursprünglichsten Sinne wirtschaftspolitisch zu denken und zu überlegen. Die Steuerhöhe ist die Ursache dafür, daß wir immer um den Grundsatz der Vereinfachung kämpfen müssen, und die Steuerhöhe ist mit verantwortlich und mit ursächlich dafür, daß wir einen beinahe uferlosen und teilweise aussichtslosen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit führen müssen.
    Ich komme zunächst auf die Finanzpolitik im Verhältnis zur Wirtschaftspolitik zu sprechen. Betrügen die Steuersätze nur 5 oder 10 % unseres Sozialproduktes, so brauchten wir nur fiskalische Überlegungen anzustellen. Der Finanzminister brauchte dann wirklich nur ein Finanzminister zu sein und hätte seinen Etat nur nach fiskalischen Gesichtspunkten in Ordnung zu halten. Die Steuern sind aber so hoch, daß jede finanzpolitische Maßnahme wirtschaftspolitische Auswirkungen hat. Wir nähern uns der gefährlichen und inhaltsschweren Situation, daß die Steuer zum Steuerungsmittel der Wirtschaft wird. Deshalb ist es kein Zufall, daß schon bei der ersten Steuervorlage vor einem Jahr die wirtschaftspolitischen Erwägungen im Vordergrund standen und daß auch bei der I heutigen Vorlage vom Finanzminister neben den fiskalischen Gesichtspunkten ausdrücklich wirtschaftspolitische Gesichtspunkte zur Begründung vorgetragen und herangezogen wurden. Vorhin fiel das Wort, man müsse damit aufhören, in jedem Frühjahr neue Steuervorlagen einzubringen. Weiter wurde gesagt: daß der Finanzminister nicht jedes Jahr wie ein Weihnachtsmann kommen solle. Dazu sage ich: Lösen Sie durch die Senkung der Steuersätze die Verkoppelung mit der Wirtschaftspolitik, dann ist auch eine stetige Steuer- und Finanzpolitik möglich!

    (Abg. Seuffert: Sprechen wir heute über Senkung?)

    — Das ist mit unsere Aufgabe, daß wir zu einer Senkung dieser Steuersätze kommen.

    (Abg. Seuffert: Auf diesem Wege?)

    — Darüber werden wir uns noch unterhalten. (Abg. Seuffert: Das wird Zeit!)

    — Vielleicht komme ich sogar nachher selbst noch bei meinen Ausführungen dazu.

    (Zuruf von der SPD: Sogar?)

    Eine gewisse abhängige Beweglichkeit der Steuerpolitik ist also zwangsläufig, weil die Wirtschaft selbst sich ständig in Bewegung befindet und damit wechselnde wirtschaftliche Anforderungen auftreten; und dies alles verschärft mit Rücksicht darauf, daß wir mit rund 25 % unserer Wirtschaft von Faktoren abhängig sind, die außerhalb unserer Macht und außerhalb unseres Landes liegen.
    Die Situation, vor die sich unsere Wirtschaft vor einem Jahr gestellt sah, war eine völlig andere als die, in der wir jetzt stehen. War die Situation vor einem Jahr dadurch gekennzeichnet, daß es unserer Wirtschaft an Aufträgen mangelte, daß wir
    sozusagen eine Wirtschaftsstagnation hatten, so ist
    es heute umgekehrt so, daß die Wirtschaft mit Aufträgen überlastet ist. Damals galt es daher, die
    Wirtschaft durch das Mittel der Steuer in Bewegung zu bringen. Wenn behauptet wird, das sei
    nicht richtig gewesen, und wenn behauptet wird, die
    Auswirkungen seien schädlich gewesen, so ist das die
    unrichtigste Behauptung, die je aufgestellt wurde.

    (Abg. Ewers: Sehr richtig! — Gegenrufe von der SPD. — Abg. Seuffert: Sagen Sie das dem Bundesfinanzminister!)

    Durch die Steuerreform vor einem Jahr sind die Selbstfinanzierung, die Eigenfinanzierung und die Kapitalbildung angeregt worden.

    (Abg. Dr. Koch: Und wo bleiben die Engpässe?)

