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ID0112301900

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    Deutscher Bundestag — 123. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951 4685 123. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4686C, 4687A, 4718A, 4732C Änderung der Tagesordnung 4686D Anfrage Nr. 159 der Fraktion der SPD betr. Überschwemmungsschäden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nrn 1861 und 1979 der Drucksachen) 4687A Zwischenbericht des Bundesministers der Finanzen über die Frage der Freigabe historischer Gold- und Silbermünzen (Nr 1981 der Drucksachen) 4687A Bericht des Bundeskanzlers über Kredite und steuerliche Begünstigungen für Flüchtlingsbetriebe (Nrn. 1286 und 1986 der Drucksachen) 4687B Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Uraltkonten in West-Berlin, deren Berechtigte im Gebiete der Bundesrepublik wohnen (Nr. 1786 der Drucksachen) 4687B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP), Interpellant 4687B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4688A Frau Schroeder (Berlin) 4689A Dr. Reif (FDP) 4689D Frau Kalinke (DP) 4690A Dr. Krone (CDU) 4690B Ausschußüberweisung 4690C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) (Nr. 1982 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen) . . . 4690C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4690D, 4710D Dr. Koch (SPD) 4695D Dr. Bertram (Z) 4701B Neuburger (CDU) 4703D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 4707A Ewers (DP) 4713A Loritz (WAV) 4714C Müller (Frankfurt) (KPD) 4716A Ausschußüberweisung 4718A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr 1977 der Drucksachen) 4718A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit , . . 4718A Ausschußüberweisung 4719A Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes (Nr. 1993 der Drucksachen; Anträge Umdruck Nrn. 93 und 94) 4687A, 4719A Dr. Schröder (Düsseldorf), Antragsteller 4719A, 4724D Frau Strobel (SPD) 4719D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 4721D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 4723A Kriedemann (SPD) 4723C Dr. Preusker (FDP) 4724C Abstimmungen 4725A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes (Nr. 1654 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1984 der Drucksachen) 4725C Neuburger (CDU), Berichterstatter 4725C Abstimmungen 4726A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und 4 Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Nr. 1845 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 1972 der Drucksachen) 4726C Degener (CDU), Berichterstatter . 4726C Beschlußfassung 4726D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verlängerung der Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 1731 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (16. Ausschuß) (Nr 1980 der Drucksachen) 4727A Dr. Schatz (CSU), Berichterstatter . . 4727B Beschlußfassung 4728A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Mende u. Gen. betr. Programm für die Betreuung der deutschen Jugend (Nrn. 1030, 1968 der Drucksachen) . . . 4728A Kemmer (CSU), Berichterstatter . . 4728B Strauß (CSU) 4728D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4730A Beschlußfassung 4731C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Gebührenbefreiung beim Kleinwohnungsbau (Nrn. 1467, 1978 der Drucksachen) . . 4731C Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 4731C Beschlußfassung 4732A Beratung der Übersicht Nr. 21 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 87) 4732A Beschlußfassung 4732C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 91) 4732C Beschlußfassung 4732C Nächste Sitzung 4732C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Harald Koch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat im Finanzpolitischen Ausschuß des Bundestages und auch heute an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Steuervorlagen, die jetzt zur Diskussion stehen, nicht nur finanzpolitischen Charakter haben, sondern auch von wesentlicher wirtschaftspolitischer Bedeutung sind. In diesem Punkte können wir alle dem Herrn Finanzminister folgen. Auch in diesem Jahre dürfen wir daher ebenso, wie wir es bei der Beratung der Einkommensteuerreform im vergangenen Frühjahr getan haben, vor allen Dingen auf die wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte hinweisen, die auch bei dieser neuen Steuerreform zu berücksichtigen sind.
    Wenn wir heute auf die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik blicken, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr oder überhaupt bisher betrieben hat, so müssen wir feststellen, daß die Finanzpolitik diese Wirtschaftspolitik begünstigt hat. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Finanzpolitik an eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik angeknüpft hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß er durch Begünstigung der Fehlinvestitionen,
    durch Verschärfung der Engpässe wie auch der
    sozialen Gegensätze dem Bundeswirtschaftsminister
    bei dessen Wirtschaftspolitik geholfen hat. Wir


    (Dr. Koch)

    dürfen als sozialdemokratische Fraktion mit gutem Gewissen an die Argumente erinnern, die wir im vergangenen Jahre gegen diese Wirtschaftspolitik vorgebracht haben. Wir haben damals eine genaue Analyse über den Umfang der Investitionen und über den ungesunden Anteil der Selbstfinanzierung schon bis zum Jahre 1949 gegeben und wir haben seinerzeit, im März des vergangenen Jahres, vor einem Weitergehen auf diesem Wege gewarnt. Wir möchten nicht mißverstanden werden. Auch wir freuen uns über eine hohe Investitionsrate, weil Investieren volkswirtschaftlich gesehen auch Sparen ist. Aber es kommt vor allen Dingen auch auf die Beantwortung der Frage an: wo wird investiert?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben vor der überhöhten Selbstfinanzierung gewarnt, die im vergangenen Jahr wieder der Anlaß zu ganz besonders unerhörten Fehlinvestitionen gewesen ist und damit zu der Tatsache geführt hat, daß für die Engpaßindustrien nicht das notwendige Geld zur Verfügung gestanden hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Im Jahre 1950 sind nach den neuesten Ziffern im Wege der Selbstfinanzierung 5 Milliarden DM investiert worden, während es im Jahre 1949 nur 4 Milliarden DM waren. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Selbstfinanzierungen, die den Betrieben zugute kamen, die wir nicht so sehr zu fördern haben wie die Engpaßindustrien, letzten Endes von der breiten Schicht der unteren Einkommensbezieher getragen worden sind, die als Verbraucher die überhöhten Preise bezahlt haben und die sich als Arbeitnehmer mit von Tag zu Tag sinkenden Reallöhnen haben zufrieden geben müssen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Wir haben als Folge der Wirtschaftspolitik insbesondere auf sechs Gebieten Engpässe festzustellen: auf dem Gebiete der Kohle, auf dem Gebiete des Eisens und Stahls, auf dem Gebiete der Energie, des Verkehrs, der Exportindustrien und dann auf dem Gebiete der gerade für diese Industrien so wichtigen Arbeiterwohnungsbauten. Diese Engpässe haben wir trotz der unerhörten Leistungen des ganzen Volkes — ich erinnere nur an den Anteil der Investitionsrate am gesamten Sozialprodukt —, trotz des Konsumverzichts der breiten Masse, erzwungen durch die hohen Preise, wie ich schon sagte, und trotz des ständigen Sinkens des Reallohnes zu verzeichnen, weil man sich nicht zu einer planvollen Wirtschaftspolitik Bereitfinden konnte, wie wir sie seit Jahr und Tag vorschlagen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir müssen berücksichtigen, daß der eine Engpaß Kohle zu der Kohlenkrise dieses Winters geführt hat.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Warum ist das in England auch so?)

    — Wir sind uns alle darüber einig, meine Herren Zwischenrufer, daß wir diese Kohlenkrise sicher hätten vermeiden können, wenn wir im Sommer des vergangenen Jahres nicht 500 000 Tonnen Kohle freiwillig ausgeführt hätten, die wir nicht auszuführen brauchten.

