Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat im Finanzpolitischen Ausschuß des Bundestages und auch heute an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Steuervorlagen, die jetzt zur Diskussion stehen, nicht nur finanzpolitischen Charakter haben, sondern auch von wesentlicher wirtschaftspolitischer Bedeutung sind. In diesem Punkte können wir alle dem Herrn Finanzminister folgen. Auch in diesem Jahre dürfen wir daher ebenso, wie wir es bei der Beratung der Einkommensteuerreform im vergangenen Frühjahr getan haben, vor allen Dingen auf die wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte hinweisen, die auch bei dieser neuen Steuerreform zu berücksichtigen sind.
Wenn wir heute auf die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik blicken, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr oder überhaupt bisher betrieben hat, so müssen wir feststellen, daß die Finanzpolitik diese Wirtschaftspolitik begünstigt hat. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Finanzpolitik an eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik angeknüpft hat,
daß er durch Begünstigung der Fehlinvestitionen,
durch Verschärfung der Engpässe wie auch der
sozialen Gegensätze dem Bundeswirtschaftsminister
bei dessen Wirtschaftspolitik geholfen hat. Wir
dürfen als sozialdemokratische Fraktion mit gutem Gewissen an die Argumente erinnern, die wir im vergangenen Jahre gegen diese Wirtschaftspolitik vorgebracht haben. Wir haben damals eine genaue Analyse über den Umfang der Investitionen und über den ungesunden Anteil der Selbstfinanzierung schon bis zum Jahre 1949 gegeben und wir haben seinerzeit, im März des vergangenen Jahres, vor einem Weitergehen auf diesem Wege gewarnt. Wir möchten nicht mißverstanden werden. Auch wir freuen uns über eine hohe Investitionsrate, weil Investieren volkswirtschaftlich gesehen auch Sparen ist. Aber es kommt vor allen Dingen auch auf die Beantwortung der Frage an: wo wird investiert?
Wir haben vor der überhöhten Selbstfinanzierung gewarnt, die im vergangenen Jahr wieder der Anlaß zu ganz besonders unerhörten Fehlinvestitionen gewesen ist und damit zu der Tatsache geführt hat, daß für die Engpaßindustrien nicht das notwendige Geld zur Verfügung gestanden hat.
Meine Damen und Herren! Im Jahre 1950 sind nach den neuesten Ziffern im Wege der Selbstfinanzierung 5 Milliarden DM investiert worden, während es im Jahre 1949 nur 4 Milliarden DM waren. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Selbstfinanzierungen, die den Betrieben zugute kamen, die wir nicht so sehr zu fördern haben wie die Engpaßindustrien, letzten Endes von der breiten Schicht der unteren Einkommensbezieher getragen worden sind, die als Verbraucher die überhöhten Preise bezahlt haben und die sich als Arbeitnehmer mit von Tag zu Tag sinkenden Reallöhnen haben zufrieden geben müssen.
Meine Damen und Herren! Wir haben als Folge der Wirtschaftspolitik insbesondere auf sechs Gebieten Engpässe festzustellen: auf dem Gebiete der Kohle, auf dem Gebiete des Eisens und Stahls, auf dem Gebiete der Energie, des Verkehrs, der Exportindustrien und dann auf dem Gebiete der gerade für diese Industrien so wichtigen Arbeiterwohnungsbauten. Diese Engpässe haben wir trotz der unerhörten Leistungen des ganzen Volkes — ich erinnere nur an den Anteil der Investitionsrate am gesamten Sozialprodukt —, trotz des Konsumverzichts der breiten Masse, erzwungen durch die hohen Preise, wie ich schon sagte, und trotz des ständigen Sinkens des Reallohnes zu verzeichnen, weil man sich nicht zu einer planvollen Wirtschaftspolitik Bereitfinden konnte, wie wir sie seit Jahr und Tag vorschlagen.
Wir müssen berücksichtigen, daß der eine Engpaß Kohle zu der Kohlenkrise dieses Winters geführt hat.
— Wir sind uns alle darüber einig, meine Herren Zwischenrufer, daß wir diese Kohlenkrise sicher hätten vermeiden können, wenn wir im Sommer des vergangenen Jahres nicht 500 000 Tonnen Kohle freiwillig ausgeführt hätten, die wir nicht auszuführen brauchten.
