Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Leider hat die Debatte so wenig neue Argumente und so wenig konstruktive Gedanken zur Lösung des Problems der Sanierung und Reform gebracht, daß ich Sie namens meiner Fraktion bitten möchte, dem CDU-Antrag, der sich mit unserem Antrag weitgehend deckt und den wir bejahen, noch einige Gedanken hinzufügen zu dürfen.
Wir bejahen die Ausführungen des Herrn Arbeitsministers; aber ich möchte namens meiner Fraktion erklären, daß es für uns eine Fragestellung „ob Versicherung oder Volksfürsorge" nicht mehr gibt. Für uns ist genau so wie für unsere Koalitionspartner — und ich habe die Ausführungen meines Kollegen Horn mit Freuden gehört —klar, daß der Gedanke einer umfassenden Staatsfürsorge nicht nur durch deutsche Experimente, sondern auch durch die für uns sehr interessanten Beispiele Englands, Frankreichs und nicht zuletzt des Ursprungslandes dieser Dinge, nämlich Rußlands, ad absurdum geführt ist.
Was nun die Ausführungen im einzelnen anlangt, so möchte ich mir ersparen, darauf einzugehen. Ich möchte nur dem Herrn Kollegen Freidhof antworten, daß die Fraktion der Deutschen Partei bereits 1949 den Antrag, der die Nr. 35 trägt, auf Überprüfung des Sozialversicherungs-Anpassungsgegesetzes gestellt hat. Wir sind der Auffassung, daß nunmehr, nachdem die mathematischen Bilanzen da sind, der Zeitpunkt gekommen ist, nicht etwa, wie es sich Herr Richter so einfach vorstellt, pauschal eine Erhöhung vorzunehmen, sondern gleichzeitig die Revision der Gesetzgebung durchzuführen, die notwendig geworden ist, weil elf verschiedene Ländergesetze die Sozialversicherungsgesetzgebung beeinflußt haben.
Zu Punkt 1 des Antrages der CDU möchte ich noch hinzufügen, daß es für den Herrn Arbeitsminister wichtig sein wird, sich zu überlegen, ob bei der Frage der Vermögensverluste der Sozialversicherung, wobei auch die CDU, wenn ich recht verstanden habe, nicht nur die Rentenversicherung gemeint hat, nicht auch überprüft werden sollte, wieweit die Vermögensverluste der Krankenversicherung davon betroffen sind. Der Herr Kollege Kohl hat schon darauf hingewiesen, daß allein die Ortskrankenkassen einen ganz wesentlichen Vermögensverlust gehabt haben. Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß in der sozialen Krankenversicherung sehr verschiedene Kassenarten bestehen, von denen die einen laut Reichsversicherungsordnung eine Garantie besitzen, während für die anderen eine solche Garantie nicht besteht. Meine Fraktion ist nicht der Meinung, daß die Krankenversicherung einen Staatszuschuß bekommen soll, sie erwartet aber eine Anerkennung der Vermögensverluste mit Rücksicht auf die Verpflichtung zu vermehrten Leistungen, die der Krankenversicherung aufgetragen worden sind. Ich brauche nur weniges aufzuzählen: Kriegseinwirkungen, Krankheitshäufigkeit, steigende Zahl der Rentner, steigende Zahl der Krankenhausfälle durch Wohnungsnot, der Nachkriegshunger mit seinen schweren Folgen für den Gesundheitszustand des deutschen Volkes und nicht zuletzt das Problem unserer Ärzte, dessen Lösung ebenfalls nicht allein auf dem Rücken der Sozialversicherten ausgetragen werden kann.
In der Krankenversicherung sind einzelne Kassenarten unter § 23 des Umstellungsgesetzes gefallen, während sie auf Grund ihrer Konstruktion, nämlich der Tatsache, daß sie nach dem Recht der Vertragsversicherung noch unter Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes fallen, unter § 24 des Umstellungsgesetzes hätten fallen müssen. Wir hoffen, daß der Herr Arbeitsminister diese Dinge sehr sorgfältig prüft, und wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß dann das Unsere dazu tun.