    (Beifall und Zustimmung bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Wuermeling: Olle Kamellen!)

    Wenn wir von den Leiden der Unterversorgten
    absehen, wenn wir davon absehen, daß auch in
    diesem Winter zu Diebstählen gegriffen werden
    mußte, damit man Kohle hatte, wenn wir von dem Schlangestehen absehen, von den Kundenlisten, von den Schulschließungen, so ist uns durch diesen Engpaß ein unübersehbarer volkswirtschaftlicher Schaden entstanden. Diesen Engpaß müssen wir berücksichtigen, wenn wir Steuerpolitik machen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich im wesentlichen, wie wir wissen, nur von dem Gedanken leiten lassen, daß Frühling und Sommer sich schon langsam wieder heranpendeln werden.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das werden Sie bestimmt erleben!)

    Meine Damen und Herren, wir müssen berücksichtigen, daß einer der schlimmsten Engpässe der Kapitalmarkt ist. Auf ihm haben sich keineswegs die Hoffnungen erfüllt, die der Herr Bundesfinanzminister und die Regierungsparteien an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Denn die hohen Steuersenkungen — wir wagten damals zu sagen, die hohen Steuergeschenke an eine bestimmte Gruppe von Einkommensbeziehern — haben sich nicht im Kapitalmarkt niedergeschlagen, wie man seinerzeit gehofft hatte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im letzten Jahre schon durfte ich Herrn Abs, den Präsidenten der Wiederaufbaubank, zitieren. Er hatte damals schon mit Bedauern festgestellt, daß wesentliche Beträge in der deutschen Volkswirtschaft fehlgeleitet, fehlinvestiert seien.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Heute sagt er uns, daß viele Betriebe, die wir im letzten Jahre unnötigerweise durch die Steuerreform des vergangenen Jahres begünstigten, heute Investitionen der Jahre 1953 bis 1955 durchführen, während andere Unternehmen, nämlich die Engpaßunternehmungen, noch nicht einmal die Investitionen der Jahre 1947 und 1948 durchführen können.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich sprach davon, daß sich die Hoffnungen nicht erfüllt haben, die an die Steuerreform geknüpft wurden. Während die Spareinlagen im Jahre 1949 1 400 Millionen DM betragen haben, haben sie nach den neuesten Ziffern im Jahre 1950 nur 970 Millionen DM, d. h. also noch nicht einmal zwei Drittel der Sparrate des Jahres vorher, betragen.

    (Zuruf: Koreakrise!)

    Wir haben also aus der Tarifreform des vergangenen Jahres für unsere Kapitalmarktpolitik nichts gewonnen,

    (Zuruf von der SPD: Koreaner!)

    während auf der anderen Seite — das sei den Zwischenrufern gesagt — das Investitionssparen, das Sparen in den Betrieben an unnötigen Orten nicht mehr 4 Milliarden, sondern 5 Milliarden betragen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, damit sind Ihre Zwischenrufe beantwortet.

    (Zuruf von der Mitte: So einfach ist es ja nun nicht! — Abg. Hilbert: So leicht geht es nicht!)

    Meine Damen und Herren! Wir müssen, wenn wir über die Wirtschaftspolitik als Grundlage der Finanzpolitik sprechen, an die Millionen von Arbeitslosen denken. Wir müssen, wenn wir von Wirtschaftspolitik sprechen, den völligen Zusammenbruch der Liberalisierung und die hoff-


    (Dr. Koch)

    nungslose Verschuldung im Außenhandel berücksichtigen. Auch damit werden wir uns zu beschäftigen haben, wenn wir über diese Steuergesetze sprechen.
    Ich bitte Sie, mir nicht entgegenzuhalten, wie es seinerzeit der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Diskussion über die Kohlenkrise getan hat, wir hätten den Krieg verloren, wir machten ihn dafür verantwortlich, daß der Krieg verloren wäre — vielleicht paßt hier das Wort Korea hinein —. Nein, meine Damen und Herren, dafür machen wir den Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung nicht verantwortlich. Aber wir machen die Bundesregierung dafür verantwortlich, daß sie seit Jahr und Tag eine Politik verfolgt, als ob wir den Krieg gewonnen hätten.

    (Sehr gut! und Beifall bei der SPD.)

    Diese Wirtschafts- und Finanzpolitik, meine Damen und Herren,

    (Zurufe von der Mitte)

    — im vergangenen Jahr haben wir darauf hingewiesen, als Sie erhebliche Steuersenkungen vornahmen — wird unsere Wirtschaft auf die Dauer, wie die von mir genannten Ziffern beweisen, nicht vertragen können. Vor diesem düsteren Hintergrund der Wirtschaftspolitik, über die wir sicherlich noch vor Ostern zu sprechen haben werden, vor diesem düsteren Hintergrund einer planlosen Wirtschaftspolitik müssen wir, muß der Bundesfinanzminister Finanzpolitik machen, vielleicht sogar mit dem Ziele, dieser Wirtschaftspolitik noch zu helfen. Das Programm dieser hilflosen Wirtschaftspolitik ist ja das Niederbreisiger Programm, und auch darin sind verschiedene Ansätze für eine Änderung in der Steuerpolitik.
    Meine Damen und Herren, auch wir gehen davon aus und betonen es immer wieder, daß wir verpflichtet sind, dem Herrn Finanzminister die Einnahmen zu bewilligen, die er zur Deckung derjenigen Ausgaben gebraucht, die auch von diesem Hause bewilligt werden. In diesem Sinne, Herr Bundesfinanzminister, ist dieses Haus nicht nur im schlechten, sondern auch im guten Sinne eine „Bewilligungsmaschine". Doch ich glaube, wir sollten dieses Wort „Bewilligungsmaschine" mißbilligen selbst dann, wenn es im bayerischen Wald, hinten in Cham gesprochen worden ist.

    (Heiterkeit.)

    Wir kennen den Bundeshaushalt, Herr Bundesfinanzminister, und wir wissen — Sie haben es uns oft genug vorgetragen —, daß etwa 80 % oder noch mehr

    (Abg. Dr. Wuermeling: 90 %!)

    des Bundeshaushalts einfach gebunden sind. Wir können in diesem Haushalt kaum sparen. Sie haben sich auch auf das Memorandum der Bundesregierung bezogen; wir beziehen uns ebenfalls darauf. Aber man könnte, wenn man vom Sparen und von der Notwendigkeit des Sparens spricht, auf die Kosten hinweisen, die uns das föderalistische .System, die uns der Länderpartikularismus bereitet. Ich glaube, daß sehr viele Steuerpflichtige, denen man heute erneut Steuerlasten zumutet, gern sähen, wenn gerade auf diesem Gebiete das Wort „Sparen" großgeschrieben würde!

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der FDP: Fangen Sie doch in Hessen an!)

    Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Einzelheiten der Steuervorlage. Die sozialdemokratische Fraktion wird „Ja" sagen zu den Änderungen in der sogenannten Siebenergruppe, d. h. also zu den weitgehenden Änderungen im § 7 a, zu der Abschaffung des § 7 e, zu den Änderungen in den §§ 7 c und 7 d. Wir folgen diesen Vorschlägen des Bundesfinanzministers vor allem auch aus dem von ihm genannten Grunde, daß es sich hierbei auch um eine Vereinfachung in der Steuerverwaltung handelt, und wir bedauern in diesem Zusamenhang nur noch einmal, daß man nicht schon im vergangenen Jahr unseren Vorschlägen gefolgt ist.