    — Komme ich drauf! — Jeder Arbeitsplatz, der neu gebildet wird, bedarf vorweg einer Investition. Allein in der Zeit vom März 1950 bis September 1950 sind zusätzlich rund eine Million Menschen neu in Arbeit gekommen. In der gleichen Zeit des Vorjahres betrug die Sparkapitalbildung rund 0,8 Milliarden, also 800 Millionen. — Herr Kollege, ich habe die Statistik nachgesehen: in den 1,4 Milliarden, die Sie als Sparkapital dos Jahres 1949 nennen, sind sämtliche Beträge enthalten, die nachträglich auf Grund der Aufwertung bzw. der Reste, die bei der Währungsreform noch verblieben, gutgeschrieben wurden.

    (Abg. Dr. Koch: Nein! Nein!)

    Das Jahr 1949 hat uns eine Sparkapitalbildung von einer Milliarde gebracht. Das Jahr 1950 — das ist richtig — hat uns eine Sparkapitalbildung von ebenfalls einer Milliarde gebracht. Vom Februar bis September 1950 haben wir eine Sparkapitalbildung von 800 Millionen, und erst ab September hat sich dann die Sparkapitalbildung sehr stark verlangsamt.

    (Abg. Seuffert: Bis zur Entsparung, bis zur Abnahme!)

    Wir haben dafür aber auf dem Sektor Bausparkassen und auf dem Sektor Lebensversicherungen eine zusätzliche Sparkapitalbildung gehabt, so daß wir im Jahre 1950 insgesamt eine Sparkapitalbildung von über 2 Milliarden haben, immerhin eine Summe, die sich sehen lassen kann.
    In diesem Zusammenhang möchte ich gleich noch auf die Einwendung eingehen, die Steuereinnahmen seien rückläufig. Seinerzeit, vor einem Jahr, wurde ausdrücklich erklärt, daß ein solcher steuerlicher Impuls, der zunächst mit Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der Eigenfinanzierung arbeitet, selbstverständlich zunächst einen Steuerausfall bringen wird. Ich kann den Steuerausfall nicht dadurch errechnen, daß ich diese 3/4 Jahre mit dem Jahr vorher vergleiche. Wir können vielmehr erst Vergleiche ziehen, wenn das Finanzjahr per 31. März abgeschlossen ist. Dann werden wir feststellen, daß wir keine Steuerausfälle zu verzeichnen haben. Die Eigenfinanzierung, die wir damals bewußt eingeführt haben, diente in erster Linie also dem Zweck, der Wirtschaft wieder Aufträge und eine gewisse Auftragsfreudigkeit zu geben und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist geschehen. Das Sozialprodukt hat sich erweitert. Weil sich das Sozialprodukt erweitert hat, sind — was niemand bestreiten kann — die Käufer immer zurückhaltender geworden, und die Preise sind bis September langsam, aber stetig gesunken. Es hat etwas dazu gehört, die Waren abzusetzen.


    (Neuburger)

    Wenn ich nun die wirtschaftliche Lage von heute betrachte, so muß ich folgendes sagen. Wenn Ihr Standpunkt richtig wäre, dann müßte die heutige wirtschaftliche Situation gerade durch die Eigenfinanzierung bedingt sein. Nun kennen wir aber doch die Ursachen der Gleichgewichtsstörung von heute. Die Gleichgewichtsstörung unserer Wirtschaft von heute ist doch nicht dadurch bedingt, daß wir leerstehende Produktionsstätten oder Überkapazitäten haben, sondern die Gleichgewichtsstörung beruht in erster Linie darauf, daß wir eine einseitigeVerlagerung in die Konsumsphäre haben. Diese Verlagerung haben wir, weil sich unser Preisgefüge nicht hat halten können. Wir wissen aber, wenn wir ehrlich mit uns zu Rate gehen, die Ursachen dafür, daß sich das Preisgefüge nicht hat halten können. Jedenfalls liegt das nicht an steuerpolitischen Maßnahmen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Ich kann jedenfalls die Eigenfinanzierung in keiner Weise verantwortlich machen a) für die Preisentwicklung und b) für die Konsumverlagerung.
    Wenn Sie sagen, die Engpässe hätten Investitionen gebraucht, dann will ich Ihnen folgendes sagen. Gerade zu der Zeit, im Juni und Juli, konnten die Zechen die Kohlen nicht absetzen. Ich selbst bin in Süddeutschland angegangen worden, weil die Gaswerke ihren Koks nicht absetzen konnten. Wenn wir die Korea-Krise nicht bekommen hätten, dann würde unsere Kohlenproduktion mehr als ausreichen. Es wäre nicht das erste Mal, daß wir hier im europäischen Wirtschaftsraum eine Kohlenschwemme gehabt hätten. Wir würden dann sagen, daß all die Gelder, die wir dafür investiert haben, Fehlinvestitionen sind. Ob etwas fehlinvestiert ist, entscheidet doch erst die Wirtschaftskonjunktur, die nachher kommt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Mit anderen Worten, die sogenannten Engpässe von heute sind in keiner Weise dadurch bedingt, daß seinerzeit die §§ 7 a, 10 a und 32 a eingeführt wurden.

