Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens der Minderheit des Vermittlungsausschusses - also keineswegs etwa namens meiner Fraktion — hier folgendes erklären. Für den gesunden Menschenverstand
ist das, was hier vorgeschlagen wird, kaum faßbar. Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses soll der Bundestag besch ließen — lassen Sie den konkreten Anlaß weg! -, den Entwurf eines Gesetzes in der Weise zu ändern, daß unter Änderung eines Beschlusses ein Antrag abgelehnt wird.
Ich glaube nicht, daß diese Fassung des Vorschlages des Vermittlungsausschusses ein Zeugnis dafür ist, daß die Frage, ob es noch „Vermittlung" sei, wenn man etwas, was beschlossen ist, ganz und gar ablehnt, gerade sehr sorgfältig beraten ist. Bei der Beratung im Vermittlungsausschuß hat man es darauf abgestellt, daß der Ausschuß in Art. 77 nur die Bezeichnung eines „Ausschusses für gemeinsame Beratung von Vorlagen" bekommen habe. Es ist aber übersehen worden, daß in Abs. 2 desselben Art. 77 vorgeschrieben ist, daß das Verfahren dieses Ausschusses durch eine vom Bundestag und Bundesrat zu verabschiedende Geschäftsordnung geregelt wird, und daß in dieser Geschäftsordnung, die das Verfahren regelt, der Ausschuß dann die sehr klare und eindeutige Bezeichnung „Vermittlungsausschuß" bekommen hat. Es soll also zwischen zwei Auffassungen ein mittlerer Weg gefunden werden. Dem entspricht die Geschäftsordnung, die vorsieht, daß ein „A n de r u n g s v o r-s c h 1 a g" zu einem Gesetz spätestens in der zweiten Beratung vorgelegt sein muß, daß dann, wenn sich in der dritten Beratung keine Einigung auf einen Änderungsvorschlag ergibt, die Vermittlung gescheitert ist.
Ich bin der Ansicht, daß ganz unabhängig von dem gegenwärtigen Anlaß die Frage nicht hinreichend geprüft worden ist, ob der Bundesrat tatsächlich den Vermittlungsausschuß anrufen kann mit dem Ziele, durch das Vermittlungsverfahren selbst eine Aufhebung eines Gesetzesbeschlusses
des Bundestages herbeizuführen. Die Situation ist nämlich so: Kommt eine Vermittlung, also eine mittlere Linie, nicht zustande, so kann nach Art. 77 Abs. 3 der Bundesrat Einspruch einlegen. Legt er ihn, wie es hier der Fall wäre, mit größter Mehrheit ein, so kann der Bundestag auf seinem Gesetz nur bestehen mit Zweidrittelmehrheit, und zwar mit einer Mehrheit, die mindestens der Mehrheit der Abgeordneten selbst entspricht. Dieser Weg muß gegangen werden. Wird er gegangen, so ist der Bundestag bei jeder Vorlage ermächtigt und berechtigt, zur Sache selbst durch beliebig lange Ausschußberatungen Stellung zu nehmen, um, wenn ein Gesetzgebungswerk, wie es hier nach der Meinung der Mehrheit des Vermittlungsausschusses der Fall ist, wegen Zeitnot allzu sehr im Galopp verabschiedet worden ist, die einschlägige Materie von allen Seiten genau zu beleuchten und zu erwägen.
Heute, hier, kann der Bundestag zur Sache überhaupt keine Stellung nehmen. Es ist verboten, Änderungsvorschläge zu machen. Wir können nicht einmal an diesem — darf ich das Wort gebrauchen — Galimathias eines Beschlusses irgendein Wort ändern. Wir können es also nur billigen oder mißbilligen, daß „ein Gesetz" dahin geändert wird, daß durch die Aufhebung eines Beschlusses ein Antrag abgelehnt wird. Die Tatsache einer solchen Gesetzesänderung muß dann ja wohl in das Bundesgesetzblatt aufgenommen werden; denn es handelt sich doch um ein geändertes „Gesetz". Deswegen glaube ich, daß wir mit dieser Form hier unter keinen Umständen weiterkommen können, ohne uns gesetzestechnisch — darf ich sagen — zu blamieren.
Ich schlage daher vor, der Bundestag möge diesen Vorschlag ablehnen. Damit ist in der Sache selbst noch gar nichts entschieden; denn es kommt dann wie das Amen in der Kirche der Einspruch des Bundesrats, und dann haben wir zur Sache in aller Breite, unter völlig freien Umständen neu Stellung zu nehmen, etwa auch zu der Frage der Unmöglichkeit, das Gesetz mit der Verlängerung von Fristen neu einzuführen, und zu allen sonstigen Problemen, die mit der Vorlage selbst in Verbindung stehen. Ich habe also namens der Minderheit des Ausschusses zu beantragen, daß der Antrag des Vermittlungsausschusses abgelehnt werde.