Wenn wir von den Leiden der Unterversorgten
absehen, wenn wir davon absehen, daß auch in
diesem Winter zu Diebstählen gegriffen werden
mußte, damit man Kohle hatte, wenn wir von dem Schlangestehen absehen, von den Kundenlisten, von den Schulschließungen, so ist uns durch diesen Engpaß ein unübersehbarer volkswirtschaftlicher Schaden entstanden. Diesen Engpaß müssen wir berücksichtigen, wenn wir Steuerpolitik machen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich im wesentlichen, wie wir wissen, nur von dem Gedanken leiten lassen, daß Frühling und Sommer sich schon langsam wieder heranpendeln werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen berücksichtigen, daß einer der schlimmsten Engpässe der Kapitalmarkt ist. Auf ihm haben sich keineswegs die Hoffnungen erfüllt, die der Herr Bundesfinanzminister und die Regierungsparteien an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft haben.
Denn die hohen Steuersenkungen — wir wagten damals zu sagen, die hohen Steuergeschenke an eine bestimmte Gruppe von Einkommensbeziehern — haben sich nicht im Kapitalmarkt niedergeschlagen, wie man seinerzeit gehofft hatte.
Im letzten Jahre schon durfte ich Herrn Abs, den Präsidenten der Wiederaufbaubank, zitieren. Er hatte damals schon mit Bedauern festgestellt, daß wesentliche Beträge in der deutschen Volkswirtschaft fehlgeleitet, fehlinvestiert seien.
Heute sagt er uns, daß viele Betriebe, die wir im letzten Jahre unnötigerweise durch die Steuerreform des vergangenen Jahres begünstigten, heute Investitionen der Jahre 1953 bis 1955 durchführen, während andere Unternehmen, nämlich die Engpaßunternehmungen, noch nicht einmal die Investitionen der Jahre 1947 und 1948 durchführen können.
Ich sprach davon, daß sich die Hoffnungen nicht erfüllt haben, die an die Steuerreform geknüpft wurden. Während die Spareinlagen im Jahre 1949 1 400 Millionen DM betragen haben, haben sie nach den neuesten Ziffern im Jahre 1950 nur 970 Millionen DM, d. h. also noch nicht einmal zwei Drittel der Sparrate des Jahres vorher, betragen.
Wir haben also aus der Tarifreform des vergangenen Jahres für unsere Kapitalmarktpolitik nichts gewonnen,
während auf der anderen Seite — das sei den Zwischenrufern gesagt — das Investitionssparen, das Sparen in den Betrieben an unnötigen Orten nicht mehr 4 Milliarden, sondern 5 Milliarden betragen hat.
Ich glaube, damit sind Ihre Zwischenrufe beantwortet.
Meine Damen und Herren! Wir müssen, wenn wir über die Wirtschaftspolitik als Grundlage der Finanzpolitik sprechen, an die Millionen von Arbeitslosen denken. Wir müssen, wenn wir von Wirtschaftspolitik sprechen, den völligen Zusammenbruch der Liberalisierung und die hoff-
nungslose Verschuldung im Außenhandel berücksichtigen. Auch damit werden wir uns zu beschäftigen haben, wenn wir über diese Steuergesetze sprechen.
Ich bitte Sie, mir nicht entgegenzuhalten, wie es seinerzeit der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Diskussion über die Kohlenkrise getan hat, wir hätten den Krieg verloren, wir machten ihn dafür verantwortlich, daß der Krieg verloren wäre — vielleicht paßt hier das Wort Korea hinein —. Nein, meine Damen und Herren, dafür machen wir den Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung nicht verantwortlich. Aber wir machen die Bundesregierung dafür verantwortlich, daß sie seit Jahr und Tag eine Politik verfolgt, als ob wir den Krieg gewonnen hätten.
Diese Wirtschafts- und Finanzpolitik, meine Damen und Herren,
— im vergangenen Jahr haben wir darauf hingewiesen, als Sie erhebliche Steuersenkungen vornahmen — wird unsere Wirtschaft auf die Dauer, wie die von mir genannten Ziffern beweisen, nicht vertragen können. Vor diesem düsteren Hintergrund der Wirtschaftspolitik, über die wir sicherlich noch vor Ostern zu sprechen haben werden, vor diesem düsteren Hintergrund einer planlosen Wirtschaftspolitik müssen wir, muß der Bundesfinanzminister Finanzpolitik machen, vielleicht sogar mit dem Ziele, dieser Wirtschaftspolitik noch zu helfen. Das Programm dieser hilflosen Wirtschaftspolitik ist ja das Niederbreisiger Programm, und auch darin sind verschiedene Ansätze für eine Änderung in der Steuerpolitik.
