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    Deutscher Bundestag - 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Februar 1951 4395 116. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4393D, 4427D Begrüßung des Abg. Leonhard nach Wiedergenesung 4397A Änderung der Tagesordnung 4397A Zur Geschäftsordnung: Dr. Oellers (FDP) 4397B Dr. Reismann (Z) 4397D Einspruch des Abg. Renner gemäß § 92 der vorläufigen Geschäftsordnung gegen den ihm in der 113. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Nr. 1840 der Drucksachen) . . 4398D Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Remontage (Nr. 1703 der Drucksachen) 4398D Dr. Wellhausen (FDP), Interpellant 4398D, 4403D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4400B Dr. Schöne (SPD) 4400D Harig (KPD) 4402A Walter (DP) 4402C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . . 4402D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . 4403B Willenberg (Z) 4403C Ausschußüberweisung 4404B Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Mühlenfeld, Dr. Seelos, Frommhold und Genossen betr. Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung (Nr. 1568 der Drucksachen) 4404B Dr. Mühlenfeld (DP), Interpellant 4404C, 4409B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4407B Ausschußüberweisung 4409C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechts (Nrn. 1796, 1615, 1717 der Drucksachen) 4409C Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 4409C, 4411A Ewers (DP) 4410A Beschlußfassung 4411A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Entwurf eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Nrn. 1801, 1342, 1640, 1716 der Drucksachen) 4411B Dr. Andersen, Landesminister, Berichterstatter 4411B Beschlußfassung 4412A Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1833 der Drucksachen) 4412A Beschlußfassung 4412B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes (Nr. 1787 der Drucksachen) 4412B Dr. Bertram (Z) 4412B Ausschußüberweisung 4412C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz) (Nr. 1812 der Drucksachen) 4397B, 4412D Ausschußüberweisung 4412D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundes-Jagdgesetzes (Nr. 1813 der Drucksachen) 4397B, 4412D Ausschußüberweisung 4412D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Nrn. 328, 788, 1724 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 64); Anträge Umdruck Nrn. 65 und 71 4412D Dr. Arndt (SPD) 4413A Fisch (KPD) 4416A Schoettle (SPD) 4418D Abstimmungen 4419A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 586 [berichtigt] der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 1843 der Drucksachen) 4419B, 4427D Naegel (CDU), Berichterstatter . . . 4419C Abstimmungen 4421A, 4427D Beratung des Antrags der Abg. Dr. Schröder (Düsseldorf), Dr. Koch, Dr. Preusker u. Gen. betr. Untersuchung über die Lage der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft (Nr. 1847 der Drucksachen) . . . 4397A, 4421B Beschlußfassung 4421C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1634 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1815 der Drucksachen) 4421D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter 4421D, 4423C Abstimmungen 4423B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Futtermittel (Nrn. 1792, 1497 der Drucksachen) 4423D, 4426C Happe (SPD), Berichterstatter . . . 4426C Beschlußfassung 4427B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Rückgabe zweckentfremdeter Jugendherbergen an das Deutsche Jugendherbergswerk (Nr. 1790 der Drucksachen) 4424A Arnholz (SPD), Antragsteller . . . . 4424A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4426B Beschlußfassung 4426B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ermittlungen über noch nicht heim- gekehrte deutsche Kriegsgefangene (Nr. 1823 der Drucksachen) 4427B Mellies (SPD), Antragsteller . . . 4427B Ausschußüberweisung 4427C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 62) 4427D Nächste Sitzung 4427D Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner zitierte die Bemerkung des Berichterstatters Dr. von Merkatz, die Vorlage sei die Krönung des Rechtsstaates, oder, um es genauer zu sagen, die Institution des Bundesverfassungsgerichts, wie es nach der Vorlage aussehen soll, sei die Krönung des Rechtsstaates. Ich möchte demgegenüber sagen: Wenn dies die Krönung des gegenwärtigen Staates sein soll, in dem wir leben, so ist das das denkbar schlechteste Zeugnis, das man dem Staat ausstellen kann.