    (Zurufe rechts.)

    Das Kind liegt nun einmal im Brunnen, und bedauerlicherweise macht man nunmehr ein Jahr zu spät den Brunnen zu. Um das Beispiel des Herrn Bundesfinanzministers zu gebrauchen, diejenigen, die von den Vorschriften der Siebenergruppe haben Gebrauch machen können, werden jetzt wahrscheinlich genug Wintermäntel haben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir sind dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er unsere Anträge aus der Drucksache Nr. 641 vom 28. Februar 1950 aufgreift, sie jetzt selbst stellt, und daß er das Hohe Haus bittet, die §§ 10 a und 32 a abzuschaffen. Wir brauchen also jetzt zur Begründung nichts mehr zu sagen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

    Wir sind auch einverstanden mit der Regelung im § 9 a, d. h. mit einer scharfen Heranziehung der. Spesenausgaben. Ich glaube, dazu braucht in diesem Hause nichts mehr gesagt zu werden. Wir werden im Finanzausschuß zu überlegen haben, ob wir diese Bestimmungen nicht noch verschärfen können.
    Wir stimmen weiter der Änderung des § 33 a zu, d. h. der Erhöhung der Freibeträge für besondere Fälle. Wir stimmen auch unter dem Preise zu, daß damit die Geltendmachung der höheren Beträge wegfallen soll. Wir sind für diese Änderung, weil damit wahrscheinlich eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung wird eintreten können.
    Lebhaft widersprechen aber werden wir in allen Beratungen der folgenden Änderung: der vorgesehenen Zusammenveranlagung der mitverdienenden Ehefrau mit ihrem Ehemann. Das ist eine unsoziale Änderung, die wir nicht mitmachen können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Im Gegenteil, meine Damen und Herren, wir werden wie schon im vergangenen Jahr wiederum die Besserstellung der berufstätigen unverheirateten oder verwitweten Frau verlangen. Man darf hier nicht von einer Gleichstellung mit den Männern sprechen.Das wäre eine Ungerechtigkeit, da völlig verschiedene Voraussetzungen vorliegen.
    Meine Damen und Herren! Wir werden den wesentlichen Ermächtigungen widersprechen, die in den §§ 51 des Einkommensteuergesetzes, 23 a des Körperschaftsteuergesetzes und 18 a des Umsatzsteuergesetzes vorgesehen sind. Diese generellen Ermächtigungen werden wir grundsätzlich ablehnen, weil es ein unmögliches Verfahren ist, die Regierung zu ermächtigen, materiell neues Recht auf dem Wege der Verordnung zu schaffen. Ich brauche keine einzelnen Beispiele zu nennen. Wir haben aber mit Vergnügen davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat diese Ermächtigungen abgelehnt hat, weil ihm der Gedanke zu neu gewesen ist, d. h. also mit anderen Worten, weil er nicht so schnell den Sinn dieser Ermächtigungen verstanden hat.

    (Heiterkeit.)



    (Dr. Koch)

    Wir werden gegen diese Ermächtigungen stimmen, weil wir unter keinen Umständen wieder Zustände schaffen wollen, wie sie etwa in der Weimarer Republik zur Zeit des Herrschens mit dem Art. 48 bestanden haben. Wir wünschen auch keine Ermächtigungsgesetze und werden selbst dann dagegen stimmen, wenn wir wie im März 1933 allein bleiben sollten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Pfui!)

    — Das Wort „Ermächtigungen" weckt in uns Erinnerungen an frühere Tage, wie dies etwa auch das Wort des Herrn Bundesfinanzministers tut: „Erst Brot und dann Pralinen!" Glücklicherweise brauchen wir ja von Kanonen noch nicht wieder zu sprechen. Wir denken nicht daran, etwa die Bundesregierung mit Vergangenem vergleichen zu wollen, aber wenn man uns so ungeschickterweise dazu herausfordert, dann drängt sich doch der Gedanke auf, daß solche griffigen Formulierungen notwendig werden, weil einige Jahre Regierungspolitik vorangegangen sind.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Gar nicht gefallen uns die Terminsetzungen im Einkommensteuergesetz, aber wir müssen der Regierung überlassen, die Wirtschaft ständig zu beunruhigen, im einen Jahre Bestimmungen zu schaffen, um sie dann im nächsten Jahr zu widerrufen.
    Was die Körperschaftsteuer anbetrifft, so kann ich mit einem Satz darüber hinweggehen. Wir halten die Erhöhung für annehmbar; wir hätten es aber viel lieber gesehen, wenn man schon jetzt eine anständige Betriebssteuer geschaffen hätte.
    Und nun, meine Damen und Herren, komme ich
    eigentlich zum wichtigsten dieser Vorlage, nämlich zur Erhöhung der Umsatzsteuer. Der Herr Kollege Wellhausen ist gerade nicht im Hause; er hat uns seinerzeit geraten, wir sollten nicht immer wieder die alte Platte auflegen. Aber es ist außerordentlich bedauerlich, daß wir es immer wieder tun müssen, weil uns immer wieder neue indirekte Steuern vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen werden. Die indirekte Besteuerung ist schematisch und unsozial. Sie knüpft nicht an die steuerliche Leistungsfähigkeit an,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    weil alle indirekten Steuern diesen Begriff der wirtschaftlichen und steuerlichen Leistungsfähigkeit eben nicht kennen. Die neue indirekte Besteuerung, d. h. also die Erhöhung der Umsatzsteuer wird zu einer erneuten Erhöhung der Preise führen, und damit zu einem Sinken der Reallöhne. Wir müßten aber alles tun, um dafür zu sorgen, daß die Preis-Lohn-Schere nicht noch weiter auseinanderklafft.
    Ich möchte dem Herrn Bundesfinanzminister, der mit so beredten Worten Vergleiche mit der indirekten Besteuerung in anderen Ländern gezogen hat, nur einen Absatz aus der Drucksache Nr. 1000 vorhalten, die diesem Hause vor 'etwa dreiviertel Jahren zuging, und worin es hieß:
    Der Anteil der Steuern vom Umsatz und Verbrauch am Gesamtsteueraufkommen, der 1913 noch 36,1% betrug, stellte sich 1949 auf 46,2 % und wird 1950 nach den Vorschätzungen 50 % übersteigen. Eine Erhöhung der Steuern vom Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist also aus der Drucksache Nr. 1000! Wir schließen uns diesen Worten des Herrn Bundesfinanzministers vollauf an.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn er uns eine Berechnung über das Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung vorlegt, so möchte ich nach den Zahlen, die mir vorliegen, darauf hinweisen, daß im Jahre 1949 die indirekten Steuern 52 % der Gesamtsteuersumme ausgemacht haben, daß aber im Jahre 1950 nach den Steuersenkungen der Einkommensteuerreform und nach dem Ausfall von etwa 800 bis 900 Millionen DM dieser Satz auf 58,9 % gestiegen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Während in England — der Herr Bundesfinanzminister liebt ja die Vergleiche mit England — im Jahre 1938 die direkten Steuern 45% und die indirekten Steuern 55 % betrugen, betragen jetzt —1948 — die direkten Steuern 55% und die indirekten Steuern 45 %. Also, genau die entgegengesetzte Entwicklung! Und dieser Entwicklung sollten wir nachstreben.
    Meine Damen und Herren! Wir haben zu befürchten, daß dieselbe Mehrheit, die in der Hausbranddebatte dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar Beifall zollte, als wir gerade auf die Kohlenkatastrophe zugingen, jetzt auch die Umsatzsteuererhöhung annehmen wird. In diesem Falle werden wir beantragen, daß lediglich für drei höchstpreisgebundene Volksnahrungsmittel, nämlich fur Speisefett, Frischmilch und Zucker der Steuersatz von 11/2 % angewandt wird wie bisher schon beim Brot und bei den Waren aus Getreide. Wir haben dann nicht einen neuen Steuersatz von 3°/o, also einen dritten oder vierten Steuersatz; der fiele weg. Wir würden also der Bundesratsvorlage nicht zustimmen. Wir haben aber vor allen Dingen die Möglichkeit, bei diesen drei Warengruppen über das Bundeswirtschaftsministerium eine Senkung der Höchstpreise und der Handelsspannen zu erwirken. In diesem Falle würden also alle die Überlegungen nicht stimmen, die der Herr Bundesfinanzminister hier mit Recht — z. B. wegen der Eier oder wegen anderer Produkte — angestellt hat. Diesen Antrag werden wir dann stellen, wenn die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4°/o in diesem Hause eine Mehrheit finden sollte.
    Wir sprachen von den indirekten Steuern. Ich möchte nur noch eine Zahl nennen. Die Steuersenkung des vergangenen Jahres hat nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung und des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften der Index-Arbeiterfamilie insgesamt nur eine steuerliche Entlastung von 0,5°/o, auf das Einkommen berechnet, gebracht. Während nämlich 1949 die steuerliche Belastung einschließlich der indirekten Steuern bei diesen — in der Regel — Lohnempfängern mit einem Einkommen von 200 bis 300 DM 15 % ausgemacht hatte, machte sie 1950 nach den Steuersenkungen etwa 14,5 % aus.