Meine Damen und Herren, auch wir gehen davon aus und betonen es immer wieder, daß wir verpflichtet sind, dem Herrn Finanzminister die Einnahmen zu bewilligen, die er zur Deckung derjenigen Ausgaben gebraucht, die auch von diesem Hause bewilligt werden. In diesem Sinne, Herr Bundesfinanzminister, ist dieses Haus nicht nur im schlechten, sondern auch im guten Sinne eine „Bewilligungsmaschine". Doch ich glaube, wir sollten dieses Wort „Bewilligungsmaschine" mißbilligen selbst dann, wenn es im bayerischen Wald, hinten in Cham gesprochen worden ist.
Wir kennen den Bundeshaushalt, Herr Bundesfinanzminister, und wir wissen — Sie haben es uns oft genug vorgetragen —, daß etwa 80 % oder noch mehr
des Bundeshaushalts einfach gebunden sind. Wir können in diesem Haushalt kaum sparen. Sie haben sich auch auf das Memorandum der Bundesregierung bezogen; wir beziehen uns ebenfalls darauf. Aber man könnte, wenn man vom Sparen und von der Notwendigkeit des Sparens spricht, auf die Kosten hinweisen, die uns das föderalistische .System, die uns der Länderpartikularismus bereitet. Ich glaube, daß sehr viele Steuerpflichtige, denen man heute erneut Steuerlasten zumutet, gern sähen, wenn gerade auf diesem Gebiete das Wort „Sparen" großgeschrieben würde!
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Einzelheiten der Steuervorlage. Die sozialdemokratische Fraktion wird „Ja" sagen zu den Änderungen in der sogenannten Siebenergruppe, d. h. also zu den weitgehenden Änderungen im § 7 a, zu der Abschaffung des § 7 e, zu den Änderungen in den §§ 7 c und 7 d. Wir folgen diesen Vorschlägen des Bundesfinanzministers vor allem auch aus dem von ihm genannten Grunde, daß es sich hierbei auch um eine Vereinfachung in der Steuerverwaltung handelt, und wir bedauern in diesem Zusamenhang nur noch einmal, daß man nicht schon im vergangenen Jahr unseren Vorschlägen gefolgt ist.
Das Kind liegt nun einmal im Brunnen, und bedauerlicherweise macht man nunmehr ein Jahr zu spät den Brunnen zu. Um das Beispiel des Herrn Bundesfinanzministers zu gebrauchen, diejenigen, die von den Vorschriften der Siebenergruppe haben Gebrauch machen können, werden jetzt wahrscheinlich genug Wintermäntel haben.
Wir sind dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er unsere Anträge aus der Drucksache Nr. 641 vom 28. Februar 1950 aufgreift, sie jetzt selbst stellt, und daß er das Hohe Haus bittet, die §§ 10 a und 32 a abzuschaffen. Wir brauchen also jetzt zur Begründung nichts mehr zu sagen.
Wir sind auch einverstanden mit der Regelung im § 9 a, d. h. mit einer scharfen Heranziehung der. Spesenausgaben. Ich glaube, dazu braucht in diesem Hause nichts mehr gesagt zu werden. Wir werden im Finanzausschuß zu überlegen haben, ob wir diese Bestimmungen nicht noch verschärfen können.
Wir stimmen weiter der Änderung des § 33 a zu, d. h. der Erhöhung der Freibeträge für besondere Fälle. Wir stimmen auch unter dem Preise zu, daß damit die Geltendmachung der höheren Beträge wegfallen soll. Wir sind für diese Änderung, weil damit wahrscheinlich eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung wird eintreten können.
Lebhaft widersprechen aber werden wir in allen Beratungen der folgenden Änderung: der vorgesehenen Zusammenveranlagung der mitverdienenden Ehefrau mit ihrem Ehemann. Das ist eine unsoziale Änderung, die wir nicht mitmachen können.
Im Gegenteil, meine Damen und Herren, wir werden wie schon im vergangenen Jahr wiederum die Besserstellung der berufstätigen unverheirateten oder verwitweten Frau verlangen. Man darf hier nicht von einer Gleichstellung mit den Männern sprechen.Das wäre eine Ungerechtigkeit, da völlig verschiedene Voraussetzungen vorliegen.