    (Abg. Strauß: Diesseits oder jenseits?)

    Herr von Merkatz war der Meinung, was in diesem Entwurf enthalten sei, sei der Kern dessen, was man dem Bolschewismus entgegenzusetzen habe. Herr Kollege von Merkatz, wenn das alles ist, was Sie in einer friedlichen Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus der Welt von morgen entgegenzustellen haben, dann schätzen Sie die Chancen für den Bestand der alten Welt, die Sie repräsentieren, recht schlecht ein.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Herr Dr. Arndt meinte, das, was uns vorliegt,

    (B) sei nicht die Krönung des Rechtsstaates, sondern die Krönung der Rechtssicherheit. Ich glaube, man müßte richtiger sagen: Was uns hier vorgeschlagen wird, ist die Krönung der Rechtsunsicherheit des einzelnen Bürgers und der Organisationen, die in diesem Staate leben.


    (Sehr wahr! bei der KPD. — Widerspruch in der Mitte und rechts.)

    Was uns hier vorgelegt wird, ist ein Staatsschutzgesetz, ein Ausnahmegesetz.

    (Abg. Dr. Laforet: Ach du lieber Gott! — Weitere Zurufe.)

    Es bedeutet die Auslieferung einer gewaltigen Machtfülle in die Hände einer Justiz, die Repräsentant der reaktionärsten Schicht unseres Volkes und ein willfähriges Instrument der staatlichen hohen Bürokratie und der vorherrschenden politischen Richtung ist. Dieser Justiz wird eine Machtfülle gegeben, die sie gegen den einzelnen Menschen, gegen politische Parteien, gegen Ländergesetze und Länderverfassungen einsetzen kann, soweit sie den Bestrebungen der Bundesregierung und ihrer „Freunde" im Hintergrund entgegengesetzt sind, eine Machtfülle, die sich im Sinne der Gleichschaltung auch der Länder und Gemeinden mit den politischen Intentionen des Petersbergs auswirken soll. Von einer solchen Machtfülle macht ein Staat Gebrauch, der sich in seinem eigenen Grundgesetz als eine provisorische Einrichtung kennzeichnete. Sowohl in der Präambel des Grundgesetzes wie auch insbesondere in den Schlußbestimmungen, in Art. 146 des Grundgesetzes, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieser Staat und damit auch sein Grundgesetz vorübergehender Natur ist. Er soll möglichst bald verschwinden, um einer geeinten demokratischen deutschen Republik
    Platz zu machen. Was uns hier vorgelegt wird, ist der Versuch, den Bestand dieses ohnedies künstlichen Staatswesens selbst über das Maß dessen hinaus, was in seinem Grundgesetz festgelegt ist, künstlich zu verlängern. Es soll außerdem jede Bestrebung zerschlagen werden, die darauf hinausläuft, diesen Staat möglichst bald durch eine vernünftige und den Interessen des gesamten deutschen Volkes dienende Regelung abzulösen.
    Der Charakter dieses Gesetzes erhellt besonders aus den §§ 1 und 32. In § 1 wird die sogenannte Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts festgelegt; aber selbständig und unabhängig wird es nur vom Willen des Volkes sein, selbständig und unabhängig von den Gesetzen selbst dieses Staates, selbständig und unabhängig von den Interessen unseres Volkes.
    In § 32 wird der ganze Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem der Herr Kollege Arndt sprach, dadurch über den Haufen geworfen, daß den Richtern das Recht eingeräumt wird, durch einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung, ohne abzuwarten, welches Resultat das definitive Urteil erbringen wird, Maßnahmen anzuordnen, so wie es einzelne Mitglieder des Gerichts wollen, so wie es insbesondere die politischen Hintermänner und Einbläser des Gerichts wollen. Noch mehr Gewicht erhält diese Regelung dadurch, daß die Gültigkeit solcher einstweiligen Anordnungen beliebig oft verlängert werden kann, nachdem sie drei Monate lang in Geltung gewesen sind.
    Sowohl die Zusammensetzung der Senate wie auch das System ihrer Wahl führt dazu, daß ihre Entscheidungen fern vom Volk, ohne Einfluß des Volkes, ja über und gegen den Willen des Volkes gefällt werden.
    Die Tätigkeit und die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist weiter dadurch gekennzeichnet, daß es ausdrücklich auch dem Parlament übergeordnet wird. Die Richter dieses Verfassungsgerichtshofes sind ermächtigt, selbst Richter zu sein über Gesetze, die die Volksvertretung geschaffen hat, selbst Gesetzgeber, selbst Rechtsschöpfer zu sein. Das wird unter anderem durch die Bestimmung des § 31 erwiesen, in dem die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts als mit Gesetzeskraft ausgestattet bezeichnet werden.
    Die Praxis des Bundesverfassungsgerichts muß zu einer Lähmung der normalen Gesetzgebung und zu einer Minderung der Autorität der normalen Gesetzgebung führen, und zwar vor allem dadurch, daß es jedem Richter, dem ein Gesetz nicht in den Kram paßt, möglich ist, gegen die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes Zweifel zu erheben, das Gericht anzurufen und in der Zwischenzeit die Wirksamkeit bestehender Gesetze auszusetzen.
    Der Bundesverfassungsgerichtshof ist sogar, wie es die Vorlage will, dem Grundgesetz übergeordnet. Er erhebt sich selbst zum Richter über die Geltung des Grundgesetzes. Der Herr Kollege von Merkatz sagte in seiner Berichterstattung, es sei die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, das zu realisieren, was im Grundgesetz stehe, es sei seine Aufgabe, zu prüfen, ob die Rechtsprechung, ob die Gesetzgebung mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Das Gegenteil dessen ist richtig. Der Bundesverfassungsgerichtshof wird durch dieses Gesetz ermächtigt, selbst, autoritär zu bestimmen, was Recht ist, welches Gesetz Geltung haben soll und welches nicht.