    (Abg. Dr. Koch: Lesen Sie doch einmal das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats!)

    — Das sind meine Erfahrungen und meine Erkenntnisse, die ich hier vortrage.
    So komme ich also zu dem Ergebnis, daß die Steuerreform von damals, weil sie eben mit Rücksicht auf die Steuerhöhe wirtschaftspolitische Gesichtspunkte haben mußte, gerechtfertigt war und ihren Zweck voll erfüllte. Weil diese Voraussetzungen heute wegfallen, müssen diese steuerpolitischen Vorteile eben zwangsläufig in Wegfall kommen. Daher sind wir uns grundsätzlich darüber einig, daß der § 7 a wegfallen muß. Ob die §§ 10 a und 32 a ebenfalls wegfallen müssen, möchte ich persönlich bezweifeln. Ich hätte es gern gesehen, wenn zumindest der § 10 a noch die Möglichkeit einer gewissen Eigenfinanzierung vorsehen würde.
    Was die Investierungsraten des Jahres 1950 betrifft, so möchte ich Ihnen folgendes sagen. Im Jahre 1950 wurden etwas über 15 Milliarden DM investiert; darunter 35 % aus öffentlichen Mitteln, 23 % aus Mitteln des Kapitalmarktes, 10 % aus Mitteln der Gegenwertfonds und rund 27 % aus normalen Investierungen, aus Bankkrediten und aus diesen steuerbegünstigten Investierungen. Das sind etwa 4,5 Milliarden DM. Sie haben vorhin den Betrag von 5 Milliarden DM genannt. Wenn
    Sie von diesen 4,5 Milliarden DM die sogenannten normalen Investierungen, die Sie ja unserer Wirtschaft zubilligen müssen, absetzen, dann kommen Sie über diese Steuerbegünstigungen glücklich noch zu einer Investierung von rund 2 Milliarden DM. Dafür haben wir über eine Million Leute neu in Arbeit gebracht, und das Sozialprodukt hat sich entsprechend erhöht. Auf Grund des Memorandums, das der Minister vorgelegt hat, soll sich durch die Erweiterung unserer Wirtschaft das Steueraufkommen ohne Änderung unserer Steuergesetze um über 2 Milliarden DM erhöhen. Denn der Minister verlangt von den 4,5 Milliarden DM auf Grund neuer Steuergesetze nur 2,2 Milliarden DM, während der normale Gesundungsprozeß unserer Wirtschaft 2,2 Milliarden DM zusätzlich erbringt. Wenn also diese Investierungen sich nicht gelohnt haben und wenn das Wirtschaftsprogramm und die Finanzpolitik nicht zweckentsprechend waren, dann gibt es nichts mehr, was sich lohnt und volkswirtschaftlich richtig ist.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Seuffert: Das wollen wir mal sehen! — Abg. Dr. Koch: Für wen?)

    Auf einem Gebiet sind die Auffassungen heute wie vor einem Jahr die gleichen, auf dem Gebiet der Kapitalnot. Daher sind mit Recht die Bestimmungen betreffend den Wohnungsbau, die Lebensversicherungen und die Bausparkassen geblieben. Nicht ganz einverstanden bin ich, wie ich bereits vorhin gesagt habe, damit, daß die anderen Vergünstigungen abgebaut werden, ohne daß in dieser Steuervorlage zugleich echte neue Kapitalquellen durch steuerliche Vergünstigungen erschlossen werden. Ich persönlich denke hier daran, daß es möglich sein müßte, den Sparer wieder an den Pfandbrief zu bringen. Der Sparer müßte auch wieder an die Obligation gebracht werden. Aber wir müssen bezüglich dieser beiden Papiere neue 'rechtliche Wege gehen. Wir müssen Pfandbrief und Obligation an einen echten Sachwert koppeln, um nach all dem, was wir bisher erlebt haben, bei diesen beiden Papieren — den Standardpapieren des Sparens und der Investition — das Prinzip der Wertbeständigkeit juristisch zu verwirklichen.
    Die Steuerhöhe ist auch ein Feind jeder Vereinfachung. Denn je höher der Steuersatz ist, desto mehr Vergünstigungen und Ausweichmöglichkeiten muß man mit Rücksicht auf die Vielfalt des Lebens gewähren. Deshalb stehe ich auch Ihren (zur SPD) beiden Vorschlägen der Investitionsabgabe und der sogenannten Verbrauchssteuer oder Mehrumsatzsteuer etwas skeptisch gegenüber. Denn Sie werden dann in dieselben Schwierigkeiten kommen. Bei der Investitionsabgabe wäre es doch so, daß unter Umständen derjenige, der gerade besonders günstig verdient, investiert. Ob das volkswirtschaftlich gerade das Richtige ist, steht auf einem anderen Blatt. Das läßt sich im Augenblick der Investition meistens nicht zutreffend beurteilen.