Meine Damen und Herren! Wir werden den wesentlichen Ermächtigungen widersprechen, die in den §§ 51 des Einkommensteuergesetzes, 23 a des Körperschaftsteuergesetzes und 18 a des Umsatzsteuergesetzes vorgesehen sind. Diese generellen Ermächtigungen werden wir grundsätzlich ablehnen, weil es ein unmögliches Verfahren ist, die Regierung zu ermächtigen, materiell neues Recht auf dem Wege der Verordnung zu schaffen. Ich brauche keine einzelnen Beispiele zu nennen. Wir haben aber mit Vergnügen davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat diese Ermächtigungen abgelehnt hat, weil ihm der Gedanke zu neu gewesen ist, d. h. also mit anderen Worten, weil er nicht so schnell den Sinn dieser Ermächtigungen verstanden hat.
Wir werden gegen diese Ermächtigungen stimmen, weil wir unter keinen Umständen wieder Zustände schaffen wollen, wie sie etwa in der Weimarer Republik zur Zeit des Herrschens mit dem Art. 48 bestanden haben. Wir wünschen auch keine Ermächtigungsgesetze und werden selbst dann dagegen stimmen, wenn wir wie im März 1933 allein bleiben sollten.
— Das Wort „Ermächtigungen" weckt in uns Erinnerungen an frühere Tage, wie dies etwa auch das Wort des Herrn Bundesfinanzministers tut: „Erst Brot und dann Pralinen!" Glücklicherweise brauchen wir ja von Kanonen noch nicht wieder zu sprechen. Wir denken nicht daran, etwa die Bundesregierung mit Vergangenem vergleichen zu wollen, aber wenn man uns so ungeschickterweise dazu herausfordert, dann drängt sich doch der Gedanke auf, daß solche griffigen Formulierungen notwendig werden, weil einige Jahre Regierungspolitik vorangegangen sind.
Gar nicht gefallen uns die Terminsetzungen im Einkommensteuergesetz, aber wir müssen der Regierung überlassen, die Wirtschaft ständig zu beunruhigen, im einen Jahre Bestimmungen zu schaffen, um sie dann im nächsten Jahr zu widerrufen.
Was die Körperschaftsteuer anbetrifft, so kann ich mit einem Satz darüber hinweggehen. Wir halten die Erhöhung für annehmbar; wir hätten es aber viel lieber gesehen, wenn man schon jetzt eine anständige Betriebssteuer geschaffen hätte.
Und nun, meine Damen und Herren, komme ich
eigentlich zum wichtigsten dieser Vorlage, nämlich zur Erhöhung der Umsatzsteuer. Der Herr Kollege Wellhausen ist gerade nicht im Hause; er hat uns seinerzeit geraten, wir sollten nicht immer wieder die alte Platte auflegen. Aber es ist außerordentlich bedauerlich, daß wir es immer wieder tun müssen, weil uns immer wieder neue indirekte Steuern vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen werden. Die indirekte Besteuerung ist schematisch und unsozial. Sie knüpft nicht an die steuerliche Leistungsfähigkeit an,
weil alle indirekten Steuern diesen Begriff der wirtschaftlichen und steuerlichen Leistungsfähigkeit eben nicht kennen. Die neue indirekte Besteuerung, d. h. also die Erhöhung der Umsatzsteuer wird zu einer erneuten Erhöhung der Preise führen, und damit zu einem Sinken der Reallöhne. Wir müßten aber alles tun, um dafür zu sorgen, daß die Preis-Lohn-Schere nicht noch weiter auseinanderklafft.
Ich möchte dem Herrn Bundesfinanzminister, der mit so beredten Worten Vergleiche mit der indirekten Besteuerung in anderen Ländern gezogen hat, nur einen Absatz aus der Drucksache Nr. 1000 vorhalten, die diesem Hause vor 'etwa dreiviertel Jahren zuging, und worin es hieß:
Der Anteil der Steuern vom Umsatz und Verbrauch am Gesamtsteueraufkommen, der 1913 noch 36,1% betrug, stellte sich 1949 auf 46,2 % und wird 1950 nach den Vorschätzungen 50 % übersteigen. Eine Erhöhung der Steuern vom Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen.
Das ist also aus der Drucksache Nr. 1000! Wir schließen uns diesen Worten des Herrn Bundesfinanzministers vollauf an.
Wenn er uns eine Berechnung über das Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung vorlegt, so möchte ich nach den Zahlen, die mir vorliegen, darauf hinweisen, daß im Jahre 1949 die indirekten Steuern 52 % der Gesamtsteuersumme ausgemacht haben, daß aber im Jahre 1950 nach den Steuersenkungen der Einkommensteuerreform und nach dem Ausfall von etwa 800 bis 900 Millionen DM dieser Satz auf 58,9 % gestiegen ist.