    (Abg. Strauß: Es wäre besser, die Kommissare würden's machen!!)



    (Fisch)

    Meine Damen und Herren, diese Praxis des richterlichen Prüfungsrechts geltender gesetzlicher Bestimmungen hat bereits in der Weimarer Republik zu Einwänden namhafter Juristen, selbst von bürgerlicher, vor allem aber von sozialdemokratischer Seite geführt. Ich möchte hier an die Stellungnahme des ehemaligen Reichsjustizministers Professor Dr. Radbruch, des damaligen prominenten Juristen der Sozialdemokratischen Partei, erinnern. Professor Gustav Radbruch erklärte zur Frage des richterlichen Prüfungsrechts bestehender Gesetze im Jahre 1925 folgendes:
    Ich richte in ernster Sorge um unsere Justiz an das Reichsgericht in zwölfter Stunde den dringenden Appell, den verhängnisvollen Schritt zum richterlichen Prüfungsrecht nicht zu tun. Ich richte an Regierung und Parlament die Aufforderung, diesem Schritt rechtzeitig zu begegnen, verfassungsgesetzlich das richterliche Prüfungsrecht auszuschließen ... Ich richte an die Öffentlichkeit die Mahnung, dieser für unser politisches Leben außerordentlich wichtigen Frage endlich die gebührende Aufmerksamkeit zuzuwenden.
    Dies sagte ein sozialistischer Jurist, der sich allerdings in der Nazizeit nicht gleichschalten ließ. Er gehörte also zu denjenigen Juristen, die heute in der ersten Garnitur der sozialdemokratischen Parteiführung nicht mehr das entscheidende Wort führen; denn andernfalls wäre es nicht möglich gewesen,

    (Zuruf von der SPD: Er ist tot!)