    (Abg. Ewers: Und die Index-Familie 1948?)

    — Ich habe hier die Zahlen von 1949 und 1950 verglichen. Die Zahlen von 1948 können Sie uns ja nachher nennen.

    (Erneute Zurufe rechts.)

    Was meine politischen Freunde und mich besonders erschütterte, das ist, daß seine wirtschaftspolitischen Sachverständigen dem Herrn Bundesfinanzminister erklärt haben, es sei völlig einerlei,


    (Dr. Koch)

    ob die Umsatzsteuer um 1/20/0 oder um 1 % erhöht werde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Preiserhöhungen werden doch dieselben sein!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir denken an die glücklichen Tage der Weimarer Republik zurück, wo über eine Umsatzsteuererhöhung von 1/4 % ganze Regierungen stürzten. Außerdem entnehmen wir aus diesen Äußerungen das abgrundtiefe Mißtrauen der wirtschaftspolitischen Sachverständigen gegenüber den Kalkulationen in Industrie und Handel.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ob dieses Mißtrauen berechtigt ist, müßten diese wirtschaftspolitischen Sachverständigen besser wissen als wir.
    Nun kommen wir zu unseren Vorschlägen und Forderungen. Wir wiederholen immer wieder unsere Forderungen nach einer umfassenden - Steuerreform. Wir möchten nicht jedes Jahr wieder im Frühjahr wie das Grobreinemachen bei den Hausfrauen ein Herumwursteln und Herumdoktern an .den alten Steuern. Das Bundesfinanzministerium hat jetzt mehr als eineinhalb Jahre Zeit gehabt, sich Gedanken über eine organische Steuerreform zu machen. Solange wir diese Steuerreform nicht haben, werden Sie, Herr Finanzminister — das möchten wir Ihnen garantieren — wie das Christkind alle Jahre wieder mit derartigen Steuerreformen vor dieses Haus treten müssen.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Menzel: Er holt bloß was, er bringt nichts!)

    Die Autorität der Bundesregierung, die auch die Autorität der Bundesrepublik sein sollte, gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß wir ständig Monat f ur Monat vor neue Steuerprogramme gestellt werden, sie gewinnt sicher auch nicht dadurch, daß an einem Sonntag der eine Minister von Steuersenkungen und am anderen Sonntag der andere Minister von Steuererhöhungen spricht,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und gewinnt sicherlich auch nicht dadurch, daß uns Herr Professor Erhard vor etwa einem Monat erklärte, die Austerity der Engländer wäre nichts für das deutsche Volk, und uns heute der Bundesfinanzminister sagt, das deutsche Volk könne sich an dem englischen auf diesem Gebiet ein Beispiel nehmen.

    (Hört! Hört! und lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Die Autorität der Bundesregierung gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß man uns ständig neue Steuervorschläge macht — Luxussteuer, Süßwarensteuer —, die offenbar nicht genügend überlegt worden sind und die man dann zurückzieht, wenn die Interessentengruppen genügend Sturm gelaufen haben. Was wir brauchen, ist die grundlegende Steuerreform, d. h. also eine organische Steuerreform, deren Grundzüge wir schon im vergangenen Jahr hier klargelegt haben.
    Wir möchten uns einen Satz des Sonntagsblatts vom 19. November 1950 zu eigen machen, in dem es heißt:
    Alle bisherigen Versuche zur Einnahmensteigerung muten kümmerlich und kläglich an: Benzinpreiserhöhung, Wäppchenkleben für die Autobahn, Coca-Cola-Steuer und andere Pflästerchen. Immer wieder wird an unserer
    nachgerade unmöglichen Steuersituation herumgeschnibbelt, und die hockbezahlte Bürokratie hat geradezu einen Horror davor, eine
    große und gründliche Steuerreform zu machen.
    Eine unserer wichtigsten Forderungen, meine Damen und Herren, ist die auf völlige Ausschöpfung der vorhandenen Steuern, ist die Forderung nach dem rücksichtslosen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf bei der CDU: Darin sind wir uns völlig einig!)


    (Hört! Hört bei der SPD.)

    Das entspricht dem Gesamtaufkommen an Lohn-und Einkommensteuer. Die Hoffnungen, die in diesem Punkt an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft worden sind, haben sich auch nicht erfüllt. Es sind fromme Wünsche geblieben, und es ist in dieser Frühlingsnacht sehr viel Reif auf die Hoffnungen gefallen.
    Wir werden aus diesem Grunde auch niemals den Anträgen des Zentrums zustimmen können, die generell Strafbestimmungen mildern möchten. Das genaue Gegenteil wäre richtiger, zwar nicht barbarische Strafen gegen Steuerhinterziehungen, aber drakonische Strafen.
    Wir werden, meine Damen und Herren, die Rückgängigmachung der Tarifänderungen beantragen und fordern. Wir haben festgestellt, daß sie falsch waren. Sie haben zu einer unnützen Selbstfinanzierung geführt, sie haben den Kapitalmarkt und auch die Steuermoral nicht gehoben; sie haben unnötigerweise den Luxuskonsum gefördert. Die Ausfälle aus diesen Steuersenkungen sind zu hoch, als daß wir sie uns auf die Dauer leisten könnten.
    Ich hatte hier einmal an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit dem Kollegen Neuburger im Dezember über die Steuerausfälle aus der sogenannten Steuerreform 1950 gehabt. Herr Kollege Neuburger behauptete, wir hätten keine Ausfälle. Tatsächlich hat sich die Einkommensteuer folgendermaßen entwickelt: 1949 7 135 000 000 DM, 1950 6 313 000 000 DM,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    d. h. also, daß wir ein Weniger von 822 Millionen Mark zu verzeichnen haben. Wenn wir uns noch überlegen, daß die Nominallöhne und Nominaleinkommen gestiegen sind — nicht die Realeinkommen, dafür sorgt schon die Wirtschaftspolitik —,