Während in England — der Herr Bundesfinanzminister liebt ja die Vergleiche mit England — im Jahre 1938 die direkten Steuern 45% und die indirekten Steuern 55 % betrugen, betragen jetzt —1948 — die direkten Steuern 55% und die indirekten Steuern 45 %. Also, genau die entgegengesetzte Entwicklung! Und dieser Entwicklung sollten wir nachstreben.
Meine Damen und Herren! Wir haben zu befürchten, daß dieselbe Mehrheit, die in der Hausbranddebatte dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar Beifall zollte, als wir gerade auf die Kohlenkatastrophe zugingen, jetzt auch die Umsatzsteuererhöhung annehmen wird. In diesem Falle werden wir beantragen, daß lediglich für drei höchstpreisgebundene Volksnahrungsmittel, nämlich fur Speisefett, Frischmilch und Zucker der Steuersatz von 11/2 % angewandt wird wie bisher schon beim Brot und bei den Waren aus Getreide. Wir haben dann nicht einen neuen Steuersatz von 3°/o, also einen dritten oder vierten Steuersatz; der fiele weg. Wir würden also der Bundesratsvorlage nicht zustimmen. Wir haben aber vor allen Dingen die Möglichkeit, bei diesen drei Warengruppen über das Bundeswirtschaftsministerium eine Senkung der Höchstpreise und der Handelsspannen zu erwirken. In diesem Falle würden also alle die Überlegungen nicht stimmen, die der Herr Bundesfinanzminister hier mit Recht — z. B. wegen der Eier oder wegen anderer Produkte — angestellt hat. Diesen Antrag werden wir dann stellen, wenn die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4°/o in diesem Hause eine Mehrheit finden sollte.
Wir sprachen von den indirekten Steuern. Ich möchte nur noch eine Zahl nennen. Die Steuersenkung des vergangenen Jahres hat nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung und des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften der Index-Arbeiterfamilie insgesamt nur eine steuerliche Entlastung von 0,5°/o, auf das Einkommen berechnet, gebracht. Während nämlich 1949 die steuerliche Belastung einschließlich der indirekten Steuern bei diesen — in der Regel — Lohnempfängern mit einem Einkommen von 200 bis 300 DM 15 % ausgemacht hatte, machte sie 1950 nach den Steuersenkungen etwa 14,5 % aus.
— Ich habe hier die Zahlen von 1949 und 1950 verglichen. Die Zahlen von 1948 können Sie uns ja nachher nennen.
Was meine politischen Freunde und mich besonders erschütterte, das ist, daß seine wirtschaftspolitischen Sachverständigen dem Herrn Bundesfinanzminister erklärt haben, es sei völlig einerlei,
ob die Umsatzsteuer um 1/20/0 oder um 1 % erhöht werde.
Die Preiserhöhungen werden doch dieselben sein!
Meine Damen und Herren, wir denken an die glücklichen Tage der Weimarer Republik zurück, wo über eine Umsatzsteuererhöhung von 1/4 % ganze Regierungen stürzten. Außerdem entnehmen wir aus diesen Äußerungen das abgrundtiefe Mißtrauen der wirtschaftspolitischen Sachverständigen gegenüber den Kalkulationen in Industrie und Handel.
Ob dieses Mißtrauen berechtigt ist, müßten diese wirtschaftspolitischen Sachverständigen besser wissen als wir.
Nun kommen wir zu unseren Vorschlägen und Forderungen. Wir wiederholen immer wieder unsere Forderungen nach einer umfassenden - Steuerreform. Wir möchten nicht jedes Jahr wieder im Frühjahr wie das Grobreinemachen bei den Hausfrauen ein Herumwursteln und Herumdoktern an .den alten Steuern. Das Bundesfinanzministerium hat jetzt mehr als eineinhalb Jahre Zeit gehabt, sich Gedanken über eine organische Steuerreform zu machen. Solange wir diese Steuerreform nicht haben, werden Sie, Herr Finanzminister — das möchten wir Ihnen garantieren — wie das Christkind alle Jahre wieder mit derartigen Steuerreformen vor dieses Haus treten müssen.
Die Autorität der Bundesregierung, die auch die Autorität der Bundesrepublik sein sollte, gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß wir ständig Monat f ur Monat vor neue Steuerprogramme gestellt werden, sie gewinnt sicher auch nicht dadurch, daß an einem Sonntag der eine Minister von Steuersenkungen und am anderen Sonntag der andere Minister von Steuererhöhungen spricht,
und gewinnt sicherlich auch nicht dadurch, daß uns Herr Professor Erhard vor etwa einem Monat erklärte, die Austerity der Engländer wäre nichts für das deutsche Volk, und uns heute der Bundesfinanzminister sagt, das deutsche Volk könne sich an dem englischen auf diesem Gebiet ein Beispiel nehmen.