    daß die sozialdemokratische Fraktion solchen Bestimmungen ihre Zustimmung gibt, die diesen
    Mahnungen Radbruchs genau entgegengesetzt sind.
    Es handelt sich bei der Vorlage um die Fixierung
    B) der Tatsache, daß die Grundrechte des Grundgesetzes im Ernstfalle keine praktische Bedeutung haben. Solange die Grundrechte nicht allgemeine Gültigkeit besitzen; solange sie nicht von jedem Staatsbürger immer und überall in Anspruch genommen werden können, solange sie einer willkürlichen Auslegung durch eine Ausnahmejustiz unterworfen sind, sind die Grundrechte nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben sind.
    Die vorliegende Regelung ist noch schlimmer als die Praxis der Weimarer Republik. In der Weimarer Verfassung schrieb der Art. 108 die Bildung eines Staatsgerichtshofes vor. Er wurde am 9. Juli 1921 geschaffen. Aber jener Staatsgerichtshof begnügte sich mit einer weit geringeren Zahl von Kompetenzen. Er begnügte sich mit der Berechtigung der Anklageerhebung gegen den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und die Reichsminister. Dazu handelte es sich doch bei der Weimarer Republik um einen souveränen Staat, während der Staat, in dem wir heute hier leben und für den die Vorlage Geltung besitzen soll, ohne staatliche Souveränität dasteht. Der Staat, in dem wir leben, hat sein eigentliches Grundgesetz auf der Londoner Konferenz im Juni 1948 erhalten. Seine Lebensfähigkeit wird immer wieder erneuert durch die Einflüsse und Empfehlungen des Peters-berges. Nur dadurch ist es ihm möglich, auch nur den Schein der Staatlichkeit nach außen hin zu wahren.
    Es ist angebracht, daß ein Staat, der sich in seinem eigenen Grundgesetz seinen provisorischen Charakter selbst bestätigt hat und der seine wirkliche Legitimation nur auf ausländische Dokumente beziehen kann, in der Fixierung solcher Gesetze wie dem vorliegenden äußerst bescheiden verfährt.
    Er sollte sehr zurückhaltend in der Auslieferung von Macht an Staats- oder Justizorgane sein, die ebenso wie dieser Staatsapparat selbst nur vorübergehenden Charakter haben.
    Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein Wort zu der Haltung der sozialdemokratischen Fraktion! Herr Kollege Dr. Arndt hat in seiner heutigen Rede einige Einwände geltend gemacht. Mit einigen seiner Einwände kann man durchaus einverstanden sein. Ich frage mich nur, weshalb die sozialdemokratische Fraktion und auch Herr Kollege Dr. Arndt den Abänderungsvorschlägen nicht zugestimmt hat, die meine Fraktion bei der zweiten Lesung eingereicht hat und die sich in einigen Fragen auf derselben Linie bewegten wie die Einwände, die heute von Herrn Dr. Arndt geltend gemacht worden sind. Warum also dieses doppelte Spiel? Oder hat man nur Angst, sich hier in der Öffentlichkeit zu einem kommunistischen Antrag zu bekennen? Ich glaube, daß unter solchen Umständen eine sachliche Bemerkung an Wert verliert, wenn ihr die Konsequenz in der Abstimmung fehlt.
    Herr Kollege Schoettle! Sie lachen gerade so freundlich!

    (Abg. Schoettle: Sie wissen ja gar nicht, warum ich lache!)

    — Sie erinnern mich an Ihre geistvolle Rede, die Sie gegen Ende der zweiten Lesung hier gehalten haben. Ich glaube, wenn der alte August Bebel das hören würde, er würde sich im Grabe herumdrehen,

    (große Heiterkeit)

    wenn er die Erklärung seines Nachfolgers gehört hätte,

    (Abg. Wagner: Sehr gut! — Bravo! — Zuruf links: Im Tode gestört! — Andauernde Heiterkeit.)

    - Sie können ruhig weiterlachen!

