Rede von
Heinrich
Happe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1497 betreffend Futtermittel ist vom Plenum dem Ernährungsausschuß überwiesen und in der Ausschußsitzung am 29. November 1950 durchberaten worden. Der Ernährungsausschuß hat immer wieder betont, daß die Sicherstellung der Brotversorgung unserer Bevölkerung für uns alle eine Kardinalfrage ist. Der Verzehr von Roggenbrot und von Mischbrot hat den Vorrang. Einmütig ist der Ernährungsausschuß aber auch der Auffassung, daß das Brotgetreide in Anbetracht der drohenden Versorgungslücke der Volksernährung zugeführt werden muß und eine Verfütterung nicht verantwortet werden kann.
Die Anordnung von Festpreisen für Roggen und Weizen einerseits und der freie Markt für Futtergetreide andererseits haben zu großen Mißständen in der Getreidewirtschaft geführt. Die gesetzlichen Erzeugerfestpreise für Roggen und Weizen werden vom Handel und den Mühlen nicht mehr innegehalten, weil zu diesen Preisen kaum ein Pfund Getreide zu kaufen ist. Die ungebundenen Preise für Futtergetreide liegen beträchtlich höher. Durch den Beschluß des Hohen Hauses in der 78. Sitzung am 21. Juli 1950 wurde zwar der Übernahmepreis für Milokorn von 260 DM je Tonne auf 240 DM je Tonne frei Paritätspunkt herabgesetzt, aber die Landwirtschaft mußte 31 DM und mehr je Doppelzentner bezahlen.
Solange die Diskrepanz zwischen den Brot- und Futtergetreidepreisen nicht behoben ist, wird Roggen nach wie vor weiter an die Schweine, Weizen an die Hühner usw. verfüttert oder anderweit zu höheren Preisen verkauft. Die Verfütterung von Brotgetreide läßt sich auch nicht durch das heute noch bestehende Verfütterungsverbot verhindern, sondern lediglich durch eine richtige Preisrelation zwischen Brot- und Futtergetreide. Solange der Bauer für sein Brotgetreide weniger erhält und für Futtergetreide mehr aufwenden soll, wird er immer in Versuchung kommen, Brotgetreide zu verfüttern. Wir haben nun einmal die freie Wirtschaft, und da nimmt die Landwirtschaft das für sich in Anspruch, was jedem andern Unternehmer freigestellt ist.
Es steht fest, daß in den ersten vier Monaten des neuen Getreidewirtschaftsjahres 300 000 Tonnen Roggen weniger als im gleichen Zeitraum des Jahres 1949 zur Ablieferung gelangten. Erschwerend kommt hinzu, daß sich der Schweinebestand gegenüber dem Vorjahre um ca. 3 Millionen Stück erhöht hat. Es wäre noch weit mehr Roggen an die Schweine verfüttert worden, wenn nicht die diesjährige Kartoffelernte mit einem Mehr von 7 Millionen Tonnen die Futterbasis so beachtlich erweitert hätte. Ein vorzeitiger großer Schweinemord wäre sonst die unausbleibliche Folge gewesen. Rechtzeitig hätte für angelieferten Roggen verbilligtes Milokorn zurückgeliefert werden
müssen, wodurch im gleichen Maße Roggen für die Brotversorgung frei geworden wäre. Es sind doch überwiegend die mittleren und kleineren landwirtschaftlichen Betriebe, die aus arbeitstechnischen oder pekuniären Gründen sofort nach dem Drusch ihr Brotgetreide abgeliefert haben. Sie werden bei der ab 1. Januar eingeleiteten Umtauschaktion Roggen gegen Milokorn im Verhältnis 1 zu 1 nicht mehr berücksichtigt. Sie sind somit benachteiligt. Für die ordnungsmäßige Rücklieferung von Milokorn durch den Handel oder die Mühlen fehlte in diesem Getreidewirtschaftsjahr auch die Basis; denn die Getreideablieferungskartei wird seit dem Erntejahr 1950/51 bei den .Kreisen nicht mehr geführt. Nach den Erfahrungen früherer Jahre erfolgte die schwergewichtartige Ablieferung von Getreide bis Ende Januar. Jetzt, am Ende dieses Ablieferungszeitraumes, noch eine Wende herbeizuführen, läßt keinen nennenswerten Erfolg mehr erwarten. Trotzdem muß alles versucht werden, um das noch bei der Landwirtschaft lagernde Brotgetreide zur Anlieferung zu bringen.
Der Ernährungsausschuß beantragt deshalb: Der Bundestag wolle beschließen:
Um die Brotgetreideversorgung für das Jahresende nicht zu gefährden, wird die Bundesregierung ersucht, dafür zu sorgen, daß den Bauern für ihren abgelieferten Roggen die gleiche Menge vollwertigen Futtergetreides mindestens zum gleichen Preise zurückgeliefert wird.