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD)

    und wenn wir uns weiter überlegen, daß auch der Bundesfinanzminister mit einem natürlichen Anwachsen der Steuern rechnet, dann können wir die Ausfälle aus der Steuerreform mit mindestens 1,2 bis 1,5 Milliarden Mark schätzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In diesem Moment interessiert uns als Opposition viel weniger die Höhe als die Verteilung dieser Ausfälle. Von den 822 Millionen Mark entfielen auf die Lohnsteuer 279 Millionen und auf die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen 528 Millionen, also beinahe das Doppelte,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    d. h. in die 279 Millionen müssen sich etwa
    10 Millionen und mehr Steuerpflichtige teilen,


    (Dr. Koch)

    während die 528 Millionen Mark auf etwa 1 bis
    2 Millionen veranlagte Steuerpflichtige entfallen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht sozial!)

    Wir beantragen wie im vergangenen Jahr weiter eine grundlegende Tarifreform als Teil einer organischen Steuerreform. Wir beantragen ausreichende Freibeträge, wie wir das im vergangenen Jahr getan haben. Wir beantragen sie um so mehr, als der Herr Bundesfinanzminister selbst Wert auf eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung legt. Wenn wir bedenken, daß bei Freibeträgen in Höhe von etwa 1 500 Mark für den Steuerpflichtigen und 1 000 Mark für seine Ehefrau und dann für jedes Kind meinetwegen 600 Mark — Freibeträge, wie wir sie in England längst haben —

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    5 bis 6 Millionen Steuerpflichtige aus der Veranlagung überhaupt herausfielen, dann kann man sich denken, wie groß die Vereinfachung auf Grund einer solchen Bestimmung wäre. Dann wären die Finanzämter nicht mehr nur Auskunfteien, wie uns der Herr Bundesfinanzminister sagte, sondern sie könnten ihre wertvolle Arbeitskraft auf wertvollere Objekte lenken, und das Aufkommen an Einkommensteuer könnte um Milliarden gehoben werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Einen Tarifvergleich mit England, Herr Bundesfinanzminister, haben wir in diesem Jahr ebensowenig zu fürchten wie im vergangenen Jahr. Wir beantragen die Abschaffung der ungerechten Tabelle B. Wir wünschen die Einführung einer Betriebssteuer. Wir machen die folgenden beiden neuen Vorschläge, wobei wir uns von nachstehender Überlegung leiten lassen.
    Wir vermissen in dieser Steuerreform — wenn ich einmal so sagen darf --- das Positive. So geht es nicht: die Begünstigungen der Selbstfinanzierungen werden schematisch abgebaut; auf der andern Seite haben wir kaum eine neue, konstruktive Begünstigung des Sparens, sei es des Konsumsparens, sei es des Investitionssparens. Der Ausbau des § 10 genügt nicht, wenn wir daran denken, wie wenig Erfolg bisher das steuerbegünstigte Sparen gehabt hat: 250 Millionen in drei Jahren seit der Währungsreform. Es muß also unbedingt mehr geschehen, um den Sparwillen zu fördern, aber nur dann, wenn der größere Teil dieses Geldes dem Kapitalmarkt zugute kommt und nicht etwa in konsumtiven Ausgaben des Bundes oder der Länder verbraucht wird. Wir wünschen also eine planvolle Lenkung der Investitionen. Das, meine Damen und Herren, ist die Grundlage für die Stabilhaltung der Währung, für die Beseitigung von Engpässen und damit auch für die Steigerung des Realeinkommens für viele Hunderttausende von Arbeitslosen. Das Fiasko mit den Baby-Bonds wollen wir gar nicht erst abwarten, ganz abgesehen davon, daß auch das bundeskanzlereigene Wirtschaftsministerium im Bundeskanzleramt diese Baby-Bonds schon abgelehnt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir empfehlen Ihnen, meine Damen und Herren, als erstes eine Investitionsabgabe und als zweites eine Mehrverbrauchssteuer. Ich muß mich kurz fassen, da meine Redezeit abzulaufen droht, aber ich bitte Sie, diese beiden Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion noch zur Kenntnis zu nehmen.
    Der eine Vorschlag hat das Gewinnsparen zur Steuergrundlage und zum Gegenstand, der andere, die Mehrverbrauchssteuer, den unerwünschten Überverbrauch, den Mehrverbrauch, den Überkonsum, wenn ich einmal so sagen darf. Der eine Vorschlag wendet sich gegen volkswirtschaftlich unerwünschte Investitionen durch Selbstfinanzierung, der andere gegen den volkswirtschaftlich unerwünschten Konsum, der eine also gegen die Investitionsverzerrungen, der andere gegen die Konsumverzerrungen, die unser Ansehen im Ausland, wie wir wissen, tagtäglich schädigen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Investitionsabgabe — ich sage nicht -steuer — hat das Ziel, Mittel für die Engpaßindustrien freizusetzen; die Mehrverbrauchssteuer soll Mittel für den Haushalt freisetzen.
    Ich hatte die Absicht, auf die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium vom Dezember 1950 einzugehen, der auch auf die völlig verfehlte Investitionspolitik der 'vergangenen Jahre hinweist. Die Investitionsabgabe hat ähnliche Vorschläge in Schweden als Anregung. Wir wissen, daß dort die Verhältnisse auf manchen Gebieten anders liegen, aber man wollte auch dort die Selbstfinanzierungen treffen. Man könnte also die Investitionsabgabe — eine Zwangsanleihe, keine Steuer — auf folgender Besteuerungsgrundlage gestalten: 10 oder 20 O/o von den Neuinvestitionen als Zwangsanleihe; dann auch einen bestimmten Betrag von den Ersatzbeschaffungen und Abschreibungen, damit man nicht dahin ausweicht, und ausschließlich — was besonders wichtig wäre — ein bestimmter Prozentsatz auf die Lagerzugänge, auf die Überbestände am Lager. Es muß aber unbedingt sichergestellt werden, daß diese Investitionsabgaben tatsächlich nur für Investitionen in den Engpaßindustrien in Frage kommen.
    Der Vorschlag der Erhebung einer Mehrverbrauchssteuer geht auf eine Anregung aus den USA zurück, wo man während des Krieges eine Konsumsteuer einführen wollte. Sie soll sich nicht gegen den Massenkonsum, nicht gegen den lebensnotwendigen Bedarf wenden, sondern gegen einen volkswirtschaftlich unerwünschten Überkonsum, also gegen Konsumverzerrungen. Besteuerungsgrundlage wäre der Mehrverbrauch, der das gegebene, d. h. bekannte einkommensteuerpflichtige Einkommen zum Ausgangspunkt hat. Von diesem Einkommen wären abzusetzen die Einkommensteuer und sonstige Abgaben, dann alle zusätzlichen Sparbeträge, alles, was man in Wertpapieren oder auf Banken und Sparkassen langfristig anlegt, und alle Versicherungsbeiträge. Dann wären Freibeträge als Mindestgrenzen zu gewähren, durch die 8 bis 10 Millionen Steuerpflichtige aus der Mehrverbrauchssteuer herausfielen; was dazwischenliegt, ist eben nicht Verbrauch, sondern Mehrverbrauch. Die Steuer würde sich also nur gegen den Überkonsum, nicht gegen den Massenkonsum richten Sie würde den Spargedanken fördern, und sie wäre etwas ganz Neues: eine direkte Verbrauchssteuer.
    Wir kennen die Einwände, die man gegen solche Steuern erhebt. Sie träfe mittelbar viele Industrien, die für den Überbedarf arbeiten. Aber das ist immer noch besser als Zwangssparen, das das ordentliche Sparen zerstört; es ist immer noch besser als die schematischen Umsatzsteuererhöhungen, besser als Luxussteuern und besser als die sogenannten Baby-Bonds. Wir brauchten keine