Die Autorität der Bundesregierung gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß man uns ständig neue Steuervorschläge macht — Luxussteuer, Süßwarensteuer —, die offenbar nicht genügend überlegt worden sind und die man dann zurückzieht, wenn die Interessentengruppen genügend Sturm gelaufen haben. Was wir brauchen, ist die grundlegende Steuerreform, d. h. also eine organische Steuerreform, deren Grundzüge wir schon im vergangenen Jahr hier klargelegt haben.
Wir möchten uns einen Satz des Sonntagsblatts vom 19. November 1950 zu eigen machen, in dem es heißt:
Alle bisherigen Versuche zur Einnahmensteigerung muten kümmerlich und kläglich an: Benzinpreiserhöhung, Wäppchenkleben für die Autobahn, Coca-Cola-Steuer und andere Pflästerchen. Immer wieder wird an unserer
nachgerade unmöglichen Steuersituation herumgeschnibbelt, und die hockbezahlte Bürokratie hat geradezu einen Horror davor, eine
große und gründliche Steuerreform zu machen.
Eine unserer wichtigsten Forderungen, meine Damen und Herren, ist die auf völlige Ausschöpfung der vorhandenen Steuern, ist die Forderung nach dem rücksichtslosen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit.
Das entspricht dem Gesamtaufkommen an Lohn-und Einkommensteuer. Die Hoffnungen, die in diesem Punkt an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft worden sind, haben sich auch nicht erfüllt. Es sind fromme Wünsche geblieben, und es ist in dieser Frühlingsnacht sehr viel Reif auf die Hoffnungen gefallen.
Wir werden aus diesem Grunde auch niemals den Anträgen des Zentrums zustimmen können, die generell Strafbestimmungen mildern möchten. Das genaue Gegenteil wäre richtiger, zwar nicht barbarische Strafen gegen Steuerhinterziehungen, aber drakonische Strafen.
Wir werden, meine Damen und Herren, die Rückgängigmachung der Tarifänderungen beantragen und fordern. Wir haben festgestellt, daß sie falsch waren. Sie haben zu einer unnützen Selbstfinanzierung geführt, sie haben den Kapitalmarkt und auch die Steuermoral nicht gehoben; sie haben unnötigerweise den Luxuskonsum gefördert. Die Ausfälle aus diesen Steuersenkungen sind zu hoch, als daß wir sie uns auf die Dauer leisten könnten.
Ich hatte hier einmal an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit dem Kollegen Neuburger im Dezember über die Steuerausfälle aus der sogenannten Steuerreform 1950 gehabt. Herr Kollege Neuburger behauptete, wir hätten keine Ausfälle. Tatsächlich hat sich die Einkommensteuer folgendermaßen entwickelt: 1949 7 135 000 000 DM, 1950 6 313 000 000 DM,
d. h. also, daß wir ein Weniger von 822 Millionen Mark zu verzeichnen haben. Wenn wir uns noch überlegen, daß die Nominallöhne und Nominaleinkommen gestiegen sind — nicht die Realeinkommen, dafür sorgt schon die Wirtschaftspolitik —,
und wenn wir uns weiter überlegen, daß auch der Bundesfinanzminister mit einem natürlichen Anwachsen der Steuern rechnet, dann können wir die Ausfälle aus der Steuerreform mit mindestens 1,2 bis 1,5 Milliarden Mark schätzen.
In diesem Moment interessiert uns als Opposition viel weniger die Höhe als die Verteilung dieser Ausfälle. Von den 822 Millionen Mark entfielen auf die Lohnsteuer 279 Millionen und auf die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen 528 Millionen, also beinahe das Doppelte,
d. h. in die 279 Millionen müssen sich etwa
10 Millionen und mehr Steuerpflichtige teilen,
während die 528 Millionen Mark auf etwa 1 bis
2 Millionen veranlagte Steuerpflichtige entfallen.
Wir beantragen wie im vergangenen Jahr weiter eine grundlegende Tarifreform als Teil einer organischen Steuerreform. Wir beantragen ausreichende Freibeträge, wie wir das im vergangenen Jahr getan haben. Wir beantragen sie um so mehr, als der Herr Bundesfinanzminister selbst Wert auf eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung legt. Wenn wir bedenken, daß bei Freibeträgen in Höhe von etwa 1 500 Mark für den Steuerpflichtigen und 1 000 Mark für seine Ehefrau und dann für jedes Kind meinetwegen 600 Mark — Freibeträge, wie wir sie in England längst haben —
5 bis 6 Millionen Steuerpflichtige aus der Veranlagung überhaupt herausfielen, dann kann man sich denken, wie groß die Vereinfachung auf Grund einer solchen Bestimmung wäre. Dann wären die Finanzämter nicht mehr nur Auskunfteien, wie uns der Herr Bundesfinanzminister sagte, sondern sie könnten ihre wertvolle Arbeitskraft auf wertvollere Objekte lenken, und das Aufkommen an Einkommensteuer könnte um Milliarden gehoben werden.
