Rede von
Willi
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde sowohl von Frau Kalinke zur Begründung des Antrags der Deutschen Partei wie auch zuletzt von Herrn Kollegen Horn die Frage des Treuhänderausschusses in Berlin aufgeworfen. Ich möchte mit aller Deutlichkeit hierzu sagen, daß die SPD-Fraktion schon jahrelang die Verwaltung der Vermögenswerte der alten Versicherungsträger durch einen von der Militärregierung eingesetzten Treuhänder für verfehlt angesehen und immer wieder die Forderung aufgestellt hat, daß dieser Treuhänder durch die Versicherungsträger bzw. durch die Organe der Selbstverwaltung dieser Versicherungsträger abgelöst werden sollte. Die Sozialdemokratie und auch die Gewerkschaften waren es, die vor Jahren dem Gedanken, den von der Militärregierung eingesetzten Treuhänder durch einen Treuhänderausschuß abzulösen, zugestimmt haben.
Dabei war die Frage, wie der Treuhänderausschuß zusammengesetzt werden sollte, nicht entscheidend. Es ist unsere Auffassung, daß die Bundesregierung mit den Vermögenswerten der Sozialversicherungsträger nichts zu tun hat, sondern daß die Sozialversicherungsträger in der Selbstverwaltung ihre eigenen Vermögenswerte zu wahren und zu betreuen haben.
Nun zu den vorliegenden Anträgen. Die CDU/ CSU-Fraktion bringt in Ziffer 2 ihres Antrages klar zum Ausdruck, daß die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Durchschnitt um 25 vom Hundert erhöht werden sollen. Gleichzeitig soll die Rentenhöhe stärker als bisher von der Anzahl und der Höhe der entrichteten Beiträge abhängig gemacht werden. Sie sehen aus der Formulierung dieses Antrags, daß jeder einzelne Rentenfall neu berechnet werden müßte, daß für jeden einzelnen Rentenfall eine eminente Verwaltungsarbeit erforderlich wäre. Selbst wenn dieses Gesetz von der Bundesregierung nach all den dazugehörenden Formalitäten über Bundesrat usw. bald an den Bundestag überwiesen würde, würde es noch lange dauern, bis die Rentenversicherungsträger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Apparat überhaupt in der Lage wären, dieses komplizierte Gesetz durchzuführen. Kompliziert muß es ja werden. Wenn die Erhöhung durchschnittlich 25 % betragen soll, wird sie für den einzelnen Fall verschieden sein, verschieden, wie es hier heißt, nach der Höhe der entrichteten Beiträge. Die Rentenversicherungsträger müssen dann jeden einzelnen Rentenfall, jede Witwenrente und jede Waisenrente gesondert nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen behandeln.
So lange sollen die Rentner, die Witwen und Waisen — anders geht es doch nicht, meine Damen und Herren — warten, bis die jetzigen Renten erhöht werden. Die Mindestrenten betragen pro Monat 50 DM für den Rentner, 40 DM für die Witwe, 30 DM für die Waise. Wir wissen aus den Berechnungen des Arbeitsministeriums, daß die Mindestrente in der Invalidenversicherung im Durchschnitt bei ungefähr 62 DM liegt. Ein Mann, der jahrzehntelang als Facharbeiter gearbeitet und jahrzehntelang seine Beiträge geleistet hat, bekommt ganze 62 oder 63 DM an Rente. Wenn ich den Durchschnitt zugrunde lege, sind das also pro Tag zwei Mark, mit denen er leben soll. Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte einmal darüber Gedanken, wie ein Rentner dieses Kunststück fertigbringen kann. Wenn sie den alten verdienten Facharbeiter nicht zwingen wollen, zum Wohlfahrtsamt zu gehen und zusätzlich die Fürsorge in Anspruch zu nehmen — der Bundesarbeitsminister ist leider nicht mehr da, der mir dies auf einen Zwischenruf geantwortet hat —, um überhaupt das Notwendigste zum Leben, zum nackten Leben beschaffen zu können, dann müssen Sie hier etwas tun. Die Ansicht des Herrn Bundesarbeitsministers teilen meine Fraktion und ich nicht. Daß man den alten, verdienten Arbeiter. der jahrzehntelang ehrlich und treu dem Staat und der Gesellschaft gedient hat, zum Wohlfahrtsamt schickt, das machen wir nicht mit.
Das sind unsere Erwägungen. Wir denken weiter an die Tatsache, daß man es im Juli vergangenen Jahres in diesem Hause seitens der Regierungsparteien für richtig befunden hat, den Antrag der SPD der Regierung als Material zu überweisen. Man hat es damals abgelehnt, unseren Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zur sachlichen Beratung
zu überweisen, damit dieser dem Hause die Sache zur Beschlußfassung vorlegt. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das haben Sie damals abgelehnt. Deswegen kommt unsere Interpellation; denn seit Juli vorigen Jahres ist trotz weiterer Preissteigerungen, wie allgemein anerkannt wurde, für die Ärmsten der Armen von der Bundesregierung noch nichts zur Hilfe getan worden.
Nun kommt hier die Deutsche Partei mit einem Antrag, und gleichzeitig glaubt auch die CDU/CSU, sie müsse einen wohldurchdachten, detaillierten Antrag, wie es gesagt wurde, einreichen. Schön, die 25 % sind nicht viel, aber sie sind wenigstens etwas. Die 25 % stehen aber nur auf dem Papier, wenn sie den Antrag der CDU/CSU der Regierung überweisen, ohne einen Termin festzulegen, von dem ab den Rentnern die Erhöhung gegeben wird.
Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich die Not lindern und Hilfe leisten wollen, dann können Sie es nicht anders machen, als daß sie für j e de Rente, für jedes Witwen- und Waisengeld eine Erhöhung um 25 % vornehmen. Wenn Sie helfen wollen, können Sie nicht so verfahren, wie es in dem CDU/CSU-Antrag empfohlen wird; denn danach müßte jeder einzelne Fall von den hunderttausend Fällen von Renten und Witwen- und Waisengeldern berechnet werden. Dann würde es nicht nur Weihnachten dieses Jahres, sondern dann würde es nächstes Jahr, wer weiß wann, werden. Unser Antrag sagt dagegen einfach und schlicht, daß an alle Empfänger zu ihren Renten, an alle Witwen und Waisen zu ihren Witwen- und Waisengeldern eine Erhöhung von 25 % gewährt werden soll. Was 25 % Zuschlag zu den Beträgen, die jetzt die Post zahlt, ausmachen, kann jeder Postbeamte selber ausrechnen, und schon zum nächsten Monat kann die Post die 25 % den in Not Befindlichen auszahlen.
Ich bitte Sie also dringend, im Interesse der Ärmsten der Armen, wie sie auch der Bundesarbeitsminister genannt hat, unserem Antrag zuzustimmen, damit ab 1. April dieses Jahres den Rentnern, Witwen und Waisen auch wirklich geholfen wird.