    (Dr. Koch)

    neue Verwaltung, da keine übermäßige Belastung der Finanzverwaltung gegeben ist. Wir brauchten keinen Katalog sparmarkenpflichtiger Waren wie bei den Baby-Bonds; es wäre nicht notwendig, den gesamten Einzelhandel mit hunderttausenden von Geschäften zu belästigen.
    Ich glaube, mit diesen Ausführungen dem Herrn Bundesfinanzminister bewiesen zu haben, daß in diesem Hause nicht nur negative Bewilligungsmaschinisten sitzen, sondern auch positive.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat Herr Kollege Arndgen uns, der Opposition, an dieser Stelle zugerufen, wir könnten in dieser Woche beweisen, ob wir bereit wären, durch Steuerbewilligungen den Ärmsten der Armen zu helfen. Daß wir dazu bereit sind, haben wir oft genug bewiesen; aber es darf nicht so sein, daß man diesen Ärmsten der Armen durch indirekte Steuern zunächst die Beträge, die sie nachher als Unterstützung erhalten, aus den Taschen holt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Das, meine Damen und Herren, geschähe, wenn wir die Umsatzsteuer erhöhten.

    (Zuruf von der CDU: Die Ärmsten der Armen zahlen doch gar nicht!)

    Darum haben wir unsere andersgearteten Vorschläge hier vorgetragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer wäre das Unsozialste, was es gibt. Für den Herrn Zwischenrufer: die Umsatzsteuer wird von jedem erhoben.
    Wir können auch in diesem Jahre wieder an der Steuerreform ermessen — und mit uns das ganze Volk —, ob und wie ernst es der Regierung mit ihren Worten in der Regierungserklärung ist, sie wolle „so sozial wie möglich" handeln. Auf allen anderen Gebieten kann man möglicherweise diskutieren nach den Worten:
    Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
    Mit Worten ein System bereiten.
    Aber hier, bei der Steuerdebatte, haben wir Steuersätze, Steuertabellen und Steuertarife. Bisher, meine Damen und Herren, hat das deutsche Volk an diesen Maßstäben nicht gerade sehr viel Gutes über die soziale Einstellung dieser Bundesregierung ablesen können.
    Die sozialdemokratische Fraktion wird auch in diesem Jahre wieder alles daransetzen, daß unser Steuersystem diese vier Forderungen erfüllt: die Vereinfachung der Verwaltung und damit die sparsamste Erhebung der Steuern, die Belastung des einzelnen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dann vor allem auch die unerbittliche Erfassung aller Steuerpflichtigen um der steuerlichen Gerechtigkeit willen und schließlich und nicht zuletzt auch ein Steuersystem der unbedingten sozialen Gerechtigkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte vor einiger Zeit Gelegenheit, zu sagen, daß der Herr Bundesfinanzminister damit beschäftigt sei, neue Steuern zu erfinden. Diese Behauptung hat sich nun als richtig erwiesen. Wir haben hier schon die Erhöhung des Notopfers Berlin und die Erhebung der Mineralölsteuer beschlossen. Die Coca-Cola-Steuer ist uns vorgelegt worden. Jetzt ist eine Abänderung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer angekündigt, und in unseren Fächern liegt bereits der Entwurf eines Gesetzes über die SüBwarensteuer mit einer Generalermächtigung für die Bundesregierung, bei allen Gütern, die die Regierung in einem besonderen Katalog bestimmt, 50 % zu erheben. Das ist also eine ganze Fülle von neuen Steuern.
    Wenn solche Steuern erwogen werden, ist es zunächst notwendig, zu prüfen, ob neue Steuern überhaupt notwendig sind. Wir sind von der Notwendigkeit, die Steuern in dem vorgesehenen Umfange zu erheben, bisher nicht überzeugt. Der Bericht der Bundesregierung geht davon aus, daß ein Mehrbedarf von 2,25 Milliarden DM im Etatjahr 1951 ungedeckt sei. Zunächst einmal ist in der Ausgabeposition die Gesamtanforderung der Besatzungsmächte für zusätzliche Besatzungskosten enthalten, obwohl es bekannt ist, daß sich die Besatzungsmächte selber zur Zeit bemühen, eine entsprechende Ermäßigung ihres Besatzungskostenhaushalts durchzuführen. Eine definitive Erklärung, welches Ergebnis die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Hohen Kommissaren über den Besatzungshaushalt für 1951 haben werden, liegt uns nicht vor, wird aber ebensowenig dem Bundesfinanzminister vorliegen, so daß er bezüglich dieses Postens ganz auf Schätzungen und Vermutungen angewiesen sein dürfte.

    (Abg. Dr. Krone: Das ist die Mindestgrenze, Herr Bertram!)

    — Er schätzt und vermutet diese Mindestgrenze. Wenn man an die Vorschläge des amerikanischen Hohen Kommissars denkt, so ist zu vermuten, daß diese Mindestgrenze unterschritten werden wird. Aber immerhin, es ist zur Zeit noch eine bloße Schätzung, und trotzdem werden uns heute schon Steuervorlagen unterbreitet.
    Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch folgender. Wir wissen gar nicht, ob die Schätzung des Bundesfinanzministeriums über das Steueraufkommen auch nur annähernd zutrifft. Der Bundesfinanzminister geht davon aus, daß im letzten Jahr ein Brutto-Sozialprodukt von 90 Milliarden erreicht worden sei und daß es im kommenden Jahr 95 Milliarden betragen werde. Dabei ist zu beachten, daß sich das Brutto-Sozialprodukt in den letzten Jahren ja nicht gleichmäßig entwickelt hat. Im ersten Halbjahr 1950 waren es 42 Milliarden, im zweiten Halbjahr 1950 48 Milliarden, und der Produktionsindex , ist von 95 auf 105 im ersten Halbjahr und von 105 auf 125 im zweiten Halbjahr gestiegen. Das bedeutet doch, daß der Steigerungsgrad der Zunahme des Brutto-Sozialprodukts im Laufe des zweiten Halbjahres erheblich größer geworden ist. Wenn wir also einen Vergleich des bisherigen Brutto-Sozialprodukts mit dem Brutto-Sozialprodukt im kommenden Jahre anstellen wollen, dann müssen wir von dem Stand ausgehen, der beispielsweise im letzten Vierteljahr 1950 erreicht worden ist. Gehen wir aber davon aus, so kommen wir zu einer wesentlich höheren Ziffer, einer Ziffer, die ja auch der Bundeswirtschaftsminister mit 100 Milliarden offiziell angegeben hat. Ich weiß nicht, warum das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium in dieser wichtigen Frage um 5 Milliarden differieren. Jedenfalls würde sich bei einer Schätzung des Volkseinkommens in Höhe von 100 Milliarden auch eine entsprechend höhere Steuerschätzung ergeben.
    Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Wir alle kennen die Preissteigerung, die sich vor allem im Laufe der letzten Monate ergeben hat. Im Zuge der Preis-