    (Zuruf links: Ausgezeichnet! Jetzt lacht alles!)

    Er würde sich im Grabe herumdrehen, Herr Kollege Schoettle, wenn er diese Debatte über den Verfassungsgerichtshof gehört hätte.

    (Zuruf links: Wenn er dich gehört hätte!) Der einzige Einwand, den Sie zu dem vorliegenden Entwurf zu machen hatten, bezog sich auf die Regelung der Gehaltsfrage des Präsidenten und der Mitglieder des Gerichtshofes. Man muß schon sagen: Äußerst bescheiden, äußerst bescheiden!

    Ich habe bereits bei der letzten Lesung auf ein altes Dokument der Sozialdemokratischen Partei aufmerksam gemacht, das heute nicht mehr modern ist. Gestatten Sie mir, daß ich etwas aus alten Dokumenten zitiere, die zum Teil zu einer Zeit abgefaßt waren. als August Bebel noch am Leben war. Im Erfurter Programm der Sozialdemokratischen Partei aus dem Jahre 1891 wurde über die Justiz folgendes erklärt:
    Die Sozialdemokratische Partei fordert eine Rechtsprechung durch vom Volk gewählte Richter.
    Das war 1891. Im Jahre 1921 erklärte der Sozialdemokratische Parteitag in Görlitz:
    Die Sozialdemokratie verlangt die entscheidende Mitwirkung! gewählter Volksrichter in allen Zweigen der Justiz.
    Ich vermisse Ihren Zwischenruf bei dem Wort „Volksrichter", Herr Kollege Schoettle.

    (Lachen bei der SPD.)



    (Fisch)

    Im Heidelberger Parteiprogramm von 1925 ist das Postulat der Sozialdemokratischen Partei „die entscheidende Mitwirkung gewählter Laienrichter in allen Zweigen und auf allen Stufen der Justiz". Herr Kollege Schoettle, wo war Ihre Initiative zur Verwirklichung dieser alten Grundsätze der Sozialdemokratischen Partei bei der zweiten Lesung dieses Gesetzes?

    (Abg. Schoettle: Warum plagen Sie sich eigentlich so, Herr Fisch?)

    - Weil Sie mich durch Ihre freundliche Geste erfreuen und weil Sie mich ermuntern, Sie etwas an Ihre Knabenzeit zu erinnern, die weit hinter Ihnen liegt.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Schließlich könnte ich noch auf ein Dokument hinweisen, das jüngeren Datums ist, auf das Aktionsprogramm der Sozialdemokratischen Partei von 1934, in dem gleichfalls die Volksjustiz gefordert wurde und in dem auch gegen die Unabsetzbarkeit einer Klassen- und Kastenjustiz Stellung genommen wurde. Alles dies ist heute vergessen, Herr Kollege Schoettle.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich sehe jetzt schon, wie Sie bei der Abstimmung den Arm heben werden, um der Vorlage, wie sie im wesentlichen aus dem Adenauerschen Justizministerium hervorgegangen ist, Ihre Zustimmung zu erteilen.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Das stimmt ja gar nicht!)

    Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine Handhabe gegen jede politische Bewegung, die die Einheit und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes wiederherstellen will.

    (Lachen und Hu-Rufe in der Mitte.)

    Es ist eine Handhabe dazu, alle jene politischen Versuche als ungesetzlich und verfassungswidrig zu erklären, die im Interesse unseres Volkes den Frieden und die Einheit Deutschlands wiederherstellen wollen.

    (Lachen in der Mitte. — Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Unter dem Deckmantel einer scheinbaren Gesetzlichkeit wird ein System der Verfemung und Verfolgung in Gesetze niedergelegt,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Wo denn? — Zuruf von der SPD: Denken Sie an das Gesetz zum Schutze des Friedens!)

    das die freie Meinungsäußerung strangulieren soll,

    (Lachen und Zurufe)

    ein System, das eine Ausnahmejustiz konstituieren soll gegen alle jene, die sich nicht einverstanden erklären mit dem Kurs des Petersberges und mit der verhängnisvollen Entwicklung

    (Zuruf von der SPD: Von Karlshorst!) in eine kriegerische Katastrophe.