    (Abg. Dr. Koch: Falsch verstanden!)

    Bei der Mehrverbrauchssteuer ist selbstverständlich der Gedanke richtig, zu sagen: Wer sich den Luxus erlaubt, von seinen Einnahmen mehr als üblich zu verbrauchen, der soll dafür eine gewisse Steuer zahlen. Aber welcher tägliche Umsatz, mein lieber Herr Kollege Koch, ist dann in diesem Sinne steuerunschädlich? Stellen Sie sich einmal die Vielfalt des Lebens vor, denken Sie an Familienzuwachs, an notwendige Anschaffungen für den Haushalt, an Krankheit, an Erziehungsausgaben für die Kinder, an eigene Ausgaben für Erholung oder


    (Neuburger)

    für Krankheit, an Umzug oder sonstige Fälle. Sie kämen ohne einen großen Kalender nicht aus, den Sie dann eben von der anderen Seite her aufbauen müßten, und schließlich kämen Sie noch zu einer zweiten Steuerveranlagung. Es ist die Frage, ob d a s dann eine Vereinfachung darstellt. Ebenso ist es mit der Betriebssteuer, die wir doch praktisch bei den Kapitalgesellschaften haben. Solange die Steuersätze so hoch sind, wird jedes Steuersystem kompliziert bleiben.
    Dasselbe gilt nun leider auch für den Grundsatz der Steuerehrlichkeit, für den wir nicht genug streiten können und für den wir immer wieder streiten müssen. Niemand zahlt gern seine Steuern richtig, wenn er weiß, daß der andere umgekehrt den Steuerfiskus in irgendeiner Form betrügt. Die Steuerehrlichkeit hat aber zwei natürliche Feinde, einmal die Steuerhöhe und weiter die Unstetigkeit unserer Steuern wegen der Kopplung der Steuerpolitik mit der Wirtschaftspolitik.

    (Zuruf vor der CDU: Und die mangelnde Steuergerechtigkeit von seiten des Staates!) — Das möchte ich auch sagen.

    Heute ist auf Grund des Grundgesetzes die Steuerveranlagung, die Steuerüberprüfung auf die einzelnen Länder verlagert. Die einzelnen Länder selber sind gegenseitig Unterstützungszahler und Unterstützungsempfänger. Die Steuermeßzahlen bei den Ländern liegen von rund 40 % auf der einen Seite bis rund 150 % auf der anderen Seite. Mit anderen Worten, Sie verlangen, wenn Sie von den Ländern eine steuergerechte Eintreibung fordern, von den steuerstarken Ländern, daß sie ihre Steuerzahler beknien, damit diese alle Steuern bezahlen, um diese Steuern dann an das andere Land geben zu können. Umgekehrt soll das steuerschwache Land ebenfalls das Letzte herausholen, um nicht soviel fordern zu müssen. Aber in dem Kampf des Steuerausgleichs zwischen den Ländern spielen die umgekehrten Positionen die entscheidende Rolle. Der eine will möglichst wenig in seiner Kasse haben, damit er viel verlangen kann; der andere will möglichst wenig in seiner Kasse haben, damit er wenig zu geben braucht. Wenn ich aus der Erfahrung spreche — ich möchte niemandem zu nahe treten — und mir überlege, was hinsichtlich der Verlagerung und der Neuansiedlung von Betrieben alles an Steuervergünstigungen gegeben und versprochen wird, dann muß ich sagen, daß der Begriff der Steuergleichheit — ich möchte in bezug auf die Länder nicht von Steuerehrlichkeit sprechen, sondern von Steuergleichheit — ein sehr relativer Begriff ist. Ich muß sagen, meines Erachtens werden wir auf diesem Gebiete niemals zu gesunden Verhältnissen kommen, wenn es uns nicht in diesem Hohen Hause sowie im Bundesrat gelingt, die Dinge verantwortlich und real zu sehen und mindestens zu einem einheitlichen Steuerprüfungs- und Steuerfahndungsdienst zu kommen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Als ich seinerzeit hier in dem Hohen Hause bei der Auseinandersetzung zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern gehört habe, daß damit, daß im Grundgesetz ein Steuerausgleich vorgesehen sei, auch eine Existenzberechtigung für steuerschwache Länder gegeben sei, ist mir der Gedanke gekommen: weil wir eine Krüppelfürsorge haben, haben wir auch Rechtsansprüche darauf, Krüppel zu haben.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe links.) — Es ist aber so.