    (Dr. Bertram)

    steigerung ist zwangsläufig auch ein höheres Steueraufkommen zu erwarten. Unter diesen Umständen sind schon auf Grund dieser beiden Ziffern — ein Sozialprodukt von 90 Milliarden, dessen Anstieg auf über 95 Milliarden erwartet -wird — die Schätzungen unzutreffend, so daß wir auf der Einnahmenseite mit einem um 5 % höheren Steueraufkommen zu rechnen hätten.
    Ein weiterer Gesichtspunkt: Seit April 1949 hat sich die Aufkommenkurve für die veranlagte Einkommensteuer scharf abwärts bewegt, während die Aufkommenkurve für die Umsatzsteuer und die Kurve für Verbrauchsteuern und Zölle sich scharf aufwärts bewegt hat. Seit diesem Zeitpunkt haben wir eine Schere: das Aufkommen an veranlagten Steuern einerseits und an Umsatzsteuern und Verbrauchsteuern andererseits. Diese Schere hat sich doch offenbar dadurch aufgetan, daß in dieser Zeit die Bestimmungen der §§ 7 a ff. über die Abzugsfähigkeit eingeführt wurden. Dabei ergab sich für die Wirtschaft — und auf diese Möglichkeit hat der Bundesfinanzminister im vorigen Sommer selbst hingewiesen — die Möglichkeit der Selbstveranlagung. Kein Finanzbeamter — auch die gesamte Finanzverwaltung nicht — ist in der Lage, zu prüfen, ob diese Vergünstigungsvorschriften auch nur annähernd richtig angewendet worden sind und ob nicht in den Steuererklärungen in viel zu großem Umfange von Vergünstigungen Gebrauch gemacht worden ist, die in Wirklichkeit gar nicht berechtigt sind. Diese Überinanspruchnahme, diese ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen hat zu dem katastrophalen Rückgang des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer und an Körperschaftsteuer wahrscheinlich entscheidend beigetragen. Wir können damit rechnen, daß — in dem Umfang, in dem diese Vergünstigungen abgebaut werden — bei richtiger Inanspruchnahme der Vergünstigungen nicht nur der geschätzte Betrag mehr aufkommen würde, sondern daß bei Fortfall der Vergünstigungen dem Bund bzw. den Ländern auch das Mehraufkommen zufließen würde, das bisher wegen der ungerechtfertigten und nicht kontrollierbaren Inanspruchnahme derartiger Steuervergünstigungen nicht verfügbar gewesen ist.
    Die Kurve der veranlagten Einkommensteuer ist immer parallel verlaufen der Kurve der Umsatzsteuer, wenn auch mit einer gewissen Zeitdifferenz. Dieses plötzliche Absinken nach unten von 800 Millionen DM auf 450 Millionen DM ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß in der Wirtschaft tatsächlich die Steuervorteile nach den Bestimmungen der §§ 7 a ff., 10 a, 32 a ff. usw. übermäßig ausgenutzt worden sind und eine Kontrolle einfach nicht möglich war.
    Wir können also damit rechnen, daß sich an Mehreinnahmen nicht nur die vom Bundesfinanzministerium vorgesehenen 970 Millionen ergeben, sondern daß sich darüber hinaus noch weitere Beträge ergeben werden, weil eben eine falsche Auslegung der Bestimmungen nach ihrer Beseitigung überhaupt nicht mehr möglich sein wird. und wir können damit rechnen. d iß die künftige Wirtschaftsentwicklung vom Bundesfinanzministerium zu vorsichtig geschätzt worden ist. Das würde insgesamt einen erheblichen Mehrbetrag ausmachen. Wenn man davon ausgeht, daß das Sozialprodukt um 5 % zu niedrig geschätzt ist, würden wir hier eine Steuermehreinnahme von 5 % erwarten können. Das würde allein bei den veranlagten Steuern einen Betrag von 200 Millionen DM ausmachen. Wenn wir nochmals denselben Betrag — und das ist bestimmt nicht zu hoch geschätzt — aus dem Wegfall der zu Unrecht in Anspruch genommenen Vergünstigungen hinzusetzen, dann würden wir schon eine Mehreinnahme von 400 Millionen DM haben
    Die Länder erhalten von den Gemeinden aus der Gewerbesteuer eine erhebliche finanzielle Stärkung. Diese finanzielle Stärkung kommt dadurch zustande, daß die Gewerbesteuer und damit auch das Gewerbesteueraufkommen von dem Betriebsgewinn abhängig sind. Lassen wir die Vergünstigungen jetzt fortfallen, dann wird sich automatisch das Gewerbeertragsteueraufkommen erheblich steigern. Vom Finanzministerium ist dieser Betrag auf eine halbe Milliarde DM geschätzt worden. Wenn wir also diesen Betrag, der den Gemeinden zunächst zufließt, aber über die internen Länderfinanzzuweisungen praktisch auch den Ländern zur Verfügung steht, hinzurechnen, kommen wir bereits auf eine Mehreinnahme von 900 Millionen DM gegenüber dem Voranschlag, der in dem Memorandum aufgestellt worden ist. Schon dieser Betrag ist aber so hoch, daß er die gesamten Berechnungen der Bundesregierung umwerfen würde.
    Ich glaube deshalb nicht, daß man die bisherigen Schätzungen als ausreichend untermauert ansehen kann, so daß sie uns Abgeordnete veranlassen könnten, einen Betrag zu bewilligen, dessen Bewilligung doch zweifellos tief in die gesamte Wirtschaftsstruktur unseres Volkes eingreifen würde. Insbesondere die Bewilligung der Umsatzsteuererhöhung — und das ist bis vor ganz kurzer Zeit noch auch die Meinung der Bundesregierung gewesen — müßte außerordentliche Nachteile für die gesamte Preisentwicklung nach sich ziehen. Wir stehen jetzt in einer wirtschaftspolitisch außerordentlich schwierigen Zeit. Die Preise in Deutschland laufen weg; manche Preise liegen schon über dem Weltmarktpreisniveau. Durch die knappen Devisenkontingente haben sich auf den Warenmärkten in Deutschland zusätzliche Knappheitserscheinungen entwickelt. Diese Verknappungen treiben die Preise zusätzlich empor und bringen für unsere Exportindustrie erhebliche Erschwerungen mit sich. Wenn wir nun diesen allgemeinen Trend der Preise nach oben durch die Umsatzsteuererhöhung noch verstärken, besteht eine große Gefahr für unsere gesamte Wirtschaftspolitik. Ist es deshalb — und das ist die Frage, die wir an die Regierung stellen — genügend sicher, daß tatsächlich das Aufkommen an Steuern richtig veranschlagt ist, und ist nicht hier eine ganz große Reserve vorhanden?
    Wenn wir hören, daß allein im Monat Januar dieses Jahres das Steueraufkommen — wenn ich recht unterrichtet bin — 1,8 Milliarden gegenüber einem durchschnittlichen monatlichen Steueraufkommen von 1,1 Milliarden beträgt, hier also sich ein ganz starker Zug nach oben ergeben hat, dann ist meiner Ansicht nach damit bereits bewiesen, daß die Vorausschätzungen der Bundesregierung über die Steuereinnahmen zu niedrig sind und daß hier deshalb eine ganz starke Reserve vorhanden ist. Daß wir deshalb die Umsatzsteuererhöhung ablehnen, gerade die Umsatzsteuer als eine der Steuern. die den breiten Massenkonsum belasten, liegt auf der Hand.
    Der Bundesfinanzminister hat uns Zahlen über das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern genannt. Diese Zahlen mag man als richtig ansehen, wenn man nicht weiß, wie die Begriffe „direkte Steuern" und „indirekte Steuern" zuvor abgegrenzt worden sind. Wenn wir sagen, es sind nur die indirekten Steuern im klassischen Sinn,


