Rede von
Alex
Willenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Die staatspolitische Aufgabe unserer Sozialversicherung wird immer sein: die Sicherung des schaffenden Volkes gegen die wirtschaftlichen Folgen der unvermeidbaren Wechselfälle des Lebens wie Krankheit, Unfall, Alter, Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Tod, die gesundheitliche Betreuung des schaffenden Volkes und seiner Angehörigen durch vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen und nicht zuletzt die Erhaltung des inneren, des sozialen Friedens.
Nun hat uns der Krieg mit all seinen Folgen sicherlich vor ungeheuer schwierige Aufgaben auf diesen Gebieten gestellt. Durch die Wirtschaftspolitik, die die Regierung nun schon seit Jahren treibt, sind nicht nur die Löhne und Gehälter außerordentlich in Bewegung geraten; in gleichem Maße sind auch die Pensions- und Rentenversicherungen ins Rutschen gekommen, und wir stehen vor Aufgaben, wie wir sie in der Vergangenheit kaum gehabt haben.
Es ist vorhin schon gesagt worden, daß die Durchschnittsrenten in der Invalidenversicherung um 60 Mark und in der Angestelltenversicherung um 94 Mark liegen; die Witwenrenten betragen in der Invalidenversicherung 37 Mark und in .der Angestelltenversicherung 53 Mark. Die Wohlfahrtssätze in manchen Gemeinden sind oft höher als die Bezüge der Bezugsberechtigten in der Rentenversicherung. Die Witwe eines früheren Mitgliedes dieses Hohen Hauses erhält an Witwenrente aus der Angestelltenversicherung monatlich 42,20 Mark, mit ihren Kindern erhält sie insgesamt 162 Mark. Nach Abzug der Wohnungskosten verbleiben dieser Familie pro Kopf und Tag 67 Pfennige.
Ein Unfallrentner schreibt mir, daß er für seine zwölfköpfige Familie monatlich eine Rente von 160 Mark erhalte. So entfallen auf diese zwölfköpfige Familie pro Kopf und Tag nur 45 Pfennige zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten. Das sind Zustände, die auf die Dauer unhaltbar sind und die dringendst der Änderung bedürfen.
In der Arbeitslosenunterstützung und der Arbeitslosenfürsorge liegen die Verhältnisse nicht besser.
Nun hören all die Bezugsberechtigten, daß wir vor einer neuen Preiswelle stehen, daß die Mieten in den Altwohnungen um 20 °/o erhöht werden sollen. Dabei wohnen gerade diejenigen, die Renten bekommen, zum allergrößten Teil in den Altwohnungen, und diese Rentner stehen nun vor der Frage: Wie sollen wir denn überhaupt noch unser Leben fristen? Wir verstehen nicht, daß man Maßnahmen auf diesem Gebiete ergreift, es aber unterläßt, zu gleicher Zeit die Renten und Pensionen in ausreichendem Maße zu erhöhen.
Wir sind auch der Auffassung, daß durch die Erhöhung der Löhne und Gehälter die Beitragseinnahmen in den Rentenversicherungen größer wurden und daß diese erhöhten Einnahmen auch für die Versicherten zur Auszahlung kommen müssen. Wir haben z. B. im Bergbau ungefähr 25 bis 30
Millionen Mark und noch mehr an Beitragsmehreinnahmen. Wenn wir die Renten im Bergbau auf 80 bis 90 °/o des Tariflohns bringen würden, den der Bezugsberechtigte zuletzt erhalten hat, brauchten wir, um diesen Fortschritt zu erzielen, nur 15 bis 16 Millionen Mark. Aber die Bundesregierung macht es sich sehr einfach. Wir haben etwa 30 Millionen Mark Mehreinnahmen, aber diese 30 Millionen Mark, die wir in der Knappschaft haben, kürzt uns die Bundesregierung, so daß wir nicht in der Lage sind, den Verhältnissen gerecht zu werden. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß bei der kommenden Regelung in der Sozialversicherung die Bundesregierung die Renten und Pensionen jeweils dem Lohn- und Gehaltseinkommen anpaßt damit wir nicht immer wieder vor der Notwendigkeit stehen, die Dinge erneut behandeln zu müssen.
Zum Schluß darf ich noch eine bescheidene Bitte an den Herrn Bundesarbeitsminister richten. Draußen im Lande sind noch viele Rentenstreitverfahren anhängig bzw. es liegen sehr viele Urteile vor, die noch in die Revisionsinstanz gehen sollen. Bis heute ist das noch nicht geschehen. Wir wünschen dringend, daß diese Arbeiten vorangetrieben werden, damit wir bald eine Revisionsinstanz bekommen und diese Rentenstreitverfahren endgültig zur Erledigung gebracht werden können.