Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf interfraktionellen Antrag hin hat der Bundestag in seiner 104. Sitzung am 6. Dezember vorigen Jahres ohne Ausschußberatung in drei Lesungen das Gesetz zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechts beschlossen. Gegen dieses Gesetz hat der Bundesrat einstimmig den Vermittlungsausschuß angerufen. Das Gesetz verlängerte insbesondere die Fristen im Bereich des britischen Besatzungsgebietes oder, richtiger gesagt, beabsichtigte, diese Fristen zu verlängern, durch die insbesondere der sogenannte „numerus clausus" aufrechterhalten wurde, also die Beschränkung, daß man als Anwalt auch trotz bestandener Staatsprüfungen nur dann zugelassen werden kann, wenn ein Bedürfnis der geordneten Rechtspflege dafür anzunehmen ist. Der Bundesrat hat gegen dieses Gesetz verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht, vor allem Bedenken aus Art. 12 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Berufswahl gewährleistet. Der Vermittlungsausschuß hat es weder für erforderlich noch für zweckmäßig erachtet, seinerseits eine Entscheidung darüber treffen zu wollen, ob diese verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesrates begründet waren oder nicht, sondern hat schon den Umstand, daß diese verfassungsrechtlichen Bedenken immerhin sehr beachtlich und schwerwiegend erschienen und auch von einem Teil der Mitglieder des Bundestages geteilt wurden, für hinreichend erachtet, dem Bundestag zu empfehlen, diesen Gesetzesbeschluß wieder aufzuheben. Dazu sah sich der Vermittlungsausschuß um so mehr veranlaßt, als der eigentliche Zweck dieses Gesetzes, nämlich eine Verlängerung der Fristen zu erzielen, gar nicht mehr erreicht werden kann, da diese Fristen in der Hauptsache bereits mit Ende des vergangenen Jahres abgelaufen sind und nur durch ein rückwirkendes Gesetz nachträglich wieder in Kraft gesetzt werden könnten, wobei aber das, was sich in der Zwischenzeit ereignet hat, keinesfalls mehr rückgängig gemacht werden kann. Aus diesen Gründen rechtfertigt sich der mit einer mindestens ganz überwiegenden Mehrheit im Vermittlungsausschuß beschlossene Antrag.
Ich darf dazu noch folgendes bemerken. Es ist im Vermittlungsausschuß auch beraten worden, ob man sich dem Antrag anschließen solle, den der Herr Bundesjustizminister hier im Plenum des Bundestags vorgebracht hatte. Der Vermittlungsausschuß hat aus verschiedenen Gründen davon Abstand genommen, einmal aus dem verfahrensrechtlichen Grunde, weil es nicht zulässig erschien, ein Gesetz durch ein völlig anderes Gesetz zu er-
setzen, und zweitens aus dem Grunde, weil auch der von dem Herrn Bundesjustizminister hier im Plenum des Bundestags vorgebrachte Antrag nicht ganz ohne verfassungsrechtliche Bedenken ist.
Der Vermittlungsausschuß hat weiterhin eingehend die Frage erörtert, ob es zulässig ist, dem Bundestag einen Beschluß dahin vorzuschlagen, daß unter Abänderung eines Gesetzesbeschlusses dieser ganze Antrag abgelehnt wird; denn die Frage war, ob eine völlige Ablehnung eines Gesetzes noch die Abänderung mitenthalte. Wir haben uns mit großer Mehrheit nach sorgfältiger Prüfung auf den Standpunkt gestellt, daß eine Abänderung in der Sache, wie sie der Vermittlungsausschuß nach dem Grundgesetz vorschlagen kann, auch die Zurücknahme eines Gesetzesbeschlusses ist.
Ich bitte Sie deshalb namens des Vermittlungsausschusses, diesem Antrag zuzustimmen.