Rede von
Wilhelm
Naegel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr in der gewerblichen Wirtschaft ist schon vor sehr langer Zeit hier in erster Lesung behandelt worden. Im Laufe der Entwicklung der Wirtschaftslage haben sich Änderungswünsche auf verschiedenen Seiten ergeben, und es war notwendig, eine eingehende Behandlung innerhalb des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und der übrigen zur Mitbearbeitung benannten Ausschüsse durchzuführen. Nunmehr liegt der Gesetzentwurf in der Drucksache Nr. 1843 vor. Er entspricht im wesentlichen den Auffassungen, die sich bei der Beratung gezeigt haben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bezweckt in erster Linie die Ausgliederung von nichtministeriellen Aufgaben aus dem Ministerium für Wirtschaft, wobei es sich aber um Aufgaben handelt, bei denen sich doch die Notwendigkeit einer zentralen Bearbeitung und Durchführung ergibt und die deshalb im Rahmen dieser Bundesstelle ähnlich wie früher in den Fachstellen zentral behandelt werden sollen. Es ist notwendig, eine neue gesetzliche Form zu finden, da das Fachstellengesetz, das noch im Mai 1949 vom Wirtschaftsrat in Frankfurt angenommen worden war, am 31. März des vorigen Jahres abgelaufen ist, ohne daß eine neue Fassung der darin verankerten Grundsätze inzwischen Gesetz geworden wäre.
Die der Bundesstelle übertragenen hoheitsrechtlichen Aufgaben sollen sich beziehen auf die Durchführung der Einfuhr, die Durchführung der Ausfuhr, des Interzonenhandels und die Erledigung der
sich aus den zur Zeit noch vorhandenen wenigen Bewirtschaftungsresten ergebenden Aufgaben. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik stimmte diesen Grundsätzen zu und nahm damit die Regierungsvorlage im Grundsatz, wie ich sagte, an. Er hat aber wesentliche Vorschläge zur Änderung der textlichen Formulierung gemacht. Vor allem war es ihm darum zu tun, die Aufgaben der Bundesstelle so zu präzisieren, daß sie nur noch die in § 2 einzeln aufgeführten Tätigkeiten ausüben darf. Diese Beschränkung der Aufgaben der Bundesstelle betrifft in erster Linie die Bearbeitung der Ausfuhrangelegenheiten, von denen nur die Genehmigung von Ausfuhranträgen für Waren der Vorbehaltsliste und die Devisenkontrolle als eine die Ausführungsorgane in den Ländern koordinierende Devisenüberwachungsstelle auf dem gewerblichen Sektor übrig geblieben ist. Dagegen verbleibt als ministerielle Aufgabe die Genehmigung der Gegenseitigkeitsgeschäfte des Veredelungsverkehrs mit dem Ausland beim Ministerium. Auch die von der Wirtschaft gebildeten Exportausschüsse behalten ihre beratende und Unterlagen sammelnde Tätigkeit bei.
Im übrigen konzentriert sich die Tätigkeit der Bundesstelle auf zwei Gebiete, erstens auf die Durchführung von Rechtsverordnungen, die die Bundesregierung bzw. der Bundeswirtschaftsminister auf Grund des Wirtschaftssicherungsgesetzes, das wir in der vorigen Woche verabschiedet haben, erlassen kann, und zweitens auf die einzelnen in § 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen, die bei der Einfuhr
und im Interzonenhandel zu treffen sind. Es ist dabei nur eine Sonderregelung auf dem Gebiete der eisenschaffenden Industrie vorgesehen. Diese Sonderregelung hinsichtlich der Rohstoff- und Produktionsplanung erweist sich aber im Hinblick auf die große Bedeutung gerade dieses Industriezweiges für die gesamte deutsche Wirtschaft als notwendig.
Die Bundesstelle ist eine Bundesoberbehörde, wie sie der Art. 87 des Grundgesetzes im Abs. 3 vorsieht. Dadurch wird von der Konstruktion, die die Fachstellen nach dem Frankfurter Gesetz hatten, völlig abgewichen und bewußt eine Neuordnung geschaffen.
Um nun aber den unmittelbaren Dienstverkehr zwischen den Gruppen der Bundesstelle und den fachlich zuständigen Abteilungen des Bundesministeriums ohne bürokratische Hemmungen ablaufen lassen zu können, hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik im § 3 den Abs. 3 eingefügt, der eine entsprechende Dienstanweisung des Bundesministers für Wirtschaft vorsieht. Damit soll ein möglichst reibungsloser Verkehr, aber auch eine möglichst einheitliche Gestaltung dieser Angelegenheiten erreicht werden.
In Abweichung von der Regierungsvorlage soll der Sitz der Bundesstelle von dem Bundesminister für Wirtschaft im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorschriften bestimmt werden, um den verwaltungsmäßigen Notwendigkeiten Rechnung tragen zu können. Es war nicht möglich, an dem in der Regierungsvorlage vorgesehenen Sitz Frankfurt festzuhalten, weil inzwischen die McNair-Kaserne in Höchst, das augenblickliche Domizil der Fachstelle, von den Alliierten aufgekündigt ist und schnellstens geräumt werden muß.
Die innere Organisation der Bundesstelle muß entsprechend den wechselnden Anforderungen, beweglich und einfach gestaltet werden. Daher ist im Gesetz die Gliederung in Gruppen vorgesehen, die sich unterteilen in fachliche Gruppen, soweit es sich um die Belange eines Fachzweiges handelt, und in überfachliche Gruppen, soweit Aufgabenbereiche erfaßt werden, die über einzelne Wirtschaftszweige hinausgehen, z. B. die Genehmigung von Ausfuhranträgen für Waren der Vorbehaltsliste oder die Devisenkontrolle.