Einen Tarifvergleich mit England, Herr Bundesfinanzminister, haben wir in diesem Jahr ebensowenig zu fürchten wie im vergangenen Jahr. Wir beantragen die Abschaffung der ungerechten Tabelle B. Wir wünschen die Einführung einer Betriebssteuer. Wir machen die folgenden beiden neuen Vorschläge, wobei wir uns von nachstehender Überlegung leiten lassen.
Wir vermissen in dieser Steuerreform — wenn ich einmal so sagen darf --- das Positive. So geht es nicht: die Begünstigungen der Selbstfinanzierungen werden schematisch abgebaut; auf der andern Seite haben wir kaum eine neue, konstruktive Begünstigung des Sparens, sei es des Konsumsparens, sei es des Investitionssparens. Der Ausbau des § 10 genügt nicht, wenn wir daran denken, wie wenig Erfolg bisher das steuerbegünstigte Sparen gehabt hat: 250 Millionen in drei Jahren seit der Währungsreform. Es muß also unbedingt mehr geschehen, um den Sparwillen zu fördern, aber nur dann, wenn der größere Teil dieses Geldes dem Kapitalmarkt zugute kommt und nicht etwa in konsumtiven Ausgaben des Bundes oder der Länder verbraucht wird. Wir wünschen also eine planvolle Lenkung der Investitionen. Das, meine Damen und Herren, ist die Grundlage für die Stabilhaltung der Währung, für die Beseitigung von Engpässen und damit auch für die Steigerung des Realeinkommens für viele Hunderttausende von Arbeitslosen. Das Fiasko mit den Baby-Bonds wollen wir gar nicht erst abwarten, ganz abgesehen davon, daß auch das bundeskanzlereigene Wirtschaftsministerium im Bundeskanzleramt diese Baby-Bonds schon abgelehnt hat.
Wir empfehlen Ihnen, meine Damen und Herren, als erstes eine Investitionsabgabe und als zweites eine Mehrverbrauchssteuer. Ich muß mich kurz fassen, da meine Redezeit abzulaufen droht, aber ich bitte Sie, diese beiden Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion noch zur Kenntnis zu nehmen.
Der eine Vorschlag hat das Gewinnsparen zur Steuergrundlage und zum Gegenstand, der andere, die Mehrverbrauchssteuer, den unerwünschten Überverbrauch, den Mehrverbrauch, den Überkonsum, wenn ich einmal so sagen darf. Der eine Vorschlag wendet sich gegen volkswirtschaftlich unerwünschte Investitionen durch Selbstfinanzierung, der andere gegen den volkswirtschaftlich unerwünschten Konsum, der eine also gegen die Investitionsverzerrungen, der andere gegen die Konsumverzerrungen, die unser Ansehen im Ausland, wie wir wissen, tagtäglich schädigen.
Die Investitionsabgabe — ich sage nicht -steuer — hat das Ziel, Mittel für die Engpaßindustrien freizusetzen; die Mehrverbrauchssteuer soll Mittel für den Haushalt freisetzen.
Ich hatte die Absicht, auf die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium vom Dezember 1950 einzugehen, der auch auf die völlig verfehlte Investitionspolitik der 'vergangenen Jahre hinweist. Die Investitionsabgabe hat ähnliche Vorschläge in Schweden als Anregung. Wir wissen, daß dort die Verhältnisse auf manchen Gebieten anders liegen, aber man wollte auch dort die Selbstfinanzierungen treffen. Man könnte also die Investitionsabgabe — eine Zwangsanleihe, keine Steuer — auf folgender Besteuerungsgrundlage gestalten: 10 oder 20 O/o von den Neuinvestitionen als Zwangsanleihe; dann auch einen bestimmten Betrag von den Ersatzbeschaffungen und Abschreibungen, damit man nicht dahin ausweicht, und ausschließlich — was besonders wichtig wäre — ein bestimmter Prozentsatz auf die Lagerzugänge, auf die Überbestände am Lager. Es muß aber unbedingt sichergestellt werden, daß diese Investitionsabgaben tatsächlich nur für Investitionen in den Engpaßindustrien in Frage kommen.