    (Dr. Bertram)

    nämlich die Verbrauchsteuern und Zölle, zu den indirekten Steuern gerechnet worden, dann mag der Bundesfinanzminister recht haben. Damit kommen wir aber nicht weiter. Wir müssen zu den indirekten Steuern — wenn wir die Frage der Massenbesteuerung gegenüber der progressiven Besteuerung aus Einkommen- und Körperschaftsteuer erörtern -- doch sicherlich noch diejenigen Steuern hinzusetzen, die bei uns Massensteuern, im Ausland aber nicht Massensteuern sind, beispielsweise die Lohnsteuer. Es ist ja bekannt, daß die Anzahl derjenigen Personen, die in Deutschland zur Lohnsteuer herangezogen werden die Zahl der entsprechenden Personen in Amerika oder England um ein Vielfaches übertrifft. Wegen der Höhe der Freibeträge in Amerika und England sind die Zahlen der Steuerpflichtigen dort erheblich niedriger. In Amerika sind es, glaube ich, nur ein Zehntel derjenigen, die wir in Deutschland haben. Wir müssen also, um einen international richtigen Vergleich zu haben, sicherlich das Notopfer Berlin — soweit es von den Lohnsteuerpflichtigen bezahlt wird — und die Lohnsteuer zu den indirekten Steuern ebenso hinzurechnen wie die Umsatzsteuer, um auf diese Art und Weise ein Bild zu bekommen auf der einen Seite der Massenbelastung und auf der anderen Seite der Belastung mit progressiv wirkenden Steuern.
    Die Abgrenzung von direkten und indirekten Steuern ist überhaupt sehr schwierig. Nimmt man aber die erwähnten Steuern, um einen international brauchbaren Vergleich zu haben, dann erkennt man zweifellos, daß wir in Deutschland die Massenkaufkraft in wesentlich höherem Maße durch Steuern als das Ausland belastet haben. Dort ist man in der Lage, mit dem Ertrag der Progressivsteuern den bei weitem größten Anteil der Staatsausgaben zu decken.
    Das Bundesfinanzministerium schlägt jetzt vor, § 7 a des Einkommensteuergesetzes zu ändern. Auch dieser Vorschlag ist im Zusammenhang mit der damaligen Steuerdebatte schon von uns gemacht worden. Nach dem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zu § 7 a können Steuerpflichtige, die wegen Verfolgung aus Gründen der Rasse usw. ihre frühere Erwerbsgrundlage verloren haben, die nach diesen Bestimmungen möglichen Vergünstigungen bis zu einem Höchstsatz von 100 000 DM noch weiter in Anspruch nehmen. In dieser Aufzählung fehlen die total Bombengeschädigten. Es ist nicht richtig, daß nur Flüchtlinge und Vertriebene ihre Erwerbsgrundlage verloren haben können, sondern das gleiche gilt ja auch für total Bombengeschädigte. Der Katalog muß deshalb um der Gerechtigkeit willen erweitert werden. Sie werden sich daran erinnern, daß vor einiger Zeit im Bundestag auch eine entsprechende Erklärung über die Gleichstellung von Bombengeschädigten, Flüchtlingen und Vertriebenen abgegeben worden ist.
    Die Bundesregierung hat uns leider noch nicht gesagt, in welcher Weise sie die höheren Steuereingänge, die sie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet, den Ausgaben des Bundes zuführen will. Solange wir nicht wissen, wie sich der Bund mit den Ländern über diese Dinge geeinigt hat und ob überhaupt eine Einigung im Rahmen des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes, im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes, möglich ist, können wir mit einer solchen Beschlußfassung dem Bund praktisch ja überhaupt nichts zuführen. Der Bund hat von einer solchen Einkommensteuerregelung gar nichts, solange nicht ein Gesetz nach
    Art. 106 Abs. 3 vorgelegt ist und die Zustimmung
    des Bundestags und des Bundesrats gefunden hat.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das kommt!)

    — Ich glaube Ihnen, daß das kommt. Der Bundesfinanzminister hat es ja schon angekündigt. Mir ist nur die Reihenfolge unverständlich. Mir wäre es verständlich, wenn zunächst ein Gesetz nach Art. 106 und danach eine Steuererhöhungsvorlage eingebracht worden wären. Die Verhandlungsgrundlage für den Bund wird ja bei der jetzt gewählten Art des Vorgehens außerordentlich geschwächt. Wenn nämlich die Länder schon wissen, daß das Gesetz über die Einkommensteueränderung perfekt ist, dann haben sie es gar nicht mehr nötig, noch große Konzessionen zu machen. Bei dem umgekehrten Verfahren wäre die Stellung des Bundesfinanzministers wesentlich stärker. Schon aus diesem Grunde müssen wir das jetzige Verfahren als verfehlt bezeichnen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Man kann doch nichts verteilen, was man noch nicht hat!)

    — Ich weiß ganz genau, daß man noch nichts verteilen kann, was man noch nicht hat; aber wir können nach Art. 106 grundsätzlich einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen. Vom Bundesfinanzministerium sind 30 % vorgesehen. Findet ein solches Gesetz über eine 30 %ige Inanspruchnahme die Zustimmung des Bundesrats, dann ist damit eine Änderung des Einkommensteuergesetzes möglich und zweckmäßig.
    Ich kann auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs wegen des Ablaufes meiner Redezeit leider nicht eingehen. Ich möchte nur zusammenfassend sagen: Wir sind wegen des mangelnden Nachweises des tatsächlichen Finanzbedarfs und der ungenügenden Vorausschätzung nicht in der Lage, dem Umsatzsteuergesetz, dem wir auch aus anderen Gründen nicht zustimmen würden, zuzustimmen, und schlagen vor, die Beratung über das Einkommensteueränderungsgesetz so lange zu verschieben, bis uns ein Gesetz nach Art. 106 vorgelegt sein wird, das dann eine geordnete Finanzwirtschaft im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ermöglicht.

    (Beifall beim Zentrum.)