Es ist dann weiter vorgesehen, daß eine Auflösung bzw. Zusammenlegung der Gruppen sofort eintreten soll, wenn Aufgaben wegfallen, die deren bisherige Existenzgrundlage darstellen.
Die Institution der Beiräte und deren Mitwirkungsrecht ist aus dem Fachstellengesetz übernommen worden. Wir hatten bei dem Fachstellengesetz vorgesehen, daß die verschiedenen Stufen der Wirtschaft und auch Vertreter der Gewerkschaften sich bei der Beratung der Fachstellen in allen Grundsatzfragen beteiligen sollten. Diese Regelung hat sich als gut und richtig erwiesen und ist nunmehr auch in dem neuen Gesetz festgehalten und ausdrücklich betont worden.
Bei der Aufgabenzuteilung haben wir aber im Ausschuß einige textliche Neufassungen gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen, die nicht ganz ohne Bedeutung sind. So haben wir u. a. in einer Soll-Vorschrift verankert, daß nach Möglichkeit die Mitgliederzahl dieser Beiräte tunlichst auf 20 Köpfe beschränkt werden sollte, um nicht ein allzu umfangreiches Gebilde entstehen zu lassen, das nachher nicht arbeitsfähig ist. Darüber hinaus haben wir aber auch eine Beschränkung des Mitwirkungsrechts des Beirats auf alle grundsätzlichen Maßnahmen festgelegt. Wir glaubten, diese Be-
schränkung im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Beschleunigung der Arbeiten verantworten zu sollen, damit nicht jede Einzelfrage und jeder Einzelfall zur Einberufung des gesamten Beirates Anlaß gibt.
Aus dem bewährten Fachstellengesetz haben wir weiter übernommen: die Bestimmungen über die Zusammensetzung des Beirates und über die Entschädigung der Beiratsmitglieder sowie über die Pflicht der Bundesstelle, bei abweichenden Beschlüssen des Beirates die Entscheidung des Bundesministers für Wirtschaft einzuholen. Die gleiche Blockierung wird durch das beizubehaltene Gruppen-Veto oder Minderheits-Veto herbeigeführt.
Wir nehmen an, daß diese Änderungen der Regierungsvorlage bzw. die Beibehaltung der in dem Fachstellengesetz vom Mai 1949 verankerten Vorschriften die Grundlagen der inneren Organisation geben werden, auf denen sich dann die Arbeiten reibungslos vollziehen können.
Der Ausschuß hat den § 7 der Regierungsvorlage getrichen, und zwar handelt es sich dabei um eine Anordnung des Fachstellengesetzes, wonach der Ausschuß zur Unterrichtung der obersten Landeswirtschaftsbehörden verpflichtet werden sollte. Wir waren der Meinung, daß dieses eine ministerielle Aufgabe ist und daß es nicht Aufgabe der Bundesstelle sein kann, diese Unterrichtung durchzuführen, wenn gleichzeitig das Ministerium diese Obliegenheiten erfüllt. Wir sind auch der Meinung, daß es keines besonderen Länderausschusses bei der Bundesstelle bedarf, da ja alle Länderinteressen von den ministeriellen Fachreferenten in den dort vorhandenen Fachauschüssen bereits wahrgenommen werden. In diesen Sitzungen wird auch regelmäßig über die wichtigen Vorgänge bei der Bundesstelle berichtet werden können.
Der Haushalt der Bundesstelle wird dem Bundestag in einem eigenen Haushaltsplan innerhalb des Haushalts für das Bundesministerium für Wirtschaft zur Genehmigung unterbreitet und damit der parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden. Sie wissen, daß bei der Entwicklung zum Fachstellengesetz hin gerade die haushaltsrechtliche Behandlung des Problems zu besonderen Schwierigkeiten führte. Damals wurde die Lösung gefunden, eine Trennung der Kosten und Kostenträger durchzuführen, indem man alle personellen Kosten dem Haushalt und alle sachlichen Kosten durch eine Gebührenerhebung der Wirtschaft übertrug. Diese damalige Lösung hat niemals vollen Beifall gefunden. Wir sind deshalb glücklich, hier nun eine einheitliche, klare haushaltsrechtliche Lösung im Gesetz verankert zu haben.
Damit kommen dann natürlich die beim Fachstellengesetz vorgesehenen Gebühren der Wirtschaft für alle Sonderarbeiten in Fortfall.
Die Bedeutung des Gesetzes ist zeitlich bedingt, dementsprechend auch die Befristung — ähnlich wie im Rahmen des Wirtschaftssicherungsgesetzes — bis zum Auslauf des Marshallplans, bis zum 30. Juni 1952.
Die Bundesstelle soll das Bundesministerium von der Vielzahl von Einzelentscheidungen entlasten. Sie kann diese wichtigen Aufgaben nur dann erfüllen, wenn sie ihre Arbeiten stets in engster Verbindung einerseits mit der von ihr betreuten Wirtschaft, andererseits aber mit den ministeriellen Dienststellen durchführt, wofür die Gesetzesvorlage die Organisationsvorschriften geschaffen hat.
Ich darf das Hohe Haus bitten, dem Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses beizutreten und dem Gesetz seine Genehmigung zu geben.