Der Vorschlag der Erhebung einer Mehrverbrauchssteuer geht auf eine Anregung aus den USA zurück, wo man während des Krieges eine Konsumsteuer einführen wollte. Sie soll sich nicht gegen den Massenkonsum, nicht gegen den lebensnotwendigen Bedarf wenden, sondern gegen einen volkswirtschaftlich unerwünschten Überkonsum, also gegen Konsumverzerrungen. Besteuerungsgrundlage wäre der Mehrverbrauch, der das gegebene, d. h. bekannte einkommensteuerpflichtige Einkommen zum Ausgangspunkt hat. Von diesem Einkommen wären abzusetzen die Einkommensteuer und sonstige Abgaben, dann alle zusätzlichen Sparbeträge, alles, was man in Wertpapieren oder auf Banken und Sparkassen langfristig anlegt, und alle Versicherungsbeiträge. Dann wären Freibeträge als Mindestgrenzen zu gewähren, durch die 8 bis 10 Millionen Steuerpflichtige aus der Mehrverbrauchssteuer herausfielen; was dazwischenliegt, ist eben nicht Verbrauch, sondern Mehrverbrauch. Die Steuer würde sich also nur gegen den Überkonsum, nicht gegen den Massenkonsum richten Sie würde den Spargedanken fördern, und sie wäre etwas ganz Neues: eine direkte Verbrauchssteuer.
Wir kennen die Einwände, die man gegen solche Steuern erhebt. Sie träfe mittelbar viele Industrien, die für den Überbedarf arbeiten. Aber das ist immer noch besser als Zwangssparen, das das ordentliche Sparen zerstört; es ist immer noch besser als die schematischen Umsatzsteuererhöhungen, besser als Luxussteuern und besser als die sogenannten Baby-Bonds. Wir brauchten keine
neue Verwaltung, da keine übermäßige Belastung der Finanzverwaltung gegeben ist. Wir brauchten keinen Katalog sparmarkenpflichtiger Waren wie bei den Baby-Bonds; es wäre nicht notwendig, den gesamten Einzelhandel mit hunderttausenden von Geschäften zu belästigen.
Ich glaube, mit diesen Ausführungen dem Herrn Bundesfinanzminister bewiesen zu haben, daß in diesem Hause nicht nur negative Bewilligungsmaschinisten sitzen, sondern auch positive.
Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat Herr Kollege Arndgen uns, der Opposition, an dieser Stelle zugerufen, wir könnten in dieser Woche beweisen, ob wir bereit wären, durch Steuerbewilligungen den Ärmsten der Armen zu helfen. Daß wir dazu bereit sind, haben wir oft genug bewiesen; aber es darf nicht so sein, daß man diesen Ärmsten der Armen durch indirekte Steuern zunächst die Beträge, die sie nachher als Unterstützung erhalten, aus den Taschen holt.
Das, meine Damen und Herren, geschähe, wenn wir die Umsatzsteuer erhöhten.
Darum haben wir unsere andersgearteten Vorschläge hier vorgetragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer wäre das Unsozialste, was es gibt. Für den Herrn Zwischenrufer: die Umsatzsteuer wird von jedem erhoben.
Wir können auch in diesem Jahre wieder an der Steuerreform ermessen — und mit uns das ganze Volk —, ob und wie ernst es der Regierung mit ihren Worten in der Regierungserklärung ist, sie wolle „so sozial wie möglich" handeln. Auf allen anderen Gebieten kann man möglicherweise diskutieren nach den Worten:
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten.
Aber hier, bei der Steuerdebatte, haben wir Steuersätze, Steuertabellen und Steuertarife. Bisher, meine Damen und Herren, hat das deutsche Volk an diesen Maßstäben nicht gerade sehr viel Gutes über die soziale Einstellung dieser Bundesregierung ablesen können.
Die sozialdemokratische Fraktion wird auch in diesem Jahre wieder alles daransetzen, daß unser Steuersystem diese vier Forderungen erfüllt: die Vereinfachung der Verwaltung und damit die sparsamste Erhebung der Steuern, die Belastung des einzelnen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dann vor allem auch die unerbittliche Erfassung aller Steuerpflichtigen um der steuerlichen Gerechtigkeit willen und schließlich und nicht zuletzt auch ein Steuersystem der unbedingten sozialen Gerechtigkeit.