Wir freuen uns über den Punkt 2 des Antrages der CDU und hoffen, daß gleichzeitig die Fehler der zweiten Aufbauverordnung, nämlich hinsichtlich der Steigerungssätze in der Angestelltenversicherung, die nur 0,% gegenüber 1,2 % in der Invalidenversicherung betragen, endlich beseitigt werden. Wir bejahen auch die Beseitigung der Rechtsvorschriften, die seit 1911 bestehen und unbedingt überprüft werden müssen. Im Zusammenhang mit der Überprüfung des § 1279 der Reichsversicherungsordnung und des § 40 des Angestell-
tenversicherungsgesetzes und auch im Zusammenhang mit den §§ 1274 und 1275 der RVO sind wir aber der Meinung, daß noch weitere Dinge richtiggestellt werden müssen, die damit in ursächlichem Zusammenhang stehen. Selbstverständlich ist es notwendig, daß eine volle Anrechnung überall da eintritt, wo eine doppelte Beitragsleistung erfolgt ist. Ich denke an die vielen Beispiele von Witwen, die im Kriege berufstätig waren und sich dann weiterversichert haben, um zu ihrer kleinen Rente, die sie aus der Hinterbliebenenversicherung erhalten, eine zusätzliche Rente zu gewinnen. Diese Witwen bekommen heute nur eine Rente und werden für ihren Sparsinn und für ihren Vorsorgewillen geradezu vom Staat bestraft.
Ein altes Anliegen der weiblichen Angestellten, dessen Verwirklichung der Verband der weiblichen Angestellten schon vor dem Kriege gefordert hat, ist auch heute wieder hoch aktuell. Es ist bekannt, daß die §§ 46, 1 und 47, 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes die Frage der „Erstattung der Beiträge beim Tode eines Versicherten" oder „bei der Heirat einer Versicherten" sehr unterschiedlich angewandt werden. Der § 46, 1 ist in der britischen Zone durch die Sozialversicherungsdirektive 13 suspendiert, in der amerikanischen Zone ebenfalls. Er gilt aber noch für Rheinland-Pfalz und Südbaden. Dasselbe gilt für den § 47, 1 — „Erstattung der Beiträge bei Eheschließungen" —, der auch nur noch in zwei Ländern der französischen Zone gültig ist. Hier teilt meine Fraktion die Meinung des Verbandes der weiblichen Angestellten, die gleichzeitig die ledigen Männer und alle diejenigen betrifft, die durch die Folgen des Krieges trotz großer Unterhaltsverpflichtungen heute nicht in den Genuß des Ergebnisses ihrer Beitragszahlung für die Sicherstellung ihrer hinterbliebenen Angehörigen kommen. Wir werden also in den Ausschußberatungen erneut die notwendige Forderung aufgreifen, aus der Beitragsleistung neben der Witwen- und Witwerrente auch die Hinterbliebenenrente zu gewähren. Wir sind der Meinung, daß die Frage der Beitragsehrlichkeit und der Beitragsgerechtigkeit auch zu einer Gerechtigkeit in der Leistung führen muß, die schon nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung für Arbeiterinnen und Angestellte weiblichen Geschlechts nicht anders aussehen kann als für Versicherte männlichen Geschlechts. Auch insofern werden wir die Frage der Gleichberechtigung in der Sozialversicherung in die Gesetzes-Praxis bringen und werden in dem Gespräch um die Verwirklichung dieser Gleichberechtigung in der Praxis wirksam mitarbeiten.
Schließlich darf ich noch zu der Deckungsvorlage der CDU sagen, daß meine Fraktion gewisse Bedenken gegen die Verteuerung des bargeldlosen Verkehrs hat, die sich aus einer Giralsteuer ergeben würde, daß sie aber trotz dieser Bedenken der Vorlage zustimmen wird. Meine Fraktion glaubt, daß das Arbeitsministerium und mit ihm die Bundesregierung alles tun wird, um die Bedenken der Sozialdemokratischen Partei, die nicht aus demagogischen Gründen, aber im Interesse der notleidenden Rentner auch unsere Bedenken sind, zu zerstreuen und sehr bald eine ausreichende und gute Regierungsvorlage zur Lösung dieses ernsten sozialen Problems einzubringen.