Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Remontagekredite ist eine notwendige Folge des Demontagestopps. Die
Frage nach der wirtschaftlichen Berechtigung von Remontagekrediten läßt sich verhältnismäßig leicht und schnell mit Ja beantworten, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Einmal die Voraussetzung, die auch in der Interpellation der FDP-Fraktion zum Ausdruck kommt, nämlich daß es sich um Nichtkriegsindustrien handelt. Die zweite Voraussetzung, die zu machen ist, klingt in der Interpellation der FDP zwar an. Es heißt dort, daß sich durch die Remontage eine erhebliche Exportsteigerung erreichen läßt und schließlich industrielle Engpässe beseitigt werden können. Ich möchte diese Voraussetzung noch unterstreichen und sagen: Wenn man einen Gesamtkreditbedarf von etwa 650 Millionen zugrundelegt und wenn man auf der anderen Seite mit etwa 45 bis 50 Millionen rechnet, so muß eine Auslese getroffen werden; es ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit einer skalenmäßigen Staffelung dieser Kredite nach dem ökonomischen Effekt.
Da sollten wir folgendes nicht übersehen: Der produktive Einsatz der noch in zahlreichen verarbeitenden Zweigen vorhandenen Kapazitäten — wie im Fahrzeugbau, in der Elektrotechnik, Eisen- und Metallwarenindustrie, Maschinenbau, Feinmechanik und Optik — wird vornehmlich durch den Wohnraummangel, durch die Lage in der Energieversorgung und durch die Lage im Bereich der Basisindustrien erschwert. Ich darf darauf hinweisen, daß große Disproportionalitäten zwischen Hochöfen, Stahlerzeugungsanlagen und Formgebungsstätten bestehen. Die Maßnahmen, die in dieser Situation zu einer organischen Ausweitung des Produktionsspielraumes getroffen werden können, müßten sich also in erster Linie auf den Ausbau der Basisindustrien und der Energiekapazitäten sowie auf die Förderung des Exports beziehen.
Meine Damen und Herren! Vom Herrn Bundeswirtschaftsminister ist uns gesagt worden, daß die Bundesregierung so etwas wie ein Programm für die Remontagekredite aufzustellen beabsichtige. Es sei uns gestattet, dieses Programm mit der gebührenden Skepsis hinzunehmen. Diese Skepsis basiert einmal auf der Tatsache, daß sich bereits vor etwa rund einem Jahr der Herr Bundeswirtschaftsminister bemühte, den Bundesfinanzminister dahin zu bestimmen, 150 Millionen für Remontagekredite in den außerordentlichen Etat des Bundes hineinzunehmen. Der Bundesfinanzminister gab diese Anforderung von 150 Millionen mit dem Ersuchen zurück, sie doch in das Wirtschaftsförderungsprogramm einzusetzen. Das Wirtschaftsförderungsprogramm schrumpfte zum Engpaßprogramm zusammen, und das letzte, was man darüber weiß, ist, daß die letzten Veröffentlichungen darüber im Juni 1950 erfolgt sind.
Die zweite Tatsache, auf die sich unsere Skepsis stützt, ist, daß vor fast genau einem Jahr das Hohe Haus den Beschluß faßte, die Bundesregierung zu ersuchen, ein eingehendes Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit dem Ziel der Vollbeschäftigung vorzulegen. Fünf Monate später erkundigten wir uns in einer Interpellation nach dem Wohlergehen dieses Beschlusses, und das Hohe Haus beschloß am 14. 7. 1950 einstimmig, die Bundesregierung zu beauftragen, dem Bundestag beschleunigt das in Aussicht gestellte Arbeitsbeschaffungsprogramm vorzulegen und dabei präzise Angaben zu machen. Das letzte, was man darüber hörte oder las, steht in dem Bericht der 18. Übersicht über die im Bundestag vorliegenden Anträge nach dem Stand vom 18. 1. d. J.; dort heißt es:
Überwiesen an Wirtschaftsausschuß und an den
Ausschuß für Geld und Kredit.
Meine Damen und Herren! Kollege Professor Nölting sagte bei der Interpellation im Juli des vergangenen Jahres:. „Wir werden auch dann noch nicht die Arbeitslosigkeit beseitigt haben, aber wir werden uns wenigstens auf einem überschaubaren Gelände bewegen". Nun, das war ein sträflicher Optimismus. Das Gelände ist vielleicht etwas beleuchtet worden durch die jetzt herausgegebene Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums. Dieser Wissenschaftliche Beirat hat kurz vor Weihnachten ein Gutachten erstellt und darin eine sehr scharfe Kritik an der Kapital- und Kreditpolitik des Bundeswirtschaftsministeriums geübt.
Diese Kritik erstreckt sich einmal darauf, daß die Selbstfinanzierung eine weitere Verzerrung der an sich schon gegebenen Disproportionalität bewirkt hat. Es heißt wörtlich:
In großem Umfang sind Investitionen zustande gekommen, die der volkswirtschaftlichen Dringlichkeit nicht entsprechen.
Weiter heißt es:
Die Entwicklung hat dazu geführt, daß die Selbstfinanzierung im Bereich der Verarbeitungsindustrien und des Handels Ausmaße angenommen hat, die zu Wachstumsstörungen der Gesamtwirtschaft führten. Die Gesamtentwicklung stößt daher hier auf Engpässe, die die notwendige Steigerung des Sozialprodukts verhindern und sogar den gegenwärtigen Produktionsstand gefährden.
Meine Damen und Herren, das ist ein Zeugnis des Wissenschaftlichen Beirates des Bundeswirtschaftsministeriums kurz vor Weihnachten, das man wohl mit „kaum genügend" bezeichnen muß.
Das Gutachten empfiehlt ferner besondere Zielpunkte für die Kapital- und Kreditpolitik der Bundesregierung und stellt als solche die Zweige Wohnungsbau, Versorgungsbetriebe, Grundstoffindustrien, Verkehrsbetriebe und Unternehmungen mit besonderer Exportleistung heraus. Das sind im wesentlichen wörtlich genau dieselben Wirtschaftszweige, die das Wirtschaftsprogramm meiner politischen Freunde vom Mai des vergangenen Jahres enthielt, für das der Bundeswirtschaftsminister das Prädikat „primitiv" fand. Wir freuen uns, daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums 7 Monate später zu dem gleichen Stand der Primitivität herauf- oder heruntergekommen ist.
Das, meine Damen und Herren, sollte eigentlich Veranlassung sein, sich dieses Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates genauer anzusehen. Es fordert nämlich in Anbetracht der Kapitalknappheit und der Notlage in den Engpaßindustrien einen konzentrischen Einsatz der Kreditmittel nach diesen Gesichtspunkten. Wir hätten es gern gesehen, wenn die Auskunft der Bundesregierung hinsichtlich der Remontagekredite ebenfalls in diesem Rahmen stehen würde, nämlich im Rahmen konzentrischen Einsatzes dieser Mittel auf die Punkte, die eben in der gegenwärtigen Situation für die Existenz unserer Gesamtwirtschaft unabdingbar sind. Das ist die Kritik und das ist der Vorbehalt, mit denen wir an diese Vorhaben der Remontagekredite herangehen.