    Abschließend möchte ich folgendes sagen. Die Steuernovelle muß unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß wir jetzt diese Steuerhöhe haben und daß uns diese Steuerhöhe zwangsläufig in diese Kalamitäten bringt.

    (Abg. Seuffert: Wie ist es eigentlich mit der Umsatzsteuer?)

    — Darauf komme ich noch. Um unserer Wirtschaft entscheidend zu helfen, müssen wir die Kapitalbildung auf jede Weise und in echter Form so fördern, daß der Sparer auch das Gefühl hat, daß er in keiner Weise mehr mit einer nominellen Entwertung seines Spargeldes zu rechnen hat.
    Nun die Umsatzsteuer. Sie lehnen die Umsatzsteuer völlig ab, betonen aber auf der anderen Seite, völliges Verständnis dafür zu haben, daß die Ausgaben zu leisten sind.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Für zusätzliche Ausgaben allein für die äußere Sicherheit — ich will jetzt nicht vom inneren, sozialen Frieden sprechen — sind 1,7 Milliarden Mark angefordert. Die Umsatzsteuer soll 1,2 Milliarden Mark bringen. Ja ist jemand hier im Hause oder ist jemand in unserem Volke, der nicht verpflichtet wäre, für diese Sicherheit einen Geldbeitrag zu leisten? Man darf auf keinen Fall der Versuchung erliegen, die Umsatzsteuer als indirekte Steuer allein zu betrachten, sondern man muß immer die Gesamtsteuerbelastung sehen — und unter dem Gesichtspunkt der Zusammenrechnung von Umsatzsteuer und Einkommensteuer haben wir immer noch eine sozial sehr gestufte Steuer.

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Oh! Oh! — Abg. Dr. Koch: Das ist eine Auffassung! Die ist sehr „sozial"!)

    Was noch den § 33 a betrifft, so werden weite Kreise der Betroffenen zweifellos verlangen, daß diese Bestimmung aufrechterhalten bleibt, obwohl andererseits unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung und in Verbindung mit der Erhöhung der Freibeträge vielleicht ein Ausgleich gefunden werden könnte.
    Zu begrüßen ist, daß die Leistungen der freien Wohlfahrtspflege umsatzsteuerfrei werden sollen. Ich würde es aber noch mehr begrüßen, wenn im Hinblick auf die geradezu turbulente Rechtslage von heute in den verschiedenen Ländern der Herr Bundesfinanzminister sich entschließen könnte, einen einheitlichen Stundungserlaß für diese Steuer rückwirkend ab 1. April 1950 herauszugeben.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf rechts: Höchste Zeit!)

    Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir können an diese Steuervorlage mit gar nicht genug Verantwortung herangehen. Die Steuersätze haben meines Erachtens jetzt eine Höhe erreicht, die nicht mehr überschritten werden kann.

    (Zurufe links: Aha! Sehr richtig! — Abg. Seuffert: Das hat allerdings der Herr Finanzminister schon vor einem halben Jahre gesagt!)

    Man kann auch in der staatlichen Verwaltung übertreiben. Wir haben seinerzeit den Zusammenbruch des Bewirtschaftungssystems erlebt, wir haben auch schon Zusammenbrüche auf dem Preissektor erlebt. Deshalb müssen wir uns auf dem Gebiete der Ausgabenwirtschaft, und zwar sowohl hier in diesem Hause wie als einzelne, die größte Disziplin auferlegen. Bringen wir diese Disziplin nicht auf, dann fürchte ich für unsere Zukunft, nicht nur für


    (Neuburger)

    unsere wirtschaftliche, sondern auch für unsere soziale und demokratische Zukunft.

    (Beifall in der Mitte.)