    (Zuruf in der Mitte: Mit dem Politbüro! — Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Ihr seid vielleicht friedlich!)

    In den letzten Tagen und Wochen haben maßgebliche Leute der Bundesregierung des öfteren ihre enge Verbundenheit mit der westlichen Welt zu unterstreichen für notwendig befunden,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Gott sei Dank!)

    insbesondere ihre Orientierung auf die amerikanische Politik. Mir scheint, daß auch die heutige
    Vorlage diese Orientierung auf die westliche, auf die amerikanische Politik äußerst gewissenhaft zum Ausdruck bringt.

    (Zuruf des Abg. Jacobi.)

    Es ist westliche, genauer gesagt, amerikanische Tradition, daß man im Verkehr mit Völkern, die man als Kolonialobjekte betrachtet,

    (Zuruf rechts: Unsinn!)

    gewisse Methoden der Teilung der Gewalten anwendet. Ich verweise auf die Geschichte des amerikanischen Imperialismus, etwa in Haiti oder in San Domingo, wo die herrschende Macht die Panzer und die Kapitalanteile stellte und den Einheimischen die Gesetzgebung und die Formulierung der Paragraphen im einzelnen überließ, die das System der amerikanischen Herrschaft legalisieren sollten.

    (Zuruf in der Mitte: Ach du meine Güte!)

    Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird in der dritten Lesung den Entwurf des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ablehnen. Sie ist davon überzeugt, daß dieses Gesetz nicht für die Ewigkeit geschaffen ist.

    (Lachen.)

    Sie ist davon deshalb überzeugt, weil sie weiß, daß die schöpferische Kraft unseres Volkes über solche Leistungen bald zur Tagesordnung, zu einer besseren Tagesordnung übergehen wird.

    (Beifall bei der KPD. — Lachen und Zurufe.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Schoettle: Doch, Herr Präsident!) — Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Abgeordneten Fisch eine C Aufklärung schuldig.

    (Zuruf rechts: Das lohnt nicht!)

    — Ob sich's lohnt, das müssen Sie nachher entscheiden.

    (Zuruf rechts: Nicht Ihretwegen, sondern wegen da drüben!)

    Ich sagte, ich bin dem Abgeordneten Fisch eine Aufklärung schuldig. Er hat kritisiert, daß ich gelächelt habe. Es gibt in diesem Hause nicht oft Gelegenheit, zu lächeln. Aber ich habe gelächelt, ganz offen gestanden, Herr Kollege Fisch, weil mir bei Ihrer Vorlesung, die Sie ja nicht selber verbrochen haben
    — das kann jeder nachprüfen —,

    (Zuruf des Abg. Fisch)

    so recht deutlich geworden ist der Zwiespalt zwischen

    (Zuruf von der KPD: Na?)

    dem, was hier in diesem Hause trotz mancher Verschiedenheiten, trotz vieler tiefgehender Meinungsverschiedenheiten von der Mehrheit gewollt wird, und dem, was Sie wirklich wollen, aber nicht zu sagen wagen. Ich verstehe Ihre Haltung durchaus, Herr Kollege Fisch;

    (Zuruf des Abg. Fisch)

    aber die Mühe, die Sie sich hier gemacht haben, Ihr wahres Gesicht hinter Argumenten zu verbergen, die so aussehen wie die Verteidigung eines Rechtsstandpunktes, steht doch in einem so grotesken Gegensatz zu Ihrer eigenen Praxis, daß jeder, der Sie und Ihre Freunde kennt, darüber nur lächeln kann. Und das habe ich getan.

    (Beifall. — Zuruf von der KPD: Das war aber dünn! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nein, das war recht gut!)